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Schule als soziales System -  Dieter Spanhel

Schule als soziales System (eBook)

Eine Theorie der Einzelschule als Orientierungsrahmen für Schulentwicklung
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
267 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8514-3 (ISBN)
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Schule als ein Netz sozialer Kommunikationen ist auf das Sinnkriterium »Lernen« ausgerichtet. Aus systemtheoretischer Sicht funktioniert sie im Zusammenspiel ihrer Strukturen, Prozesse und Regulationen, in das die selbstgesteuerten Lernprozesse der Schüler/innen eingelagert sind. Im Zentrum stehen eine Schulkultur und eine Lernkultur der Offenheit. Schule als lernendes System verfügt über Handlungs-, Reflexions- und Selbststeuerungsfähigkeit. Deshalb kann sie sich selbst beobachten, ihren Entwicklungsstand bewerten und einen Prozess zur Verbesserung der Schulqualität initiieren, steuern und evaluieren.

Prof. (em.) Dr. Dieter Spanhel: Nach einer Tätigkeit als Volksschullehrer und Zweitstudium Wissenschaftlicher Assistent und Professor für Pädagogik an der Katholischen Universität Eichstätt. 1982 bis zur Emeritierung 2005 Inhaber eines Lehrstuhls für Allgemeine Pädagogik an der Universität Erlangen-Nürnberg; Beirat am Kompetenzzentrum für Schulentwicklung der Universität Erlangen-Nürnberg; 25 Jahre in der Lehrerausbildung und -fortbildung sowie in der Ausbildung von Beratungslehrern/innen tätig.

Einleitung


Eine Theorie der Einzelschule ist unabdingbar für eine Erfolg versprechende Schulentwicklung. Diese ist dringend notwendig, damit Schule die gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen bewältigen kann, die aus den tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen in der Folge des digitalen Wandels und der Corona-Pandemie resultieren. Seit Beginn der 2000er Jahre herrscht die Überzeugung vor – und sie wird von empirischen Belegen untermauert –, dass alle Bemühungen um Schulentwicklung bei der Einzelschule ansetzen müssen (Pirner u. a. 2019). Ansätze, Maßnahmen und Modellversuche zur Schulentwicklung auf der Basis von Konzepten und Forschungsergebnissen der externen oder internen Schulevaluation haben bisher gewisse Fortschritte gebracht. Sie reichen jedoch für die notwendigen Veränderungen von Schule und Unterricht nicht aus, wie sie aufgrund der neuesten Ergebnisse der internationalen Vergleichsstudien dringend geboten erscheinen. Nach den neuesten Ergebnissen der PISA-Studie 2022 haben sich seit der letzten Untersuchung 2018 bei den 15-jährigen Schülern/innen die Lernleistungen in allen gemessenen Bereichen Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften deutlich verschlechtert. Dieser Absturz lässt sich nicht allein den Schwierigkeiten des Unterrichtens während der Corona-Pandemie und der zunehmenden Zahl an Kindern mit Migrationshintergrund zuschreiben. Aber sie haben die Probleme der Schule weiter verschärft und schonungslos offengelegt. Unsere Schulen befinden sich in einer tiefen Krise und viele haben das noch gar nicht richtig begriffen und sind verunsichert.

Das Starren auf die Testleistungen der 15-Jährigen verstellt den Blick auf die enormen Herausforderungen, unter denen unsere Schulen seit Jahren arbeiten. Sie liegen in der Diskrepanz zwischen hohen Lernanforderungen angesichts des rasanten digitalen Wandels einerseits und miserablen schulischen Lernbedingungen andererseits. Die PISA-Testleistungen beruhen auf den Ergebnissen jahrelanger, aufeinander aufbauender Lernprozesse an den einzelnen Schulen, die sich unter schwierigen Rahmenbedingungen um gute Lernleistungen der Schüler/innen bemühen. Zwar ist es nicht die vorrangige Aufgabe der Schule, die Heranwachsenden auf gute Leistungen in den PISA-Tests vorzubereiten. Aber die Testergebnisse verweisen auf unzureichende Lernbedingungen und auf Ansatzpunkte für notwendige Verbesserungsmaßnahmen an allen Schulen. Bisher haben sich allerdings nur einige wenige auf den Weg gemacht und sich in einem oft schwierigen Entwicklungsprozess neu aufgestellt, um den Anforderungen einer Gesellschaft im digitalen Wandel gerecht zu werden.

Für einen Neuansatz ist ein Perspektivenwechsel bei der Betrachtung der einzelnen Schule erforderlich, um neue Möglichkeiten und alternative Konzepte für die Initiierung, Konzipierung und Begleitung zielführender Maßnahmen und Prozesse der Schulentwicklung in den Blick zu bekommen. Das ist schwierig, weil alle Beteiligten und Betroffenen, Lehrkräfte, Schüler/innen, Schulleitungen, Eltern und Vertreter/innen der Schuladministration sowie Schulforscher/innen sich in den Bahnen und Routinen jahrzehntelang eingefahrener Theorie- und Praxiskonzepte bewegen. Deshalb ist es notwendig, in Distanz zu dieser Praxis zu treten und Beobachtungsinstrumente zu gewinnen, die einen neuen Blick auf Schule eröffnen. Mit der folgenden Theorie versuche ich eine solche reflexive Distanz herzustellen und Begriffe als Beobachtungsinstrumente anzubieten, die es ermöglichen, die Schule aus einer veränderten Perspektive zu betrachten und verborgene Zusammenhänge und Funktionsweisen, Voraussetzungen und Hemmnisse für eine Verbesserung der Schulqualität aufzudecken.

Der Neuansatz, der hier verfolgt werden soll, geht von einer Betrachtung der Einzelschule als soziales System aus und beruht auf einem systemtheoretisch-konstruktivistischen Ansatz. Eine Theorie der Schule auf dieser Basis wurde bislang noch nicht explizit und systematisch ausgearbeitet. Nach meiner Überzeugung ist ein systemtheoretischer Ansatz komplex genug, um die enorme Komplexität des Systems Schule zu erfassen, an der bisher die meisten Bemühungen um Schulentwicklung gescheitert sind. Nach dem Misslingen der Bildungsreformen und Versuchen zur Schulentwicklung auf der Basis von Top-down-Modellen in den 1970er und 1980er Jahren kam erst gegen Ende der 1990er Jahre die einzelne Schule als Ganzes in den Blick. Schulen wurden nun als pädagogische Handlungseinheiten verstanden (Fend 2008). Ihre besondere Eigenart versuchte man mit ihrer Kennzeichnung als Institution oder Organisation zu erfassen, aber es wurden daraus keine umfassenden oder weiterführenden Konzepte zur Schulentwicklung abgeleitet. Seit Anfang der 2000er Jahre richtete die Bildungsforschung ihren Fokus auf die Frage der Schulqualität, speziell auf die Qualität der Lernleistungen der Schüler/innen und die Möglichkeiten ihrer Verbesserung durch Schulentwicklung. Der Zusammenhang zwischen Schulqualität und Schülerleistungen ist allerdings keineswegs eindeutig. So verweisen Ditton und Müller (2011, S. 105) auf einen weithin geteilten Befund der empirischen Bildungsforschung. Demnach verbleibt „ein Varianzanteil von 20 % bis 50 % der Schülerleistung, der durch das Bildungswesen erklärt werden kann.“ Dies zeigt zwar die enorme Bedeutung der Schulqualität für die Schülerleistungen, die große Schwankungsbreite zwischen 20 % und 50 % verweist aber auch darauf, dass sich daraus kein stimmiges Konzept von Schulqualität ableiten lässt. Nach Eikenbusch (2016, S. 150) könne es „kein global wirksames Konstrukt von Schulqualität geben. Dann gibt es auch keine Einbahnstraßen oder Patentlösungen, sondern jede Schule muss immer wieder lernen (und lehren), Qualität zu entwickeln, qualitätsbewusst zu handeln und sich auf den Prüfstand zu stellen.“

Bereits seit den 1980er Jahren wurden praktische und theoretische Konzepte für eine „lernende Schule“ entwickelt, dafür, wie die einzelnen Schulen als lernende Organisation oder Institution ihre Qualität verbessern könnten. Ein solches Praxisprojekt zur Förderung von Schulentwicklung ist der 2006 von der Robert Bosch Stiftung und der Heidehof Stiftung gegründete Deutsche Schulpreis, an dem sich alle Schularten beteiligen können. Bis zum heutigen Tag haben mehrere Hundert Schulen teilgenommen. Fauser, Prenzel, Schratz (2007, S. 8ff.) haben als Grundlage für den Deutschen Schulpreis sechs Qualitätsbereiche guter Schulen beschrieben. Ihre Begründung und Entwicklung wurden später in dem „Handbuch Gute Schule“ von P. Fauser genauer dargelegt (Beutel u. a. 2016, S. 170ff.). Diese Qualitätsbereiche dienen den Bewerberschulen für den Deutschen Schulpreis als Orientierungsrahmen für ihren Prozess der Schulentwicklung. In einem der Qualitätsbereiche wird eine gute Schule als „lernende Institution“ gekennzeichnet und darauf werden große Hoffnungen gesetzt. Die Notwendigkeit von Schulentwicklung wird mit dem Hinweis begründet, dass Schule nicht nur auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren muss, sondern dass sie selbst ein Faktor gesellschaftlicher Veränderung ist, eine Investition in eine bessere Zukunft. Prinzipien für Schulentwicklung und Beispiele für Entwicklungsmaßnahmen werden aufgeführt. Die Preisträgerschulen geben faszinierende Beispiele dafür, wie sie sich verändern, in ihren Entwicklungsprozessen lernen und wie sich das nicht nur auf die Lernleistungen, sondern auch auf die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler auswirkt.

Aber auch diese Kennzeichnung der Schule als lernende Institution enthält keine genauen Angaben und theoretischen Begründungen dafür, wie das Lernen einer Schule als Institution genau funktioniert, wie sie das Gelernte speichert und weitergibt und wie sich das Lernen der Schule auf die Lernleistungen der Schüler/innen auswirkt. Über dieses Konzept der „lernenden Schule“ hinaus gibt es vielfältige andere Ansätze und Auflistungen hinsichtlich der Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für Schulentwicklung, der Anforderungen an Schulleitungen und Lehrkräfte, der Strategien und Arbeitsweisen und der Gestaltung eines pädagogischen Arbeitsraumes (z. B. Eikenbusch 1998). Aber bis heute ist es nicht gelungen, die besonderen Prozesse und Leistungen einer lernenden Schule so zu präzisieren, dass daraus klare Folgerungen für Forschung und Praxis abgeleitet werden können. Vielmehr bestehen immer noch Bedenken und Zweifel, ob Schulen überhaupt lernen können: „Schulen können ja gar nicht...

Erscheint lt. Verlag 4.9.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik
ISBN-10 3-7799-8514-4 / 3779985144
ISBN-13 978-3-7799-8514-3 / 9783779985143
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