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Die Leuchttürme der Stevensons (eBook)

Historischer Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-5610-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Leuchttürme der Stevensons -  Sabine Weiß
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Vom schwarzen Schaf der Familie zum weltberühmten Schriftsteller - ein packender Roman über eine Leuchtturmbauer-Dynastie und die frühen Jahre Robert Louis Stevensons, Autor von DIE SCHATZINSEL und DR. JEKYLL UND MR. HYDE

Schottland, 1868. Der fast 18-jährige Robert Louis Stevenson träumt von einem Leben als Schriftsteller. Eine Zeitlang lässt sein Vater ihn gewähren, doch als Robert sein Studium vernachlässigt und sich unstandesgemäß verliebt, muss er Edinburgh verlassen. Wenig später nimmt sein Vater ihn mit auf eine Inspektionsreise zu den Leuchttürmen, für deren Konstruktion die Männer der Familie berühmt sind: wahnwitzigen Bauten inmitten der schottischen See. Zum ersten Mal sieht Robert auch den Dubh Artach, den sein Vater gerade auf einem Riff im Atlantik errichtet - und riskiert auf der kleinen, sturmumtosten Felseninsel sein Leben. Er weiß: Bricht er mit der Tradition, wird er seine Familie verlieren. Aber kann er so wirklich leben?

Ein beeindruckender Roman über eine heute wenig bekannte Lebensphase des weltberühmten Schriftstellers



<p><strong>Sabine Weiß</strong> arbeitete nach ihrem Germanistik- und Geschichtsstudium als Journalistin. Seit 2007 veröffentlicht sie erfolgreich Historische Romane, seit 2016 auch Kriminalromane um Kommissarin Liv Lammers. Wenn sie nicht gerade mit ihrem Camper die Schauplätze ihrer Romane recherchiert, lebt Sabine Weiß mit ihrem Mann und ihrem Sohn in der Nähe von Hamburg. Ihr neuster Roman führte sie auf den Spuren der »Leuchtturm-Stevensons« nach Schottland.</p>

Prolog


Edinburgh, 1857


Finsternis. Flappernde, klappernde Finsternis. Schwarz wie Ruß. Dunkelgrau gleich dem Gestein tödlicher Riffe, denen sein Papa den Schrecken nimmt. Seehundbraun wie die Leichentücher, die in den Geistergeschichten seiner Amme viel zu oft auftauchen. Die Angst lässt ihn erstarren. Heiß und kalt zugleich ist ihm. Wenn seine Eltern doch bei ihm wären! Er wagt weder, einen Laut von sich zu geben, noch zu atmen. Doch in seinem Hals krabbelt es wie in einer spinnenverseuchten Seeräuberhöhle. Weit aufgerissen seine Lider, das Herz in gestrecktem Galopp. Plötzlich blitzen im Dunkel Dämonenaugen auf, schauriges Getöse dröhnt in seinen Ohren. Nun hält er es nicht mehr aus. Sein Schrei zerreißt die Nacht: »Cummy! Sie kommen!«

Jemand umfängt ihn, neigt sich an sein Ohr. »Da ist niemand, Lou«, versucht seine Amme ihn mit sanfter Stimme zu beruhigen. Erst jetzt fällt ihm wieder ein, dass er, eng eingerollt in Decken, auf ihrem Schoß sitzt und sie gemeinsam aus dem Fenster schauen. Wie hat er das vergessen können? Es muss das Fieber sein, das ihn so dösig macht.

»Wir müssen uns nicht fürchten. Der Herr schickt uns heute Sturm. Siehe, es wird ein Wetter des Herrn mit Grimm kommen; ein schreckliches Ungewitter wird den Gottlosen auf den Kopf fallen.« Lou hört das Bibelwort in Cummys klarem Vorleseton kaum noch, denn prompt reißt der erste Huster seine Brust auf. Dass er gesprochen hat, war der Dammbruch. Weitere folgen, und bald sticht der Husten wie mit tausend Dolchen zwischen seine Rippen. Er muss ein böses Kind sein, dass Gott ihn so leiden lässt, das ist ihm trotz seiner erst sechs Jahre klar, egal was Cummy sagt. Der Hustenkrampf schüttelt ihn, bis sein Kopf zu platzen droht, seine Augen hervortreten und ihm Blut den Hals hochkriecht.

Seine Amme rückt das Senfpflaster auf seiner Brust zurecht und streicht ihm über den Rücken. Wie lieb sie ist und wie geduldig! Er ist froh, dass er sie hat. Trotz allem.

»Atme ruhig, Lou, dann lässt der Anfall auch wieder nach. Schau mal, dort hinten, dein Spielzeug. Wollen wir morgen mit dem Papiertheater spielen? Wir können auch mit den Zinnsoldaten die Schlacht von Waterloo nachstellen – das magst du doch so gern. Und wenn es dir besser geht, kann Bob dich noch einmal besuchen.«

Nichts möchte er lieber, als dass sein Cousin wieder bei ihm wohnt. Sein Blick fällt auf die Landkarten von Nosingtonia und Encyclopaedia, die sie gemalt haben. Aber er kann keine Sekunde länger über die Spiele nachdenken. Er bekommt keine Luft! Vor lauter Husten schnürt sich seine Kehle zu. Sein Leib schmerzt von der Kopfhaut bis zu den Zehenspitzen. Und draußen, vor ihrem Haus in der Heriot Row, toben noch immer die Dämonen. Er kann hören, wie sie an den Fenstern rütteln und ihn holen wollen.

»Ruhig jetzt. Wenn es dir noch schlechter geht, müssen wir den Doktor mit den Blutegeln kommen lassen. Du erinnerst dich doch sicher noch ans letzte Mal«, mahnt Cummy.

Lou heult bei der Erinnerung an die pechschwarzen, schneckengleichen Tiere auf seinen Fußrücken und das viele Blut auf seiner Haut auf. Anschließend hatte der Arzt die Wunden mit einem glühenden Eisen ausbrennen müssen. So schlimme Schmerzen! Das will er nicht – nie wieder! Panisch versucht er, Angst und Hustenreiz im Zaum zu halten. »Papa! Mama! Ich will zu ihnen!«, bricht es aus ihm heraus, obgleich er doch so gern tapfer sein möchte.

»Deine Eltern sind beschäftigt. Der Herr wacht über dich. Und ich wache über dich.«

Eine Ahnung ergreift von ihm Besitz. »Spielen sie Karten?«, fragt Lou, als nach einer Weile der Hustenanfall verebbt. Er hat Blutgeschmack zwischen den Lippen. Seine Stimme ist dünn. Allein der Gedanke vervielfacht seine Ängste noch. Kartenspiele sind Teufelswerk und führen direkt in die Hölle. Lou sieht seine Eltern im Höllenfeuer unendliche Qualen leiden.

Cummy versucht, ihm etwas von ihrer Medizin einzuflößen, dem starken, bitteren Kaffee. »Deine arme Mutter liegt krank im Bett, das weißt du doch, Lou. Und dein Herr Vater arbeitet noch.«

»Warum ist Papa nicht bei mir?« Jetzt weint Lou vor Angst und Schmerz.

»Dein Vater ist ein fleißiger Mann. Na, na, du darfst nicht immer nur an dich denken! Gott straft Selbstsucht mit harter Hand. Sei stolz, dass dein Vater der Gemeinschaft einen Dienst erweist und zum Wohle aller tätig ist.«

»Möge Gott der Herr ihn noch lange verschonen.« Heftig nickt Lou. Er dankt dem Allmächtigen im Stillen dafür, dass der Hustenanfall endlich aufzuhören scheint. Auf seiner Brust lastet ein Druck, als würde einer der Grabsteine von Greyfriars darauf liegen. Gewaltig groß und schwer sind diese Steine. Und doch haben Grabräuber sie bewegt und die Leichen aus ihren Ruhestätten gezerrt, das erzählt Cummy jedes Mal, wenn sie dort oder auf anderen Friedhöfen spazieren gehen, und sie senkt dann schaurig ihre Stimme, sodass ihm eiskalt vor Furcht wird. Lou schluckt mühsam. Furcht ist gut. Man muss über das Böse Bescheid wissen, damit man es erkennt, wenn es einem begegnet. Damit kennt seine Amme sich aus. Sie beschützt ihn und weist ihm den Weg, genau wie seine lieben Eltern.

Wieder blickt Lou durch das Fenster, das von seinem Atem milchig schimmert, auf die Straße und den gegenüberliegenden Park hinaus. Noch immer blitzen dort im Geäst drohend die Dämonenaugen. Seine Zähne klappern, als er fragt: »Siehst du diese funkelnden Augen auch, Cummy?«

Beruhigend streicht sie ihm über den Rücken. »Du meinst die Lichter? Das sind doch nur die Gaslampen in den Fenstern der anderen Häuser, Lou. Was meinst du – sitzen in der Queen Street ebenfalls kranke Kinder mit ihren Ammen und warten sehnsüchtig auf den Lampenanzünder oder die Morgendämmerung?«

In diesem Augenblick kriecht auf dem Gehweg eine warme Lichtschnur auf sie zu. »Leerie«, wispert er erleichtert. Seine Brust weitet sich, als das Licht die Finsternis erhellt, und er atmet etwas freier.

»Sieh nur, wie schön! Gedenke dankbar deiner Vorväter, denn dein Urgroßvater war es, der für die Beleuchtung Edinburghs gesorgt und so die Stadt sicherer gemacht hat. Wir müssen ihn immer in unsere Gebete einschließen.«

So andächtig, wie sie sonst nur in der Kirk beisammensitzen, sehen sie zu, wie Leerie seine Leiter an den Laternenpfahl lehnt und die Gaslaternen vor ihrem Haus entzündet. Der Anblick ist Lou ein Trost. Er lässt sich gegen seine Amme sinken. Seine Lider flattern, so schwer sind sie auf einmal. Kaum bekommt er noch mit, wie Cummy ihn aufhebt und zu seinem Bett trägt.

Lou schreit gellend. Da sind sie! Die Dämonenreiter – sie sind gekommen, ihn zu holen! Er schlägt um sich, will sich befreien, doch er ist bereits gefesselt. Ein Gewicht presst den Atem aus seinem Körper. Jemand sitzt auf seiner Brust. Höllenheiß! Berührungen. Eine Stimme, vertraut. Hilfe! Papa, Mama! So helft mir!

Tatsächlich: Jemand ist da, will ihn befreien. Ist das Cummy? Er starrt sie an. Lou erkennt seine Amme und erkennt sie doch nicht. Ihr Gesicht wirkt wie eine teuflische Fratze, voller unheimlicher Schatten. Der Raum um ihn herum scheint zu schrumpfen, ihn zu erdrücken. Husten und Atemnot schütteln ihn erneut. Nur einen gibt es, der ihm helfen kann.

***

Die Glaslinsen oder Prismen in den Leuchttürmen sollen jeden Tag gereinigt werden. Zunächst sollen sie mit einer Feder oder einem weichen Pinsel vom Staub befreit werden, dann werden sie poliert mit weichem Gamsleder, das ledig ist von allem, was das Glas beschädigen könnte. Wenn das Glas fettig wird …

»Papa!«

Tom schreckt hoch, als er das Kreischen seines Sohnes vernimmt. Cummy, wie auch er Alison Cunningham, die Amme seines einzigen Sohns, nennt, hat ihm versichert, dass es Lou besser gehe und er nun schlafen würde. Das scheint jedoch nicht der Fall zu sein. Ohnehin hat der Sturm Tom abgelenkt. Er hat bereits eine ausführliche Notiz in seinem Journal vorgenommen, denn noch am Nachmittag hat nichts diesen Wetterumschwung angekündigt – eine Tatsache, die er als persönlichen Affront betrachtet. Niemand kennt das Wetter besser als er.

Ein weiterer Schrei durchschneidet die Nacht. Eilig verstaut Tom die neue Fassung der Instruktionen für Leuchtturmwärter, die er und sein Bruder David gerade formulieren, in einer Mappe. Beide haben sie so viel Arbeit, dass er sich regelmäßig Akten mit nach Hause bringt. Alles muss schriftlich festgelegt werden, damit es reibungslos funktioniert, das weiß er inzwischen. Doch heute wird er damit nicht fertig werden. Offenbar hat Lou wieder einen seiner fiebrigen Albträume, bei denen er wie von Sinnen ist. Hoffentlich wird es ihm gelingen, seinen Sohn daraus zu befreien. Eilig kommt er auf die Füße.

»Was ist mit unserem liebsten Smout?« Maggie klammert sich in ihrem Nachtgewand an den Türpfosten, als würde sie gleich ohnmächtig. Sie ist eine blonde Schönheit, scheint ihrem Sohn aber leider ihre schwächliche Konstitution vererbt zu haben. Heftige Sorge um Robert Louis, den sie liebevoll »Smout« nennen – eigentlich ein einjähriger Lachs, aber bei den Schotten eine beliebte Bezeichnung für ein kleines Wesen –, verzerrt ihre Züge. Von tiefer Angst um seine beiden Liebsten erfüllt, umarmt Tom sie und trägt sie zurück ins Bett. Bitte, Herr, verschone uns noch ein wenig!

»Nur ein schlechter Traum, ich kümmere mich um Baron Breitnase«, versichert er ihr. »Du musst dich ausruhen. Alles wird gut werden, Liebling. Gott wird für uns sorgen.«

Er liebt es, Lou Spitznamen zu geben, was Maggie üblicherweise aufheitert. Heute...

Erscheint lt. Verlag 30.8.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Technik Architektur
Schlagworte Atlantik • Bell Rock • bewegend • Dhu Heartach • Familientraditionen • historisch • Historische Romane • Isle of Man • Küste • Leuchtfeuer • Leuchtturmbau • Leuchttürme • North Berwick • Pioniere • Robert Louis Stevenson • Saga • Schatzinsel • Schottland • Skerryvore • spannend • Thomas Stevenson
ISBN-10 3-7517-5610-8 / 3751756108
ISBN-13 978-3-7517-5610-5 / 9783751756105
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