Weißbuch Lehrkräftefortbildung (eBook)
507 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8538-9 (ISBN)
Peter Daschner, Jg. 1944, Landesschulrat bei der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung in Hamburg.
1.1Professionalisierung im System – Schulinterne Lehrkräftefortbildung
Peter Daschner und Ulrike Heinrichs
1Einführung
Gute Schulen entstehen nicht durch Regulierung von außen oder oben, sondern sind selber „Motor der Schulentwicklung“ (Dalin/Rolff 1990). Dieses Credo der Schulentwicklungsforschung hat in den 1990er Jahren nach und nach auch die Bildungsadministrationen der Bundesländer erreicht. In der Folge kam es zur „erweiterten Eigenständigkeit“ der Schulen, die – bei graduellen Unterschieden – zu einem Schulprogramm, zu schulinternen Curricula, zur Erweiterung des Budgetrechts und der personalen Kompetenzen der Schulleitungen bis hin zur Rekrutierung neuer Lehrkräfte führte.
Begründung der Themenauswahl
Schulen, die im Rahmen der vorgegebenen Ziele ihre Entwicklung und die Wege zur Zielerreichung weitgehend selbst steuern, müssen sich auch um die Entwicklung ihres Personals und die Erweiterung von dessen Kompetenzen kümmern. Im Mittelpunkt steht dabei die Förderung professioneller Handlungskompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern, die geeignet sind, das Lernen der Schülerinnen und Schüler – und darüber hinaus die Schulentwicklung – positiv zu beeinflussen (vgl. Lipowsky/Rzejak 2021). Professionalisierung ist damit nicht mehr nur die individuelle Angelegenheit einzelner Lehrpersonen, sondern wird zur Aufgabe der gesamten Schule. Die Verantwortung dafür gegenüber der Schulgemeinschaft und der vorgesetzten Behörde trägt die Schulleitung. Damit gewinnen die verschiedenen Formen der schulinternen Lehrkräftefortbildung (SchiLF), die es vereinzelt und weitgehend unsystematisch immer schon gab, an zentraler Bedeutung (vgl. Plümpe 2023).
Forschungsstand zu SchiLF
Schulinterne Fortbildung „ist der am wenigsten dokumentierte und untersuchte Bereich der Lehrkräftefortbildung“ (Schewe 2022). Zu Zahl, Umfang und Inhalten – von Wirkungen ganz zu schweigen – liegen nur wenige Daten vor. In der Bestandsaufnahme zur Lehrkräftefortbildung ist die Situation relativ ausführlich dargestellt (Schoof-Wetzig 2019, S. 70 ff.). Wahl (2020, S. 202) weist darauf hin, dass schulinterne Lehrkräftefortbildungen „keinesfalls der einzuschlagende Königsweg, sondern eher problembelastet“ sind, wenn z. B. Spannungen und Dissonanzen zwischen Schulleitung und Kollegium bestehen. Unter den genannten ungünstigen Umständen ist dem sicher so, für eine Verallgemeinerung dieser These fehlt es allerdings an validen Erhebungen. In einer der wenigen neueren Studien zu SchiLF fragen Kuschel et al. (2020) am Beispiel Brandenburgs nach schulformspezifischen Unterschieden bei der Zahl solcher Veranstaltungen und den gewählten Fortbildungsthemen. Ein Ergebnis dieser Studie ist, dass die Mehrheit der Schulen in Brandenburg im Zeitraum der beiden Schuljahre 2016/17 und 2017/18 keine schulinternen Fortbildungen angeboten und durchgeführt hat.
Rechtliche Regelungen
Die Bundesländer deklarieren die Fortbildungsverpflichtung des pädagogischen Personals allgemein (vgl. das Kapitel „Mut zur Steuerung – die quantifizierte Fortbildungsverpflichtung“ von Peter Daschner und Alfred Kotter in diesem Band, S. 174 ff.). Speziell zur schulinternen Fortbildung sind die Ansagen unterschiedlich – auch was die Kontrollrechte der Schulleitungen angeht – und eher vage und regeln genauer nur die formalen Erfordernisse bei „Pädagogischen Tagen“, weil dabei der Unterricht ausfällt. Positive Ausnahme in diesem Zusammenhang ist das Ministerium für Bildung des Landes Sachsen-Anhalt mit seinem ambitionierten Runderlass „Die Schule als Professionelle Lerngemeinschaft“ (Ministerium für Bildung 2012), der wichtige Empfehlungen und klare Regelungen enthält.
Begründung der Beispielauswahl
Da kaum Forschungsergebnisse vorliegen und bei den Standards für Lehrkräftefortbildung (vgl. Leitfaden von Lipowsky/Rzejak 2021) die Spezifika der schulinternen Qualifizierung bisher nicht berücksichtigt sind, richtet sich der Blick bei der Suche nach Qualität und Wirkungen auf Aussagen von Beteiligten und Experten zur guten Schulpraxis. Die Erfahrung von Fortbildner:innen, Schulentwicklungsberater:innen und Schulinspektor:innen ist, dass in einer gut aufgestellten Schule mit Zielorientierung, klaren Verantwortlichkeiten, einer praktizierten Teamkultur und einer ausgeprägten Kommunikationspraxis auch die gemeinsame Fortbildung gut funktioniert. Welche weiteren Elemente für gute Fortbildungspraxis dazu gehören und in welchen Schulbeispielen diese prominent vertreten sind, wird im Folgenden näher dargestellt.
2Good-Practice-Beispiele
Zur Auswahl der Schulen
Um Good-Practice-Beispiele für Gelingensbedingungen der Qualifizierung von Lehrkräften im System Schule zu finden, haben wir uns entschieden, unter den Preisträgerschulen des Deutschen Schulpreises zu recherchieren. Denn diese werden von Juror:innen aus Wissenschaft, Landesinstituten, Kultusministerien und Schulen ausgewählt, wenn sie vorgegebenen Qualitätskriterien zu entsprechen vermögen. Im Mittelpunkt unserer Suche stand das Qualitätsmerkmal „Schule als lernende Institution“, welches beinhaltet, dass in der Schule die Entwicklung und die Professionalisierung der Lehrkräfte auf Grundlage aktueller Erkenntnisse systematisch vorangetrieben wird. Wir haben mit mehreren besonders ausgewiesenen Schulen Kontakt aufgenommen und wollten wissen, wie die Schulen die schulinterne Qualifizierung ihrer Lehrkräfte organisieren. Drei Schulen wurden daraufhin um eine Beschreibung ihrer Fortbildungsaktivitäten und Fortbildungskultur gebeten. Diese Berichte der Schulen sind auf der Webseite des DVLfB veröffentlicht (www.lehrerfortbildung.de/weissbuch). Mit Hilfe der Selbstauskünfte der Schulen und weiterer Recherchen, z. B. auf einer Fachtagung des DVLfB im Juni 2023 in Loccum, konnten wir Gelingensbedingungen für die schulinterne Qualifizierung von Lehrkräften identifizieren, die wir dann in persönlichen Interviews noch einmal verifiziert haben. Beteiligt daran waren die Schulleiterin der Otfried-Preußler-Schule in Hannover, die Schulleiterin der Green Gesamtschule in Duisburg (seit 2022 im Ruhestand) und die didaktische Leitung der Gesamtschule Münster Mitte in Nordrhein-Westfalen. Später kam das Regionale Berufsbildungszentrum Wirtschaft Kiel, Schulpreisträger 2014, mit Auskünften des Schulleiters und der zuständigen Abteilungsleiterin hinzu. Außerdem haben wir ein durch viele Veröffentlichungen für seine elaborierte Fortbildungskultur bekanntes Gymnasium, die Alexander-von-Humboldt-Schule in Lauterbach (Hessen), gebeten, seine Erfahrungen beizutragen, was der für die Unterrichtsentwicklung zuständige stellv. Schulleiter übernommen hat.
Kurzvorstellung der ausgewählten Schulen
Die Otfried-Preußler-Schule ist eine teilgebundene Ganztagsgrundschule in Hannover, die 2020 Hauptpreisträger des Deutschen Schulpreises war. Die Schule hat insgesamt 112 Mitarbeiter:innen,...
Erscheint lt. Verlag | 20.11.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Pädagogik |
ISBN-10 | 3-7799-8538-1 / 3779985381 |
ISBN-13 | 978-3-7799-8538-9 / 9783779985389 |
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