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Selbstkompetenz entwickeln -

Selbstkompetenz entwickeln (eBook)

Zur Förderung mentaler Gesundheit von Lehrpersonen

Torsten Nicolaisen (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
283 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8554-9 (ISBN)
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Selbstkompetenz stärkt Lehrpersonen nachhaltig. Sie begünstigt nicht nur deren mentale Gesundheit und Resilienz, sondern wirkt sich auch kräftigend auf die pädagogische Beziehung zu den Schüler:innen aus. Selbstkompetenz fördert den guten Umgang sowohl mit sich selbst als auch mit den beruflichen Rollenanforderungen. Die Fähigkeit zur Stressbewältigung ist darin eine wichtige Komponente. Herausforderungen im Schulalltag dienen als Anlass, um z. B. Selbstberuhigung und Selbstsicherheit zu entwickeln. Der vorliegende Herausgeberband verknüpft die theoretische Fundierung mit anwendbaren Praxisimpulsen.

Torsten Nicolaisen, Jg. 1967, ist Mitarbeiter der Advanced studies der Universität Kiel und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens CONTEXT-Vertrauensarchitekten. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Coaching und Lerncoaching, Persönlichkeitsarbeit und Organisationsentwicklung.

Einleitung


Die Schule ist ein Ort, an dem Schülerinnen und Schüler etwas lernen sollen. Dabei geht es vorrangig um die Aneignung von Wissen und das Entwickeln von Kompetenzen. Verständlicherweise steht die Leistung der Lernenden dabei im Vordergrund.

Ein Aspekt, der weniger Beachtung findet, ist die Art und Weise wie gelernt wird und was die Schülerinnen und Schüler dabei beschäftigt. Nicht selten ergeben sich hier Schwierigkeiten auf der motivational-emotionalen Ebene und andere Schieflagen. Damit sind wiederum die Lehrpersonen konfrontiert. Und ein weiterer Aspekt, der in diesem Zusammenhang vielleicht noch weniger Beachtung findet als das emotionale Befinden der Lernenden, ist die Selbstkompetenz der Lehrperson: Das meint u.a. die Art und Weise wie individuell mit herausfordernden oder sogar belastenden Situationen umgegangen wird.

Was also bedeutet Selbstkompetenz? Der vorliegende Band sucht auf diese Frage zu antworten und nimmt dabei unterschiedliche Perspektiven ein.

Der Begriff „Selbst“ umfasst solche Aspekte wie das Selbst-sein, den persönlichen Erfahrungsschatz oder die Einzigartigkeit der eigenen Person. Sie können den Lehrerinnen und Lehrern für ihre schulischen Tätigkeiten eine gute Kraftquelle sein.

Der Begriff „Kompetenz“ hingegen ist eher funktional zu verstehen, denn hier geht es um erlernbare Fähigkeiten, mit denen etwas erreicht werden soll. Die Lehrperson muss ihren schulischen Aufgaben nachkommen und entsprechende Leistung bringen.

Bereits hier zeichnet sich ab, dass die Entwicklung von Selbstkompetenz wahrscheinlich in einem Spannungsfeld stattfindet: zwischen dem Selbst-sein und dem funktionalen Erfüllen beruflicher Anforderungen. Somit bedeutet Selbstkompetenz, dass eine Person einen guten Umgang mit sich selbst entwickelt: sowohl mit den eigenen Kräften und Grenzen als auch mit ihrer beruflichen Rolle und den Herausforderungen im schulischen Alltag.

Doch wie lässt sich jener „gute Umgang“ weiter konkretisieren? Wie genau ist der Begriff „selbst“ zu verstehen? Wie steht das in Zusammenhang mit der mentalen Gesundheit von Lehrpersonen? Mögliche Antworten auf diese Fragen sind sicherlich nicht trivial, sondern vielschichtig. Die Beiträge in diesem Buch möchten entsprechende Perspektiven aufzeigen: sowohl in theoretischer als auch in pragmatischer Hinsicht.

Zur Ausgangslage


Wie kam es zu diesem Buch? Die Idee zu diesem Band entstand noch vor der Corona Pandemie im Jahr 2019. Die Vorstellung, Selbstkompetenz als Möglichkeit zur Förderung mentaler Gesundheit von Lehrpersonen zu betrachten, entstammt teilweise einer Auseinandersetzung mit dem theoretischen Begriff und noch viel stärker der praktischen Arbeit mit Lehrpersonen. Deren persönliche Erfahrungen standen dabei im Vordergrund. Doch diese Erfahrungen finden nicht in einem Vakuum statt, sondern vor konkreten Hintergründen und in umfassenderen Zusammenhängen. Diese geben gewissermaßen die Bühne für die individuellen Erfahrungen.

Bezugspunkt 1: Individuelle Erfahrungen von Lehrpersonen


Der Herausgeber dieses Bandes hat seit 2010 mit einer Vielzahl an Lehrpersonen zu unterschiedlichen Anlässen arbeiten dürfen (u.a. in der Rolle als universitär zertifizierter Trainer für pädagogisches Coaching, als Ausbilder für Lerncoaching sowie als systemischer Schulentwickler). Zwar ging es in den Veranstaltungen vordergründig um die Begleitung von Schülerinnen und Schüler oder um Projekte zur Schulentwicklung; doch wurde vonseiten der teilnehmenden Lehrpersonen und Schulleitungen – bei all ihrem Engagement – auffallend häufig ihre Belastung thematisiert. Das Nennen dieses Belastungsaspekts hat in den Jahren nach der Pandemie zugenommen, beispielsweise im Zusammenhang mit der Kommunikationsflut, welche sich u.a. durch das Kommunizieren in der schulinternen Cloud ergibt, oder mit den Herausforderungen, die durch ChatGPT entstehen.

Solche Anlässe sowie die daraus resultierenden Überforderungen wurden in Einzelcoachings, kollegialen Fallberatungen, Workshops oder Seminaren vielfach genannt. Insbesondere die Aus- und Fortbildungen zum Lerncoaching brachten zutage, inwieweit Lehrpersonen an der beziehungsstiftenden Coaching-Arbeit nicht nur äußerst interessiert, sondern diesbezüglich auch sehr engagiert sind. Gleichzeitig zeigte sich hier auch der Druck, der auf den Lehrpersonen lastet. Das genauere Betrachten dieses Erlebens von „Druck“ ergab, dass er anscheinend aus einer Mixtur von persönlichen Ansprüchen und schulischen Anforderungen entsteht. Hier wirken Innen und Außen zusammen.

In den gemeinsamen Reflexionen wurde weiterhin deutlich, dass auf die Lehrpersonen neue Aufgaben und ebenso neue Fragestellungen zukommen. Oftmals nannten die Lehrpersonen die zunehmenden psychischen und verhaltensbezogenen Auffälligkeiten bei Schülerinnen und Schülern.

Im Deutschen Schulbarometer (Robert Bosch Stiftung 2022) finden sich Zahlen, die seit Pandemiebeginn einen deutlichen Anstieg von Konzentrations- und Motivationsproblemen bei den Schülerinnen und Schülern in der Höhe von 80 Prozent aufzeigen.

In der Trendstudie „Jugend in Deutschland“ (Schnetzer/Hurrelmann 2022) wurden im März 2022 diverse Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 29 Jahren zu ihrem Befinden befragt. Beim Benennen ihrer häufigsten psychischen Belastungen wurde Stress von 45 Prozent der Befragten an erster Stelle genannt. An zweiter Stelle findet sich die Antriebslosigkeit, genannt von 35 Prozent, an dritter Stelle: Erschöpfung, gefolgt von Langeweile und Depression/Niedergeschlagenheit.

Es ließen sich weitere Studien und Befunde aufzählen. Hier zeichnet sich ab, dass Lehrpersonen im Rahmen ihrer schulischen Tätigkeiten vermehrt mit den genannten Phänomenen zu tun haben werden. Es wäre schön, wenn dafür ganze Kohorten von Sozialpädagoginnen, Beratungslehrern und Schulpsychologen bereitstehen würden – doch das ist nicht der Fall.

Das emotional-motivationale Erleben der Schülerinnen und Schüler wird in Schule eine stärkeres Gewicht bekommen: „Mehrere aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen (z.B. Inklusion, Coronapandemie) werden dazu beitragen, dass Lehrerinnen und Lehrer zukünftig in ihren Klassen mit einer größeren Bandbreite psychischer Probleme bei Schülerinnen und Schülern konfrontiert sein werden.“ (Bilz 2022, S. 11) Anscheinend handelt es sich aufseiten der Lehrpersonen nicht nur um „gefühlte“ Probleme, denn für die Herausforderungen liegen empirische Belege vor. Die Schülerschaft und ihr Lernen verändern sich. So entstehen neue Anforderungen und pädagogische Aufgaben. Bereits seit einiger Zeit finden sich Diskussionen darüber, inwieweit sich die traditionelle Rolle von Lehrpersonen verändert. Bisweilen wird das in die Formel vom Wissensvermittler zum Lerncoach gebracht (Nicolaisen 2017). Diese Veränderung nimmt Fahrt auf. Es wäre hilfreich, wenn Lehrpersonen dafür gut im Lot wären.

Bezugspunkt 2: Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf


Neben den persönlichen Erfahrungen aus der Professionalisierungsarbeit mit Lehrpersonen liegen Daten vor, welche die Belastung von Lehrerinnen und Lehrer in den Blick nehmen. Bereits seit 20 Jahren ist die Gesundheit von Lehrpersonen Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. In diesem Zusammenhang wird oftmals die Potsdamer Lehrerstudie (Schaarschmidt/Kieschke 2013) zitiert, denn sie liefert detailierte Erkenntnisse. Mit ihrem Instrumentarium wurden persönliche Muster von Lehrpersonen in ihrem arbeitsbezogenem Erleben und Verhalten (AVEM) diagnostiziert. Darin zeigt sich, dass die persönlichen Einstellungen einen entscheidenden Anteil daran haben, ob und in welchem Grad eine Person Stress und Belastung erlebt.

Das „Deutsche...

Erscheint lt. Verlag 4.9.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik
ISBN-10 3-7799-8554-3 / 3779985543
ISBN-13 978-3-7799-8554-9 / 9783779985549
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