Leben mit dem Ullrich-Turner-Syndrom (eBook)
102 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61899-6 (ISBN)
Angelika Bock, Diplom-Psychologin, Rehaklinik Usedom, Heringsdorf, betreut ehrenamtlich das Informations- und Beratungstelefon der Deutschen UTS-Vereinigung e.V.. Sie war mehrere Jahre Vorsitzende dieser Selbsthilfeorganisation. Weitere Informationen zum Thema finden Sie <A HREF="http://www.turner-syndrom.de" target="_blank">hier.
Angelika Bock, Diplom-Psychologin, Rehaklinik Usedom, Heringsdorf, betreut ehrenamtlich das Informations- und Beratungstelefon der Deutschen UTS-Vereinigung e.V.. Sie war mehrere Jahre Vorsitzende dieser Selbsthilfeorganisation. Weitere Informationen zum Thema finden Sie <A HREF="http://www.turner-syndrom.de" target="_blank">hier.
2 Medizinische Informationen im Überblick
Hier einige zusätzliche Informationen zu Diagnostik und Behandlung, die einige der häufig gestellten Fragen beantworten, aber sicher nicht eine ausführliche Beratung durch einen Facharzt und weitere Lektüre ersetzen können. Herr Professor Dr. med. Fritz Haverkamp von der Universitäts-Kinderklinik Bonn hat mich hier dankenswerterweise beraten.
Diagnostik
Das Vorliegen eines Turner-Syndroms kann zu sehr verschiedenen Zeitpunkten und aus verschiedenen Anlässen heraus diagnostiziert werden. Es gibt vermutlich durchaus Betroffene, die nie diagnostiziert wurden.
•Die sichere Feststellung eines Turner-Syndroms geschieht ganz sicher erst über eine Chromosomenanalyse bzw. die Erstellung eines Karyotyps. Chromosomen sind Strukturen innerhalb des Zellkerns, die Erbanlagen tragen. Ein Karyotyp ist der Chromosomensatz eines Menschen anhand von Zahl und Gestalt der Chromosomen.
•Pränatal kann heute UTS bei ausgeprägten Lymphödemen durch Ultraschall oder durch eine Amniozentese (eine Fruchtwasseruntersuchung) oder eine Chorionzotten-Biopsie (die Untersuchung des Mutterkuchens) festgestellt werden.
•Im Falle von auffälligen Lymphödemen oder ernsthaften Herzproblemen (etwa einer Aortenisthmussthenose, also der Verengung der Schlagader am Herzen) kann eine Diagnose im Säuglingsalter erfolgen.
•Häufig wird das Turner-Syndrom bei ausgeprägtem Kleinwuchs im Schulalter festgestellt (die mittlere Körperhöhe erwachsener Betroffener liegt bei 146,8 cm).
•Schließlich wird nicht selten erst bei Ausbleiben der spontanen Pubertätsentwicklung (dies trifft für 80–90 % der Betroffenen zu) im Teenager-Alter und der Suche nach der Ursache hierfür die genetische Veränderung festgestellt.
Die meiste Erfahrung haben in diesem Bereich sicher pädiatrische Endokrinologen an Unversitäts-Kinderkliniken oder anderen größeren pädiatrischen Einrichtungen. Dort ist auch ein Austausch zwischen den Bereichen Kinderheilkunde, Genetik und Gynäkologie am Einfachsten. In der Regel gibt es dort ambulante Sprechstunden, in denen dann das weitere Vorgehen festgelegt wird.
Wachstumshormon-Therapie
Allgemein sind viele Mädchen mit UTS schon bei der Geburt kleiner als andere. Mit UTS im Durchschnitt 48,5 cm, gesunde Kinder im Durchschnitt 52 cm. Meist wird die Endgröße später erreicht, und der mit der Pubertät verbundene Wachstumsschub bleibt aus. Seit einigen Jahren ist eine Behandlung mit Wachstumshormonen möglich. Dabei ist folgendes zu beachten:
•Eine Behandlung mit Wachstumshormon-Präparaten ist je nach Diagnose-Zeitpunkt vom frühen Kindesalter an bis zur Pubertät bzw. dem Abschluss des Knochenwachstums möglich. Je nach Diagnosezeitpunkt und fachlicher Auffassung des behandelnden Arztes kann auch die Dauer der Wachstumshormonbehandlung sehr unterschiedlich sein. Meist dauert sie aber über mehrere Jahre an.
•Heute werden gentechnisch synthetisierte Wachstumshormone gegeben – auch in Kombination mit Oxandrolon, einem Anabolikum.
•In der Regel wird durch eine Behandlung die individuelle Endgröße so rascher erreicht. Verschiedene Studien berichten über sehr unterschiedlichen Gewinn im Vergleich zur prognostizierten Endgröße. Mir bekannt sind Angaben von möglichen 2–8 cm mehr an Endgröße. Hier bestehen erhebliche individuelle Unterschiede, wie erfolgreich eine Behandlung jeweils ist.
•Der Erfolg einer Wachstumshormonbehandlung hängt unter anderem vom Alter bei Beginn der Dosierung und der Dauer der Behandlung ab. Hier gibt es noch recht unterschiedliche Vorgehensweisen in verschiedenen Kliniken. Es werden zwar heute schon recht gute Erfolge erzielt und in einigen Fällen wurde eine Endgröße von über 8 cm über der prognostizierten Endgröße erreicht. Ob die Hoffnungen auf eine möglichst „normale“ Endgröße erfüllt werden können, hängt jedoch von vielen individuellen Bedingungen ab.
•Die Behandlung besteht aus einer täglichen Injektion, die sich die Betroffene je nach Alter selbst geben kann.
•Während der Behandlungszeit sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen vorgesehen.
•Es bestehen verschiedene Auffassungen über Dosierung, optimalen Handlungsbeginn und die zu empfehlende Behandlungsdauer.
Die Östrogen-Substitution
Bei Frauen mit Turner-Syndrom sind die äußeren Genitalien, Gebärmutter und Scheide normal ausgebildet. Die Eierstöcke sind jedoch zu Bindegewebe ohne Funktion umgewandelt. Somit wird nicht wie bei anderen Frauen Östrogen vom Körper selbst gebildet und muss somit von außen zugeführt werden. Dies geschieht meist in Form von Tabletten, es sind mittlerweile aber auch Pflaster- und Gelpräparate auf dem Markt. Folgendes erscheint mir zu diesem Thema wissenswert:
•Heute werden meist ab einem Alter von 12–13 Jahren – möglichst zeitgleich mit dem Beginn der Pubertät bei den anderen Mädchen in der Schulklasse – Östrogenpräparate gegeben. Begonnen wird in aller Regel mit sehr geringen Dosen, die dann allmählich gesteigert werden.
•In der Regel wird ab hier die Betreuung durch einen (Kinder-) Gynäkologen übernommen.
•Durch eine Hormonbehandlung kommt es zu einer altersgemäßen Brustentwicklung und später dem Einsetzen einer Regelblutung.
•Eine entsprechende Behandlung wirkt sich positiv auf das psychische Befinden und die Selbstwahrnehmung als Frau aus. Die Scheidentrockenheit wird positiv beeinflusst und die sexuelle Erlebnisfähigkeit dadurch erhöht.
•Eine ausreichende Östrogen-Substitution beugt zudem späterer Osteoporose vor.
•Es ist möglich, dass zunächst individuell die richtige Dosis und das passende Präparat gefunden werden muss und verschiedene Präparate versucht werden müssen, bis eine optimale Einstellung erreicht ist.
Mögliche psychosoziale Folgeprobleme
Chronische Gesundheitsprobleme, zu denen sicher auch das Turner- Syndrom zu zählen ist, können mit psychosozialen Problemen einhergehen, wenn nicht eine entsprechende Unterstützung von Eltern und Betroffenen erfolgt. Ich möchte hier einige solche Folgeprobleme nennen. Und zwar, um Mut zu machen, dass es kompetente Hilfe gibt. Und weil psychosoziale Probleme kein unabwendbares Schicksal sind. Sie sind auch kein Zeichen von Schwäche und es ist keine Schande, sich auch auf diesem Gebiet Hilfe zu holen. Psychosoziale Probleme sind keine automatische Folge der genetischen Veränderung – und nicht alle Frauen mit UTS sind hiervon betroffen. Ich habe jedoch den Eindruck, dass die Hemmschwelle, Hilfe zu suchen und über diese Probleme auch zu sprechen, sehr groß ist. Gute Ansprechpartner sind hier Beratungsstellen, die bei Bedarf an Therapeuten weiterverweisen und einen Anfangsverdacht bestätigen oder relativieren können. Hier finden Sie auch bei Bedarf kompetente „Kommunikations-Helfer“. Folgende Probleme treten im Zusammenhang mit UTS häufiger auf:
•Mangel an Selbstsicherheit bzw. Minderwertigkeitsgefühle, die sich im Alltag etwa darin äußern, dass die Betroffenen sich nicht ausreichend gegenüber Forderungen anderer abgrenzen können und nicht selbstsicher ihre eigenen Interessen vertreten können.
•Unsicherheit in der Aufnahme von heterosexuellen Kontakten: Hier dürften meiner Ansicht nach die Körperwahrnehmung und der Umgang mit dem Thema Kinderlosigkeit die wichtigsten Faktoren sein.
•Bei schlechter räumlicher Wahrnehmung können bei entsprechenden Alltagsaufgaben Probleme auftreten (z. B. Autofahren, Kunstunterricht).
•Kommunikationsprobleme in der Familie können die Bewältigung erschweren: Es wird gar nicht oder in einer nicht lösungsorientierten Art und Weise über das Turner-Syndrom gesprochen. Grundvoraussetzung für einen offenen Umgang mit der Betroffenen ist hier natürlich die Kommunikation zwischen den Eltern.
•Immer wieder ist ein sozialer Rückzug Betroffener zu beobachten. Ursache können Schamgefühle aufgrund der verzögerten körperlichen Entwicklung oder Minderwertigkeitsgefühle aufgrund der geringeren Körpergröße sein.
•Depressionen stellen eine weitere mögliche psychosoziale Folgeproblematik bei Betroffenen dar. Symptome hierfür sind Antriebslosigkeit und negative Gedanken über sich selbst, die Zukunft und die Welt. Es wird keine Freude mehr an bisher als angenehm erlebten Aktivitäten empfunden.
•Selbstschädigendes...
Erscheint lt. Verlag | 13.5.2024 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Krankheiten / Heilverfahren |
Studium ► 2. Studienabschnitt (Klinik) ► Humangenetik | |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Turner • Turner-Syndrom • Ullrich |
ISBN-10 | 3-497-61899-3 / 3497618993 |
ISBN-13 | 978-3-497-61899-6 / 9783497618996 |
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Größe: 377 KB
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