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Hitlers Volksstaat (eBook)

Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus

(Autor)

eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
480 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-402606-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hitlers Volksstaat -  Götz Aly
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***Wie der einfache Deutsche vom Raubzug der Nationalsozialisten profitierte**** Götz Aly ist einer der wichtigsten und provokantesten NS-Forscher. Hier schreibt er über die hemmungslose Ausplünderung Europas durch die Nationalsozialisten - von der Millionen einfache Deutsche profitierten. Während des Zweiten Weltkrieges verwandelte die Regierung Hitler den Staat in eine Raubmaschine ohne Beispiel. Die große Mehrheit der Deutschen stellte sie mit sozialpolitischen Wohltaten, guter Versorgung und kleinen Steuergeschenken ruhig. Die Kosten dieser Gefälligkeitsdiktatur hatten Millionen von Europäern zu tragen, deren Besitz und Existenzgrundlagen enteignet wurden. Die Erlöse aus dem Verkauf von jüdischen Vermögen überall in Europa flossen in die deutsche Kriegskasse und damit auch in die Taschen der Soldaten. Lange beschwiegen, werden hier endlich die Vorteile, welche die deutsche »Volksgemeinschaft« aus den Verbrechen des Nationalsozialismus, aus dem Krieg und der Ermordung der Juden zog, schonungslos dargestellt.

Götz Aly ist Historiker und Journalist. Er arbeitete für die »taz«, die »Berliner Zeitung« und als Gastprofessor. Seine Bücher werden in viele Sprachen übersetzt. 2002 erhielt er den Heinrich-Mann-Preis, 2003 den Marion-Samuel-Preis, 2012 den Ludwig-Börne-Preis. Bei S. Fischer erschienen von ihm u.a. 2011 »Warum die Deutschen? Warum die Juden? Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800-1933« sowie 2013 »Die Belasteten. ?Euthanasie? 1939-1945. Eine Gesellschaftsgeschichte«. Im Februar 2017 erschien seine große Studie über die europäische Geschichte von Antisemitismus und Holocaust »Europa gegen die Juden 1880-1945«. Für dieses Buch erhielt er 2018 den Geschwister-Scholl-Preis. Literaturpreise: Heinrich-Mann-Preis für Essayistik der Akademie der Künste Berlin 2002 Marion-Samuel-Preis 2003 Bundesverdienstkreuz am Bande 2007 National Jewish Book Award, USA 2007 Ludwig-Börne-Preis 2012 Estrongo Nachama Preis für Zivilcourage und Toleranz 2018 Geschwister-Scholl-Preis 2018

Götz Aly ist Historiker und Journalist. Er arbeitete für die »taz«, die »Berliner Zeitung« und als Gastprofessor. Seine Bücher werden in viele Sprachen übersetzt. 2002 erhielt er den Heinrich-Mann-Preis, 2003 den Marion-Samuel-Preis, 2012 den Ludwig-Börne-Preis. Bei S. Fischer erschienen von ihm u.a. 2011 »Warum die Deutschen? Warum die Juden? Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800-1933« sowie 2013 »Die Belasteten. ›Euthanasie‹ 1939-1945. Eine Gesellschaftsgeschichte«. Im Februar 2017 erschien seine große Studie über die europäische Geschichte von Antisemitismus und Holocaust »Europa gegen die Juden 1880–1945«. Für dieses Buch erhielt er 2018 den Geschwister-Scholl-Preis. Literaturpreise: Heinrich-Mann-Preis für Essayistik der Akademie der Künste Berlin 2002 Marion-Samuel-Preis 2003 Bundesverdienstkreuz am Bande 2007 National Jewish Book Award, USA 2007 Ludwig-Börne-Preis 2012 Estrongo Nachama Preis für Zivilcourage und Toleranz 2018 Geschwister-Scholl-Preis 2018

Hinweise zur Lektüre


Fragestellungen


Im Folgenden geht es um die einfach gestellte, noch immer unbeantwortete Frage: Wie konnte das geschehen? Wie konnten die Deutschen aus ihrer Mitte heraus beispiellose Massenverbrechen zulassen und begehen – insbesondere den Mord an den europäischen Juden? Der staatlich forcierte Hass gegen alles »Minderwertige«, gegen »Polacken«, »Bolschewiken« und »Juden« gehörte gewiss zu den Voraussetzungen. Doch ergibt sich daraus keine Antwort. Die Deutschen waren in den Jahrzehnten vor der Regierung Hitler nicht ressentimentbeladener als die übrigen Europäer, ihr Nationalismus nicht rassistischer als der anderer Nationen. Es gab keinen deutschen Sonderweg, der sich in eine plausible Beziehung zu Auschwitz setzen ließe. Der Meinung, in Deutschland habe sich ein spezieller, ein exterminatorischer Antisemitismus und Fremdenhass früh entwickelt, fehlt jede empirische Basis. Es ist irrig anzunehmen, für eine besonders folgenschwere Fehlentwicklung müssten sich spezielle, langfristig angelegte Gründe finden. Die NSDAP eroberte und konsolidierte ihre Macht aufgrund der situativen Konstellationen. Die wichtigsten Faktoren dafür finden sich in den Jahren nach 1914, nicht davor.

 

Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht das Spannungsverhältnis zwischen Volk und Führung im Nationalsozialismus. Dass das Herrschaftsgebäude Hitlers vom ersten Tag an höchst labil gefügt war, ist bewiesen. Zu fragen ist, wie es stabilisiert wurde – notdürftig zwar, doch ausreichend für zwölf fulminante, zerstörerische Jahre. Deswegen fasse ich die eingangs gestellte allgemeine Frage »Wie konnte das geschehen?«, präziser: Wie konnte ein im Nachhinein so offenkundig betrügerisches, größenwahnsinniges und verbrecherisches Unternehmen wie der Nationalsozialismus ein derart hohes, den Heutigen kaum erklärbares Maß an innenpolitischer Integration erreichen?

Um zu einer überzeugenden Antwort beizutragen, betrachte ich die NS-Herrschaft aus einem Blickwinkel, der sie als Gefälligkeitsdiktatur zeigt. Die insoweit wichtigen Fragen lassen sich am besten für die Zeit des Krieges beantworten, in der auch die anderen Charakteristika des Nationalsozialismus besonders deutlich hervortreten. Hitler, die Gauleiter der NSDAP, ein Gutteil der Minister, Staatssekretäre und Berater agierten als klassische Stimmungspolitiker. Sie fragten sich fast stündlich, wie sie die allgemeine Zufriedenheit sicherstellen und verbessern könnten. Sie erkauften sich den öffentlichen Zuspruch oder wenigstens die Gleichgültigkeit jeden Tag neu. Auf der Basis von Geben und Nehmen errichteten sie eine jederzeit mehrheitsfähige Zustimmungsdiktatur. Die kritischen Punkte, an denen sich ihre Politik der volksnahen Wohltaten zu bewähren hatte, ergaben sich aus der Analyse des inneren Zusammenbruchs am Ende des Ersten Weltkriegs.

Folglich versuchte die NS-Führung im Zweiten Weltkrieg, erstens die Lebensmittel möglichst so zu verteilen, dass die Vergabe namentlich von den einfachen Leuten als gerecht empfunden wurde. Zweitens tat sie alles, um die Reichsmark wenigstens äußerlich stabil zu halten. So sollte skeptischen Hinweisen auf die Kriegsinflation von 1914 bis 1918 wie auf den Zusammenbruch der deutschen Währung im Jahr 1923 der Boden entzogen werden. Drittens ging es darum, die Familien der Soldaten – im klaren Gegensatz zum Ersten Weltkrieg – mit genug Geld zu versorgen. Sie erhielten an die 85 Prozent dessen, was der eingezogene Soldat zuletzt netto verdient hatte. Die entsprechenden britischen und amerikanischen Familien bekamen im Vergleich weniger als die Hälfte. Die Ehefrauen und die Familien deutscher Soldaten verfügten nicht selten über mehr Geld als im Frieden, sie freuten sich über die nicht nur ausnahmsweise zentnerschweren Mitbringsel der Heimaturlauber und über die Feldpostpäckchen aus den besetzten Ländern.

Um die Illusion von einem gesicherten, allenfalls noch zu verbessernden Besitzstand weiter zu stärken, erwirkte Hitler, dass weder die Bauern noch die Arbeiter, noch die kleinen und mittleren Angestellten und Beamten in nennenswertem Maß mit Kriegssteuern belastet wurden. Auch das bildete einen wesentlichen Unterschied zu Großbritannien und den USA. Parallel zur Schonung der großen Mehrheit der deutschen Steuerzahler stieg jedoch die Steuerlast für den gut und sehr gut verdienenden Teil der deutschen Gesellschaft erheblich. Ein markantes Beispiel für die vom Dritten Reich betriebene und zur Schau gestellte Politik der sozialen Gerechtigkeit findet sich in der einmaligen Steuerzahlung von acht Milliarden Reichsmark, die die deutschen Hausbesitzer Ende 1942 zu entrichten hatten. Ein entgegengesetztes Beispiel kann in der Steuerfreiheit für Zuschläge auf Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit gesehen werden, die nach dem Sieg über Frankreich verfügt wurde und den Deutschen bis in die jüngste Zeit als soziale Errungenschaft erhalten blieb.

So rigoros die NS-Führung im Fall von Juden, so genannten Minderwertigen oder Fremdvölkischen vom Rassenstandpunkt aus entschied, so klassenbewusst verteilte sie innenpolitisch die Lasten zum Vorteil der sozial Schwächeren. Davon handelt Teil I des Buches.

Selbstverständlich konnten die Wohlhabenden – damals verdienten vier Prozent aller deutschen Steuerzahler mehr als 6000 Reichsmark im Jahr – nicht die für den Zweiten Weltkrieg notwendigen Gelder aus ihren Steuern aufbringen. Wie aber wurde der kostspieligste Krieg der Weltgeschichte bezahlt, wenn die Mehrheit davon so wenig wie nur möglich spüren sollte? Die Antwort liegt auf der Hand: Hitler schonte den Durchschnittsarier auf Kosten der Lebensgrundlagen anderer. Um das eigene Volk bei Laune zu halten, ruinierte die Reichsregierung die Währungen Europas, indem sie ständig höhere Kontributionen erzwang. Zur Sicherung des nationalen Lebensstandards ließ sie viele Millionen Tonnen Lebensmittel zur Versorgung deutscher Soldaten rauben und das dann noch Greifbare nach Deutschland verfrachten. So wie sich die deutschen Armeen aus dem besetzten Land ernähren sollten und weitgehend ernährten, so sollten sie ihre laufenden Kosten mit dem jeweils landeseigenen Geld begleichen. Auch das gelang weitgehend.

Die im Ausland eingesetzten deutschen Soldaten, also fast alle, und sämtliche im Ausland erbrachten Dienstleistungen für die Wehrmacht, im Ausland aufgekauften Rohstoffe, Industrieprodukte und Lebensmittel, die an die Wehrmacht oder nach Deutschland gingen, wurden in nicht-deutscher Währung bezahlt. Die Verantwortlichen handelten ausdrücklich nach den Maximen: Wenn in diesem Krieg jemand hungert, dann die anderen; wenn sich die Kriegsinflation schon nicht vermeiden lässt, dann soll sie überall stattfinden, nur nicht in Deutschland. Von den Techniken, die dafür ersonnen wurden, handelt Teil II. In die deutsche Kriegskasse flossen auch die Milliardenbeträge, die aus der Enteignung der Juden Europas gewonnen wurden. Davon handelt Teil III.

Im Folgenden wird also gezeigt, wie Juden zuerst in Deutschland enteignet wurden, später in Staaten, die mit Deutschland verbündet waren, und in solchen, die von der Wehrmacht besetzt wurden. Das geschieht in exemplarischer, nicht in enzyklopädischer Weise. Ebenso verfahre ich in den Kapiteln, in denen die Methoden beschrieben werden, die Deutsche im Zweiten Weltkrieg einsetzten, um andere auszurauben. Auch hier konzentriere ich mich auf das jeweils Spezifische oder beispielhaft auf das auch andernorts Typische.

Auf der Basis eines umfassenden Raub- und Rassenkrieges sorgte der nationale Sozialismus für ein in Deutschland bis dahin nicht gekanntes Maß an Gleichheit und sozialer Aufwärtsmobilisierung. Das machte ihn populär und verbrecherisch. Das materiell üppige Sein, der indirekte, nicht persönlich verantwortete, doch gern genommene Vorteil aus den Großverbrechen bestimmte das Bewusstsein der meisten Deutschen von der Fürsorglichkeit ihres Regimes. Umgekehrt bezog die Politik der Vernichtung daraus ihre Energie: Sie orientierte sich am Volkswohl. Das Ausbleiben eines nennenswerten inneren Widerstands und der Mangel an späterem Schuldbewusstsein erklärt sich aus derselben historischen Konstellation. Davon handelt Teil IV.

 

Eine solche Antwort auf die Frage »Wie konnte das geschehen?« versperrt sich der nationalpädagogischen Reduktion auf einfache antifaschistische Merksätze. Sie lässt sich schwer auf Ausstellungswände kleben und kaum von den volksgemeinschaftlichen Nachgeschichten der Deutschen in der DDR, in der Bundesrepublik und in Österreich scheiden. Doch erscheint es notwendig, die NS-Herrschaft als nationalen Sozialismus in den Blick zu nehmen, um die immer neu sich belebende Projektion der Schuld auf einzelne Personen und genau umrissene Gruppen wenigstens zu stören: Mal werden als Hauptverantwortliche der wahnsinnige, gar kranke, angeblich charismatische Diktator und seine Paladine gebrandmarkt, mal die Rassenideologen (einer kurzlebigen Mode zufolge möglichst solche aus einer ähnlich sozialisierten Alterskohorte), für andere sind es – wahlweise oder in Kombination – Bankmanager, Konzernherren, Generäle oder dem Blutrausch ergebene Killereinheiten. In der DDR, in Österreich und in der Bundesrepublik pflegte man die unterschiedlichsten Abwehrstrategien. Doch bewirkten sie stets das Gleiche: Sie verschafften der jeweiligen Mehrheitsbevölkerung eine ungestörte Gegenwart und ein ruhiges Gewissen.

Historisches...


Erscheint lt. Verlag 12.12.2013
Reihe/Serie Die Zeit des Nationalsozialismus – »Schwarze Reihe«
Die Zeit des Nationalsozialismus – »Schwarze Reihe«
Die Zeit des Nationalsozialismus. "Schwarze Reihe".
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik 20. Jahrhundert bis 1945
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte Arisierung • Belgien • Besatzung • Deutschland • Enteignung • Frankreich • Fritz Reinhardt • Griechenland • Hermann Göring • Hermann Neubacher • Nationalsozialismus • NSDAP • Paul Hahn • Raubzug • Sachbuch • Sozialpolitik • Ukraine • Wehrmacht • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-10-402606-8 / 3104026068
ISBN-13 978-3-10-402606-0 / 9783104026060
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