Coco und die Revolution der Mode (eBook)
384 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3612-8 (ISBN)
»Mode ist vergänglich. Stil niemals.« Coco Chanel.
Die junge Gabrielle Chanel hat große Träume. Sie probiert sich aus, wird zu Coco, der Durchbruch bleibt jedoch zunächst aus. Dann lernt sie Boy Capel kennen und mit ihm die Liebe. Mit seiner Hilfe eröffnet sie ein Modehaus und besinnt sich schließlich auf ihr größtes Talent - ihren ganz eigenen Stil. Schon bald begeistern ihre Entwürfe die Frauen von Paris. Doch erweist Boy sich tatsächlich als der Mann, der sie darin unterstützt, die Modewelt zu revolutionieren?
Der große Roman von Bestsellerautorin Lena Johannson über die Gründung des Modeimperiums von Coco Chanel und die Liebe ihres Lebens.
Lena Johannson, 1967 in Reinbek bei Hamburg geboren, war Buchhändlerin, bevor sie als Reisejournalistin ihre beiden Leidenschaften Schreiben und Reisen verbinden konnte. Sie lebt als freie Autorin an der Ostsee. Im Aufbau Taschenbuch sind ihre Hamburg-Saga: »Die Villa an der Elbchaussee«, »Jahre an der Elbchaussee« und »Töchter der Elbchaussee«, die Jungfernstieg-Saga: »Die Frauen vom Jungfernstieg - Gerdas Entscheidung«, »Die Frauen vom Jungfernstieg - Antonias Hoffnung« und »Die Frauen vom Jungfernstieg - Irmas Geheimnis«, die Nord-Ostsee-Saga: »Zwischen den Meeren«, »Nach den Gezeiten«, »Im Jahr der Flut«, die Romane »Die Malerin des Nordlichts«, »Dünenmond«, »Rügensommer«, »Himmel über der Hallig«, »Der Sommer auf Usedom«, »Die Inselbahn«, »Liebesquartett auf Usedom«, »Strandzauber«, »Die Bernsteinhexe«, »Sommernächte und Lavendelküsse« und ihre Kriminalromane »Große Fische« und »Mord auf dem Dornbusch« lieferbar. Mehr zur Autorin unter lena-johannson.de
Februar 1895, Brive-la-Gaillarde
Gabrielle zog die Strickjacke fest um den schmalen Körper. Viel zu große Maschen, mehr Löcher als wärmende Wolle. Sie sollte für die Mutter Kernseife besorgen. Eine Aufgabe, die Gabrielle aus zwei Gründen gern übernommen hatte. Zum einen war ihr alles recht, um an die frische Luft zu kommen und durch die Straßen von Brive-la-Gaillarde zu streifen. Noch wichtiger war ihr alles, womit sie ihrer Mutter das Leben ein bisschen leichter machen konnte. Maman sah schlimm aus, wie ein Gespenst. Von Tag zu Tag keuchte sie schrecklicher, in letzter Zeit fiel sie sogar immer öfter einfach um.
»Weil sie keine Luft kriegt, wird sie ohnmächtig«, hatte eine Nachbarin gesagt, eine Blumenverkäuferin, die Gabrielle um ihre Mütze und das dicke Schultertuch beneidete. »Sie ist aber auch ein mageres Rippgestell. Wird Zeit, dass sie mal was auf die Hüften kriegt, nicht immer nur einen dicken Bauch.«
Gabrielle passierte das riesige Gebäude aus großen hellen Steinen, die von Weitem rau wie Bimsstein aussahen. Keiner hatte die gleiche Größe wie ein anderer, trotzdem wirkten die Mauern akkurat. Um die Fenster herum waren dunklere Quader verbaut. Gabrielle gefiel dieses Haus sehr gut, es wirkte schlicht und doch gleichermaßen elegant. Sie kam nicht oft hier vorbei, aber jedes Mal fragte sie sich, wer hier wohl wohnen mochte. Das musste ein sehr reicher Mann sein. Das Gebäude war riesig und hatte in der Mitte sogar einen dreistöckigen Turm.
»Wie ein Schloss«, flüsterte sie und riss sich schweren Herzens von dem Anblick los. Sie musste weiter, den in Papier gewickelten Block Seife abliefern, doch sie wollte noch nicht zurück in das stinkende düstere Armenviertel. Sobald sie zur Tür hereinkäme, würde ihre Mutter ihr das Päckchen abnehmen und sich daran machen, den Holzboden im Gastraum zu scheuern und die Wäsche zu waschen. Gabrielle beschloss, ihren Freunden einen Besuch abzustatten, ehe sie nach Hause ging. So lange konnte sich ihre Mutter noch ein wenig beim Sockenstopfen oder ähnlich leichten Tätigkeiten ausruhen. Der Weg zum Friedhof war nicht weit. Am liebsten war Gabrielle im Frühjahr dort, weil es dann überall blühte und nach Rosen und Jasmin duftete. Allerdings waren im Winter weniger Menschen da, und Gabrielle hatte ihre Freunde für sich. So war es auch an diesem frostig-windigen Februartag.
»Bonjour!« Sie hatte das namenlose Grab erreicht, das ihr das liebste unter allen Gräbern war. Kaum zu sehen war es zwischen den knorrigen Zweigen zweier Rotdornsträucher. »Es ist niemand gekommen, sie zu schneiden.« Sie lächelte fröhlich. »Natürlich nicht, würde ich auch nicht machen, da reißt man sich nur die Haut auf.« Sie schob mit dem Schuh gelbes Laub von der verwitterten Steinplatte, das leise knisterte. »Denk nur nicht, ich hätte Angst vor ein paar Kratzern.« Gabrielle richtete sich auf und streckte den Rücken durch. »Aber eine feine Dame hat eben auch eine feine Haut. Und ich werde einmal eine feine Dame sein.« Sie stemmte die Fäuste in die Hüften. Beinahe wäre ihr die Seife aus der Zeitung gerutscht. »Du lachst doch nicht etwa?« Sie setzte eine strenge Miene auf, kicherte und schlenderte über den hart gefrorenen Sandweg zwischen steinernen Kreuzen, niedrigen Büschen und Grabmälern hindurch. »Ich drehe meine Runde«, erklärte sie, als erwartete einer der Toten eine Erklärung für ihr seltsames Tun. Ein Mädchen von elf Jahren, das über einen Friedhof spazierte, würde man wohl als seltsam bezeichnen, das war ihr bewusst. Obendrein, weil sie hier niemanden kannte. Gabrielle genoss es. Sie fühlte sich nicht allein und war es doch auf angenehme Weise. Welchen Namen sie auch immer mühsam entzifferte, nie wurde ihr das Herz schwer, niemanden musste sie beweinen. Sie konnte sich in aller Ruhe ihren Träumen hingeben, die sie sonst niemandem anvertrauen konnte, wenn sie nicht ausgelacht werden wollte. In jeder freien Minute malte sie sich aus, wie ihr Leben als Erwachsene aussehen würde. Eigene Entscheidungen treffen, dahin gehen, wo es ihr gefiel, ein Ehemann, der nicht ständig fort war. Feine Damen fanden auch feine Herren. Sie würde später einmal reich sein. Reich und berühmt. Davon war sie zutiefst überzeugt, obgleich ihr natürlich bewusst war, dass sie die Einzige war, die daran glaubte. Gabrielle blieb an einem steinernen Häuschen mit einer eisernen Pforte stehen, dem Eingang zu einer Familiengruft.
»Wozu soll die Tür gut sein? Ihr bekommt doch niemals Besuch.« Sie zuckte mit den Achseln und schüttelte den Kopf. Wer sich eine solche Grabstätte mit einem verschnörkelten Tor leisten konnte, das niemand brauchte, wie viel Geld musste er besessen haben! Ihr Magen knurrte. Wenn sie endlich erwachsen und stinkreich war, dann hätten alle immer reichlich zu essen, sogar Schokolade im Überfluss. Sie würde ihrer Mutter die schönsten Kleider kaufen, die in der Stadt zu finden waren. Mutter bräuchte nie wieder einen Finger zu krümmen.
»Ein eigenes Pferd werde ich auch haben. Reiten kann ich lernen«, murmelte sie leise vor sich hin. »Das habe ich gesehen, als ich noch klein war. Sah nicht schwer aus. Und überhaupt, es gibt nichts, was man nicht lernen kann.«
Ihre Runde näherte sich dem Ende, Gabrielle war zurück in dem Teil des Friedhofs, auf dem die Parzellen klein waren und dicht nebeneinanderlagen. Im Tod wie im Leben, ging ihr durch den Kopf. Der Mann, dem das große Haus mit dem dreistöckigen Turm gehörte, würde auch ein prunkvolles Grab haben. Der, dessen Überreste unter der von Flechten überzogenen Steinplatte zu ihren Füßen vermoderten, dürfte auch zu Lebzeiten nur das Nötigste gehabt haben. Wenn sie einmal tot war, würde eine sehr große Granitplatte an Gabrielle erinnern. Und eine Bank wünschte sie sich, damit Menschen, die gern ein wenig mit den Toten plauderten, sich bei ihr ausruhen konnten. Aber davor lag ja noch ihr Leben! Und das sollte prachtvoll sein, nicht so erbärmlich wie das ihrer Mutter. Ständig musste sie hinter den Körben voller Leibchen, Küchenschürzen, Arbeitszeug und Kurzwaren auf dem Boden hocken, weil es nicht einmal für einen hübschen Marktstand reichte. Gabrielle kannte ihre Mutter eigentlich nur schwer arbeitend. Wenn sie mal nicht auf allen vieren schuftete oder die Waren ihres Mannes feilbot, lag sie im Kindbett. Zuletzt war Augustin auf die Welt gekommen. Es schien ihm nicht sonderlich gefallen zu haben, denn er war gleich wieder gestorben.
»Ich muss gehen.« Sie umklammerte die Seife. »Bis zum nächsten Mal!« Sie winkte dem eingewachsenen Grab flüchtig zu, ehe sie den Friedhof hinter sich ließ.
Auf dem Heimweg begleiteten sie das Klacken der Sohlen vorübergehender Soldaten, das Klingeln der Sporen der Herren Offiziere und das hohle Klopfen der Hufe auf Kopfsteinpflaster. Dunkle Wolken jagten über den grauen Himmel. Eine Gänsehaut ließ Gabrielle schaudern. Sie beschleunigte ihre Schritte immer mehr und sehnte sich mit einem Schlag nach der Geborgenheit bei Onkel Augustin in Courpière. Dort, inmitten der weitläufigen Natur, war alles hell und warm und leicht gewesen. Und die Vögel hatten immer gezwitschert. Obwohl sie wusste, dass im Gasthaus in der Avenue d’Alsace-Lorraine, wo sie mit ihrer Mutter und ihren beiden Schwestern in einer muffigen Kammer lebte, weder Leichtigkeit noch Wärme auf sie warteten, war sie froh, als sie den Hintereingang erreichte. Sie betrat die Kaschemme und lief die ausgetretene Stiege nach oben.
»Ich bin wieder da!«, rief sie schon, ehe sie die Tür zur Kammer öffnete. Keine Antwort. »Maman? Julia? Antoinette?« Wieder nichts. Allmählich gewöhnten sich ihre Augen an das wenige Licht. Über den zwei schmalen Betten, die sie sich zu viert teilten, lagen glatt gestrichen die vergilbten Überdecken, Schuhe standen in Reih und Glied darunter. In allen Ecken des Zimmers tummelten sich Gegenstände, Koffer, Töpfe, eine Vase, der ein Henkel fehlte, Geschirr, Bettwäsche zum Wechseln und weitere Habseligkeiten, trotzdem wirkte der Raum aufgeräumt.
»Wer wenig Platz hat, muss ordentlich sein«, predigte Mutter ihnen stets.
Es war so kalt, dass Gabrielle rasch prüfte, ob das Fenster hinter den dicken Vorhängen geschlossen war. Sie seufzte. Wenn der Kerl, dem die Wirtschaft gehörte, doch endlich etwas gegen den schrecklichen Durchzug unternehmen würde. Sie packte sich kurzerhand einen Ersatzbettbezug und stopfte ihn in die Ritzen, ehe sie sich sonst noch den Tod ...
Erscheint lt. Verlag | 15.10.2024 |
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Reihe/Serie | Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Berühmte Frauen • Boy Capel • Chanel • Coco Chanel • Das kleine Schwarze • Deauville • Diva • Frauenschicksal • Frida Kahlo • Harper’s Bazaar • Ikone • Mode • Parfüm • Paris |
ISBN-10 | 3-8412-3612-X / 384123612X |
ISBN-13 | 978-3-8412-3612-8 / 9783841236128 |
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