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Komponistinnen (eBook)

Frauen, Töne & Meisterwerke
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
200 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-962336-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Komponistinnen -  Aliette de Laleu
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In der Geschichte der klassischen Musik spielen Frauen noch immer kaum eine Rolle - dabei gab es bereits in der Antike die ersten Komponistinnen. Aliette de Laleu erzählt in eindringlichen Porträts ihre Geschichten und bringt uns das Schaffen so unterschiedlicher Persönlichkeiten wie Sappho, Hildegard von Bingen, Clara Schumann, Ethel Smyth oder Kaija Saariaho nahe. Und sie erklärt, warum Komponistinnen oft die ihnen zustehende Anerkennung versagt blieb.

Aliette de Laleu, geb. 1991, ist Musikwissenschaftlerin, Journalistin (u. a. beim Radiosender France Musique) und Publizistin. Petra Willim, geb. 1957, ist Literaturwissenschaftlerin und freie Übersetzerin. 2005 wurde sie mit dem Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreis ausgezeichnet.

Aliette de Laleu, geb. 1991, ist Musikwissenschaftlerin, Journalistin (u. a. beim Radiosender France Musique) und Publizistin. Petra Willim, geb. 1957, ist Literaturwissenschaftlerin und freie Übersetzerin. 2005 wurde sie mit dem Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreis ausgezeichnet.

Einleitung


Nein, Mozart war keine Frau. Aber dieser Komponist verkörpert wie kaum ein anderer die Vorstellung von der klassischen Musik: ein weißer Mann mit Perücke vor seinem Cembalo, ein Wunderkind, ein etwas verrücktes Genie, ein Schöpfer zeitloser Werke … Und doch lebte eine Frau in seinem Schatten: Maria Anna Mozart. Obwohl ebenso brillant wie ihr Bruder, wurde sie aus der Musikwelt ausgeschlossen, damit sie sich ihren ehelichen Pflichten widmen konnte. Niemand hat ihren Namen im Gedächtnis behalten. Selbst in Miloš Formans Amadeus (1984), einem Film, der das Leben des Komponisten der Zauberflöte nachzeichnet, kommt die Schwester Mozarts nicht vor. Der Wunderknabe spielt dort allein auf seinem Klavier, während in der geschichtlichen Wirklichkeit Maria Anna Mozart stets an seiner Seite war. Sie wurde ebenso wie er für ihre musikalische Begabung gerühmt, bevor sie von der Bühne wie auch – zum Schweigen gesellt sich das Vergessen – aus Büchern, Filmen und der Geschichte verschwand.

Mozart war eben auch eine Frau. Genauso wie Schumann, Mendelssohn, Mahler oder Bach, obgleich uns bei diesen Namen als Erstes Männer einfallen. Und wenn man darüber nachdenkt, so bietet uns das Universum der klassischen Musik insgesamt ein sehr maskulines Bild. Männer komponieren Meisterwerke, diese werden auf CDs zusammengestellt und nehmen in der Programmplanung von Festivals und Konzerten den allergrößten Raum ein. Männer sind die Verfasser der zehn weltweit meistgespielten Opern. Ein Mann steht, den Taktstock in der Hand, vor dem Orchester. Männliche Experten sprechen über klassische Musik, entschlüsseln, analysieren und kritisieren sie. Welche Erzählung gibt man also weiter, wenn man von klassischer Musik spricht? Eine der Männer.

Dabei könnte man es belassen und sich sagen, dass die klassische Musik immer schon von Männern erdacht und erschaffen wurde und dass dieser Themenbereich ihnen gehört. Sicher, es ist beruhigend, immer die gleichen Geschichten zu hören, wie ein Kind, dem man sein Lieblingswiegenlied allabendlich singt. Man zieht es vor, sich an das zu klammern, was man kennt. Aber sich ins Unbekannte vorzuwagen bietet einen sehr viel reicheren Genuss der klassischen Musik. Es ist an der Zeit, unsere Vorstellungen von Grund auf umzustoßen, da sie über Jahrzehnte verhinderten, dass eine andere Erzählung zum Vorschein kommen konnte – die der Frauen.

Dieses Buch geht das Wagnis ein, diese Geschichte zu erzählen. Nicht um die der Männer zu schmälern, sondern um der anderen Seite zur Existenz zu verhelfen, um eine Form der Ausgewogenheit herzustellen und all jenen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, die es verdient haben, gekannt und anerkannt zu werden. Warum sich mit der x-ten Biographie Beethovens begnügen, wenn man das Schicksal all dieser außergewöhnlichen Persönlichkeiten entdecken kann? Zu jeder Zeit und in jedem Land gab es wagemutige und zaghafte Frauen, Frauen voller Kampfgeist, weibliche Glückskinder, weibliche Strafgefangene, Marquisen, Ehefrauen, Schwestern, Nonnen, Divas, Waisenmädchen, Fromme oder Femmes fatales, die einen Platz in der klassischen Musik eingenommen haben. Manche haben Neuerungen eingeführt wie etwa Élisabeth Jacquet de La Guerre am Cembalo, andere haben, wie Pauline Viardot, Freiräume kreiert, um die Musik lebendig zu halten – wir werden ihnen im Verlauf dieses Buches wiederbegegnen. Sie alle haben dazu beigetragen, die klassische Musik zu dem zu machen, was sie heute ist.

Wie viele haben wie Maria Anna Mozart ihre Begabung oder ihr künstlerisches Schaffen nicht entwickeln können, weil sie Frauen waren? Wie viele wurden aus der Musikwelt ausgeschlossen? Und wie vielen ist es gelungen, sich trotz aller Hindernisse einen Weg zu bahnen, um schließlich doch in Vergessenheit zu geraten? Dieses Buch hat nicht den Anspruch, alle zu erfassen (für einen erschöpfenden Bericht bedürfte es sehr viel mehr als dieser wenigen Seiten); aber es soll daran erinnern, dass in jeder Epoche, von der Antike bis in die Jetztzeit, während des Barock, der Klassik, der Romantik und der Moderne, Frauen stets da waren – und keineswegs nur als Musen. Das ist in der Tat das Bild, das man bis heute präsentiert: Die Frauen, denen in der Geschichte der klassischen Musik die Ehre zuteilwird, zitiert zu werden, dienen einem männlichen Genie als Quellen der Inspiration.

Wenn man die Ehefrauen und Schwestern der großen Komponisten betrachtet, scheint das gar nicht so falsch zu sein: Clara Schumann, Fanny Mendelssohn, Alma Mahler … ihre Namen sind dem breiten Publikum allmählich bekannt. Allerdings sind ihre Schicksale nicht repräsentativ für die Geschichte der weiblichen Kunstschaffenden. Manche haben sich aus der Vormundschaft der Männer befreit wie die britische Komponistin Ethel Smyth. Andere haben, obgleich verheiratet oder Mütter, es geschafft, das Komponieren zum Mittelpunkt ihres Lebens zu machen, wie die Französin Louise Farrenc. Ganz zu schweigen von all jenen, die sich der Musik in ihrem jeweiligen Beruf gewidmet haben. Denn dieses Buch befasst sich auch mit Sängerinnen und Instrumentalistinnen, Mentorinnen und Pädagoginnen, Kopistinnen, Professorinnen, Ensemble-Gründerinnen und Dirigentinnen.

 

Die Musikszene leidet unter Vorurteilen, die manches Mal übertrieben kritisiert werden; häufig aber trifft der Vorwurf der weißen, einer Handvoll privilegierter Personen vorbehaltenen Männerwelt zu. Es handelt sich um eine traditionelle, konservative Welt, in der Frauen lange Zeit unter Ausgrenzung litten. Beispielsweise verbot ihnen im 17. Jahrhundert in Italien die Kirche, auf der Bühne zu singen, was der Auftakt für eine berühmt gewordene, traurige Verstümmelung war: die der Kastraten. Zwei Jahrhunderte später passten bestimmte Musikinstrumente nicht mehr zum weiblichen Geschlecht, weil man sie für unzüchtig hielt. Das war das Aus für das Violoncello, das man zwischen den gespreizten Beinen hält, wie auch das Aus für alle Blasinstrumente, die man in den Mund nimmt. Man denke zudem an den Ausschluss von Frauen aus Orchestern, der in bestimmten Fällen bis in die 1980er Jahre hinein üblich war – aus moralischen und ästhetischen Gründen, aber auch, sagen wir es offen, damit die Männer unter sich bleiben konnten.

Trotz all dieser Verbote haben Frauen als Künstlerinnen existiert. Manchmal mussten sie besondere Strategien anwenden wie jene Komponistinnen, die auf männliche Pseudonyme zurückgriffen, damit ihre Werke gehört werden konnten. Oder wie jene, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausschließlich mit Frauen besetzte und von Frauen dirigierte Musikensembles gründeten – ein Ansporn für künftige Generationen von Dirigentinnen. Instrumentalistinnen ihrerseits umgingen die üblichen Formen, die verbotenen Instrumente zu spielen, indem sie sie anders hielten und etwa das Violoncello oder die Harfe seitlich statt zwischen den Beinen platzierten. Die Geschichte dieser Heroinnen zu erzählen bedeutet, die Fortentwicklung der klassischen Musik zu erzählen. Wenn beispielsweise das Schicksal der Komponistin Hélène de Montgeroult – der ersten Frau, die im 18. Jahrhundert im Konservatorium von Paris zur Professorin für eine männliche Klavierklasse ernannt wurde – und das der Clara Haskil, einer Klaviervirtuosin zu Beginn des 20. Jahrhunderts, aufeinandertreffen, so kann man daran erkennen, welche Rolle das Klavier in der Geschichte der Frauen spielte. Das betrifft nicht nur die großen Solistinnen, deren Interpretationen von den bedeutendsten Plattenfirmen aufgenommen wurden, die aber trotz ihres Einflusses in Vergessenheit geraten sind, sondern auch einfache Klavieramateurinnen in den bürgerlichen Salons des 19. Jahrhunderts.

Indem man untersucht, wie sich die Stellung der Frau im Zuge der Jahrhunderte entwickelt, begreift man, welchen Höhen, Tiefen, Fort- und Rückschritten diese Geschichte unterworfen ist. In der Musikgeschichte schlägt sich diese Achterbahnfahrt darin nieder, dass einige Pionierinnen in Vergessenheit gerieten – was sich auf die Pianistin und romantische Komponistin Clara Schumann auswirkte, die kurz vor ihrer Ehe in ihr Tagebuch schrieb: »Ich glaubte einmal das Talent des Schaffens zu besitzen, doch von dieser Idee bin ich zurückgekommen, ein Frauenzimmer muß nicht componiren wollen – es konnte noch Keine, sollte ich dazu bestimmt sein?«1

Nun existierten Komponistinnen aber schon seit mehreren Jahrhunderten, manche wurden gar für ihre Arbeit entlohnt, und das seit dem 17. Jahrhundert. Barbara Strozzi, 1619 in Venedig geboren, demnach zwei Jahrhunderte vor Clara Schumann, konnte von ihrer musikalischen Tätigkeit leben, obwohl sie zugleich unverheiratete Mutter von vier Kindern war. Die Musikgeschichte der Frauen kennt tatsächlich einige goldene Zeitalter für Künstlerinnen, etwa das barocke Italien, aber auch das Frankreich gegen Ende des 18. Jahrhunderts, inmitten der Revolution. Komponistinnen machten sich damals die Welt der Oper zu eigen und bemühten sich um Librettistinnen; dies ist die Geburtsstunde einer sehr weiblichen Opernszene mit mehr als 50 von Frauen komponierten Opern innerhalb eines halben Jahrhunderts – Zahlen, die die öffentlichen Spielpläne heutiger großer Opernhäuser blamieren.

Aber dieser Bewegung ging rasch die Luft aus, besonders in der napoleonischen Ära mit ihren Gesetzbüchern, die die Frauen wieder auf »ihren Platz« verwiesen: ins Haus und zu den Kindern. Der Impuls zur Feminisierung der Musik zeigt sich dann erneut ein Jahrhundert später, zwischen dem Ende des 19....

Erscheint lt. Verlag 11.10.2024
Übersetzer Petra Willim
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Antike • Bach • Hildegard von Bingen • Klassik • Mendelssohn • Mittelalter • Mozart • Musik • Musikgeschichte • Neue Musik • Romantik • Sappho • Schumann
ISBN-10 3-15-962336-X / 315962336X
ISBN-13 978-3-15-962336-8 / 9783159623368
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