Das Tudor Komplott (eBook)
416 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2907-6 (ISBN)
England 1553: Mary Tudor hat mit großer Zustimmung des Volkes den Thron bestiegen. Doch als ihre Verlobung mit Philipp, dem erzkatholischen Prinzen von Spanien bekannt wird, müssen viele Angehörige des neuen Glaubens um ihr Leben bangen - unter ihnen auch Marys Schwester Elizabeth. Und so wird ihr treuer Spion Brendan Prescott darum gebeten, sein friedliches Leben auf dem Land aufzugeben, um Elizabeth zu beschützen. Am intriganten Tudor-Hof kommt er bald einem Komplott auf die Spur, das nicht nur alle, die er liebt, ins Verderben zu stürzen droht, sondern auch das Schicksal des Königshauses besiegeln kann ...
Zweiter Teil der großen Tudor Saga von C.W. Gortner.
C. W. Gortner wuchs in Südspanien auf. In Kalifornien lehrte er an der Universität Geschichte mit einem Fokus auf starke Frauen inder Historie. Er lebt und schreibt in Nordkalifornien. Im Aufbau Taschenbuch ist bereits sein Roman 'Marlene und die Suche nach Liebe' erschienen.
Mehr Informationen zum Autor unter www.cwgortner.com
HATFIELD
1
»Stoßen und stechen! Nach links! Nein, links von dir!«
Begleitet vom metallischen Zischen ihrer Klinge hallten Kates Rufe in der gewölbten Galerie von Hatfield wider, während sie, das Schwert schwingend, geschmeidig auf mich zusprang.
Ohne darauf zu achten, dass mir der Schweiß von der Stirn tropfte und das schulterlange Haar in meinem Nacken klebte, korrigierte ich meine Stellung. Was Größe und Gewicht betraf, war ich im Vorteil, doch Kate war mir, was Übung betraf, um Jahre voraus. Mehr noch, ihre gewaltige Erfahrung hatte mich vollends überrascht. Kate und ich hatten uns erst vor fünf Monaten im Whitehall-Palast kennengelernt. Ich hatte damals in einer Zeit größter Gefahren Lord Robert Dudley, dem Sohn des mächtigen Herzogs von Northumberland, als Junker gedient, während Kate für unsere jetzige gemeinsame Herrin, Prinzessin Elizabeth Tudor, als geheime Informantin aufgetreten war. Auch in den Tagen, als wir am Hof lebten, hatte Kate Fähigkeiten bewiesen, die für eine Frau nicht gerade üblich waren, doch dass sie derart geschickt mit der Klinge umzugehen wusste, hätte ich mir nie träumen lassen. Das erfuhr ich erst, als sie mir anbot, mich in der Kunst des Fechtens zu unterweisen. Und selbst dann noch traute ich ihr nicht mehr zu als ein paar leicht durchschaubare Paraden und Stöße. Bald jedoch sollte Kate mir beweisen, wie sehr ich mich getäuscht hatte.
Ich wich ihrem Angriff aus; die Klinge zischte an meinem Ohr vorbei. Blitzschnell wirbelte ich auf meinen weichen Ledersohlen herum und beobachtete Kate dabei, wie sie einen Ausfall machte. Müdigkeit vortäuschend ließ ich sie näher kommen. Doch als sie zum Stoß ansetzte, sprang ich jäh zur Seite, hob mein Schwert und ließ es niedersausen.
Das Geräusch von Metall auf ihrem von einem Handschuh geschützten Handgelenk dröhnte in der Stille wie ein Donnerschlag. Erschrocken schnappte sie nach Luft, und das Schwert fiel ihr aus der Hand. Klirrend prallte es auf den Boden.
Angespannte Stille breitete sich aus.
Das Herz hämmerte mir in der Kehle. »O Gott … Liebes! Bist du verletzt? Vergib mir. Das wollte ich nicht. Ich habe nicht … Ich wusste nicht, dass …«
Sie schüttelte den Kopf und zog vorsichtig den Handschuh herunter. Dort, wo die Klinge sie getroffen hatte, sah ich einen Schlitz im roten Futter ihres Ärmels. Mein Magen verkrampfte sich. »Aber wie …?«, keuchte ich. Einem jähen Verdacht folgend ließ ich den Finger über die scharfe Kante meiner Klinge gleiten. »Mein Schwert … es ist nicht stumpf gemacht worden. Die Spitze hätte entschärft werden müssen. Die Schutzhülle muss abgefallen sein!«
Ich begann, den Boden abzusuchen, nur um jäh innezuhalten. In der nächsten Ecke sah ich Peregrine wie zur Salzsäule erstarrt dastehen.
»Peregrine! Hast du mein Schwert entschärft, wie ich es dir befohlen habe?«
»Natürlich hat er das getan!«, verteidigte Kate ihn. »Nun hör auf zu schreien. Sieh doch, mir ist nichts passiert. Das ist nichts als ein Kratzer.« Sie streckte mir ihr Handgelenk entgegen. Ihre zarte, weiße Haut, die ich zahllose Male geküsst hatte, begann bereits, sich zu verfärben. Binnen Minuten würde dort ein gewaltiger Bluterguss prangen, doch zu meiner unendlichen Erleichterung war keine offene Wunde zu erkennen.
»Ich bin ein Grobian«, murmelte ich. »Ich hätte nicht so fest zuschlagen dürfen.«
»Und ob! Genau das war schließlich der Zweck der Übung: den Gegner überraschen und entwaffnen.« Kate richtete ihre honigfarbenen Augen auf die meinen. »Du wirst einen besseren Lehrer brauchen. Ich habe dir alles beigebracht, was ich kann.«
Ihr Lob ließ mich stutzen. Obwohl es mir guttat, empfand ich es in diesem Moment als etwas zu passend, um es für bare Münze zu nehmen. Kritisch beugte ich mich über das zu ihren Füßen liegende Schwert und schob wütend das Kinn vor. »Das hätte ich mir gleich denken können. Anscheinend ist auch bei dir die Schutzhülle abgefallen. Himmel, Kate! Bist du verrückt? Wieso hast du nicht aufgepasst?«
Warnend legte sie mir die Hand auf den Arm, doch ich achtete nicht darauf. Aufgebracht wirbelte ich zu Peregrine herum. In seinem Gesicht zuckte kein Muskel. Nur die von seinem dichten, dunklen Lockenschopf umrahmten, grünblauen Augen waren weit aufgerissen. Peregrine kannte sein Geburtsdatum nicht, glaubte aber, dass er bald vierzehn Jahre alt werden würde. Und obwohl er in letzter Zeit kaum noch in die Höhe gewachsen war, verloren seine Züge allmählich ihre elfenhafte Kindlichkeit, an deren Stelle nach und nach das markante Gesicht des stattlichen Mannes trat, der er eines Tages sein würde. Die gesunde Luft und das reichhaltige Essen von Hatfield hatten ihn verändert und dafür gesorgt, dass bei dem Stallknecht, der sich gleich an meinem ersten Tag am Hof mit mir angefreundet hatte, keinerlei Spuren von Unterernährung mehr sichtbar waren.
»Du hättest das überprüfen müssen«, tadelte ich ihn. »Das gehört zu den Aufgaben eines Junkers. Junker haben die Ausstattung ihres Herrn stets zu kontrollieren.«
Peregrine schob schmollend die Unterlippe vor. »Das habe ich doch getan! Aber …«
»Ach, wirklich?« Ich dachte nicht daran, meinen jäh aufwallenden Zorn zu zähmen. »Na, wenn du das tatsächlich überprüft hast, warst du sehr schlampig. Vielleicht bist du noch nicht reif für die Pflichten eines Junkers. Vielleicht sollte ich dich wieder in die Stallungen schicken. Dort kann zumindest niemand verletzt werden.«
Kate stieß vor Ärger einen Schrei aus. »Brendan, also wirklich! Jetzt führst du dich auf wie ein richtiger Grobian! Peregrine kann nichts dafür! Ich selbst habe die Schutzhülle abgezogen, bevor du gekommen bist. Aber ich trage unter meinem Wams genug Polster, um einen Sturm auf hoher See zu überstehen. Mir hat zu keiner Zeit Gefahr gedroht.«
»Keine Gefahr?« Ungläubig starrte ich sie an. »Ich hätte dir die Hand abhacken können!«
»Aber das ist nicht geschehen.« Seufzend stellte sie sich auf die Zehenspitzen und gab mir einen Kuss. »Bitte beruhige dich. Seit Wochen üben wir jeden Tag. Irgendwann mussten die Hüllen einfach runter.«
Ich knurrte, obwohl mir längst klar war, dass ich meinen Ärger nicht an ihr auslassen sollte. Es hatte einige Zeit und viele blaue Flecken erfordert, bis ich erkannt hatte, dass unsere Übungsstunden zwar nach außen hin dazu dienten, mich in den Feinheiten des Schwertspiels zu unterweisen, uns eigentlich aber eher halfen, uns von unserem Frust abzulenken. Denn wir hatten keine Gelegenheit mehr gefunden, Prinzessin Elizabeth um ihre Zustimmung zu unserer Vermählung zu bitten, bevor sie zur Krönung ihrer Halbschwester, Königin Mary, nach London abgereist war.
Angesichts der Umstände hatten Kate und ich – wenn auch widerstrebend – darauf verzichtet, Elizabeth mit einer Bitte in dieser Angelegenheit zu belasten. Zwar hatte die Prinzessin in den Tagen vor ihrer Abreise stets ein entschlossenes Lächeln gezeigt, doch ich wusste, dass sie der Begegnung mit ihrer älteren Schwester, die sie seit Jahren nicht mehr getroffen hatte, voller Sorge entgegensah. Und das lag nicht nur an den siebzehn Jahren Altersunterschied zwischen ihnen. Während Elizabeth als Folge des Bruchs ihres Vaters König Henry mit der Kirche von Rom zum protestantischen Glauben erzogen worden war, hatte Mary am Katholizismus festgehalten – was sie in den letzten Tagen der Herrschaft ihres gemeinsamen Bruders Edward fast alles gekostet hätte.
Ich wusste nur zu gut über die Gefahren Bescheid, denen beide Prinzessinnen ausgesetzt gewesen waren. Wie Elizabeth hatte John Dudley, der Herzog von Northumberland und Regent in Edwards Namen, auch Mary ins Visier genommen. Als der minderjährige König im Sterben lag, hatte der Herzog alles in Bewegung gesetzt, um die Tudor-Schwestern gefangen zu nehmen und an ihrer Stelle seinen jüngsten Sohn Guilford – zusammen mit seiner Schwiegertochter Jane Grey – auf den Thron zu heben. Das hätte ihm vielleicht auch gelingen können, wäre ich ihm nicht ohne eigenes Zutun in die Quere gekommen und unabsichtlich zu einem der Architekten seines Untergangs geworden. Derselben Verkettung von Zufällen war es zu verdanken, dass ich Kate kennengelernt hatte und in Elizabeths Dienste getreten war. Nun, da Northumberland nicht mehr lebte, seine fünf Söhne im Tower eingesperrt waren und England Marys Thronbesteigung feierte, blieb Elizabeth keine andere Wahl, als der Einladung ihrer Schwester Folge zu leisten. Und zu meiner großen Sorge bestand sie darauf, ohne uns an den Hof zurückzukehren.
»Nein, meine Freunde«, sagte sie, »das ist wohl kaum der richtige Zeitpunkt, um dort mit einem Gefolge zu erscheinen. Ich werde als loyale Untertanin an der Krönung teilnehmen und wieder zurück sein, bevor Ihr mein Fehlen überhaupt bemerkt habt. Es ist ja nicht so, als würde Mary auf meine Anwesenheit Wert legen. Sie hat auch ohne mich genug zu erledigen. Da wäre ich nur eine Bürde für sie.«
Als einzige Begleiterin hatte Elizabeth ihre vertraute Ehrendame Blanche Parry ausgewählt. Das gefiel mir ganz und gar nicht. So bat ich sie am Vorabend ihres Aufbruchs noch einmal – leider vergeblich –, ihr folgen zu dürfen. Der Hof sei doch eine einzige Senkgrube aus Intriganten, hielt ich ihr vor.
Sie lachte nur. »Ihr vergesst, dass ich mein ganzes Leben lang die Ausdünstungen dieser Senkgrube eingeatmet habe! Wenn ich Northumberland überlebt habe, muss ich sicher auch dort nicht viel befürchten. Doch ich verspreche Euch: Falls...
Erscheint lt. Verlag | 18.6.2024 |
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Reihe/Serie | Die große Tudor Saga |
Übersetzer | Peter Pfaffinger |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Tudor Conspiracy |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Heirat • Königin • Philippa Gregory • Rebecca Gablé • Regentin • Tudor Dynastie • Tudors |
ISBN-10 | 3-8412-2907-7 / 3841229077 |
ISBN-13 | 978-3-8412-2907-6 / 9783841229076 |
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