Die Lebenspflückerin und das Signum der Täufer (eBook)
373 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3272-4 (ISBN)
Ostfriesland 1549 - Der harte Winter will kein Ende finden, die Herrlichkeit Gödens ist seit Wochen von der Außenwelt abgeschnitten. Da taucht vor der Tür der Hebamme Hiske Aalken eine völlig entkräftete Frau auf, die behauptet, Hinrich Krechting, der ehemalige Münsteraner Täuferführer aus Münster, der in Gödens Zuflucht gefunden hat, habe vor Jahren ihren Vater ermordet. Sie bittet Hiske um Hilfe, doch der widerstrebt es, sich gegen ihren Ziehvater zu stellen. Kurz darauf tauchen bei Krechting bedrohliche biblische Botschaften und geheimnisvolle Münzen auf, die ihn zutiefst erschrecken. Hat ihn seine Vergangenheit eingeholt? Sind die Papisten ihm erneut auf den Fersen? Als Jan Valkensteyn, Hiskes nach Ostfriesland heimkehrender Verlobter, entführt wird und sein Reisebegleiter einem brutalen Mord zum Opfer fällt, findet man auch bei dem Toten eine der mysteriösen Münzen. Hiske muss auf der Suche nach ihrem Jan einen Kampf gegen finstere religiöse Machenschaften antreten, den sie eigentlich nicht gewinnen kann ...
Dritter Teil der großen Lebenspflückerinnen- Reihe.
Regine Kölpin ist 1964 in Oberhausen geboren und wuchs die ersten Jahre ihrer Kindheit auf einem alten Rittergut 'Hof Hirschberg' bei Großalmerode auf. Seit ihrem 5. Lebensjahr lebt sie an der Nordseeküste in Friesland. Die mehrfache Spiegel-Bestsellerautorin schreibt Romane und Geschichten unterschiedlicher Genres. Ihre Arbeiten sind mehrfach ausgezeichnet worden. Sie ist auch als Herausgeberin tätig und an verschiedenen Musik- und Bühnenproduktionen beteiligt. Außerdem hat sie über 200 Kurztexte publiziert. Regine Kölpin ist mit dem Musiker Frank Kölpin verheiratet. Sie haben fünf erwachsene Kinder, mehrere Enkel und leben in einem kleinen Dorf in Küstennähe. In ihrer Freizeit verreisen sie gern mit ihrem Wohnmobil, um sich für neue Projekte inspirieren zu lassen.
Herbst 1543
Die schwere See machte dem kleinen Schiff zu schaffen. Sie warf den Kreyer wie eine Nussschale zwischen den Wellen hin und her. Der Schipper erhaschte einen Blick auf seinen Begleiter, der mit finsterer Miene im Bug kauerte und scheinbar nie schlief. Er fixierte ihn mit seinen stählernen Augen und ließ sich nicht von der rauen See stören, obwohl der Sturm an Stärke zunahm. Der Seemann kannte die Mission seines Reisebegleiters nicht, aber er misstraute ihm zutiefst. Noch an Land hatte er in einem unbeobachteten Moment in den Ledersack des Mannes gegriffen. Er musste einfach mehr über seinen Mitfahrer wissen. Seine Bezahlung jedoch war fürstlich, sodass die Gier die Bedenken beiseitegeschoben hatte. Gefunden hatte er nichts. Außer ein paar sorgsam gefalteten kleinen Papierrollen, auf denen merkwürdige Bibelsprüche zu lesen waren. Doch ihm fehlte die Zeit, sich das genauer anzusehen. Eine dieser Botschaften aber hatte er, einer Eingebung folgend, an sich genommen und blitzschnell in seiner Tasche verschwinden lassen. Eine innere Stimme sagte ihm, dass es gut war, seinem Freund, dem Meester, etwas zu hinterlassen, bevor er in See stach. Ein ungutes Gefühl sagte ihm, dass er vielleicht nicht zurückkehren würde und es war ihm wichtig, dass sie etwas von ihm erhielt. »Gib ihr das, wenn sie eines Tages nach mir sucht! Sie wird wissen, was zu tun ist. Und du«, der Schipper hatte dem Meester tief in die Augen gesehen, »du wirst so lange leben, bis sie zu dir gekommen ist und es erhalten hat. Falls mir etwas zustößt, wird es ihr einziger Anhaltspunkt sein.«
»Wer ist dieser Mann? Ein Papist auf Rachefeldzug?«, hatte der Meester gefragt, doch diese Antwort war ihm der Schipper schuldig geblieben; er wusste es nicht. »Möglich.« Sein Murmeln war kaum zu verstehen. »Dafür spricht das, was ich gefunden habe. Mein Gefühl ist nicht gut, doch mir bleibt ohnehin keine Wahl. Weigere ich mich, fürchte ich um mein Leben.«
»Wohin werdet Ihr reisen?«
»Die Herrlichkeit Gödens«, hatte der Schipper geflüstert. Ihn drängte die Zeit, denn der Reisende hatte deutlich gemacht, dass er noch am selben Tag in See stechen wollte.
Der Kreyer wurde jetzt von einer besonders heftigen Welle attackiert und drohte für einen Moment zu kentern. Mittlerweile war die Nacht hereingebrochen, aber die Sterne waren von dichten Wolken verdeckt. Eine undurchdringliche Schwärze tat sich auf. Der Schipper umklammerte die Bordwand, weil eine weitere Windböe auf das Schiff zuraste. Kurz darauf brach eine Woge krachend über der Reling. Das Boot schlingerte eine Weile, drehte sich unkontrolliert hin und her, wartete auf die nächste Welle. Jetzt setzte auch noch Regen ein, der in Schnüren aus den Wolken strömte und die Kleidung binnen kürzester Zeit durchnässte. Besorgt glitten die Augen des Schippers den Mast hinauf, der bedenklich knackte. Der Kreyer hatte einer solchen Wetterlage mit seinem dünnen Mast und dem nunmehr zerfetzten Segel nur wenig entgegenzusetzen. Gott allein konnte ihnen zu Hilfe eilen – wenn er sie noch nicht vergessen hatte, denn ihr Schicksal und wohin es sie spülte, lag in seiner Hand.
Von Emden aus hatten sie den starken Nordwestwind nutzen können, waren schneller vorangekommen, als der Schipper gehofft hatte. Ihm war es wichtig, den Hafen so rasch wie möglich zu verlassen und sich fast ungesehen auf den langen Weg zu machen. Immerhin hatte er, neben der geheimnisvollen Gestalt, Waren geladen, die er am Emder Zoll vorbeischmuggeln und nach Jever schiffen wollte. Doch das blieb ihm vorerst versagt. Er hatte ein anderes Ziel.
Wieder peitschte eine Welle über die Planken, und nur mit viel Glück wurde keiner der beiden Männer über Bord gespült. Der Fremde hatte sich im Bug unter dem Vorbau verschanzt und mit einer Plane gegen die Nässe geschützt. Der Schipper ließ seinen Blick zur Ladung schweifen, die sich gleichmäßig fest vertäut im Bug und im Heck des Schiffes befand. Noch hielt sie der Belastung stand, noch musste er sich zumindest darum nicht sorgen. Vorhin hatte sich eines der Fässer gelöst, doch es war ihm rasch gelungen, es erneut festzuzurren. Wenn er das alles lebend überstand, war es wichtig, die geschmuggelten Waren heil nach Jever zu bringen. Er würde tun, was der Mann von ihm verlangte, und dann seiner Wege gehen.
Der Sturm nahm mit Fortschreiten der Nacht an Heftigkeit zu. Sie schienen sich nur noch im Kreis zu bewegen und nicht voranzukommen. Es war unmöglich, Land zu entdecken, obwohl die Flut eingesetzt hatte und sie eigentlich auf die Küste zutreiben mussten. Bei ablaufend Wasser, würden sie unweigerlich auf die Nordsee hinausgezogen, denn bei diesem Wind war der Kreyer manövrierunfähig. Das Boot war ohnehin schon arg angeschlagen, und es war fraglich, wie lange es den widrigen Bedingungen noch standhalten konnte.
Mit der nächsten Böe riss das Tau, mit dem er das Segel befestigt hatte, und schlug erbarmungslos hin und her. Als die folgende Welle auf die Seite des Kreyers zurollte, krallte der Schipper seine kalten Hände um das schwingende Seil, hoffte, es so an der Bordwand festzurren zu können. Das misslang jedoch, und das Tau diente nun eher dazu, ihm selbst Halt zu geben, doch glitt es mit einem Ruck durch seine Finger und riss sie auf. Eine blutige Linie zog sich quer über den Handteller. Der Mann schloss vor Schmerz die Augen. Er hörte die nächste Welle schon lange, bevor sie brach, und als das Holz splitterte, war ihm klar, dass sein Leben und das seines Begleiters lediglich an einem seidenen Faden hingen und sie kaum noch die Möglichkeit hatten, dieser Hölle zu entfliehen. Der Mast knallte mit Wucht auf die Planken. Der Schipper konnte nur um Haaresbreite ausweichen. Das Segel schoss herunter und begrub ihn unter sich. Der Kreyer tanzte seinen Tanz, sprang hin und her, auf und nieder, je nachdem, wie die Wellentäler es vorgaben. Der Mann hatte die Augen geschlossen. Er stieß ein Stoßgebet aus, denn seine einzige Hoffnung bestand darin, dass das Schiff nicht kenterte. Plötzlich durchzuckte ihn ein gewaltiger Schmerz. Dann wurde es Nacht um ihn.
Nach vielen Stunden erwachte er. Er versuchte, um Hilfe zu rufen, doch über seine Lippen kam lediglich ein Krächzen. Es fiel ihm schwer, sich zu bewegen, und so gelang es ihm nur, den Kopf unter dem Segel hervorzuziehen. Über ihm tat sich ein wolkenloser Himmel auf, Möwen zogen ihre Bahnen. Der Mann versuchte sich aufzurappeln, was mit dem eingeklemmten Bein schwierig war, und es gelang ihm, einen Blick über die Reling zu werfen. Steuerbord, nicht weit entfernt, zeigte sich Land. Der Schipper wandte den Kopf nach Backbord, dann geradeaus und erkannte ebenfalls ein Stück Küstenlinie. Sollte das Schicksal ihn ohne sein Zutun in die richtige Gegend gelenkt haben? Wenn das so war, war er bald frei. Der Mann versuchte sich zu befreien. Als er vorsichtig mit der rechten Hand nach seinem Kopf tastete, fühlte er die offene Wunde, aus der bei jeder kleinen Regung erneut Blut sickerte. Zudem wurde der Durst unerträglich. Vergeblich versuchte er, mit der Zunge die aufgesprungenen Lippen zu befeuchten. Er schaffte es, den Zipfel des Wasserschlauches zu erhaschen und zu sich heranzuziehen. Das Wasser schmeckte modrig und abgestanden, aber in seiner misslichen Lage war das unerheblich. Seine Sinne klarten auf, und er erinnerte sich an seinen Begleiter. Weil sein Sichtfeld arg eingeschränkt war, konnte er nicht sagen, ob der noch an Bord war. Er rief nach ihm. Eine Antwort erhielt er nicht. Der Schipper wagte es nicht, ein weiteres Mal über die Reling zu schielen, weil er eine neue Ohnmacht befürchtete, denn der Schmerz im Bein war schon in Ruhelage unerträglich. Doch als er so still dalag, wurde ihm bewusst, dass der Kreyer nicht mehr schaukelte, ja, es sich überhaupt nicht von der Stelle bewegte. Er war auf Grund gelaufen und steckte im Wattenmeer fest. Eine bedrohliche Schwermut lag über dem Schiff, und in ihm wuchs eine unerklärliche Todesangst.
Plötzlich hörte er Schritte, kurz darauf drang ein Platschen an sein Ohr. Jemand näherte sich dem Kreyer. Schließlich schob sich eine Hand über die Reling, dann folgte ein vermummtes Gesicht. Das Letzte, was der Schipper in seinem Leben sah, war die gleißende Sonne. Und bevor ein scharfer Schnitt seine Kehle durchtrennte, drangen ihm krächzende Worte ans Ohr. »Gottes Wort stiehlt man nicht. Denn: Was Gott will an uns! Es sind viele Anschläge in eines Mannes Herz, aber der Rat...
Erscheint lt. Verlag | 1.1.2024 |
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Reihe/Serie | Die Lebenspflückerin | Die Lebenspflückerin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Frauenschicksal • historisch • Historischer Roman • Iny Lorenz • Ken Follett • König • Liebe • Notre-Dame • Ostfriesland • Paris • Ralf Dorweiler • Sabine Weiß |
ISBN-10 | 3-8412-3272-8 / 3841232728 |
ISBN-13 | 978-3-8412-3272-4 / 9783841232724 |
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Größe: 713 KB
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