König der Turniere (eBook)
752 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60556-4 (ISBN)
Juliane Stadler studierte in Heidelberg Frühgeschichte, Archäologie und Alte Geschichte und promovierte über keltische Bestattungssitten. Mit ihrem Debüt »Krone des Himmels«, das mit dem Silbernen Homer ausgezeichnet wurde, gelang ihr auf Anhieb ein SPIEGEL-Bestseller. Zusammen mit ihrem Mann und zwei Söhnen lebt sie in der Domstadt Speyer.
Juliane Stadler studierte in Heidelberg Frühgeschichte, Archäologie und Alte Geschichte und promovierte über keltische Bestattungssitten. Mit »Krone des Himmels« legt sie ihren ersten Roman vor, für den sie auf Reisen entlang der Kreuzzugsroute Barbarossas und im Heiligen Land recherchierte. Zusammen mit ihrem Mann und zwei Söhnen lebt sie in der Domstadt Speyer.
Prolog
Grafschaft Champagne, Mai 1181
»Hättest du die Güte, dir heute beim Turnier endlich den Hals zu brechen?«, erkundigte Richard sich bei seinem älteren Bruder und ließ es wie einen Scherz klingen.
Henri lachte, streifte die Handschuhe über und prüfte ein letztes Mal die Riemen und Gurte am Sattel seines Hengstes.
»Heute nicht, Bruderherz. Marguerite würde es mir übel nehmen, fürchte ich.«
Richard zog eine Grimasse. »Frauen kann man es wirklich nie recht machen.«
Wieder lachte Henri und zog sich auf den Pferderücken.
Sobald Henri Plantagenêt den Helm auf den Kopf setzte und auf sein Ross stieg, ging eine erstaunliche Verwandlung mit ihm vor. Er schien über den Menschen, der er war, hinauszuwachsen, wurde groß und strahlend und unvermeidlich wie die aufgehende Sonne. Seine Stimme klang entschlossener, sein Lachen ausgelassener, in seiner Haltung lagen mit einem Mal eine ganz selbstverständliche Stärke und Sicherheit, die sich auf alle in seiner Nähe übertrug.
Es war faszinierend und beunruhigend zugleich.
Richard kehrte an den Rand des Gefechtsplatzes zurück und beobachtete, wie die Turniermannschaft seines Bruders Aufstellung nahm und der Junge König die Männer mit leuchtenden Augen und ausladenden Gesten auf das bevorstehende Kampfspiel einschwor. Stets an seiner Seite war der Marschall – sein Ratgeber, Mentor und Freund. Wenn Henri die Sonne war, dann war Guillaume le Maréchal der Mond. Und gemeinsam beherrschten sie den Himmel.
Nicht nur die Ritter hingen an Henris Lippen und ließen sich von seiner Begeisterung anstecken, auch die Menschen entlang des Turnierfeldes jubelten und skandierten seinen Namen oder den Schlachtruf Anjous. Das irritierende Funkeln, das Richard in ihren Blicken entdeckte, kam Verehrung nahe, vielleicht sogar Anbetung. Sie sahen Henri an wie einen wiedererstandenen Artus.
Doch es war nicht Eifersucht, die Richard bei dieser Erkenntnis verspürte, sondern Besorgnis.
Am nächsten Morgen fand für alle, die nach dem Turnier und der anschließenden Zecherei schon wieder auf den Beinen waren, eine Jagd statt.
Irgendwo in der Ferne hörte Richard die Hundemeute lärmen, die endlich einen Hirsch aufgespürt hatte und sich dem Wild mit begeistertem Gebell an die Fersen heftete. Ein Hornsignal rief die verstreute Jagdgesellschaft zusammen. Doch Graf Philipp von Flandern lenkte sein Pferd fort von dem Tumult in einen anderen Teil des Forstes und bedeutete seinen Begleitern mit einem Wink, ihm zu folgen.
Als sie ein lichtes Waldstück erreicht hatten und das Gebell und die Rufe der anderen zu einem fernen Wüten abgeklungen waren, zügelten sie ihre Reittiere und ließen sie im Schritt durch Heidekraut und Blaubeersträucher laufen. Richard Plantagenêt lenkte seinen Hengst an Philipps Seite. Eine Weile ritten sie schweigend nebeneinander. Die übrigen Begleiter hielten diskret Abstand.
Der Graf schien darauf zu warten, dass Richard das Wort ergriff. Natürlich. Er wollte sich die Möglichkeit offenhalten, im Zweifel alles als Missverständnis abzutun. Doch die Auswahl der Männer, die Philipp zu diesem heimlichen Treffen gebeten hatte, sowie Zeit und Ort ließen wenig Raum für Missverständnisse. Sie waren hier zusammengekommen, um Verrat zu begehen.
Richard nahm sich einen Augenblick, um den Grafen von Flandern von der Seite zu mustern. Ein attraktiver Mann von vierzig Jahren, dessen athletische Statur und große Hände erahnen ließen, dass man einen erprobten Kriegsmann und Turnierritter vor sich sah. Und wie Richard wusste, hatte Philipp sich nicht nur dem Kampf, sondern ebenso der Kunst verschrieben, beherbergte Dichter und Troubadoure an seinem Hof und griff gelegentlich selbst zur Feder. Das honigfarbene Haar und der kurze Bart waren tadellos gestutzt; er trug einen eleganten Bliaut aus lindgrünem Brokat, edel und teuer, aber nicht geckenhaft, darüber einen leichten Mantel sowie eng anliegende Handschuhe und Stiefel aus Hirschleder. Nicht zuletzt der florierende Woll- und Tuchhandel hatte den Grafen von Flandern märchenhaft reich gemacht. Mehr noch.
»Es heißt, Ihr habet abgelehnt, als man Euch die Krone des Königreichs Jerusalem antrug«, eröffnete Richard die Unterhaltung. »Verratet mir den Grund.«
»Ihr wart noch nicht dort, im Heiligen Land«, entgegnete der Graf, als sei das Erklärung genug.
»Nein, in der Tat.« Für einen Moment ballte Richard die Faust um die Zügel. Was war das hier? Überheblichkeit oder Provokation? Glaubte Philipp, sich aufgrund seines Alters oder Titels über ihn stellen zu können? »Während Ihr Euch im Heiligen Land aufgehalten habt, war ich damit beschäftigt, mich mit meinem königlichen Vater und meinen herzallerliebsten Brüdern auseinanderzusetzen oder die Aufstände in meinem Herzogtum niederzuschlagen.«
Philipp lächelte gönnerhaft. »Natürlich«, lenkte er ein. »Und mit der Einnahme von Taillebourg habt Ihr für Ruhe gesorgt.« Es wirkte beschwichtigend, aber noch etwas anderes schwang darin mit. Bevor Richard entscheiden konnte, was es war – Spott? Geringschätzung? –, verging der Moment, und der Graf richtete den Blick wieder nach vorn.
»Sagt mir, Richard, warum sollte ich meinen gut bestellten Boden hier gegen ein staubiges, heißes Land am anderen Ende der Welt eintauschen? Ein Land, das zwischen Christen und Heiden aufgerieben wird – sofern beide nicht gerade ihresgleichen die Köpfe einschlagen. Und kommt mir jetzt nicht mit dem Papst oder dem Willen Gottes!« Er hob abwehrend die Rechte. »Jeder weiß, ich bin ein gottesfürchtiger Mann, aber anders als im Fall meines Vaters oder Großvaters sind meine Interessen weit weltlicherer Natur als die Krone des Heiligen Landes.«
Was du nicht sagst. Auch wenn daran eigentlich nie Zweifel bestanden hatte, überraschte es Richard, wie freimütig der Graf diese Tatsache eingestand.
»Das Land, über das ich herrsche, reicht von der Küste des Nordmeers bis an die Spitze der Krondomäne. Ich bin Gebieter über den wichtigsten Handelsknoten des Abendlands, Reichsfürst des deutschen Kaisers und gleichzeitig einer der einflussreichsten französischen Kronvasallen. Das Königreich Jerusalem hat mir nichts zu bieten. Nichts, was ich nicht schon habe.«
»Und dennoch seid Ihr unzufrieden«, konstatierte Richard kühl.
Der Graf von Flandern blickte ihn mit einem herausfordernden Lächeln an, und in den blaugrauen Augen blitzte es. »Diesen Punkt haben wir gemeinsam, nicht wahr? Warum sonst wären wir hier?«
Kommen wir also endlich zur Sache. Richard richtete sich im Sattel auf und straffte die Schultern. Doch er würde den Teufel tun und weiterreden. Sie bewegten sich auf äußerst dünnem Eis, und Philipp sollte gefälligst den ersten Fuß in die Mitte setzen.
Nach einer kleinen Pause und einem wissenden Schmunzeln tat er ihm den Gefallen.
»Tatsächlich laufen die Dinge im Augenblick nicht … zufriedenstellend«, gab er zu und seufzte. »Seit ich vierzehn Jahre alt wurde und mein Vater mehr Zeit in Outremer als in seiner Grafschaft verbrachte, bin ich es gewohnt, meine Gefechte selbst zu schlagen, sei es auf dem Kampfplatz, beim Turnier oder auf dem Feld der Diplomatie. Und wie Ihr wisst, habe ich es stets verstanden, meine Interessen zu wahren.«
Richard nickte. Das ließ sich nicht bestreiten. Wenngleich die Mittel mitunter fragwürdig waren. So hatte Philipp seinen Rivalen, den Grafen Florens von Holland, gefangen genommen und so lange eingekerkert, bis der ihm völlig zermürbt schließlich für Zeeland huldigte und den flandrischen Kaufleuten Privilegien einräumte.
»Ich habe dem französischen Herrscherhaus und König Philippe Dieudonné stets zur Seite gestanden«, fuhr der Graf fort, »und alles getan, um ihm eine gute Ausgangsposition zu sichern, schon während sein Vater mit dem Tod rang.«
Ihm oder dir?
»Ich habe ihm meine Nichte Isabella anverheiratet, als Berater und Mentor gedient und bei seiner Krönung sogar das Zeremonienschwert getragen.« Ein Augenblick des Schweigens folgte, als erwarte er Lob oder Anerkennung. »Gott der Allmächtige hat mir eigene Kinder versagt. Daher habe ich es immer als meine Aufgabe begriffen, dem von ihm gesalbten Herrscher bestmöglich zu dienen, mit Hand und...
Erscheint lt. Verlag | 2.11.2023 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Schlagworte | 12. Jahrhundert • Bruderkrieg • Buch • Bücher • Helden • Historienroman • historischer Roman Mittelalter • Historische Schlachten • historische Schmöker • Höfische Intrige • höfische Welt • Hohes Mittelalter • Intrigen • Liebe • Liebesgeschichte • Löwenherz • Mittelalter Roman • Ritter • Ritterroman • ritterturniere • Roman 12. Jahrhundert • Roman historisch • Schicksal • spannend • Starke Frauen • Verbotene Gefühle • Verbotene Liebe • Verrat |
ISBN-10 | 3-492-60556-7 / 3492605567 |
ISBN-13 | 978-3-492-60556-4 / 9783492605564 |
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