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Atalanta (eBook)

Roman | Eine wilde, spannende Frau der griechischen Sagenwelt
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
384 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3027-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Atalanta -  JENNIFER SAINT
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Jägerin, Liebende, Argonautin - eine Rebellin im antiken Griechenland König Jasus von Arkadien will einen Sohn und Erben. Er lässt seine Tochter Atalanta in der Wildnis aussetzen. Eine Bärin zieht das Mädchen auf, und Atalanta wird stark und wild, schneller und ausdauernder als jeder Krieger. Artemis, die jungfräuliche Göttin der Jagd, beschützt sie und schärft ihr ein, sich vor Männern in Acht zu nehmen. Doch Atalanta verliebt sich und geht mit den Argonauten auf Fahrt. Mit dem gestohlenen goldenen Vlies und der tödlichen Medea an Bord segelt Atalanta zurück nach Arkadien. Sie ist entschlossen, ihren Platz in der Welt zu finden, wo sie lieben und sie selbst sein kann. Hinter allen Göttern und Heroen stehen Frauen. Jennifer Saint gibt den Frauen der Antike eine Stimme. »Erzählt auf brillante Weise die starken Emotionen und die Komplexität der Frauen« Leipziger Volkszeitung »Der Autorin gelingt es, die Welt der Sagen in eine Wirklichkeit zu überführen, die nichts krampfhaft Modernes hat. Irgendwann ist man im Labyrinth und kann nicht aufhören zu lesen.« NDR Kultur »Ebenbürtig mit Madeline Millers Romanen.« Waterstones.com

Jennifer Saint begeisterte sich schon als Kind für die griechische Mythologie, und während ihres Studiums der Altphilologie am King's College in London hat sie ihre Liebe zu den antiken Sagen vertieft. Als Englischlehrerin versucht sie die Faszination für Geschichten aller Art und die reiche Erzähltradition seit Homer zu vermitteln. Jeder Erzähler hat die antiken Stoffe für sich neu interpretiert. Jennifer Saint stellt die weibliche Heldin in den Mittelpunkt.

Jennifer Saint begeisterte sich schon als Kind für die griechische Mythologie, und während ihres Studiums der Altphilologie am King's College in London hat sie ihre Liebe zu den antiken Sagen vertieft. Als Englischlehrerin versucht sie die Faszination für Geschichten aller Art und die reiche Erzähltradition seit Homer zu vermitteln. Jeder Erzähler hat die antiken Stoffe für sich neu interpretiert. Jennifer Saint stellt die weibliche Heldin in den Mittelpunkt.

1


Sie kam zu mir, nachdem die Bären verschwunden waren. Sie war ein imposanter Anblick, größer und stärker als jede Sterbliche – obwohl mir das damals nicht bewusst war –, einen glänzenden Bogen in der Hand, ein wildes Funkeln in den Augen, mit einem Rudel Hunde, das ihr auf den Fersen folgte. Schon als ich noch klein war, überwog meine Neugier meine Furcht. Als sie mir die Hand hinhielt, ergriff ich sie.

Ich erinnere mich, wie ich zum ersten Mal den Hain sah, zu dem sie mich führte. Geblendet von dem goldenen Licht, das sich auf der schimmernden Oberfläche des Gewässers vor uns spiegelte, schloss ich kurz die Augen, blinzelnd öffnete ich sie wieder.

Auf der anderen Seite des Teichs klaffte eine große Höhle im Berghang, vor deren Eingang hier und dort große Felsen lagen. Auf den flachen Steinen saßen Frauen – Nymphen, wie ich später erfahren sollte. Die Luft war von ihrem leisen Geplauder und sanften Gelächter erfüllt. Ich sah zu der Frau auf, die mich hierhergebracht hatte, und sie lächelte mich an.

Sie gaben mir reife, süße Beeren zu essen. Ich erinnere mich an den Geschmack des kalten Wassers, das sie mir reichten, und wie ungeschickt ich mit dem Becher umging, den sie an der Quelle für mich gefüllt hatten. In jener Nacht schlief ich nicht an die zottigen, warmen Bärenkörper geschmiegt, deren schwerer Herzschlag mir noch in den Ohren klang, sondern auf einem Bett aus Tierhäuten, und ich wurde vom Gesang einer Frau geweckt.

Es war Artemis, die mich gerettet hatte, und ihr heiliger Hain, in den sie mich gebracht hatte. Artemis, die Göttin der Jagd, der der Wald mitsamt allen Bewohnern gehörte. Wir alle lebten unter dem Bann ihres silbernen Blickes, wir alle beugten uns ihrem Willen, von den wimmelnden Würmern unter der Erde bis hin zu den heulenden Wölfen. Schimmernd lag ihre Macht über dem Wald von Arkadien.

Sie hatte mich zu den Nymphen gebracht, die mich aufziehen sollten. Ihnen fiel die Pflicht zu, mir beizubringen, was Artemis zu mühsam war; sie unterrichteten mich in ihrer Sprache, sie zeigten mir, wie man den Stoff webte, aus dem die schlichten Tuniken bestanden, die alle trugen, und wie man die anderen Götter und Göttinnen verehrte, deren Namen sie mir beibrachten, obwohl sie sich nie in unseren Wald verirrten. Sie lehrten mich, welche Beeren ich pflücken durfte und von welchen man krank wurde, und warnten mich vor harmlos aussehenden Pilzen, die mein Tod sein konnten. Ich sah, wie sie ihr Leben Artemis widmeten; sie kümmerten sich um den Wald, um die Quellen, die Flüsse, die Pflanzen und alles Leben darin. Im Gegenzug wohnten sie darin, von ihr geliebt und beschützt.

Anfangs erschienen mir Artemis’ Besuche sporadisch, nicht vorhersehbar. Von der Höhle aus, in der ich neben den Nymphen schlief, beobachtete ich die Bahn des Mondes am Himmel, seine Verwandlung von der dünnen Sichel zur leuchtenden Kugel. Ich lernte, dass sie, noch ehe er erneut zur Sichel geworden war, wieder zu uns kommen würde. Wenn ich durch den Wald streifte, hielt ich wachsam Ausschau. Die Hunde, die an ihrer Seite waren, als sie mich gefunden hatte, folgten mir, als suchten auch sie nach ihrer Herrin. Es waren insgesamt sieben, und anfangs fiel es mir leichter, mit ihnen zusammen zu sein als mit den Nymphen. Ihr weiches Fell erinnerte mich an das der Bären, ihre scharfen Zähne machten mir keine Angst. Jedes Rascheln im Laub, jeder knackende Zweig fesselte meine Aufmerksamkeit, sodass ich wie angewurzelt stehen blieb und zwischen den knorrigen Bäumen nach Anzeichen für ihr Erscheinen suchte. Ich wartete ungeduldig auf ihre Rückkehr, damit ich ihr zeigen konnte, was ich in ihrer Abwesenheit gelernt hatte. Wenn sie dann in Erscheinung trat, aus heiterem Himmel wie ein plötzlicher Regenschauer im Frühling, spürte ich, wie mein Herz schneller schlug.

Sie befahl den Nymphen, ihr zu folgen, und sie ließen mich zurück, eilten leichtfüßig durch den Wald und kehrten bei Sonnenuntergang wieder, ihre Beute auf der Schulter. An solchen Abenden verbreitete sich der köstliche Geruch von gebratenem Fleisch im Hain. Ich sehnte mich danach, sie zu begleiten, fieberte dem Tag entgegen, an dem sie mich für nützlich genug hielt, um mich mit auf die Jagd zu nehmen.

Fünf Winter vergingen, bis sie an einem Frühlingsmorgen bei Sonnenaufgang zum Höhleneingang kam und »Atalanta?« flüsterte; hastig sprang ich auf. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen blitzten, ihre Tunika war locker um ihre Hüften gegürtet, und ihr gewölbter Bogen lag in ihrer Hand. Sie begrüßte die Hunde, dann gab sie mir mit einem Nicken zu verstehen, ich solle ihr in den Wald folgen. Sie bedeutete mir, mich ebenso geräuschlos zu bewegen wie sie, häufig stehen zu bleiben und den Blick schweifen zu lassen. Ich spürte, wie meine Anspannung wuchs, und meine überschäumende Freude über diesen neuen Zeitvertreib drohte sich in einem ausgelassenen Lachen zu entladen, doch ich schluckte es hinunter, reckte das Kinn ebenso entschlossen vor wie sie und setzte meine Füße genau dorthin, wo auch sie gegangen war. Die Hunde eilten uns voran, die Ohren gespitzt und eifrig schnuppernd. Als sie witterten, was sie suchten, zog sie mich rasch zu sich, duckte sich hinter einen umgestürzten Baumstamm, spähte mit zusammengekniffenen Augen über das samtige Moos und nahm ihr Ziel mit Pfeil und Bogen ins Visier.

Der Hirsch brach in panischer Angst vor den Hunden aus dem Unterholz. Ein majestätisches Geschöpf mit dem prachtvollsten Geweih, das ich bis dahin gesehen hatte. Der Pfeil durchbohrte die Kehle des Tiers, noch ehe die schimmernden braunen Augen die Gefahr wahrgenommen hatten, und es sackte zusammen; ein rotes Rinnsal sickerte unter dem schmalen Pfeilschaft hervor.

Sie fing meinen bewundernden Blick auf und lächelte. Beim nächsten Mal zeigte sie mir, wie man den Bogen halten musste, der schwer in meiner Hand lag und zu vibrieren schien.

Von da an lebte ich für die Tage, an denen Artemis den Hain besuchte und mir mit dem Bogen in der Hand bedeutete, ihr in die stille Morgendämmerung zu folgen. Ihre Stimme, die mir, leise und eindringlich, Anweisungen ins Ohr hauchte, wie man nach den Hirschen Ausschau hielt, wie man völlig reglos blieb, sich unsichtbar machte, den Blick fest auf das Ziel gerichtet, den Bogen straff gespannt in der Hand, bis es nichts anderes mehr gab als die Beute und mich. Ich atmete auf, wenn der Pfeil direkt in die Kehle traf, so wie sie es mir gezeigt hatte. Es gab für mich nichts Schöneres auf der Welt als ihr entzücktes Lachen, wenn ich ins Ziel traf.

Neben dem Stolz auf meine Erfolge und der Befriedigung des Jagens wollte ich ihr auch gefallen. Wie die Nymphen mir erzählt hatten, konnte ich unter dem Schutz der Artemis in Freude und Freiheit leben. Sie war nicht so wie die anderen Götter, und auch mein Leben glich dem keines anderen Menschen. Artemis mied die goldenen Hallen des Olymps, den prächtigen, von Wolken umgebenen Palast, in dem die Unsterblichen weilten. Sie verbrachte ihre Zeit lieber im Wald, badete im mondbeschienenen Teich oder lief bei Tag anmutig zwischen den Bäumen hindurch, den Köcher auf dem Rücken, den Bogen stets griffbereit. Es gefiel ihr sichtlich, dass eine Sterbliche nach ihrem Vorbild heranwuchs, und ich war ebenfalls froh darüber, obwohl ich nicht ganz begriff, wie viel Dank ich ihr tatsächlich schuldete.

Ich hatte nie eine menschliche Behausung gekannt; hatte keine Vorstellung davon, wie selten Menschen zum Schützling einer Göttin werden, was es bedeutete, meine Kindheit in der wilden Einfachheit und dem rauen Zauber des Waldes verbringen zu können.

Artemis mochte die anderen Olympier meiden, doch sie hatte ihre Gefährtinnen im arkadischen Wald. Die Nymphen, die sich um mich kümmerten, hatten sich ganz dem Ziel verschrieben, ihr nachzufolgen: Dutzende alterslose Töchter von Flüssen, Quellen, Ozeanen und Winden, junge Frauen, die an der Seite der Göttin rannten, jagten und badeten.

Sie erzählten mir Geschichten. Anfangs gefiel mir die über mich selbst am besten – wie man mich auf einem Berg ausgesetzt hatte, wie die Bärin und später Artemis mich gerettet hatten. Sie hielt die Erinnerung an meine ersten Lebensjahre frisch und lebendig. Ich wollte nicht vergessen, wer ich war, bevor ich zu diesen sanften, heiteren Frauen gekommen war. Wollte nicht, dass mir die Eindrücke und Gefühle von früher verloren gingen wie das Hochgefühl, als ich mich an das Fell der Bärin klammerte, während sie durch den Wald rannte, wie ihre mächtigen Muskeln dicht an meinem Körper arbeiteten, die Bäume an mir vorbeiflogen.

Doch ich war auch voller Neugier, beobachtete von meinem Aussichtspunkt auf einem Felsen am Teich, der von den zierlichen Zweigen einer Weide vor der Sonne geschützt wurde, meine neuen Gefährtinnen. Da war Phiale, die in den Sommermonaten, wenn es wenig Wasser gab, der Quelle mehr entlocken konnte, selbst wenn nur noch ein Rinnsal herausfloss. Oder Krokale, die anmutig über die Erde schritt und dort, wo sie entlanggegangen war, Blumen erblühen ließ. Wenn die sengende Sonne den Boden hart und trocken werden ließ, konnte Psekas einen feinen Sprühregen heraufbeschwören, der die durstige Erde nährte. Ich fragte mich, wo sie all das gelernt hatten. »Seid ihr immer hier im...

Erscheint lt. Verlag 19.10.2023
Übersetzer Simone Jakob, Anne-Marie Wachs
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Altes • Antike • Argonauten • Arkadien • Artemis • Booktok • Circe • Empowerment • Feministisch • Frau • Frauenliteratur • Geschenk Freundin • Griechenland • Griechisch • Historischer Roman • Liebesroman • Literatur • Mythologie • Mythos • Nacherzählung • Neuerzählung • Sagenwelt • Selbstbefähigung • Selbstermächtigung • Selbstwirksamkeit • Stimme • Weiblich
ISBN-10 3-8437-3027-X / 384373027X
ISBN-13 978-3-8437-3027-3 / 9783843730273
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