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Das Haus Kölln. Große Hoffnung (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
400 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-29632-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus Kölln. Große Hoffnung -  Elke Becker
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Die Haferflocke erobert die deutschen Frühstückstische
Elmshorn 1912: Mit der Erfindung der Haferflocke hat Bertha Kölln Großes vollbracht. Unermüdlich hat ihre Familie daran gearbeitet, die neue Zutat massentauglich herzustellen. Da greift schließlich der Erste Weltkrieg nach dem verschlafenen kleinen Ort bei Hamburg und damit auch nach den Köllns. Doch die lassen sich weder von dieser Bedrohung noch von zahlreichen Unglücken in der Hafermühle unterkriegen. Als mit Else Voormann eine junge Frau aus Künstlerkreisen in die Unternehmerfamilie einheiratet, haben es beide Seiten nicht leicht: Ihr Mann Peter Claus Diedrich versteht die selbstbewusste, entschiedene Else nicht - Else wiederum traut ihrem Mann nicht über den Weg, verbringt er doch arg viel Zeit mit einer hübschen Schneiderin. Wieder heißt es für zwei sehr unterschiedliche Frauen: gegen- oder miteinander?

Elke Becker wurde in Ulm geboren. Schon früh zog es sie in die Welt hinaus: Ihr Fernweh nach Meer und Abenteuer führte sie in zahlreiche Länder, bis sie 2005 auf Mallorca sesshaft wurde. Als ihr dort beim morgendlichen Frühstück die Idee für die Geschichte des Hauses Kölln kam, machte sie sich für die Recherche auf in den malerischen Norden Deutschlands, der in ihrem Herzen stets einen besonderen Platz einnimmt.

1912


1


Die milde Septembersonne vertrieb die dunklen Schatten der Nacht in der Marsch und ließ die reifen Getreidefelder golden leuchten, die Erntehelfer schnitten mit den Sensen den Hafer und banden ihn in Garben. Bertha betrachtete zufrieden den Fortschritt, zusammen mit ihrem Mann Peter besuchte sie regelmäßig die Felder, es war zu einer lieben Gewohnheit geworden, die sie in den vergangenen vierzehn Jahren gepflegt hatten. Mit dem Erfolg der Haferflocken veränderte sich alles; selbst die negative Einstellung ihrer Schwiegermutter ihr gegenüber als Peters Ehefrau, was einem Wunder glich und zu einem harmonischen Miteinander führte. Einzig Peters angeschlagener Gesundheitszustand weckte Berthas Sorge. Aus diesem Grund reisten sie mit der Kutsche häufig in die Marsch. Seinen Lungen tat die frische Luft gut. Zu Beginn ihrer Ehe waren die Überlandfahrten eine Flucht vor Charlotte, nun kam es Bertha vor, als versuche sie, der voranschreitenden Lungenkrankheit ihres Mannes davonzufahren.

An Tagen wie diesen wirkte er kraftvoll wie in jungen Jahren, glücklich sah sie Peter an. »Es wird eine reiche Ernte.«

»Ja, wir können zufrieden sein.« Er legte seinen Arm um sie, reglos genossen sie die Nähe des anderen. »Claus macht sich blendend im Werk.«

»Lass uns dennoch zurückfahren, Marie hat für heute die Lieferung der Walzen zugesichert.« Noch immer stellte sich bei Bertha ein Gefühl von tiefer Zufriedenheit ein, sobald sie der Haferflockenherstellung zusah, mit den neuen und handgefertigten Walzen würden sie noch feiner werden. »Außerdem möchte ich nachher einen Kuchen backen.«

Peter gab ihrem Vorarbeiter Herrmann die Anweisung, ihm nach seiner Rückkehr vom Feld Rapport zu erstatten, und mit einem Tippen an seinen Hut verabschiedete er sich von ihm.

Bertha saß neben Peter auf dem Kutschbock und blinzelte in die Sonne, die beiden Rappen zogen die Kutsche in gemächlichem Trab den Feldweg entlang in Richtung Elmshorn.

Schon von Weitem sah sie den hoch aufragenden Schornstein des Werks, der einzigartige Geruch nach gepresstem Getreide in der Luft intensivierte sich mit jedem Meter, den sie sich dem roten Backsteingebäude näherten, bis in weißen Lettern PETER KÖLLN ins Auge stach. Der Aufbau nach dem großen Brand stellte wie die Herstellung der Haferflocken einen Neuanfang dar, wie ihn sich Bertha in ihren kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können. Der Kauf der Wiesen an der Krückau erwies sich als Segen, obwohl der verschlammte Fluss bei Niedrigwasser an manchen Tagen unbefahrbar war.

Bei den Anlegestellen von einem Hafen zu sprechen, wäre übertrieben, dennoch erleichterte es den Transport der Lieferungen, zusätzlich hatte die große Brandkatastrophe sie als Eheleute fester zusammengeschweißt.

Die aufragenden Masten der Ewer und Schuten zeigten die angekommenen Getreidelieferungen aus Skandinavien und kündigten die Verladung der daraus entstehenden Grütze- und Haferflockenbestellungen an. Die Geschäfte liefen ausgezeichnet.

Vor dem neu gebauten Wohnhaus hielt Peter, half Bertha beim Absteigen und tippte sich gewohnheitsmäßig an den Hut. »Ich spanne ab.«

»Ich bereite in der Küche etwas vor, dann lass uns zusammen ins Werk gehen.« Sie schenkte ihm ein Lächeln und betrat ihr weitläufiges Heim. Der Hauptbereich ragte zwei Stockwerke in die Höhe, die Dachgauben verliehen dem mächtigen Klinkerbau etwas Leichtigkeit, und der angeschlossene Bürobereich verband das Wohnhaus mit dem Werk, somit konnten sie bei Regen trockenen Fußes ins Mühlenwerk hinüber. Alle Gebäude waren miteinander verbunden, und mit Recht handelte es sich bei dem Neuaufbau um Peters ganzen Stolz. Was er und seine Arbeiter in wenigen Monaten erbaut hatten, blieb Bertha auf ewig dankbar im Gedächtnis, seither zahlten sie mehr Stundenlohn an ihre Mitarbeiter, was zu großer Zufriedenheit führte und zusätzlich unnötige Streiks verhinderte.

Bertha ging in die Wohnküche, um die Zutaten für ihre Friesentorte herauszulegen, ihre Haushälterin rieb sich den unteren Rücken. »Moin, Irmgard, du sollst doch langsamer machen. Wo ist deine Hilfe?« Irmgard arbeitete mit weit über sechzig immer noch gerne Vollzeit, aber manche Arbeiten sollten Jüngere verrichten, wie das schwere Feuerholz in den Ofen zu schieben oder die vollen Säcke in den Vorratsschrank zu räumen.

»Ich habe sie entlassen.« Irmgard sah sie bedauernd an. »Sie war faul, dazu ungeschickt.« Sie wies auf eine zerbrochene Teekanne. »Die habe ich vierzehn Jahre ohne eine winzige Bruchstelle benutzt, und das Mädchen zerbricht sie am ersten Tag. Es tut mir leid, Bertha.«

Das Geschirr stammte zum Großteil aus Berthas Aussteuer und dem einzigen Besitztum, das sie den gierigen Flammen hatten entreißen können. Vielleicht war der passende Zeitpunkt gekommen, neues Tafelgeschirr zu kaufen, Charlotte hatte sich mit ihrem gutbürgerlichen Geschirr schwergetan, sich letztlich aber an das günstige Porzellan gewöhnt, natürlich war es kein feinstes Meißner, für den Anfang war es dennoch gut genug gewesen. »Über vergossene Milch zu lamentieren, bringt nichts. Ich werde mit Charlotte nach Hamburg reisen, dort kaufen wir das mit roten Rosen verzierte Teegeschirr von Meißner, sie musste lange darauf verzichten.«

»Da wird sie sich freuen.« Irmgard hob die Augenbrauen. »Aber worin serviere ich heute Abend den Tee?«

»Dir wird schon etwas einfallen.« Bertha holte Mehl, Eier, Salz, Zucker und Zimt und gab alle Zutaten auf den Tisch, bevor sie die Butter aus der Kühlung nahm, damit sie weich wurde. Die Sahne ließ sie bis zur Verarbeitung im Eisschrank, den sie seit vier Jahren besaßen. Der pure Luxus, denn Bertha musste nicht mehr in den unterirdischen Kühlkeller kriechen, sondern konnte bequem aus dem Eiskasten die gekühlten Speisen entnehmen. Der Eismann brachte jeden zweiten Tag Stangeneis und einen Eisblock, der über dem Speisefach angeordnet und mit einem Ablauf versehen war, der das Tauwasser aufnahm. »Lass uns nachher darüber sprechen, wen du dir als Hilfe vorstellst. Es sollte doch möglich sein, jemanden zu finden, mit dem du zufrieden bist. Das Armenhaus in der Friedensallee ist voll mit Mädchen, die Arbeit suchen.«

Irmgards Brummen verhieß eine gegenteilige Meinung.

»Ich sehe nach Peter, er wird die Pferde inzwischen abgeschirrt haben. Bis gleich.« Bertha verließ die Küche und trat vor die Haustür.

Ihre Schwägerin Marie kam mit flatternden Hosenbeinen auf ihrem Fahrrad angebraust. Bertha erinnerte sich gerne an Maries erste Fahrt durch die Königstraße vor dreizehn Jahren, sie hatte die Bilder lebhaft in Erinnerung. Einige feine Damen wedelten entrüstet mit ihren Taschentüchern vor ihren Gesichtern, um eine drohende Ohnmacht zu verhindern, eine warf sogar ein rohes Ei nach Marie, verfehlte sie jedoch. Wie schnell sich die Zeiten änderten. Inzwischen fuhren viele Frauen Fahrrad, auch Bertha, es war praktisch, obwohl Charlotte immer noch die Nase darüber rümpfte. »Moin, Marie, ich dachte, du bist schon drüben im Werk.«

»Die Walzen lagerten am Bahnhof, ich musste einen Fuhrmann finden, der sie anliefert.« Marie strich sich über die vom Wind zerzausten Haare. »Die sind fast doppelt so schwer wie die alten Marmorwalzen.«

Damit würde der Flockierstuhl ein noch feineres Ergebnis liefern. »Ich hole ein paar Männer aus der Produktion.«

»Gut, dann warte ich hier auf das Fuhrwerk.« Marie lehnte ihr Fahrrad an die Wand neben der Haustür und setzte sich auf die Treppenstufe.

Marie würde sich nicht mehr ändern, ihre Schwägerin verhielt sich immer noch wie mit zwanzig, dabei war sie inzwischen doppelt so alt und unverheiratet. Sie einzufangen stellte für jeden Mann ein erfolgloses Unterfangen dar, Marie trotzte der Ehe wie einem stürmischen Wind. John bemühte sich um sie seit ihrem Kennenlernen und hatte ihr inzwischen vier Anträge unterbreitet, doch Marie wollte ihre Freiheit behalten, sie für einen Mann aufzugeben, stand außer Frage. Seither entwickelte sie hochtechnische Apparate, reiste zum Missfallen von Charlotte nach London, mal in Johns Begleitung, mal allein. Vielleicht war Bertha aus diesem Grund aus der Schusslinie ihrer Schwiegermutter verschwunden. Bis auf Marie hatte Charlotte all ihre Kinder erfolgreich verheiratet, an ihrer Jüngsten biss sie sich die Zähne aus.

Im Lager angekommen, klatschte Bertha in die Hände, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Ich brauche zehn Mann. Wer hilft?«

Die Arbeiter stellten Getreidesäcke ab, wischten sich die Hände ab und kamen zu ihr. »Was steht an, Frau Kölln?«

»Die neuen Walzen müssen in die Fertigungsstraße gebracht und eingebaut werden.« Sie wies nach draußen. »Marie wird euch anleiten.«

Auf dem Hof begutachteten Peter und Marie die beiden Walzen. »Ausgezeichnete Qualität«, urteilte Peter und nickte seiner Schwester anerkennend zu.

»Das will ich meinen, obwohl du wie immer wegen des Preises meckerst, aber das ignoriere ich, ebenfalls wie immer.« Sie lachte und boxte Peter auf die Schulter. »Machen wir uns an die Arbeit«, wies sie die Männer an.

Die verrichteten das Abladen unter lautem Schnauben, ihre Gesichter röteten sich mit jedem Schritt, mit dem sie sich der Produktionsstraße näherten. Der Flockierstuhl sowie die ganze Straße der Haferflockenherstellung ruhten, die alten Walzen waren morgens ausgebaut und in ein Lager verbracht worden.

Marie gab klare Anweisungen, in welchem Winkel die Marmorwalze eingesetzt werden musste, die Enge der Maschine erschwerte das Einsetzen, dennoch gelang es bei der ersten Walze reibungslos, ebenso bei der...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2024
Reihe/Serie Die Kölln-Saga
Die Kölln-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • Charlotte Jacobi • Dallmayr • eBooks • Epischer historischer Roman • Erster Weltkrieg • Familiensaga • Fenja Lüders • Frauenromane • Geschenke für Frauen • Große Gefühle • Hamburg • Lena Johannson • Liebesromane • Lisa Graf • Marie Lacrosse • Micaela Jary • Miriam Georg • Neuerscheinung • neuerscheinung 2024 • Norddeutschland • Starke Frauen
ISBN-10 3-641-29632-3 / 3641296323
ISBN-13 978-3-641-29632-2 / 9783641296322
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