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Das Haus Kölln. Wahres Glück (eBook)

Spiegel-Bestseller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
384 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-29633-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus Kölln. Wahres Glück - Elke Becker
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In der dunkelsten Stunde der deutschen Geschichte stehen die Köllns zusammen
Elmshorn 1938: Geschäftlich sind die Köllns im Aufschwung. Als erste eingetragene Marke des Unternehmens setzen ihre blütenzarten Haferflocken neue Standards, die Produktpalette wächst. Politisch zieht eine Bedrohung herauf, als die NSDAP mehr und mehr Zuspruch in der deutschen Bevölkerung findet. Die Gefahr rückt immer näher und als Deutschland in den Krieg zieht, bangt Else um ihren Mann und ihre Söhne. Doch gerade in Krisenzeiten steht die Familie besonders eng zusammen.

Elke Becker wurde in Ulm geboren. Schon früh zog es sie in die Welt hinaus: Ihr Fernweh nach Meer und Abenteuer führte sie in zahlreiche Länder, bis sie 2005 auf Mallorca sesshaft wurde. Als ihr dort beim morgendlichen Frühstück die Idee für die Geschichte des Hauses Kölln kam, machte sie sich für die Recherche auf in den malerischen Norden Deutschlands, der in ihrem Herzen stets einen besonderen Platz einnimmt.

1937


1


Die milde Frühlingssonne schien vom Elmshorner Himmel, die Vögel zwitscherten lebhaft, und fast glaubte Else Kölln, die Welt sei ein friedlicher und hoffnungsfroher Ort. Doch seitdem die Hakenkreuzfahnen an vielen Häusern in der lauen Brise wehten und der Reichsadler in einem riesigen Banner von Dach zu Dach gespannt über die Königstraße wachte, schien der Frieden nur geborgt zu sein.

Auf dem Weg zu ihrer Schwägerin schlenderte Else an der Krückau entlang. Claus’ Schwester Helene hatte mit ihrem Mann Hannes Jülich vor vier Monaten die Konservenfabrik verkaufen müssen, nachdem der aufgerufene Judenboykott sie beinahe in den Ruin getrieben hatte. Die neuen Auflagen für den Export, der die Jülichs die letzten beiden Jahre über Wasser gehalten hatte, zerstörten auch diese Strategie. Im Deutschen Reich tätigte kaum jemand Geschäfte mit jüdischstämmigen Fabrikanten, und selbst das wenige lief heimlich über Strohmänner.

Die Menschen suchten ihr Glück im Ausland, weit weg von Nazideutschland, das ihr Leben immer mehr in ihren Freiheiten beschnitt. Jedes Jahr ließ sich die Regierung neue Restriktionen einfallen, um deren Rechte zu beschneiden, dabei waren ohnehin nur noch wenige übrig. Über Elses Lieblingsschriftsteller Thomas Mann durfte öffentlich kein Wort gesprochen werden, man hatte ihm die Staatsbürgerschaft aberkannt und deklarierte ihn zum Landesfeind. Ihres Wissens nach lebte er inzwischen mit seiner Familie in der Schweiz, reiste aber häufig ins liberale Amerika. Vielleicht war Jazzmusik deshalb seit zwei Jahren im Radiofunk verboten, sie galt als undeutsch und verwerflich. Else mochte Louis Armstrong und Teddy Stauffer sowie andere Platten, die ihre Töchter aus Hamburg mit nach Hause brachten. Claus und sie hörten die Musik gerne, wenn sie auch nie dazu tanzten, das taten sie ausschließlich bei Walzer und Tango. Diese lebhaften Rhythmen gehörten der jungen Generation, trotzdem wollte Else wissen, womit sich ihre Töchter während ihrer Studienfreizeit in Hamburg beschäftigten. Solange es nur unerwünschte Musik war, blieb sie unbesorgt.

Vor Helenes Haus angekommen, klopfte sie an die Tür.

Ihre Schwägerin öffnete.

»Moin, wie geht es euch?«, grüßte Else.

Es musste für Hannes unendlich schwer gewesen sein, die Konservenfabrik seiner Familie zu verkaufen, um sie vor dem Ruin zu bewahren.

»Moin, Else, komm herein.« Helene gab den Weg ins Haus frei. »Lass uns besser drinnen sprechen, selbst die Wände haben heutzutage Ohren.«

»So schlimm?« Else trat ein und sah Helene ihre Sorgen an. »Was ist geschehen?«

»Hannes bekommt nirgendwo Arbeit, seit zwei Wochen sind unsere Dienstmädchen fort. Wir mussten sie entlassen.«

»Gab es Streit?« Else kannte die beiden Dienstboten viele Jahre, sie hatte sie für vernünftige Frauenzimmer gehalten.

»Nein, sie sind ungern gegangen.« Helene seufzte. »Für arische Mädchen sei es unzumutbar, in einem jüdischen Haushalt zu arbeiten, es würde ihre Gedanken vergiften und sie vom rechten Weg abbringen.«

»Vielmehr von der erwünschten rechten Gesinnung«, rutschte es Else heraus. »Du glaubst nicht, was Caroline mir erzählt hat.«

Helene ging vor ins Esszimmer, wo Kuchen und Kaffee bereitstanden, goss ein und sah sie auffordernd an.

»Seit Kurzem wird den Kindern in der Schule schon ab der ersten Unterrichtsstunde der Nationalsozialismus eingetrichtert, und was sie dort nicht aufgezwungen bekommen, das lernen sie in der Hitlerjugend.«

Helene zuckte unmerklich zusammen. »Caroline lässt das zu?«

»Nein, noch kann sie Erwin vom deutschen Jungvolk fernhalten, aber sie kann ihren Jungen schlecht aus der Schule nehmen.« Else nippte an ihrem Kaffee. »Ihr Bub wollte einen Drachen basteln, und Caroline schickte ihn hinüber zum Stern, weil er dort alles bekommen würde.« Immer noch fassungslos legte Else eine Pause ein.

»Und was ist daran besonders?«, wollte Helene wissen. »Es ist vernünftig, alles aus einer Hand zu kaufen, anstatt mehrere Geschäfte aufzusuchen.«

»Erwins Antwort.« Kopfschüttelnd suchte Else die genauen Worte des Jungen. »Er sagte, wer beim Juden kauft, ist ein Volksv erräter. Das brachte ihm eine saftige Ohrfeige von seiner Mutter ein.«

»Die hatte er sich verdient«, gab Helene unumwunden Caroline recht.

»Allerdings ist das nicht alles.« Else würde ihrem Nachwuchs eine solche Frechheit ebenso wenig durchgehen lassen, aber bis auf Ernsthermann war keines ihrer Kinder diesen Unterrichtsmethoden ausgesetzt gewesen. »Während Erwin sich seine rote Wange rieb, fluchte er leise und meinte zu seiner Mutter wortwörtlich: Du wirst nie eine Volksgenossin, irgendwann landest du im KZ

»Das hat er nicht gesagt!«, presste Helene hervor. »Der kleine Hosenscheißer droht seiner Mutter mit Fuhlsbüttel?«

Else nickte. »Es wird kein gutes Ende nehmen, wenn wir unsere Kinder nicht vor diesen Erziehungsmethoden schützen.«

»Darum verlassen wir Elmshorn.« Helene stach in ihren Apfelkuchen, legte dann jedoch die Gabel ab. »Niemand gibt Hannes Arbeit, unsere Angestellten sind fort, was sollen wir hier?«

»Claus würde ihn einstellen, darf es aber nicht, sonst verlieren wir das Werk.« Else entwich ein Seufzer.

»Das weiß ich doch«, gab Helene zu. »Mein Bruder ist einer der wenigen, der immer noch nicht der Partei angehört, mehr Widerstand ist in diesen Zeiten unmöglich.«

Elses Kinder waren ohne Beitritt in die Hitlerjugendgruppen aufgewachsen, auch ihr zwölfjähriges Nesthäkchen Ernsthermann blieb zu Hause, obwohl er gerne wie seine Freunde beim Deutschen Jungvolk gewesen wäre, anstatt die Nachmittage des Mittwochs und des Samstags allein zu verbringen. Es gab für ihn weder Sommerlager noch die Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft. Helene war mit einem Juden verheiratet, ihre Toch ter Elisabeth in einen verliebt, was Else um den nächtlichen Schlaf brachte, da für die beiden keine Zukunft existierte. Wie könnte sie die Ideologie Hitlers goutieren? »Wohin geht ihr?«

»Nach Kopenhagen zu Marie und John, sie besorgen uns eine Wohnung und Arbeit, in Dänemark kann man ordentlich leben.«

Else konnte die Entscheidung nachvollziehen. »Könnt ihr Noah Lehmann mitnehmen? Seine Familie ist vor einem Jahr nach New York ausgewandert, er ist wegen Lissy hiergeblieben, Noah hat hier weder Arbeit noch Verwandte.«

»Wenn er uns begleiten möchte, ist er willkommen.« Helene goss ihnen Kaffee nach. »Ich zweifle allerdings daran, da er in diesen Zeiten sogar seine Familie für Lissy hat gehen lassen.«

Mit diesen Zweifeln stand Helene nicht alleine da. Else musste den jungen Mann überzeugen, Noah stellte mit dieser Entscheidung weit mehr als nur seine berufliche Zukunft aufs Spiel. »Wann fahrt ihr?«

»In drei Tagen. Wir nehmen nur das Wichtigste mit, den Rest verkaufen wir zusammen mit dem Haus. Das Preisangebot ist gut. Wir werden uns mit dem Geld und dem Erlös aus der Firma in Dänemark ein neues Leben aufbauen.« Helene wirkte trotz ihrer kräftigen Stimme und den Plänen unglücklich. »Uns bleibt keine Wahl, wir müssen es für Alma tun.« Die Elfjährige war seit letztem Jahr vom Schulunterricht ausgeschlossen, weil Helene eine Scheidung von Hannes ablehnte. Mit dieser Art der Bestrafung wollten die Nazis Helenes Willen brechen, seither unterrichtete sie das Mädchen zu Hause. »Es ist die richtige Entscheidung.« Helene seufzte. »Wie hat es nur so weit kommen können?«

»Die NSDAP macht ihre Gesetze, wie sie will, schon bei der letzten Wahl ging es unehrlich zu, das wissen alle, die gegen Hitler gestimmt haben.« Else wusste von ihrer Schwägerin Emma, wie die Auszählung stattgefunden hatte. Jeder ungültig ausgefüllte Stimmzettel galt als Zustimmung zum Regime. Die jüdische Bevölkerung verlor schon zuvor ihr Stimmrecht, und alle in Schutzhaft genommenen Gegner wurden verpflichtet, für Hitler zu stimmen, oder sie standen der Aussicht auf viele Jahre im KZ gegenüber. »Die Regierung lenkt von den eigentlichen Problemen ab, das sagt Claus, und ich fürchte, er hat recht.«

»Wie auch immer, wir kommen morgen bei euch vorbei, um uns zu verabschieden.« Helene ließ ihren Apfelkuchen unberührt.

Else aß das letzte Stückchen und stellte das Geschirr zusammen. »Jetzt besuche ich Noah Lehmann, um mit ihm zu sprechen, er muss gehen, für Lissy.«

»Viel Glück.« Helene stand auf. »Falls du Marie schreiben willst, nehme ich gerne einen Brief mit.«

»Danke, aber wir telefonieren häufig«, lehnte Else das Angebot ab. »Kommt morgen zum Abendessen, Claus wird sich freuen, ich lade die ganze Familie für euer Abschiedsessen zu uns ein.«

»Gerne, das erspart mir das Kochen«, meinte Helene mit einem traurigen Lächeln.

Else überlegte auf dem Weg zu Noah Lehmann, ob sie ihrer Tochter von diesem Gespräch erzählen sollte, und entschied sich dagegen.

Noah wohnte in einer winzigen Wohnung in der Schulstraße. Else klopfte an seine Tür, er öffnete einen kleinen Spalt, bis er Else erkannte. »Frau Kölln, wie geht es Ihnen? Was führt Sie zu mir?«

»Das sollten wir drinnen besprechen«, schlug Else vor.

»Natürlich, entschuldigen Sie.« Noah öffnete die Tür und ließ sie eintreten.

»Ich komme gleich zum Punkt«, begann Else, obwohl ihr die ganze Angelegenheit unangenehm war. »Meine Schwägerin Helene zieht mit ihrer Familie nach Dänemark zu ihrer...

Erscheint lt. Verlag 10.7.2024
Reihe/Serie Die Kölln-Saga
Die Kölln-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • 2. Weltkrieg • Charlotte Jacobi • Dallmayr • eBooks • Epischer historischer Roman • Familiensaga • Fenja Lüders • Frauenromane • Geschenke für Frauen • Große Gefühle • Hamburg • Lena Johannson • Liebesromane • Lisa Graf • Marie Lacrosse • Miriam Georg • Neuerscheinung • neuerscheinung 2024 • Norddeutschland • Starke Frauen • Weltkrieg
ISBN-10 3-641-29633-1 / 3641296331
ISBN-13 978-3-641-29633-9 / 9783641296339
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