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Der Traum von Amerika (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Aufl. 2023
397 Seiten
beHEARTBEAT (Verlag)
978-3-7517-3780-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Traum von Amerika - Jessica Weber
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Hinter dem Horizont liegt die Hoffnung

Hamburg, 1907: Leni hat einen Traum. Sie will tanzen, am liebsten am Theater in New York. Zusammen mit ihrem Bruder, ihrer kleinen Schwester und dem sympathischen Viktor, der immer schon Teil der kleinen Familie war, arbeitet sie hart, um ihren Traum wahr werden zu lassen. Als sie gemeinsam endlich genug Geld gespart haben, kaufen sie sich vier Fahrkarten, um mit dem Schiff nach Amerika auszuwandern. Doch Leni ahnt nicht, welch schwere Prüfungen noch auf sie warten - denn nicht alle werden Amerika erreichen. Und Leni kämpft: darum, ihre Familie zusammenzuhalten, gegen die widerstreitenden Gefühle Viktor gegenüber und um ihr eigenes Glück. Wird sie ihr Ziel am Ende erreichen?

Ein mitreißender historischer Roman über die Hoffnungen und Gefahren der Auswanderung nach Amerika und eine junge Frau, die gegen alle Widerstände ihren eigenen Weg geht.

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.



<p>Die Kieler Autorin Jessica Weber ist gelernte Schifffahrtskauffrau und liebt das Meer. Wenn sie nicht schreibt, arbeitet sie als Lektorin, Korrektorin und Sekretärin. In ihrer Freizeit fertigt sie ausgefallene Motivtorten an, ist in der Mittelalterdarstellung aktiv und reist viel, gern auch zu Recherchezwecken. Außer historischen Romanen mit und ohne Romantik schreibt sie Kurzgeschichten und liebt Gemeinschaftsprojekte mit Autorenkolleginnen.</p>

1


Hamburg, Spielbudenplatz, März 1907

Ich will aber die Menschen aus Wachs sehen!«

Leni seufzte, packte Rias Hand fester und zog die kleine Schwester an dem lang gestreckten Gebäude der Wilhelmshalle, in dem sich auch das Panoptikum befand, vorbei. Sie bereute bereits, dass sie sich wie so oft hatte überreden lassen, auf dem Heimweg von Rias Volksschule den Weg über den Spielbudenplatz zu nehmen. Die Schilder und Reklamen an den Gebäuden, die Theater, Varietés und Kaffeehäuser, das Lichtspielhaus, die Ahnung von Prunk hinter den hohen, glänzenden Fenstern – all dies weckte Begehrlichkeiten, und das nicht nur bei Achtjährigen, die auf Sensationen wie die wächsernen Körper von Kaisern und Kindsmörderinnen aus waren. Auch in Lenis Brust zwickte der Neid auf die fein gekleideten Herrschaften, die in die Etablissements des Vergnügungsviertels drängten. Dabei hatte dieser Teil Hamburgs nicht einmal einen besonders guten Ruf, machten doch Freudenhäuser einen großen Teil des Gewerbes in der Umgebung aus. Aber die Theater, besonders die mit Tanzdarbietungen … Wie gern hätte Leni wieder einmal eins besucht. Es war schon viel zu lange her, dass sie eine der kostenlosen Aufführungen von reisenden Ensembles gesehen und sich neue Tanzschritte abgeschaut hatte. Zwar hatte sie immer ein schlechtes Gewissen, nie etwas in den Hut zu werfen, der im Anschluss an die Vorführung herumgereicht wurde, aber dafür applaudierte sie jedes Mal besonders ausdauernd. Vielleicht kam ja bald mal wieder eines in die Stadt, und …

»Ach, komm schon, Leni!«, quengelte Ria und unterbrach damit ihre Gedanken. »Die Suse war letztes Wochenende mit ihren Eltern im Panoptikum, und sie sagt, man muss es gesehen haben.«

»Man muss gar nichts, nur weil andere es sagen, und wir haben kein Geld für den Eintritt«, erklärte Leni und kam sich vor wie eine Grammophonplatte, bei der die Nadel an immer derselben Stelle hakte und ein Stück zurücksprang. Wieder und wieder die alte Leier.

»Kein Geld für dies, kein Geld für das!« Auch Rias erboste Erwiderung war stets dieselbe. »Dabei kostet der Eintritt gerade mal fünfundzwanzig Pfennig.«

Leni verdrehte die Augen. »Fünfundzwanzig für dich, fünfzig für mich. Benno dreht uns die Hälse um, wenn wir ein Drittel seines Tageslohns für Unnützes ausgeben.« Das war eine Lüge, denn ihr Bruder war viel zu gutmütig dazu – was Ria auch genau wusste.

»Das ist nicht unnütz, sondern lehrreich«, gab Ria in altklugem Tonfall zurück. »Sie haben sogar eine Abteilung, in der Teile des menschlichen Körpers ausge…«

»Genug!«, unterbrach Leni die Schwester schroff und fühlte flammende Hitze in ihre Wangen schießen. Sie wusste, was im sogenannten anatomischen Museum ausgestellt wurde, und nicht umsonst durften Frauen dieses nur an einem Tag in der Woche und auch nur ohne männliche Begleitung besuchen. »Komm, lass uns nach Hause gehen. Wir müssen das Essen vorbereiten. Du weißt, wie hungrig Benno und Viktor immer nach der Arbeit sind.«

Auch diese fast täglich wiederholten Worte ließen Leni wieder an eine kaputte Grammophonplatte denken. Was sie zum nächsten Gedanken führte, dem an die ersehnte Apparatur, mit der man zu jeder Zeit Musik abspielen konnte. Daheim, ohne in ein Tanzcafé, ein Konzert oder eine Aufführung gehen zu müssen. Hätte Leni genug Geld gehabt, dann hätte sie es nicht für Wachsfiguren oder Bonbons ausgegeben. Nein, ein Grammophon hätte sie gekauft, diesen Apparat mit einem riesigen Trichter an einem viereckigen Kasten. Sie hatte einmal die Vorführung eines solchen Wundergeräts vor einem Geschäft mit angesehen. Man musste nur die Platte auflegen, dann ordentlich kurbeln, um diese in Bewegung zu setzen, den Tonarm mit der Nadel aufsetzen, und schon ertönte wie von Zauberhand Musik. Wie wunderbar es wäre, ihre winzige, schäbige Wohnung mit Klängen zu füllen! Nicht mit den alten, den Walzern und Polkas, sondern mit neuen Tönen aus Frankreich, England oder – Amerika! Wann immer Leni Zeit erübrigen und Ria in Bennos Obhut lassen konnte, drückte sie sich vor den Tanzlokalen und Singspielhäusern herum, aus denen die fröhlichen Klänge drangen. Unwillkürlich begann sie, die Melodie von Ta-ra-ra Boom-de-ay zu summen, eines englischen Music-Hall-Liedes.

»Schön, dass du gute Laune hast«, keifte Ria und zerrte ihre Hand aus Lenis. »Ich bin es ja nur, die von ihren Kameradinnen ausgelacht wird, weil sie nie etwas anderes tun darf als Putzen und Lernen. Dabei nützt all die Plackerei nicht mal was!« Ria ballte die kleinen Hände zu Fäusten. »Ich bin sowieso zu dumm für die Schule.«

Das Summen blieb Leni im Hals stecken. Sie räusperte sich und bemühte sich um einen sanften Tonfall. »Sag so etwas nicht, Ria. Du bist nicht dumm.«

»Bin ich wohl!« Tränen traten in die blauen Augen der kleinen Schwester. Sie wischte sie unwirsch mit dem Ärmel ihres schlichten Schulkleides ab und trat mit Wucht gegen einen lockeren Pflasterstein. »Fräulein Eggers hat es gesagt. Sie überlegen, ob sie mich in die Hilfsklasse für schwachsinnige Kinder stecken.«

»Wie bitte?« Lenis Herz stolperte. »Schwachsinnig – du? Das ist … Wie kommen die darauf?«

Ria schniefte. »Weil ich einfach nicht besser werde. Sosehr ich übe, das Lesen und Schreiben will mir nicht gelingen. Ich kann das M nicht vom W unterscheiden, mein P und mein D haben die Bäuche zur falschen Seite. Andere Mädchen erkennen ein einmal gelerntes Wort auf den ersten Blick, aber ich muss es jedes Mal Buchstabe für Buchstabe lesen.« Wieder rieb sich Ria über die Augen. »Die Schule ist blöd, die anderen sind blöd. Du bist blöd!« Sie schlug nach Leni, fuhr herum und rannte los.

»Ria, warte!« Leni setzte der Schwester nach und bekam sie gerade noch zu fassen, ehe sie in einer Menschentraube verschwinden konnte. »He, was soll das? Was habe ich dir getan?« Sie wollte Ria in ihre Arme ziehen, doch die Kleine wehrte sich, und so gab Leni es auf.

»Was du mir getan hast?« Ria schnaubte und stampfte mit dem Fuß auf. »Du schickst mich zur Schule und erlaubst mir nicht die kleinste Freude.« Sie deutete auf die Menschenmenge vor sich, die sich vor einem mindestens drei Meter hohen, fahnengeschmückten Kasten versammelt hatte. »Bestimmt darf ich mir auch mal wieder nicht das Kaspertheater angucken.«

Leni rang mit sich. Sie wollte nicht immer die Böse sein, die alles verbot. Und das Puppenspiel kostete immerhin kein Geld. Sie mussten allerdings wirklich nach Hause und kochen. Benno und Viktor arbeiteten hart auf der Baustelle und durften ein pünktliches Abendessen erwarten. Dann dachte sie an die kränkende Bemerkung der Lehrerin und beschloss, der Schwester die kleine Freude zu gönnen, damit sie sich ein wenig besser fühlte.

Sie seufzte und hob die Hände. »Also gut, sieh dir den Kasper an.«

»Ehrlich? Danke, Leni!« Ria schenkte ihr ein winziges Lächeln, in dem unleugbar Triumph mitschwang, drehte sich um und verschwand in der Menge.

»Warte! Du …« … kannst nicht einfach weglaufen, hatte Leni sagen wollen, doch es war zu spät. Die kleine Schwester hatte sich längst zwischen den Menschen durchgequetscht, und Leni würde es ihr gewiss nicht gleichtun und sich damit lächerlich machen. Oder die umstehenden Männer auf schmutzige Gedanken bringen, indem sie sich zu nah an sie drängte. Oft genug hatte sie es getan und nichts als hämische Bemerkungen oder rüde Annäherungsversuche geerntet.

Außerdem lief Ria ständig einfach weg. Dass es gefährlich war, schien ihr gleichgültig zu sein, und alle Predigten nützten nichts. Immerhin hatte Ria bisher jedes Mal zu ihr zurückgefunden. Also blieb Leni, wo sie war, und wartete das Ende des Stückes ab.

Sie lehnte sich an den dünnen Stamm des noch kahlen Baumes, neben dem sie stand, und hätte am liebsten auf ihn eingeschlagen. Sie verfluchte sich, vor Rias Tränen eingeknickt zu sein. Sie verabscheute das Kaspertheater und hätte dazu stehen sollen, dass sie die kleine Schwester diesen Darbietungen nicht aussetzen wollte. Die hölzernen Gesichter der Puppen mit ihren aufgemalten, starren, auch bei oftmals dargestellten Gräueltaten unverändert grinsenden Fratzen verursachten ihr stets eine Gänsehaut. Dazu die schaurigen Stimmen der unsichtbaren Puppenspieler und die Handlung, die häufig recht brutal war für ein Unterhaltungsprogramm, das doch neuerdings vorgab, kindgerecht zu sein.

Eben verprügelte der Kasper auf seiner hölzernen Bühne unter dem Johlen und Stampfen der Zuschauer eine fremdländisch aussehende Figur. Leni wandte den Blick ab und ließ ihn über die Gebäude des Spielbudenplatzes schweifen. Einmal mehr überkam sie die Sehnsucht, eines der Theater zu besuchen, das Eden zum Beispiel, dessen Schriftzug sie in wenigen Metern Entfernung an der Fassade lesen konnte. Ein echtes Schauspiel zu sehen, mit Menschen auf der Bühne, die ihre Gesichtszüge passend zur Situation veränderten. Erneut wandte sie sich zum Puppentheater um. Der grinsende Kasper schlug auf die inzwischen liegende Figur ein. Leni biss sich auf die Unterlippe und zwang sich zur Ruhe. Es musste ja gleich vorbei sein.

Als der winzige Vorhang fiel und sich die Menge der Zuschauer langsam auflöste, atmete sie auf. Sie stieß sich von dem Baumstamm ab und ging ein paar Schritte in Richtung Puppenbühne. Angestrengt hielt sie Ausschau nach Ria, konnte die Schwester jedoch nicht entdecken. Ihr Herzschlag beschleunigte sich.

Die Lücken zwischen den Menschen wurden größer, sodass sie sich nun doch zu dem Holzkasten aufmachte. Ihre Schwester war nirgends zu sehen. Leni drehte sich um sich selbst, blickte...

Erscheint lt. Verlag 1.6.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Amerika • Arm und Reich • Armut • Auswanderung • Beziehung • Das Leuchten der Freiheit • Die Geliebte des Nachtwächters • Die Spionin des Kaufmanns • Die Walfängerin von Borkum • Familie • Freiheit • Freiheitsstatue • Glück • Hafen • Hamburg • Historische Romane • Historischer Roman • Liebe • Meer • New York • Ozeandampfer • Schicksal • Schiff • Schiffsreise • Tanzen • Traum • Waisen
ISBN-10 3-7517-3780-4 / 3751737804
ISBN-13 978-3-7517-3780-7 / 9783751737807
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