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Losgesagt von Rom -  Anton Ohorn

Losgesagt von Rom (eBook)

Seelische Konflikte eines Priesters

(Autor)

Klaus-Dieter Sedlacek (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2020 | 2. Auflage
288 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7526-5276-5 (ISBN)
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Die Aufstellung des Dogmas der päpstlichen Unfehlbarkeit in Rom war ein Ereignis, welches die Gemüter der ganzen gebildeten Welt bewegte und die Herzen der katholischen Christen mit bangen Zweifeln und mit Schmerz erfüllte. Schwere Seelenkämpfe wurden daraufhin von manchem Katholiken und manchem katholischen Priester durchlitten. Dokumentarisch aber im Romanstil schildert der Autor Seelenqualen, Empfindungen und Verhältnisse des katholischen Klerus, sein Leben, seine Anschauungen und sein Handeln. Die Gestalten der Erzählung sind wirkliche Typen und gezeichnet ohne jede Gehässigkeit. Wie wird sich der Protagonist, ein katholischer Priester entscheiden, um sich und seiner hübschen Gertrud, ein Leben ohne schwere Seelenkämpfe zu ermöglichen? Der Roman hat seit seiner Entstehung nichts von seiner Aktualität der behandelten Themen verloren. Die Geschichte erhebt den Anspruch darauf, wahr zu sein und Verhältnisse zu schildern, die dem Leben entnommen sind.

Anton Joseph Ohorn war Lehrer, Dichter und Schriftsteller. Nachdem er das Gymnasium von Böhmisch-Leipa absolviert hatte, trat er in das Prämonstratenser-Chorherrenstift in Tepl ein und empfing dort mit 24 Jahren die Priesterweihe. Mit Erlaubnis seines Ordens konnte Ohorn fünf Jahre in Prag Theologie, Geschichte und Germanistik studieren. Er schloss sein Studium mit der Promotion zum Dr. phil. ab. Aus einer Krise wuchsen immer größere Probleme mit der Amtskirche und dem katholischen Glauben, sodass Ohorn zum Protestantismus konvertierte. Danach lehrte er Deutsch und Literaturgeschichte an den Technischen Staatslehranstalten in Chemnitz (heute Technische Universität Chemnitz), wo man ihm den Titel Professor verlieh. An seinem 60. Geburtstag ernannte ihn die Stadt Chemnitz zu ihrem Ehrenbürger.

ERSTES KAPITEL.


Feierlicher Glockenklang zog weit hinein ins Land. Blauer Himmel lag über der Erde; auf den Feldern wiegten sich schwer die goldgelben Ähren, reif für den Sensenschnitt, und auf den Straßen und den grünen Wiesensteigen kamen von allen Seiten Leute im Sonntagsstaat heran nach der kleinen, freundlichen Stadt, die im Thale lag.

Sie hatte ein altertümlich-trauliches Gesicht. Der Rest einer alten, verwitterten Mauer drängte sich da und dort aus grünen Gartengehegen hervor, ein dicker, schwerfälliger Kirchturm sah hoch hinaus über die aneinandergedrückten roten und grauen Dächer und über den bescheidenen Genossen, der das kleine Kloster der Bettelmönche am letzten Ende des Städtchens überragte.

Und die Glocke läutete noch immer mit langsamen, aber vollen und weichen Schlägen, als ob sie gute Botschaft zu sagen hätte.

Auf der hochgelegenen Straße, von der man in die sonnige Landschaft und auf die wandernden Menschen ringsum schauen konnte, saß bei einem Kapellchen auf einer Steinbank ein fahrender Gesell. Der erhob sich, als jetzt eine kleine Schar von Landleuten herankam, lüftete zum Gruß seine Kappe, rückte sich das Ränzel zurecht auf dem Rücken und fragte:

»Mit Verlaub, da unten wird wohl heute ein besonderes Fest gefeiert?«

Der weißhaarige Bauer, welcher mit seinem Weibe dem Zug voranging, stützte sich einen Augenblick auf seinen Weißdornstecken, sah sich den Burschen an, und weil er ihm zu gefallen schien, sagte er im Weiterschreiten – denn er setzte voraus, dass der andere sich ihm anschließen wolle:

»Des seligen Sportelschreibers Frohwalt Sohn hat heute seine Primiz, sein erstes heiliges Messopfer. Ein solch' Fest ist seit langen Jahren nicht mehr hier gewesen und darum kommt, wer nur immer kann, herbei, um demselben beizuwohnen. Bei uns heißt's, man soll, wenn's nottut, ein paar neue Schuhe auf dem Wege zerreißen, um den Segen eines neugeweihten Priesters zu erhalten, der eine besondere Kraft hat. Und diesmal ist's noch etwas anderes. Wir haben den alten, braven Sportelschreiber gekannt, und von Kindesbeinen an auch seinen Sohn, den Peter, und da wollen wir erst recht nicht fehlen am Ehrentag. Der Vater hätte' es noch erleben müssen, denn es ist ein großer Stolz für ein schlichtes Haus, wenn ein geistlicher Herr daraus hervorwächst und besonders einer wie der hochwürdige Herr Pater Peter, der gar so gescheit und fromm sein soll. Na, der Mutter und der Schwester ist auch die Freude zu gönnen, sind brave Leute, die sich recht und schlecht durchbringen und denen niemand etwas nachreden kann.«

Der Alte ging mit weit ausgreifenden Schritten dahin, und sein Weib trippelte hastig nebenher, hinterdrein aber kamen Kinder und Enkel, Knecht und Magd. Die Glocke hatte jetzt ausgeklungen, und der Bauer sprach halb zurückgewendet:

»So, nun ist das erste Läuten vorüber, und in der Kirche wird's kaum noch Platz geben – das kommt davon, dass bei euch jungem Volk kein Fertigwerden ist.« Dann redete er wieder leutselig mit dem wandernden Gesellen und frug nach seinem Handwerk und seiner Heimat, und so kamen sie ans Städtchen.

Durch einen altertümlichen Torbogen führte der Weg hinein in die Gasse, und gleich zu ihrem Anfang stand zur Rechten ein kleines Haus, einstöckig, mit vier spiegelblanken Fenstern in der Front, dessen Tür umwunden war mit grünem Kranzwerke.

»Das ist des Sportelschreibers Haus!«, sagte der Bauer, und der Geselle hätte sich's wohl denken können, denn Kinder und neugierige Frauen standen in der Nähe, den Ausdruck frommer, scheuer Spannung in den Gesichtern. Er sah einen plätschernden Brunnen unter einer Statue des heil. Johann von Nepomuk, dabei war eine Linde und eine Bank ringsum dieselbe; da sprach er:

»Hier bleibe ich und will warten, bis der Zug nach der Kirche geht. Gott befohlen!«

Und im Lindenschatten ließ er sich nieder neben einem Kindermädchen, das einen kleinen Knaben auf dem Arme schaukelte, stützte das Kinn auf den Griff seines Wanderstockes und wartete.

Im Erdgeschoss des kleinen Hauses aber war alles so blitzblank. Der Flur war gescheuert und mit weißem Sande bestreut, und in der großen Stube war kein Stäubchen zu sehen. Vor den Fenstern hingen weiße Vorhänge, und auf den Brettern standen blühende Blumen, die altertümlichen Möbel waren aufpoliert und an der Wand, der Türe gegenüber, war ein einfacher Altar errichtet worden. Auf der blütenweißen Tischdecke befand sich ein Kruzifix, daneben zwei Leuchter mit brennenden Lichtern und in zwei kleinen Vasen duftende weiße und rote Rosen.

Vor dem Altar aber stand der junge Priester, Peter Frohwalt, eine jugendlich schöne Erscheinung, hochgewachsen und schlank, mit einem frischen, von froher Erregung geröteten Antlitz, aus welchem zwei große, schöne, blaue Augen schauten. Das blonde Haar war kurzgeschoren und weiß schimmerte daraus die Tonsur hervor. Er trug das dunkle, wallende Priestergewand, und um den Hals den ringsum geschlossenen Kragen mit dem weißen Bändchen darum, das Kollar. Zur Seite des Altars standen seine Mutter und seine Schwester. Erstere war eine Frau mit festen aber gutmütigen Zügen, in denen heute eine mühsam verhaltene Rührung lag, angetan mit einem dunklen, verschossenen Seidenkleid, das wohl schon manchen Ehrentag des Hauses gesehen hatte; die Schwester war ein hübsches, hochgewachsenes Mädchen, dem Bruder ähnlich, und unter dem schlichten Hütchen, welches sie trug, drängten sich ein paar prächtige blonde Zöpfe hervor. Sie mochte vielleicht ein Jahr jünger sein als der neu geweihte Priester.

Dem Altar und den Letzteren gegenüberstanden um den alten Pfarrer des Ortes gereiht ältere und jüngere Geistliche, darunter die Mönche des in der Stadt befindlichen Kapuzinerklosters. Der Pfarrer, ein weißhaariger Herr mit milden, freundlichen Zügen trug den goldschimmernden Vespermantel, die andern zumeist weiße Chorhemden und darüber die Stola.

Der Pfarrer hatte seine Ansprache geendet, in welcher er den jungen Priester beglückwünscht und begrüßt hatte. Seine Worte waren ruhig und herzenswarm gewesen, und da er des verstorbenen Vaters des Primizianten gedachte, weinten Mutter und Tochter in Wehmut still für sich hin. Nun nahm der Jüngling vor dem Altar das Wort:

»Laetatus sum in his, quae dicta sunt mihi: In domum Domine ibimus – ja, erfreut bin ich darüber, dass man mir sagt: Wir wollen hingehen in das Haus des Herrn!«

Mit diesem Ausspruch des Psalmisten hob er an, und seine anfangs bewegte Stimme wurde ruhiger und sicherer und gewann einen weichen, wohltuenden Klang. Vom Elternhaus ins Gotteshaus – welch ein schöner Weg! Von der Stätte, von welcher er Liebe empfangen, zu jener, von welcher aus er sie spenden wollte. – Das war der Grundgedanke, den er kurz und weihevoll ausführte, und dann schloss er:

»Mit reinem Herzen und mit reinen Händen will ich hintreten an den Altar des Herrn. Wer je mich gekränkt hat in meinem Leben, dem sei verziehen vom Grund der Seele und wem ich wissentlich oder unwissentlich wehgetan, der möge mir verzeihen um dieser Stunde willen, in der Gott mich würdigt, der Wunder Größtes zu vollbringen und Brot und Wein in seines ewigen Sohnes Fleisch und Blut zu verwandeln. Und wie ich meines toten Vaters gedenken werde bei meinem ersten heiligen Opfer, so will ich auch für euch beten, Mutter und Schwester. – Der Herr hat heute Großes getan an uns allen, gepriesen sei sein Name – Amen!«

Hoch aufgerichtet trat der junge Mann zu der beinahe fassungslosen alten Frau, die sich in seine umschließenden Arme schmiegte und nach der geweihten Hand des Sohnes fasste, um sie zu küssen, was dieser jedoch abwehrte, dann umarmte er die blühende, errötende Schwester – durch die kleinen Fenster aber flutete wärmer der Sonnenglanz herein und glänzte auf den priesterlichen Gewändern, auf den Rosen um das Kruzifix und auf dem blonden Scheitel des jungen Priesters.

Nun ordnete sich der Zug. Der alte Pfarrer und der Vorsteher des Kapuzinerklosters nahmen den Neugeweihten in die Mitte, die andern schlossen sich paarweise an, und den Priestern folgte Mutter und Schwester, sowie eine Anzahl Freunde der Familie. Im Flur des Hauses aber traten vor den Zug vier kleine, weiß gekleidete Mädchen, die aus Körbchen, welche sie am Arme trugen, Blumen und Rosenblätter auf den Weg streuten.

Jetzt hoben die Glocken aufs Neue an, zu tönen – auch jene von dem Klösterchen klangen darein – und langsam ging es im hellen Sonnenglanz durch die Gassen nach der Kirche.

Das Gotteshaus war umschlossen von dem Friedhof, und ehe noch das Kirchenportal den Zug aufnahm, hatte der junge Priester dem Pfarrer einige Worte zugeflüstert und dieser den kleinen Mädchen eine Weisung erteilt. Sie bogen seitwärts ab nach dem Eingang zum Gottesacker, und zwischen den Kreuzen und Steinmälern ging der Zug zur Verwunderung der Neugierigen hin, bis er anhielt, wo hart am Wege auf einem schlichten Denkmal geschrieben...

Erscheint lt. Verlag 6.11.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-7526-5276-4 / 3752652764
ISBN-13 978-3-7526-5276-5 / 9783752652765
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