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Die Bannister Girls (eBook)

Drei Schwestern in unruhigen Zeiten
eBook Download: EPUB
2021 | 2. Auflage
526 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-2461-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Bannister Girls -  Jean Saunders
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Ein Krieg. Drei Schwestern. Drei Schicksale.

London, 1915: der Krieg hat England fest im Griff und für die Londoner Bevölkerung bricht eine harte Zeit der Entbehrungen an. Auch für die Familie Bannister ist nichts mehr, wie es war. Bisher führten sie ein privilegiertes, sorgenfreies Leben und besaßen eine gut gehende Textilfirma. Jetzt aber liegen ihr altes Leben und die Pläne der drei Töchter in Schutt und Asche. Und so unterschiedlich die drei jungen Frauen sind, so unterschiedlich stellen sie sich auch den neuen Herausforderungen: Louise, die sich bislang immer bemühte es ihrer Mutter recht zu machen. Ellen, die sich mehr und mehr für die Rechte der Frauen einsetzt und sich gegen gesellschaftliche Konventionen auflehnt. Und Nesthäkchen Angel, die den Glauben an die große Liebe einfach nicht aufgeben möchte.

Werden die drei Schwestern zusammenhalten und neue Chancen ergreifen? Oder wird der Krieg sie schließlich auseinanderreißen und eine Familie zerstören?



Jean Saunders, geborene Jean Innes (8. Februar 1932 - 3. August 2011) war eine bekannte britische Schriftstellerin und Verfasserin zahlreicher Liebesromane und Familiensagas. Ihre Werke wurden sowohl unter ihrem Klarnamen als auch unter verschiedenen Pseudonymen veröffentlicht.
Bei Aufbau Digital ist sie des Weiteren als Rowena Summers mit der vierteiligen Caldwell Saga vetreten.

Kapitel 1


Die Mädchen aus der alten Konservenfabrik, in der mittlerweile Munition fürs Vaterland produziert wurde, schimpften lautstark, als plötzlich ein heftiger Regenguss auf sie niederprasselte und die Straßen mit einer glänzenden Schicht überzog wie Zuckerguss ein Milchbrötchen. Angel Bannister beachtete gar nicht, wie sich die Mädchen aneinanderdrängten und sich gegenseitig anrempelten, sondern ging mit plätschernden Schritten den Weg entlang, während sie in ihren Knopfstiefeln den Pfützen auswich. Der kalte Märzwind hatte aufgefrischt, peitschte gegen ihre Wangen und nahm Angel den Atem.

Der Rock klebte an den Knöcheln, und ihre Reisetasche rutschte fast aus der Hand. Sie zerrte sich die nassen Handschuhe herunter und stopfte sie in die Tasche. Ihren Seidenschal hatte sie bereits irgendwo verloren. Die Fabrikmädchen blickten zu ihr hinüber, taten sie als feine Dame ab und verschwanden in einer der dunklen Gassen.

Eine Dame zu sein, half Angel an diesem Abend auch nicht, ein Taxi zu bekommen, und als eines nach dem anderen an ihr vorbeifuhr und die Fahrer ihr verzweifeltes Winken ignorierten, wurde sie langsam wütend.

Die Straßen Londons waren voller Passanten, überrascht vom Unwetter, während Pferdekutschen, Straßenbahnen und Automobile versuchten, sich in Verkehrslücken zu drängen, die offensichtlich viel zu klein für sie waren.

Die Straßenbahn, mit der Angel auf dem Nachhauseweg gewesen war, hatte eine Panne gehabt, und nun war sie hier gestrandet. Und in dieser trostlosen Nacht waren die Taxifahrer entweder alle blind oder hielten lieber für Gruppen von Fahrgästen an als für eine einzelne schmächtige Gestalt, die so aussah, als sei sie eher gewohnt, in einem Rolls-Royce zu fahren.

Als die abgeblendeten Lichter eines Taxis vor ihr aufleuchteten, warf sich Angel beinahe auf die Straße, um die Aufmerksamkeit des Fahrers auf sich zu ziehen. Er musste sie bemerkt haben … Doch dann riss jemand sie auf den Bürgersteig zurück.

»Wollten Sie sich umbringen?«

Angel blickte finster zu dem jungen Mann in Uniform auf. Sein Abzeichen mit den Initialen RFC zwischen den ausgebreiteten Flügeln eines Mauerseglers befand sich genau auf Höhe ihrer Augen. Also gehörte er dem schneidigen Royal Flying Corps an … Aber sie war zu verärgert, um mehr als einen flüchtigen Blick darauf zu werfen. Mit ihren grünen Augen funkelte sie ihn an.

»Ich versuche, nach Hause zu kommen, und Ihretwegen ist jetzt das einzige Taxi weg, das in der letzten Viertelstunde für mich angehalten hätte.«

Sie vernahm ein hohes Kichern und bemerkte, dass noch zwei weitere Personen hinter dem Mann warteten.

»Wir wollen alle nach Hause, Schätzchen – oder davon weg, wenn S’ verstehen, was ich mein.«

Angel musterte die junge Frau, die gesprochen hatte. Sie war stark geschminkt, die Augen dramatisch umrahmt, der Lippenstift in diesem neuen knalligen Orangeton, der sich Tango nannte. Die Fingernägel waren passend dazu lackiert, und sie hatte sich besitzergreifend bei einem Mann eingehakt, der eine schlichte khakifarbene Soldatenuniform trug.

Trotz ihres eleganten grauen Wollmantels kam sich Angel verglichen mit der Frau in ihrem auffälligen pflaumenfarbenen Kostüm irritierend unansehnlich vor. Angels blonden Haare, die sie sich in einem teuren Friseursalon in Mayfair hatte schneiden und legen lassen, wirkten gegen die wasserstoffblonden Locken der anderen auf einmal farblos.

Es ärgerte Angel, dass ihr das überhaupt auffiel. Ihre Mutter hätte dieses Mädchen sofort in eine Schublade gesteckt: ein Flittchen, eine von denen, die seit Beginn des Kriegs, der alle Kriege beenden sollte, wie die Schmetterlinge schlüpften.

»Achten Sie gar nicht auf Dolly, Miss. So wie es aussieht, will heute ganz London ins Westend.« Der uniformierte Begleiter des Mädchens grinste beim Sprechen, offensichtlich bewunderte er Angels kultiviertes Erscheinungsbild. Kinn hoch, Schultern runter. Das hatte man ihr in der exklusiven Mädchenschule beigebracht, und ganz egal, wie zerzaust sie auch aussehen mochte, verlieh ihr diese Haltung offenbar den Anschein, jede Situation zu meistern.

Ein Taxi bremste; der Fahrer hatte die vier Personen am Straßenrand stehen sehen. Wieder ärgerte sich Angel. Ein Mann in Uniform bekam dieser Tage alles, was er wollte. Der Krieg gegen den deutschen Kaiser machte sie alle zu Helden, ganz egal, ob sie jemals ein Schlachtfeld aus der Nähe gesehen hatten oder nicht.

Angel stürzte vor und griff im selben Moment wie der Flying-Corps-Offizier nach dem Türgriff, so dass sich seine Finger um ihre schlossen. Zornig blickte sie ihm ins Gesicht, das sie nun zum ersten Mal aus nächster Nähe sah. Er war nicht gut aussehend im eigentlichen Sinne, hatte aber ausdrucksstarke Züge. Seine dunklen Augen waren aufmerksam, die Nase leicht gebogen, der Mund ein wenig streng. Oh ja, unter anderen Umständen hätte sie ihn anziehend gefunden. Doch im Augenblick wollte sie einfach nur hier weg.

»Sie lassen einer Dame doch sicherlich den Vortritt«, sagte sie mit Nachdruck.

»Nicht an so einem Abend«, erwiderte er ungerührt, und Angel blieb vor Verblüffung über ein derart dreistes Verhalten der Mund offen stehen. Seinem Auftreten und seiner Uniform nach musste er ein Offizier sein, aber er war ganz sicher kein Gentleman.

»Ach, lasst uns doch alle einsteigen.« Dolly hatte die Geduld verloren. »Wir können die Dame doch irgendwo absetzen. Wenn wir noch länger hier herumtrödeln, kommen wir noch zu spät zur Vorstellung.«

»Wir müssen wohl kaum in dieselbe Richtung, und ich habe nicht vor, auf Ihrem Fahrpreis sitzen zu bleiben«, setzte Angel an.

Der Taxifahrer beendete die Diskussion. »Es ist mir wirklich egal, wohin S’ wollen, aber wenn in den nächsten zehn Sekunden keiner hier drinsitzt, bin ich weg, und dann war’s das.«

Der Flieger zog am Türgriff, den Angel immer noch festhielt, und schob sie einfach in den Wagen. Hätte ihre Mutter gesehen, wie dieser Rüpel mit ihr umsprang, hätte sie Zustände bekommen!

Verstohlen beobachtete ihn Angel, während auch die beiden anderen ins Taxi kletterten, und der Soldat die Adresse irgendeines Clubs im Westend herunterratterte. Das Gesicht des Piloten sah so dunkel aus, dass er beinahe südländisch wirkte, vor allem mit dem Regenfilm darauf.

Er hatte ein markantes, äußerst männliches Kinn und war es zweifellos gewohnt, seinen Willen durchzusetzen. Angel durchlief ein Schauer, so beißend wie eine Vorahnung.

Er war ganz anders als die jungen Männer, die, bevor sie das Stadthaus von Angels Eltern besuchen durften, einer gründlichen Prüfung unterzogen wurden, oder als die noch langweiligeren, die Angel auf den Landsitz begleiteten.

Die Männer, die ihre Eltern für eine gute Partie hielten, waren in der Regel blond und willensschwach. Manche musterten sie durch ihr Monokel, als müsse Angel trotz ihres guten Elternhauses selbst inspiziert werden. Viele hatten einen Titel oder erwarteten, einen solchen zu erben. Und alle waren so sterbenslangweilig wie der Mann, den ihre ältere Schwester Louise geheiratet hatte. Dieser ehrenwerte Stanley Crabb.

Da Angel gerade erst achtzehn geworden war, gehörte es noch nicht zu der allerdrängendsten Aufgabe ihrer Mutter, einen Mann für sie zu finden. Angel war die jüngste der drei hübschen Bannister-Schwestern, und Lady Bannister schäumte immer noch vor Wut darüber, dass sich Ellen, ihre mittlere Tochter, vor etwa einem Jahr diesen entsetzlichen Suffragetten angeschlossen hatte.

Als Ellen ihr Zuhause verlassen und mit einer Gruppe dieser Frauen in ein grässliches Haus im Süden Londons gezogen war, hatte ihre Mutter sich von der eigenen Tochter distanziert.

Die liebe Louise dagegen war herrlich angepasst, und Lady Bannister ging davon aus, dass Angel genauso sein würde. Die jüngsten Töchter waren in der Regel formbar … Doch während sich die Mutter so sehr um das Schicksal ihrer beiden älteren gesorgt hatte, war ihr Angels wachsende Unabhängigkeit komplett entgangen.

Was für ein Segen es doch sei, die Töchter standesgemäß zu verheiraten, betonte Lady Bannister in den vornehmen Londoner Kreisen. Auch wenn man in diesen schrecklichen Kriegszeiten gezwungen war, mit den grässlichsten und unmöglichsten Leuten zu verkehren. Bald würden diese Zeiten jedoch vorbei sein, das sagten alle, auch wenn es bis letztes Weihnachten noch nicht vorbei gewesen war.

Angel spürte die Körperwärme des Flying-Corps-Offizier, als sie sich zu viert auf die Rückbank des Taxis drängten. Dollys billiges Parfüm und der eigentümliche Geruch feuchter Wolle von den Soldatenuniformen, vermischt mit der Enge des Taxis riefen in Angel ein seltsames Gefühl von Klaustrophobie hervor.

Das Atmen fiel ihr schwer, aber sie wollte sich ihr Unwohlsein nicht anmerken lassen. Je eher sie hier herauskam, desto besser, aber bis Hampstead hatte sie noch einen weiten Weg vor sich. Sie würde einfach still sitzen bleiben, bis die anderen ausgestiegen waren, und dann dem Fahrer ihre Adresse nennen.

Schon bald wurde ihr aber klar, dass der Offizier des Flying-Corps andere Pläne hatte. Von dem Moment an, als sie alle ins Taxi gestiegen waren, hatte er sie nicht aus den Augen gelassen. Das Dämmerlicht draußen war gerade noch hell genug, um mehr als Umrisse zu erkennen. Langsam wandte sie ihm den Kopf zu, als würde sie dazu gezwungen. Ihr lag eine bissige Bemerkung auf der Zunge, doch seine folgenden Worte überraschten sie.

»Sie haben das perfekteste Profil, das ich je...

Erscheint lt. Verlag 1.1.2021
Übersetzer Nina Restemeier
Sprache deutsch
Original-Titel The Bannister Girls
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1. Weltkrieg • Anti-Kriegsliteratur • Die Wunderfrauen • Erster Weltkrieg • Eva Völler • Familiensaga • Katharina Fuchs • Katja Maybach • London • Marie Lamballe • Neuleben • Ronald Balson • Schwetsern • Sofia Lundberg • Tod • Zwei Handvoll Leben
ISBN-10 3-8412-2461-X / 384122461X
ISBN-13 978-3-8412-2461-3 / 9783841224613
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