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Das Lied meiner Schwester & Das Maikäfermädchen (eBook)

Zwei Romane in einem E-Book

(Autor)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
816 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1581-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Lied meiner Schwester & Das Maikäfermädchen - Gina Mayer
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Zwei Romane von Gina Meyer in einem E-Book.

Das Lied meiner Schwester.

Es sind die Zeiten von Swing und Jazz - nur nicht im Deutschland der dreißiger Jahre. Orlanda hat ihre Anstellung an der Düsseldorfer Oper verloren und entdeckt als Sängerin der Melody Girls die Swingmusik für sich. Sie steht zwischen zwei Männern, dem Jazzgeiger Leopold und dessen Freund Clemens. Als ihrem Quartett von den Nazis Auftrittsverbot erteilt wird, schließt sich Orlanda einer Widerstandsgruppe an, in der ihre Schwester Anna organisiert ist. Kurz nachdem Orlanda Leopold und Clemens in ihre Aktivitäten einweiht, wird eine der Schwestern verhaftet. Wer hat sie verraten?

Im Gefängnis entdeckt die junge Frau, dass sie schwanger ist, und beginnt Briefe an ihr ungeborenes Kind zu schreiben, denn sie weiß, dass es ohne seine Mutter aufwachsen wird ...

Das Maikäfermädchen.

Herbst 1945. Deutschland liegt in Trümmern, von Düsseldorf sind nur noch Ruinen übrig. Die Hebamme Käthe Arensen leidet unter der Trennung von ihrem Mann Wolf, der im Krieg verschollen ist. Eines Nachts taucht eine junge Frau bei ihr auf. Ingrid ist schwanger und völlig verstört. Sie will Käthe nicht sagen, wer der Vater ihres Kindes ist, sondern summt immer nur die Melodie von 'Maikäfer flieg'. Käthe zögert nicht lange, sie hilft Ingrid, indem sie in einer halb zerstörten Arztpraxis eine Abtreibung vornimmt. Ingrid verschwindet nach dem Eingriff spurlos, aber wenige Wochen später erscheint ein anderes junges Mädchen bei Käthe, das ebenfalls schwanger ist. Zusammen mit ihrer Freundin Lilo beschließt Käthe, bedrängten Frauen zu helfen - trotz der Gefahr, als 'Engelmacherin' im Gefängnis zu landen.

Dann taucht Ingrid wieder auf, erneut schwanger, und beginnt Käthe zu erpressen ...



Gina Mayer, 1965 in Ellwangen geboren, lebt mit ihrer Familie in Düsseldorf. Bevor sie freie Autorin wurde, hat sie als Werbetexterin gearbeitet. Als Aufbau Taschenbuch sind lieferbar: 'Zitronen im Mondschein' und 'Das Lied meiner Schwester' sowie 'Im Land des Regengottes'. Im Verlag Rütten & Loening erschien von ihr: 'Leonore und ihre Töchter'.Mehr zur Autorin unter www.ginamayer.de

ERSTER TEIL


Jonny spielt auf


Aus dem Schornstein der Lokomotive kam echter Qualm, er stieg in einer leuchtend weißen Wolke in den schwarzen Bühnenhimmel. Eine Dampflok auf der Bühne, das war neu, so etwas hatte man noch nicht gesehen.

Auf dem Perron stand Clemens Haupt und schwitzte unter seiner schwarzen Lockenperücke. Schwitzen war gefährlich, das hatte er schon in den Proben festgestellt. Wenn man zu sehr schwitzte, dann lösten die Schweißtropfen die schwarze Farbe und hinterließen rosa Linien in der Schminke. Deshalb hatte Liddy, die Maskenbildnerin, Puder auf die schwarze Schicht getupft. »Puder hält das Ganze zusammen«, erklärte sie ihm. Sein Gesicht juckte höllisch, aber an Kratzen war natürlich nicht zu denken.

Die Dampflok stieß ein grelles Tuten aus. Das Publikum jubelte. Technische Effekte auf der Bühne kamen an, eine tutende Dampflok, ein klingelndes Telefon, ein röhrender Staubsauger, das begeisterte die Leute viel mehr als fünfmal in Folge das hohe C.

»Die Stunde schlägt der alten Zeit«, sang der Chor. »Die neue Zeit bricht jetzt an. Versäumt den Anschluss nicht. Die Überfahrt beginnt ins unbekannte Land der Freiheit.«

Clemens hob seine Geige und spähte dabei nach oben. Die große Bahnhofsuhr senkte sich langsam zu ihm herab. Jetzt kam das Finale, der Höhepunkt, wenn er nun nur nicht stolperte wie neulich in der Probe. Er setzte mit einem eleganten Sprung auf die Uhr, die sich im selben Moment verwandelte. Das Ziffernblatt, das nur eine Filmprojektion gewesen war, verschwand, aus der Uhr wurde eine Weltkugel, die langsam zu rotieren begann, während Clemens oben auf dem Nordpol stand und auf seiner Geige fiedelte, ohne natürlich einen Ton zu produzieren, denn er konnte gar nicht Geige spielen.

Die Melodie, die man hörte, spielte in Wirklichkeit Leopold Ulrich, der erste Geiger im Orchester.

»Die Überfahrt beginnt, so spielt uns Jonny auf zum Tanz. Es kommt die neue Welt übers Meer gefahren mit Glanz und erbt das alte Europa durch den Tanz«, sang der Chor.

Clemens fiedelte, Leopold geigte, und die anderen Schauspieler, Max, Yvonne, der Manager, die Polizisten und Anita, tanzten um den Globus herum, in einer sich steigernden, wilden Ekstase. »Denn seht, er tritt unter euch, und Jonny spielt auf«, sangen sie.

Der Zwischenvorhang fiel. Clemens sprang von der Weltkugel, dann wurde er von den beiden Polizisten nach vorn geschoben, durch den Vorhang an die Rampe. Sänger und Orchester waren verstummt. Alles war still. Er war allein. Allein vor dem dunklen, bis auf den letzten Platz ausverkauften Zuschauerraum.

Während er die Geige hob und an die Wange legte, konnte er das Publikum dort unten atmen hören. Dann begannen sie beide zu spielen, Clemens und Leopold, eine einsame Melodie, hingebungsvoll und süß. Es ist zu Ende, schluchzte die Geige. Bis im Orchester der Trommelwirbel einsetzte und dann das Becken. Aus.

Im Zuschauerraum ging das Licht an. Clemens schloss die Augen. Einen Moment lang war alles möglich. Erfolg oder Niederlage, Triumph oder Versagen.

Dann donnerte der Applaus los, ein Tornado, der ihn fast umwarf. Er riss die Augen wieder auf und sah Zuschauer, die von ihren Sitzen aufgesprungen waren, die jubelten und klatschten und Rosen auf die Bühne warfen. Bravo, bravissimo! Er schwitzte, der Schweiß lief jetzt in Strömen über sein Gesicht, aber es war egal, die Sache war entschieden.

Es war der 18. Juni 1929.

Clemens Haupt. Dieser Name, den bislang keiner gekannt hatte, würde morgen in allen Zeitungen stehen. »Wenn du das schaffst, dann bist du wer«, hatte Leopold zu ihm gesagt. Und Leopold hatte recht.

Vor ihm lag die Zukunft und glänzte.

Hinter ihm lag die Vergangenheit, die dunkle, armselige, elende Vergangenheit, die endlich vorbei war. Die Tage, in denen er sich mit der Mütze in der Hand in den Opernhäusern zum Vorsingen eingefunden hatte. In denen er vier Takte aus dem Freischütz gesungen hatte und zwei aus dem Fidelio, nur damit der Regisseur ungeduldig in die Hände klatschte. »Danke sehr.« Weggetreten. Fast ein Jahr war er durch ganz Deutschland gereist, immer auf der Suche nach einem Engagement, nach einer Chance. Um Geld zu verdienen, hatte er Kohlen geschippt, Kartoffeln geklaubt und auf dem Bahnhof Koffer geschleppt, aber er hatte die Hoffnung nie aufgegeben.

In Duisburg hatten sie ihm dann endlich eine Rolle gegeben. Nicht den Jago, für den er vorgesungen hatte, sondern den Schankwirt, der nur ein paar Takte zu singen hatte. Aber immerhin gab es Geld, für jede der zwanzig Vorstellungen des Othello fünfzehn Mark und für die Premiere noch einmal zehn extra.

»Wenn man erst einmal den Fuß in der Tür hat, kommt es nur noch drauf an, mit dem Rest des Körpers nachzudrängen. Dann ist man drin«, sagte Leopold, der es wissen musste. Leopold war schon seit einem Jahr festes Mitglied im Opernorchester, obwohl er erst zweiundzwanzig war, ein Jahr jünger als Clemens. »Erste Geige«, sagte er. »Auch wenn es andere gibt, die es durchaus besser verstehen als ich und doch nur die zweite Geige spielen. Aber ich hab meinen Fuß zur richtigen Zeit an die richtige Stelle gesetzt.«

Leopold wusste, wie die Dinge an der Oper liefen. Wenn er Clemens damals nicht auf die Sprünge geholfen hätte, hätte Clemens es nie geschafft.

»Die wollen den Jonny wieder hierher nach Duisburg holen«, hatte er ihm im Januar erzählt.

»Den was?«

»Menschenskind, ›Jonny spielt auf‹ von Ernst Krenek. Das haben sie vor zwei Jahren schon einmal gebracht! War ein Riesenerfolg. Hast du nichts davon mitbekommen?«

Clemens zuckte mit den Schultern. Es gab so viele erfolgreiche Opern und Operetten, wer sollte da noch den Überblick behalten?

»Ist ja auch ganz egal. Auf jeden Fall ist das ein ganz dolles Ding, diese Oper. Ungeheuer modern, wenn du verstehst, was ich meine. Flotte Musik, ganz im Jazzstil.«

Clemens fragte sich, worauf Leopold hinauswollte.

»Die Besetzung steht schon mehr oder weniger fest.« Leopolds Stimme klang jetzt ungeduldig. »Willi soll wieder den Jonny spielen.«

»Der Willi? Na, hoffentlich packt er das.« Willibald Kroner war der Star der Duisburger Oper, ein begnadeter Sänger, wenn er nicht gerade betrunken war, was in letzter Zeit leider des Öfteren vorkam.

»Mensch, Clemens, das ist die falsche Haltung. Hoffentlich packt er das nicht, muss es heißen!«

»Was meinst du denn?«, fragte Clemens, obwohl er nun doch langsam zu begreifen begann. »Die lassen mich doch nie und nimmer ran.«

»Freiwillig bestimmt nicht. Du musst es eben richtig anstellen.«

Am Vorabend der ersten Probe besuchten Leopold und Clemens Willibald Kroner. Sie brachten vier Flaschen Champagner mit, zwei Flaschen Brandy und drei Mädels aus dem Opernchor, Fritzi, Elsa und Milly. Willibald wirkte irritiert, als er ihnen die Tür öffnete, aber dann hob Leopold die Tüten mit den Flaschen hoch, so dass sie sich mit einem leisen Klirren berührten, und das Geräusch räumte bei Willi sämtliche Bedenken aus. Er hatte ein möbliertes Zimmer unter dem Dach, erstaunlich klein und düster für einen so erfolgreichen Sänger wie ihn, aber vielleicht vertrank er seine Gage ja immer sofort.

»Wir wussten, dass man mit dir Spaß haben kann«, erklärte Leopold, nachdem vier der sechs Flaschen leer waren und Elsa bei Willi auf dem Schoß saß. Willibald hatte allein so viel getrunken wie sie alle zusammen. Er mischte sich Cocktails aus Brandy und Champagner, drei Viertel Brandy, ein Viertel Champagner, und schüttete das Ganze in sich hinein, als wäre es Wasser.

»Nun ist es aber genug«, sagte Fritzi, als er sich am Korken der letzten Champagnerflasche zu schaffen machte.

»Was ist genug? Nichts ist genug.« Willis Replik war nicht brillant, aber überraschend klar und deutlich, wenn man bedachte, wie viel Schnaps er intus hatte.

»Du musst morgen auf die Bühne«, erklärte Fritzi. »Wenn du das vermasselst, dann wird der Reichmüller sauer.«

»Morgen ist ein anderer Tag«, entgegnete Willi bestimmt, und Leopold prostete ihm anerkennend zu, woraufhin Fritzi verächtlich schnaubte.

Fritzi Albrecht war Sopranistin im Opernchor, sie stand immer in der ersten Reihe, weil sie so klein und zierlich war, dass sie ansonsten den Dirigenten nicht gesehen hätte. Sie trug ihr rotbraunes Haar in einem Bubikopf, der auf ihren Wangen in zwei Kringeln auslief. Die vollen Lippen waren leuchtend rot geschminkt, und ihre Schuhe hatten hohe Absätze, aber trotzdem wirkte sie wie eine Vierzehnjährige, dabei war sie schon einundzwanzig.

Willi schenkte noch einmal nach, aber Fritzi gab jetzt keine Ruhe mehr, bis sie alle aufbrachen. Willibald versuchte Elsa aufzuhalten, zuerst mit Worten, und als das nicht funktionierte, mit seinen Händen, aber sie entkam ihm.

Für Willi waren die Dinge gelaufen, er wusste es nur noch nicht. Er erfuhr es jedoch in den nächsten Tagen.

Nachdem er am Morgen nicht zur Probe erschienen war, bekam Regisseur Reichmüller einen Tobsuchtsanfall. Als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, machte Clemens, der den dritten Polizisten spielen sollte, den zaghaften Vorschlag, dass er doch selbst … Rein zufällig habe er die Rolle kürzlich für ein Vorsingen studiert.

»Ach, so habt ihr euch das also gedacht«, sagte Fritzi verächtlich, als Clemens zwei Wochen später die Rolle bekam und Willi im Büro seine Papiere abholen konnte. »Der arme Willibald. Ihr Schweine habt ihn reingelegt.«

»Wie kommst du denn darauf?«, fragte Clemens mit ehrlicher Empörung. Er sah wirklich keinen Grund, sich Vorwürfe zu machen. Indem...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2018
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1930er Jahre • 1945 • 2. Weltkrieg • Abtreibung • Auftrittsverbot • Bundle • Deutsche Nachkriegsgeschichte • Deutscher Widerstand • Deutschland • Drittes Reich • Düsseldorf • E-Book Bundle • Engelmacherin • Erpressung • Frauenschicksal • gina mayer • Hebamme • Krankenschwester • Kriegsroman • Künsterlin • Kunst im Nationalsozialismus • Künstler im Dritten Reich • Musik • Musikerin • Nachkriegsdeutschland • Nachkriegszeit • Nationalsozialismus • Nationalsozialisten • Nordrhein-Westfalen • Sängerin • Schwangerschaft • Schwestern • Schwesterndrama • Schwesternschicksal • Trümmerfrauen • Widerstand • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-8412-1581-5 / 3841215815
ISBN-13 978-3-8412-1581-9 / 9783841215819
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