Entmachtet diese Kirche (eBook)
160 Seiten
bene! eBook (Verlag)
978-3-96340-229-6 (ISBN)
Maria Mesrian, Jahrgang 1974, hat katholische Theologie studiert und später als Pressereferentin beim ZDF gearbeitet. Sie engagiert sich seit 2019 in der Bewegung Maria 2.0 und ist seitdem, nicht nur im Bistum Köln, ein wichtiges Gesicht im Widerstand gegen Machtmissbrauch. Sie ist erste Vorsitzende des Vereins UMSTEUERN ROBINSISTERHOOD. Mit ihrem Mann und ihren 5 Kindern lebt sie in Köln.
Maria Mesrian, Jahrgang 1974, hat katholische Theologie studiert und später als Pressereferentin beim ZDF gearbeitet. Sie engagiert sich seit 2019 in der Bewegung Maria 2.0 und ist seitdem, nicht nur im Bistum Köln, ein wichtiges Gesicht im Widerstand gegen Machtmissbrauch. Sie ist erste Vorsitzende des Vereins UMSTEUERN ROBINSISTERHOOD. Mit ihrem Mann und ihren 5 Kindern lebt sie in Köln. Lisa Kötter, Jahrgang 1960, Kunststudium und Ausbildung in Freiburg, Kassel und Göttingen. Im Jahr 2019 hat sie dort die Bewegung Maria 2.0 mitgegründet. 2021 hat sie mit Maria Mesrian die Idee Zum Verein UMSTEUERN ROBINSISTERHOOD entwickelt. Sie lebt als freischaffende Künstlerin mit ihrem Ehemann in Münster, hat vier erwachsene Kinder und vier Enkeltöchter.
Liebe
Lisa Kötter // Was macht diesen Jesus von Nazareth so anziehend? Warum pilgern Millionen von Menschen an die Stätten seines Lebens und Wirkens? Warum wird er in Kirchen, Kapellen oder an Wegkreuzen überhäuft mit Blumen, Kerzen oder doch zumindest mit Respekt? Warum haben sogar Gläubige anderer Religionen oder Menschen, die nicht an etwas Höheres glauben, viel für Jesus übrig?
Es ist die Liebe, die man ihm glaubt.
In der römischen Kirche gibt es viel Liebe. Zumindest wird dieses Wort in Predigten und Ansprachen ständig im Munde geführt. Die Caritas ist in Deutschland eine der größten Arbeitgeber*innen innerhalb der Kirche und auch des Landes. Caritas heißt Liebe. Die Caritas Deutschland übersetzt das lateinische Wort auf ihrer Internet-Seite mit »Nächstenliebe« und erläutert anschließend die christlichen Werke der Barmherzigkeit.3
In Deutschland wird Kirchensteuer erhoben und vom Staat an die Kirchen weitergeleitet, die damit nach eigener Auskunft viel Gutes tun. Die Kirche delegiert diese tätige Nächstenliebe meistens an Profis: in der Regel bestens ausgebildete Menschen, die mit viel Herzblut ihre Aufgaben erfüllen. Unter dem Dach des Deutschen Caritasverbandes sind dafür zahlreiche Organisationen, Vereine und Stiftungen tätig. Mehr als 700000 Mitarbeiter*innen waren bei der letzten Erhebung in über 25000 Einrichtungen tätig.4 Dazu gehören Krankenhäuser, Pflegeheime, Sozialstationen, Schulen, Kindergärten, Einrichtungen für Menschen mit einer Behinderung und vieles mehr. Und es gibt ohne Frage viele gute kirchliche Einrichtungen – ein Netz von Anlauf- und Beratungsstellen für alle Arten menschlicher Krisen. Ein von der deutschen römischen Kirche (mit-)finanziertes System der Wohlfahrt. Darüber wird gern geredet, auch von Politikern, die auf die Kirche nichts kommen lassen wollen. Weil sie ja »so viel Gutes tut«.
Immer wieder wird in Diskussionen darauf hingewiesen, dass es auch deshalb sinnvoll ist, Mitglied der Kirche zu bleiben. Aber die Kirchensteuer dient in erster Linie dazu, das Personal der katholischen bzw. evangelischen Kirche zu finanzieren – Priester, Pastoralreferent*innen, Kirchenmusiker*innen, Verwaltungsmitarbeiter*innen bzw. evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer. Und natürlich auch zur Unterhaltung der zahlreichen kirchlichen Besitztümer – vom Kölner Dom bis zur kleinen Dorfkirche; katholische Gemeindehäuser, Bildungseinrichtungen, Akademien, Freizeitheime.
Tatsächlich gibt die Kirche laut Recherchen von Christiane Florin (Deutschlandfunk) nur etwa 10 % der Kirchensteuereinnahmen für öffentlich-soziale Zwecke aus.5
Dass die Kirche mit den Einnahmen vor allem caritativ tätig wäre, ist stark überschätzt!
In Wirklichkeit zahlt auch in fast allen Einrichtungen, für die die Kirche als Träger verantwortlich zeichnet, der Staat kräftig mit und lässt es, nebenbei bemerkt, auch noch zu, dass in diesen staatlich bezahlten Einrichtungen kirchliches Arbeitsrecht gilt, das in vielen Punkten die Grundrechte der Menschen nicht achtet. Beispielsweise gibt es nach wie vor das Problem, dass kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Beispiel wegen gelebter Homosexualität oder einer Wiederverheiratung nach Scheidung die Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis droht. Auch hier bestand übrigens eine auffällige Diskrepanz zur arbeitsrechtlichen Konsequenzlosigkeit, die klerikalen Brüdern entgegengebracht wurde, die sich an Kindern vergangen haben.
Doch zurück zur Caritas in Deutschland: Die christlich gebotene Pflicht der Nächstenliebe wird mit dieser mehr oder weniger kirchlich finanzierten Sozialarbeit professionalisiert. Und man hält damit gleichzeitig Abstand zu menschlichen Niederungen, Unannehmlichkeiten, Armut, Schmutz und Krankheit. Die Sozialarbeit ist fern von den Herren in makellosem Schwarz, fern von den Kathedralen und Gotteshäuser, ja meistens auch fern von den ungestört feiernden Gemeinden.
Nicht von der Kirche finanziert, sondern meistens auf zusätzliche Spenden angewiesen sind dagegen die unzähligen Werke der Barmherzigkeit, die gläubige Christ*innen tagtäglich ehrenamtlich verrichten, sei es durch Kranken- und Altenbesuche oder Arbeit mit Geflüchteten oder anders Benachteiligten. Jedoch werden diese Wohltaten gern und oft miterwähnt, wenn es um »das Gute, das Kirche tut« geht.
Am Silvestertag 2021 sagte Felix Genn, Bischof des Bistums Münster, in seiner Predigt zum Jahresende folgende Sätze: »Da ist am meisten Kirche, wo sie sich erniedrigt hin zu den Armen, Bedrängten und in Not Geratenen.«6 Er warb für eine »Haltung der Selbsthingabe, die einfach in das Verschwinden hineingeht, aber die gerade da präsent ist, wo Menschen leiden und in Not sind«, und bezog sich auf die Flutkatastrophe im Ahrtal: »In dieser Gegend wurde mir deutlich, dass Menschen plötzlich gespürt haben, wie relevant und bedeutsam Kirche durch ihre Seelsorger und ihre konkreten Helfer ist.« Das würde oft in der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen. Dabei sei »in diesem Dienst von Glaube, Hoffnung und Liebe oft mehr Kirche als in dem, was äußerlich an Skandalen oder großen positiven Events berichtet wird«.
Es ist erstaunlich, wie ein Mensch das Problem, das selbst viele Christen mit der Kirche haben, in wenigen Worten so treffend abbildet: »Wo Kirche sich erniedrigt…«
In einer solchen Formulierung wird ein Kirchen- und Klerikerbild, ja die ganze Herablassung eines Standes, deutlich. Es ist ein Kirchenbild aus dem 19.Jahrhundert, ein Bild von Goldbrokat und Unterwürfigkeit, von Schleppe tragenden »heiligen Priestern Gottes«, die sich gnädig hinabbeugen zu den Schafen ihrer Herde.
Ein Bild, in dem die Schäfchen jede Herablassung eines Gottesmannes als Akt der Gnade zu verstehen haben. Eine Sicht auf Menschen, sogenannte »Laien«, die scheinbar immer noch durch viel zu viele Klerikerhirne wabert und wegen der so viele, auch »Gläubige«, das Weite suchen.
»Da ist am meisten Kirche, wo sie sich erniedrigt«, sagt Bischof Genn – was für ein überheblicher Schmarrn! Wenn die Kirche wäre, was sie behauptet zu sein, gäbe es keine Handbreit Raum und keinen Grund für Herablassung, sondern einzig ein selbst-verständliches Teilen auf Augenhöhe. Denn dann gäbe es das Bewusstsein, dass alles ein Geschenk ist. In der Mitte stünde dann nicht die glorreiche Erhabenheit »der Kirche«, die sich »erniedrigen« muss, um bei den Menschen zu sein, sondern der Mensch selbst. Je gebrechlicher und zerbrechlicher, desto mittiger.
Im Matthäusevangelium wird im 25. Kapitel ein Gleichnis Jesu erzählt, das in einem Satz dessen Sichtweise auf den Punkt bringt: »Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.«
Jesus hat sich nicht herabgelassen. Er war mit und unter den Menschen auf Augenhöhe. Er ist zu den Kranken und Aussätzigen gegangen, die damals von allen gemieden wurden. Und er hat als Armer mit den Armen gelebt.
Menschendienst ist Gottesdienst. Wenn dieser herablassend gedeutet wird, so wird er zur Demütigung derer, mit denen Jesus sich selbst identifiziert. Bei ihm ist kein Platz nach unten für Herablassung! Da kann es nur Augenhöhe geben.
Wenn die Füße auf dem gleichen Grund stehen, dann fällt auch eine Umarmung sehr viel leichter.
Sie braucht sozusagen dringend orthopädische Hilfe. Und, vielleicht noch dringender, eine gute Fußpflege. Damit sie es endlich lernt, mit den Füßen richtig auf der Erde zu stehen und eine wirklich menschliche Haltung anzunehmen. Damit sie sich nicht ständig – Gott*vertretend – über den Menschen wähnt und aufspielt.
Bischof Genn spricht von »Seelsorgern und konkreten Helfern«. In deren Tun sieht er die eigentliche Bedeutung und Relevanz der Kirche, einen Ausdruck ihrer Botschaft. Genau dorthin, auf diese »eigentliche Kirche«, solle doch bitte die Öffentlichkeit schauen, nicht immer nur auf die Skandale oder die große Events.
Ja, schauen wir mal hin: Mitten in Münster, der Stadt, in der Herr Genn seinen Bischofssitz hat und seine Silvesterpredigt hielt, gibt es einen Keller, der randständig zu einem vom Orden der Alexianer geführten Krankenhaus liegt und gehört. In diesem Keller ist ein Treffpunkt für Menschen untergebracht, die obdachlos oder sehr arm sind. Die bedürftigen Personen können hier zwei- bis dreimal am Tag eine Mahlzeit einnehmen, duschen, sich warm einkleiden, Gesellschaft und ein offenes Ohr finden und das alles in menschlicher und räumlicher Wärme. Vor über vierzig Jahren gründete eine Ordensschwester diese kleine, unbürokratische und, trotz der unterirdischen Lage, freundliche Stätte. Viele der bedürftigen Gäste beteiligen sich selbst an den Abläufen und an der Gestaltung dieses Hoffnungsortes. Andere Personen helfen durch Spenden, durch wöchentliches Kuchenbacken, durch ehrenamtliches Mittun. Eine Sozialarbeiterstelle wird vom Orden der Alexianer, der auch die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, finanziert.
Dieses Projekt wird zu großen Teilen durch Spenden finanziert – nicht vom Bistum, dessen Bischof doch in solchem Tun die »wahre Kirche« sieht. Allerdings hat die Ordensschwester, die seit etwa fünfzehn Jahren die Seele des Treffpunktes ist, eine vom Bistum finanzierte Zehnstundenstelle. Dass der Rest Liebe ist, versteht sich von selbst …
Wenn diese Einrichtung ein Jubiläum feiert, richtet sich gern ein...
Erscheint lt. Verlag | 2.5.2022 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Religion / Theologie ► Christentum |
Schlagworte | Aufbruch in der Kirche • Christliche Bücher • christliche Bücher für Frauen • Christliches Leben • Christliche Spiritualität • christliche Spiritualität im Alltag • Elisabeth Kötter • Feminismus • feministische bücher • Frauenbewegung • Frauen in der Kirche • Frauen in kirchlichen Ämtern • Frauen und Kirche • Katholische Kirche • katholische kirche kritik • katholische Kirche reformieren • Katholizismus • Kirche Buch • Kirchenkrise • Kirchenkritik • Kirche reformieren • Kirche verändern • Kirche wohin • Kirche Zukunft • Klerikalismus • Kraftquellen • Kraftquelle Religion • Lisa Kötter • Machtmissbrauch • Maria 2.0 • Missbrauchsskandal • Missbrauchsskandal katholische Kirche • Papst • Patriarchat • Priester • Priesteramt für Frauen • Priesterinnen • Reformbewegung • Religion • Religion und Gesellschaft • religiöse Praxis • Sachbuch Religion • Selbstermächtigung • Selbstführung • Vatikan • Zölibat • Zukunft der Kirche |
ISBN-10 | 3-96340-229-6 / 3963402296 |
ISBN-13 | 978-3-96340-229-6 / 9783963402296 |
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