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Nationaltheater - Henrik Müller

Nationaltheater

Wie falsche Patrioten unseren Wohlstand bedrohen

(Autor)

Buch | Softcover
220 Seiten
2017
Campus (Verlag)
978-3-593-50673-9 (ISBN)
CHF 27,90 inkl. MwSt
National, irrational, geschäftsschädigend.
Rund um den Globus läuft ein Großangriff auf unseren Wohlstand. Die neuen Nationalisten wollen Grenzen schließen, den Handel beschränken, die internationale Verflechtung der Wirtschaft zurückdrehen.

Für den Exportweltmeister Deutschland ist diese schleichende Deglobalisierung besonders fatal, denn sie stellt sein Geschäftsmodell infrage, sagt der Wirtschaftsexperte Henrik Müller.

Und keine der großen Fragen und Krisen der Gegenwart lässt sich national lösen. Mit dem nüchternen Blick des Ökonomen seziert Müller die Argumente der Neonationalisten und zeigt anhand von Zahlen, Fakten und Beispielen, wie ihre populistische Politik unsere Wirtschaft ruiniert.

Brechen nach der Wahl von Trump auch in Europa die Dämme?

Henrik Müller, Professor für wirtschaftspolitischen Journalismus an der TU Dortmund, war zuvor viele Jahre stellvertretender Chefredakteur des manager magazins. Der promovierte Ökonom ist Träger mehrerer renommierter Journalistenpreise und Autor diverser Bücher zu wirtschaftspolitischen Themen. 2014 erschien sein Buch "Wirtschaftsirrtümer".

Inhalt
Einleitung: Der Angriff 9
Wie die offene Welt unter die Räder kommt
Steuerungslos durch eine turbulente Welt15
1. Die vier Sackgassen21
Warum die Menschheit dabei ist, kollektiv vor die Wand zu fahren
Die ökonomische Sackgasse25
Die demografische Sackgasse38
Die ökologische Sackgasse44
Die sicherheitspolitische Sackgasse49
2. Die Globalisierung schafft sich ab61
Von Peking bis Pegida: Warum die Neonationalisten auf dem Vormarsch sind
Eine kurze Geschichte der jüngsten Vergangenheit67
Bröckelnder Wohlstand - Stresstest für die Demokratie69
Die Geldumwälzpumpe 74
Warum der Kapitalismus im Leerlauf heiß läuft77
Was macht eigentlich ein Unternehmer - außer Geld?80
Wo sich Frust und Zorn gute Nacht sagen85
Gefangen im Abstiegsfatalismus89
Failed States, "Islamischer Staat" und die Globalisierung des Terrors92
Zeiten des Zorns, weltweit gesehen94
Türkische Säurebäder98
3. Krieg den Palästen103
Weshalb die globalisierten Eliten in Politik und Wirtschaft am Pranger stehen
Pessimismus schürt Zynismus108
Fakten? Fiktionen? Egal!112
Unser tägliches Drama115
Warum hören wir den Populisten überhaupt zu?118
Die Lärmspirale123
Anti-globalistischer Populismus126
Der Populismuszyklus127
Angriff auf die Notenbanken129
Achten Sie auf Risiken und Nebenwirkungen!132
4. Mit dem kühlen Blick des Ökonomen135
Wozu man Nationalstaaten braucht - und wozu nicht
Ein Markt, eine Nation, eine Regierung, ein Gesetz139
Eine Wirtschaftsnation - der Fall Deutschland143
Die nationale "Zivilreligion"146
Nation building - das Volk als Erfindung und als Vorstellung148
Öffentlichkeit und Demokratie152
Nationale Schattenseiten: von Feindbildern und kollektivem Irrsinn155
Die Welt sieht zu mit Grausen159
5. Von Brüssel nach Utopistan163
Wie sich der Nationalstaat überwinden lässt
Die Demokratisierung der Globalisierung167
Die Rückkehr der Geschichte?169
Die Stunde der Technokraten172
Wo bitte geht es nach Europa?175
Europas Lebenslügen178
Die große Varoufakis-Show181
Das "Trilemma" der Globalisierung185
Das Konzert des 21. Jahrhunderts189
Das globale Lagerfeuer192
Schluss: Die Sache mit dem Patriotismus197
Warum wir uns vor falschen Alternativen hüten sollten
Anmerkungen203
Literatur207
Register215

"eine beachtenswerte Ergänzung zur bisherigen kritischen Populismus-Literatur" Armin Pfahl-Traughber, Humanistischer Pressedienst, 01.03.2017»Gut geschrieben, flüssig zu lesen.«, Handelsblatt Online, 23.03.2017"Müller argumentiert (...) von einer ökonomischen Perspektive her. Er zählt verschiedene Sackgassen auf, in die die Menschheit geraten ist: Dazu zählt Müller die «Schuldenfalle», in die die Weltwirtschaft wieder zu taumeln droht. Aber auch ökologische und sicherheitspolitische Konflikte. Die aktuellen Probleme seien so groß, dass ein «Rückbezug aufs Nationale» nicht mehr genüge (...). Vielmehr müsse man eine bessere Realpolitik auf internationaler Ebene - ob in der EU oder weltweit - anstreben." Petra Kaminsky, dpa, Rhein-Neckar-Zeitung, 11.04.2017»'Nationaltheater' von Henrik Müller ist ein kenntnisreiches, profundes und sehr gut lesbares Buch zu einem wichtigen Thema, das uns alle betrifft. Man kann ihm nur viele Leser wünschen.« Damian Sicking, Roter Reiter, 24.05.2017»Henrik Müller demaskiert populistische Patrioten und despotische 'starke Männer'.« Thomas Speckmann, Neue Zürcher Zeitung, 25.01.2018»Selbstbewusst und pointiert argumentiert.«, Deutschlandfunk, 13.03.2017»[Müllers] Appell, sich auch bei der Kritik am neuen Nationalismus vor allem von Fakten leiten zu lassen, ist ebenso erfrischend wie befreiend.« Tim Schleider, Stuttgarter Zeitung, 25.02.2017

Gut geschrieben, flüssig zu lesen., 23.03.2017, Handelsblatt Online

Selbstbewusst und pointiert argumentiert., 13.03.2017, Deutschlandfunk

eine beachtenswerte Ergänzung zur bisherigen kritischen Populismus-Literatur Armin Pfahl-Traughber, 01.03.2017, Humanistischer Pressedienst

[Müllers] Appell, sich auch bei der Kritik am neuen Nationalismus vor allem von Fakten leiten zu lassen, ist ebenso erfrischend wie befreiend. Tim Schleider, 25.02.2017, Stuttgarter Zeitung

Einleitung: Der Angriff Wie die offene Welt unter die Räder kommt Rund um den Globus läuft derzeit ein Großangriff auf unseren Wohlstand. Populisten gewinnen Wahlen. Die Rhetorik wird schriller. Grenzen schließen sich, selbst in Europa. Die internationale Verflechtung der Wirtschaft wird nach und nach zurückgenommen. Wir stehen am Beginn einer De-Globalisierung, einer Entwicklung, die insbesondere für die offene deutsche Wirtschaft hochproblematisch ist, weil sie das bundesrepublikanische Geschäftsmodell infragestellt. Es ist ungewiss, ob die exportorientierte Industrie, auf die sich dieses Land lange stützen konnte, auch künftig noch die tragende Säule des Wohlstands sein kann. Einstweilen verkommt Politik zum Nationaltheater, und dieses entspinnt sich als Tragödie. Populistische Patrioten und despotische starke Männer versprechen Schutz - vor Zuwanderern, vor ausländischer Konkurrenz, vor Terror und Unsicherheit. Doch sie werden das genaue Gegenteil erreichen: weniger Wohlstand, weniger Jobs, weniger Sicherheit. Auf nationaler Ebene lassen sich die Probleme, mit denen wir es aktuell und in Zukunft zu tun haben, nicht lösen. Heute leben sechsmal so viele Menschen auf der Erde wie um 1900. Der Planet wird so intensiv genutzt wie nie zuvor. Wir beeinflussen einander, egal ob wir es akzeptieren wollen oder nicht. Ressourcen werden knapp: Wasser, Luft, fruchtbares Land. Zäune und Mauern bauen, nationale Märkte schützen, ausländische Investoren draußen halten - das sind keine vernünftigen Optionen, weil sie die Bevölkerungen ärmer machen und ihr Leben instabiler. Die Menschheit ist zur Zusammenarbeit verdammt, mehr noch: zu Formen internationaler Regierungsführung, zu echter gemeinsamer governance. Aber diese Erkenntnis ist derzeit so unpopulär, dass sie in den Debatten kaum noch eine Rolle spielt. Die etablierten Eliten in Politik und Wirtschaft sind ängstlich, müde und kleinmütig geworden. Sie igeln sich ein, ziehen sich aus den Debatten zurück und überlassen den Populisten das Feld. Wie gesagt: eine Tragödie. Viel steht auf dem Spiel. Was wird aus unserem Wohlstand, unserer Sicherheit, unserer Umwelt, unserem Frieden? Von überall erreichen uns besorgniserregende Signale. In den USA hat Donald Trumps dumpf dröhnende Kampagne die Politik verändert. Sein Wahlsieg im November 2016 hat offenbart, dass sich mit protektionistischen und chauvinistischen Sprüchen punkten lässt. Auf Fakten kommt es dabei nicht an. Im Herzen der westlichen Weltmacht vollzieht sich eine allmähliche Abkehr von der Welt. Als Präsident des immer noch größten und mächtigsten Landes ist Trumps Triumph eine historische Zäsur mit globalen Auswirkungen. Der Westen in seiner bisherigen Form hört auf zu existieren. Ob und inwieweit die USA künftig noch ihre Rolle als militärische Schutzmacht Europas und Teilen Asiens ausüben werden, ist völlig offen. Ökonomisch schickt sich Trump an, ein Vabanquespiel zu wagen. Wenn sich der größte Binnenmarkt der Weltwirtschaft auf einen protektionistischen Kurs begibt, werden die Schockwellen gerade seine größten Handelspartner treffen, ganz besonders Deutschland. Die angekündigten Ausgabenprogramme in Verbindung mit Steuersenkungen werden einen massiven Anstieg der Staatsverschuldung zur Folge haben. Entsprechend heftig waren bereits vor seinem Amtsantritt die Reaktionen der Finanzmärkte: steigende Zinsen, höhere Inflationserwartungen, Wechselkursschwankungen. Eine Zeit der Unruhe und der Unsicherheit beginnt. Eigentlich wäre mehr Europa die adäquate Antwort auf die neuen Herausforderungen. Doch die Europäische Union (EU) ist nach Jahren der schwelenden Krise von akuten Zerfallsprozessen bedroht. Nach dem Brexit-Referendum vom Sommer 2016 ist Großbritannien dabei, aus der EU auszusteigen. Eine Kettenreaktion hat eingesetzt: Auch andere Mitgliedstaaten spielen mit der Exit-Option. Europa, in den Nachkriegsjahrzehnten eine Säule der Stabilität, scheint in Auflösung begriffen. In Frankreich verschiebt das Auftrumpfen des Front National (FN) das politische Spektrum nach rechts. Wahlsiege des FN und seiner Parteichefin Marine Le Pen würden die - nach ihrem Selbstbild - Nicht-mehr-ganz-so-große-Nation aus der Währungsunion und der EU herauskatapultieren. Die europäische Integration in ihrer bisherigen Form wäre dann endgültig am Ende. In Polen führt die katholisch-nationalkonservative Kaczy?ski-Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) das einstige mittelosteuropäische Vorzeigeland fort von europäischer Integration und westlichem Laisser-faire. In Ungarn verfolgt Viktor Orbán einen spezifisch magyarischen Mix aus Nationalstolz, ethnischer Abgrenzung und Willkommenskultur für internationale Investoren. In den Niederlanden gelang es im Frühjahr 2016 per Referendum, die EU-Außenpolitik auszuhebeln und das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine zu stoppen - es war keine Sachentscheidung, sondern ein Aufbegehren gegen die EU. Auch die Bundesrepublik mit ihrer postnationalen Nachkriegsgeschichte ist nicht mehr immun gegen nationale Versuchungen. Die Alternative für Deutschland (AfD) hat sich binnen weniger Jahre etabliert. Parallel dazu redet Linken-Frontfrau Sahra Wagenknecht einer Stärkung "kleinteiliger Strukturen" das Wort, die Schluss machen soll mit einem globalkapitalistischen "Wirtschaftsfeudalismus".1 Von Links wie Rechts nimmt der Druck auf die offene Wirtschaftsordnung zu. Dass Deutschland über stabile Regierungen verfügt, die als Orientierungsanker im In- und Ausland dienen, ist inzwischen keine Selbstverständlichkeit mehr: Im Zweifel verfügen auch große Koalitionen aus Christ- und Sozialdemokraten nicht mehr über jene satten Regierungsmehrheiten, die bislang als selbstverständlich galten. Der Bundesrepublik, in den vergangenen Jahren Europas informelle Führungsmacht, droht, was viele Nachbarländer längst plagt: ein zersplittertes, zerstrittenes und deshalb kaum noch bewegungsfähiges politisches System. Die Folgen werden weit über Deutschlands Grenzen hinaus spürbar sein. Auch in wichtigen Schwellenländern entfaltet sich ein trübes Panorama. Staatschefs, die einst als moderate Landesväter gestartet waren - wie Recep Tayyip Erdo?an in der Türkei und Wladimir Putin in Russland -, setzen längst auf Repression im Innern und schroffe Abgrenzung nach außen, auf heimatländisch tönende Propaganda und territoriale Ausdehnung. Vor dem Einsatz von Waffengewalt für die nationale Sache schrecken sie nicht zurück. In Japan steuert Premier Shinzo Abe sein Land mit schrillen Obertönen. Die expansive Wirtschaftspolitik ("Abenomics") ist eingebettet in eine Erzählung nationaler Selbstbehauptung, militärische Aufrüstung inbegriffen. Währenddessen ist Präsident Xi Jinping auf dem chinesischen Festland dabei, mit harter Hand die Macht im Staate zu rezentralisieren. Nach langem Boom ist die Wirtschaft erlahmt. Umso mehr erhöht er den Konformitätsdruck im Innern. Und weil die kommunistische Doktrin in einem faktisch erzkapitalistischen Land ideologisch nicht mehr recht greift, setzt er harte patriotische Akzente: Er beschwört einen "chinesischen Traum", um die "chinesische Identität" zu stärken und eine "korrekte Einstellung zu Geschichte, Nation, Staat und Kultur" zu stärken.2 Nebenbei positioniert er sein Land nach außen als regionale Vormacht mit Expansionsdrang. Es ist deprimierend: Überall auf der Welt sind nationale Reflexe zurück. Parolen dominieren die Politik. Das Fiktive triumphiert über das Faktische. Breitbeinige Posen ersetzen komplexe Problemlösungen. Steuerungslos durch eine turbulente Welt Nicht nur Populisten und Autokraten nähren die Illusion, sie wären Herren der Lage. Auch echte Demokraten im Westen tun gern so, als hätten sie alles im Griff. Doch davon kann längst keine Rede mehr sein. Manchmal erreichen sie sogar das Gegenteil dessen, was sie eigentlich wollten - weil eine dicht verwobene Weltwirtschaft, Weltgesellschaft, Weltbiosphäre nationale Grenzen schlicht ignoriert. Ein paar Beispiele - die Aufzählung ließe sich verlängern: Die europäischen Regierungen pochen gern auf ihre nationale Souveränität, weshalb es weder eine europäische Bundespolizei noch eine gemeinsame Armee gibt. Die Folgen: Terroristen können sich nach wie vor weitgehend ungehindert durch den Schengen-Raum bewegen. Der Zuzug von Kriegsflüchtlingen konnte nur notdürftig gebremst werden, indem man die Türkei für Hilfe bezahlt. Und ohne die USA, die ihre Militärpräsenz in Osteuropa unter Barack Obama verstärkt haben, die unter Trump aber ihre sicherheitspolitischen Koordinaten komplett verändern dürften, hat Europa gegenüber Russland keine Chance. Der Klimagipfel von Paris Ende 2015 hat beschlossen, die Nutzung von fossilen Brennstoffen langfristig zu beenden, um einen ökologischen Zusammenbruch des Planeten zu verhindern. Wie dieses große Ziel in den kommenden Jahren und Jahrzehnten erreicht werden soll, ist völlig unklar. Nationale Regierungen und Parlamente sind hoffnungslos überfordert, wenn sie sich um globale Emissionsziele kümmern sollen. Nicht nur dem Klima, auch der weltweiten Finanzstabilität würde es helfen, wenn die Achterbahnfahrt des Ölpreises gebremst würde. Doch die Förderländer sind nicht in der Lage, sich auf ein effektives Management des Ölangebots zu einigen. Staaten, Unternehmen und Bürger in aller Welt werden von hohen Schulden förmlich erdrückt. Die Folgen sind Finanzlabilität, zumal in den Schwellenländern, sowie schwaches Wachstum und hohe Arbeitslosigkeit, zumal in Europa. Eigentlich bräuchte es einen Plan zum weltweiten Schuldenabbau. Daran ist aber nicht zu denken, nicht einmal innerhalb der Eurozone. Überall in den reichen Ländern ist die Erosion der Steuerbasis durch Offshore-Firmen ein Problem, seit langem schon. Die Enthüllungen der Panama-Papers-Affäre im Frühjahr 2016 haben das Thema einmal mehr ins Scheinwerferlicht gerückt. Aber nationale Finanzbehörden stehen auf offenen Kapitalmärkten allzu oft auf verlorenem Posten. Immer drängender stellt sich die Frage: Wer regiert die Welt? Eigentlich wäre auf vielen Feldern ein überstaatliches Vorgehen nötig: mehr Koordination, teils sogar die abgestufte Abgabe nationaler Souveränität an überstaatliche Institutionen - von der Eurozone und der Europäischen Union bis hin zum gemeinsamen Management von globalen Systemen wie den Finanzmärkten, dem Klima oder den Ozeanen. Doch die politische Realität sieht anders aus: Statt gezielt die überstaatliche Zusammenarbeit zu verbessern, ist eine Internationale der Nationalpopulisten auf dem Vormarsch. Einzelstaatliche Souveränität wird wieder zum Fetisch. Die Behauptung politischer Handlungsfähigkeit ersetzt politisches Handeln. Das Resultat ist dramatisch: der Verlust von Steuerungsfähigkeit. Hochgradig mobile Akteure (Konzerne, Nichtregierungsorganisationen, aber auch gut informierte Migranten) überwinden Grenzen mühelos. Nationale Hoheitsansprüche werden durch grenzüberschreitende Effekte teils eingeschränkt, teils ad absurdum geführt. In einer hochgradig interdependenten Welt können einzelne Staaten nicht mehr viel ausrichten. Zugegeben, das Problem ist nicht neu. Schon im 19. Jahrhundert beschäftigten sich westliche Denker mit der Frage, wie sich eine Welt aus Nationalstaaten befrieden lasse. Der Historiker Mark Mazower hat es in seinem hochinteressanten Buch Governing the World dargelegt.3 Damals bestand die Hoffnung, die Machtbalance zwischen den Großmächten könnte, ergänzt um ein dichtes Netz von technokratischen Verträgen, für dauerhafte Stabilität sorgen. Im 20. Jahrhundert brach dieses Gleichgewicht zusammen, die beiden Weltkriege waren der sichtbare Ausdruck. In den Nachkriegsjahrzehnten war es dann mit der nationalen Souveränität nicht mehr weit her: Hegemoniale Blöcke, zusammengehalten von den Weltmächten USA und der Sowjetunion, schränkten die Handlungsoptionen der übrigen Staaten erheblich ein. Westeuropa versuchte es mit dem Aufbau eigener Institutionen, was letztlich zu EU und Euro führte. Der Fall der Mauer und die folgende Globalisierung schließlich beendeten die Doppelhegemonie der Nachkriegszeit. In den neunziger Jahren herrschte zunächst der Glaube, der Vormarsch der westlichen Demokratie und die inhärente Stabilität der Weltmärkte würden quasi automatisch für einen fairen Ausgleich in der Welt sorgen. Frieden und Prosperität würden sich ausbreiten, staatliche Eingriffe, egal ob auf nationaler oder auf internationaler Ebene, seien kaum noch nötig. Inzwischen ist es offensichtlich, dass die Dinge so nicht laufen: Schwach regulierte Finanzmärkte sind alles andere als stabil. Internationale Konzerne - von Google bis Volkswagen - sind inzwischen bedeutende globale Machtfaktoren. Autoritäre Regierungen - von China bis Russland - zeigen expansive Gelüste. Informationen sind in Echtzeit rund um den Globus verfügbar. Terroristen bedrohen die innere Sicherheit. Bilder aus weit entfernten Weltgegenden sorgen für Gefühlsstürme und beeinflussen die Öffentlichkeit. Zig Millionen Flüchtlinge machen sich auf den Weg zu einem besseren, sichereren Leben. 7,4 Milliarden Menschen bevölkern inzwischen den Planeten. Es wird eng auf der Erde. Entsprechend konfliktreich werden die Zeiten. Nationalstaaten waren das Ordnungsprinzip des 19. Jahrhunderts. Zu glauben, sie seien auch die Lösung für die Probleme des 21. Jahrhunderts, ist eine gefährliche Illusion. Dieses Buch sucht Antworten auf fünf fundamentale Fragenkomplexe: Warum ausgerechnet jetzt? Warum erstarkt gerade jetzt das nationale Moment und stellt die Globalisierung infrage? Welche Kräfte treiben diesen Trend? Kapitel 2 erklärt, wie die Globalisierung sich abschafft - und warum von Peking bis Pegida die Neonationalisten auf dem Vormarsch sind. Was haben die Eliten falsch gemacht? Wieso geht die neue Globalisierungsangst einher mit einem massiven Vertrauensverlust in die traditionellen Führungszirkel in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft? Warum treten sie den Neu-Nationalen nicht entschiedener entgegen? Kapitel 3 analysiert den Krieg gegen die Paläste - und weshalb die globalisierten Eliten in Politik und Wirtschaft am Pranger stehen. Warum gibt es überhaupt Nationalstaaten? Wie sind sie einst entstanden? Welches sind ihre ökonomischen Funktionen? Warum erscheinen sie uns heute als natürliche Ordnung der Welt? Kapitel 4 wählt den kühlen Blick des Ökonomen - und sagt, wozu man Nationalstaaten braucht und wozu nicht. Gibt es Alternativen zum Nationalstaat? Wie ließen sich die großen überstaatlichen Probleme lösen? Welche Gegenentwürfe sind denkbar? Wird dadurch die Demokratie ausgehöhlt? Wie sähe eine wirklich funktionsfähige EU aus? Kapitel 5 wagt eine gedankliche Reise von Brüssel nach Utopistan - und erörtert, inwieweit sich der Nationalstaat überwinden lässt. Was kann Patriotismus heute bedeuten? Das Schlusskapitel stellt die Frage nach der nationalen Identität ins Zentrum - und warnt vor falschen Alternativen. Der Rückbezug aufs Nationale ist umso problematischer, als sich die Menschheit an der Schwelle zu einer hochgefährlichen Epoche befindet. Wir stehen vor zwei Arten von Herausforderungen: vor unmittelbaren und vor langfristigen. In den kommenden Jahren und Jahrzehnten wird sich entscheiden, wie es weitergeht: ob wir gemeinsam in der Lage sind, friedlich und fair einen eng besiedelten und hochgradig intensiv genutzten Planeten zu bewohnen - oder ob wir uns durch Krieg, Terror, Umweltzerstörung und Ausbeutung gegenseitig das Leben zur Hölle machen. Die derzeitigen Entwicklungspfade sind nicht nachhaltig. Die Lage ist aber keineswegs hoffnungslos. Umsteuern ist möglich. Doch klar ist auch: Nur übernationale Ansätze versprechen tragfähige Lösungen, weil die Probleme sich nicht an nationale Grenzen halten. Es sind vor allem vier Sackgassen, aus denen die Welt herausfinden muss: ökonomische, demografische, ökologische und sicherheitspolitische. Mit ihnen befasst sich das folgende Kapitel.

Erscheinungsdatum
Zusatzinfo 7 Abbildungen
Verlagsort Frankfurt
Sprache deutsch
Maße 135 x 215 mm
Gewicht 332 g
Einbandart Englisch Broschur
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft Wirtschaft
Wirtschaft Volkswirtschaftslehre Wirtschaftspolitik
Schlagworte Deutschland; Wirtschaft • Euro • Europa • Freihandel • Globalisierung • Nationalismus • Patriotismus • Protektionismus • Rechtspopulismus • Sachbuch Wirtschaft & Gesellschaft • Sachbuch Wirtschaft & Gesellschaft • Wohlstand
ISBN-10 3-593-50673-4 / 3593506734
ISBN-13 978-3-593-50673-9 / 9783593506739
Zustand Neuware
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