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Prävalenz, Klassifizierung und Erblichkeit verschiedener Typen von lumbosakralen Übergangswirbeln beim Deutschen Schäferhund - Dennis Gluding

Prävalenz, Klassifizierung und Erblichkeit verschiedener Typen von lumbosakralen Übergangswirbeln beim Deutschen Schäferhund

(Autor)

Buch
154 Seiten
2019
VVB Laufersweiler Verlag
978-3-8359-6815-8 (ISBN)
CHF 45,90 inkl. MwSt
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Lumbosakrale Übergangswirbel (LÜW) stellen anatomisch fehlgebildete Wirbel am Übergang von der kaudalen Lendenwirbelsäule zum Kreuzbein dar. Für die Rasse des Deutschen Schäferhundes (DSH) konnte durch vorherige Untersuchungen eine Rasseprädisposition für das Vorliegen von LÜW festgestellt werden. In Abhängigkeit von ihrer Morphologie prädisponieren manche LÜW bei Hunden, vermutlich aufgrund einer Veränderung der Biomechanik des lumbosakralen Überganges, für die Entwicklung neurologischer und gegebenenfalls auch orthopädischer Folgeerkrankungen. Insbesondere der Zusammenhang zwischen dem Auftreten symmetrisch oder asymmetrisch stark von der Norm abweichender LÜW und dem Cauda equina Syndrom als sekundäre Erkrankung wurde in der Literatur eingehend beschrieben. Die Korrelation zu orthopädischen Erkrankungen, wie der Hüftgelenkdysplasie (HD) und der Coxarthrose, sind weniger eindeutig. Weniger die LÜW selbst als vielmehr die möglichen Folgeerkrankungen stellen eine negative Beeinflussung des Wohlbefindens und der Gesundheit betroffener Hunde dar. Auf Basis der durch Vorstudien nachgewiesenen mindestens moderaten Heritabilität von LÜW ist eine Erarbeitung effektiver Zuchtstrategien beim DSH möglich. Hierdurch ist eventuell neben einer Reduktion der Häufigkeit von LÜW im Speziellen auch eine Verringerung der Häufigkeit korrelierter Folgeerkrankungen möglich. Genetisch-statistische Analysen sollen als Grundlage für die Entwicklung angemessener, zielorientierter und wirkungsvoller Zuchtmaßnahmen dienen.
Das derzeit von der Gesellschaft für Röntgendiagnostik genetisch beeinflusster Skeletterkrankungen bei Kleintieren e. V. (GRSK) und der Schweizer Dysplasiekommission eingesetzte Klassifikationsverfahren nach FLÜCKIGER et al. (2009) unterscheidet vier Formen von LÜW (Typ 0 bis Typ III). Während der LÜW-Typ 0 einen physiologischen lumbosakralen Übergang darstellt, handelt es sich beim LÜW-Typ I um eine milde pathologische Form mit einer Trennung der normalerweise kontinuierlich fusionierten Dornfortsatzleiste des Os sacrum als einzige Normabweichung. Letzterer Typ ist, wenn auch normabweichend, für den betroffenen Hund klinisch ohne Relevanz. Die LÜW-Typen II und III weichen morphologisch stärker von der Norm ab. Hierbei handelt es sich um symmetrisch oder asymmetrisch fehlgebildete Wirbel, die vor allem Veränderungen ihrer Querfortsätze und Wirbelbögen aufweisen. Sie stellen die für neurologische und orthopädische Folgeerkrankungen prädisponierenden Formen dar. Aus genetischer Sicht ist ungeklärt, inwieweit die verschiedenen LÜW-Typen eine übereinstimmende genetische Grundlage aufweisen. Bis dato konnte eine mögliche genetische Nähe des klinisch unbedeutenden LÜW-Typ I von den Typen II und III nicht ausgeschlossen werden. Die Kenntnis über eine genetische Korrelation ist für die Erarbeitung eines effektiven Zuchtprogramms von größter Bedeutung.
Es ist Ziel der Untersuchung anhand standardisierter Röntgenaufnahmen lumbosakrale Übergangswirbel beim Deutschen Schäferhund zu identifizieren, morphologisch detailliert zu beschreiben und zu klassifizieren. Auf Basis der hierdurch erhobenen Auswertungsdaten werden weiterführende genetisch-statistische Untersuchungen zu LÜW durchgeführt, die darauf abzielen ihre Populationsgenetik aufzuarbeiten. Dies soll Aufschlüsse über eine mögliche Vererbbarkeit der einzelnen Typen von LÜW und ihrer genetischen Korrelationen untereinander geben. Schlussendlich sollen konkrete Empfehlungen zur Erarbeitung wirksamer Zuchtmaßnahmen mit dem Ziel der Reduktion der Häufigkeit von LÜW gegeben werden.
Für die Studie werden ausschließlich Röntgenbilder des offiziellen Screenings auf HD sowie Auswertungsdaten von offiziellen Röntgenbefunden von Deutschen Schäferhunden herangezogen, welche im Zuchtbuch des Vereines für Deutsche Schäferhunde (SV) e.V. gelistet werden. Die Röntgenaufnahmen sind zum überwiegenden Teil an der Klinik für Kleintiere – Abteilung Radiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen aufgenommen worden. Ergänzend werden zur Vergrößerung der Datenmenge Röntgenaufnahmen verwendet, welche von externen Tierärzten im Rahmen des Screeningverfahrens auf Hüftgelenkdysplasie angefertigt worden sind. Die standardisierte Röntgentechnik ermöglicht die Verwendung von Röntgenaufnahmen aus unterschiedlichen Quellen.
Die vorliegende Arbeit ist aus zwei Studienteilen aufgebaut. Im Studienteil A (detaillierte morphologische Röntgenstudie) wird neben der Klassifikation von LÜW eine eingehende morphologische Untersuchung des lumbosakralen Überganges unter Beurteilung zweier orthogonal zueinanderstehender Röntgenebenen (ventrodorsal und laterolateral) bei 1.302 DSH durchgeführt. Für eine wesentlich größere Anzahl an DSH (n = 27.579) werden im Studienteil B (Screening-Studie) offizielle Auswertungsdaten des Screenings auf Hüftgelenkdysplasie retrospektiv verarbeitet, bei denen die LÜW-Klassifikation ausschließlich auf ventrodorsalen Aufnahmen basiert und unter Verwendung des Klassifikationsschemas nach FLÜCKIGER et al. (2009) beurteilt wurde. Diese offiziellen Daten wurden vom SV zur Verfügung gestellt.
Die Daten beider Studienteile dienen als Grundlage für die Durchführung deskriptiv-statistischer Untersuchungen sowie für darauf aufbauende weiterführende genetisch-statistische Analysen. Um Schätzungen genetischer Parameter zu ermöglichen, wurden vollständige Pedigreeinformationen aller radiologisch untersuchter DSH vom SV bereitgestellt. Ein- und Mehrmerkmalansätze in linearen Tiermodellen werden verwendet, um für die unterschiedlichen LÜW-Typen und für spezifische Morphologiekriterien Heritabilitätsschätzungen durchzuführen sowie additiv-genetische Korrelationen unter den verschiedenen LÜW-Typen zu schätzen.
Im Studienteil A liegt das durchschnittliche Alter zum Zeitpunkt der Röntgenaufnahme bei 17,5 Monaten. Das Geschlechterverhältnis ist mit 56,5 % Rüden und 43,5 % Hündinnen geringgradig ungleich verteilt. Bezüglich der morphologischen Untersuchung der Dornfortsatztrennung kann bei 33,5 % der untersuchten DSH eine vollständige, bei 39,2 % eine unvollständige Trennung und nur bei 27,4 % eine vollständige Fusion festgestellt werden. Nur bei ca. 2,0 % der DSH ist eine Auswertung dieses Merkmals nicht möglich. Aufgrund einer Überlagerung mit dem Colon descendens bzw. dem Rektum ist eine Beurteilung der Morphologie der Seitenteile bei 0,4 % der DSH nicht durchführbar. 81,3 % der untersuchten DSH weisen eine physiologische Ausprägung ihrer Seitenteile rechts sowie 81,7 % links auf. Geringgradig von der Norm abweichende Seitenteile sind bei 16,3 % der DSH rechts ausgeprägt. Linksseitig liegt bei 16,6 % eine Abweichung dieses Grades vor. Mit 2,4 % der beurteilten Hunde sind rechts geringgradig häufiger mittel- bis hochgradig von der Norm abweichende Seitenteile festzustellen als links (1,8 %). Das Merkmal Wirbelkörpertrennung kann bei 2,7 % als angedeutete und bei 2,9 % als vollständige Trennung beurteilt werden. Es liegen keine signifikanten Geschlechtereffekte für die untersuchten Morphologiekriterien vor.
Im Studienteil B zeigen die weitaus meisten DSH, mit 76,2 % der beurteilten DSH, einen normalen anatomischen lumbosakralen Übergang. 15,0 % weisen als häufigste pathologische Form einen LÜW-Typ I auf. Dieser Sachverhalt stellt sich im Studienteil A unter zusätzlicher Beurteilung einer laterolateralen Röntgenaufnahme annähernd konträr dar. Hier besitzen 66,0 % der Hunde einen LÜW-Typ I und nur 27,4 % einen LÜW-Typ 0. Die Häufigkeitsverteilung der stärker von der Norm abweichenden LÜW-Typen II und III sind sowohl innerhalb als auch zwischen den Studienteilen ähnlich verteilt. Sie liegen bei 3,1 % (II) und 3,6 % (III) der DSH in der detaillierten morphologischen Röntgenstudie und bei 4,3 % (II) und 4,4 % (III) der DSH in der Screening-Studie vor. Die Abweichung der Häufigkeiten der LÜW-Typen 0 und I beider Studienteile ergibt sich größtenteils aus dem strengeren Klassifikationsverfahren des Studienteiles A, wo schon unvollständige Trennungen der Dornfortsatzleiste zu einer Klassifikation als LÜW-Typ I führen. Zusätzlich führt die Beurteilung einer zusätzlichen laterolateralen Röntgenaufnahme im Studienteil A möglicherweise zur Reduktion der Anzahl falsch-negativ beurteilter DSH, so dass weniger DSH fälschlicherweise aufgrund fehlender offensichtlicher Veränderungen in der ventrodorsalen Röntgenaufnahme als LÜW-Typ 0 klassifiziert werden.
Der phänotypische Trend der verschiedenen LÜW-Typen für DSH der Geburtsjahre 2006 bis 2015 ist im Studienteil B, in dem die deutlich größere Datenmenge im Vergleich zum Studienteil A eine verlässlichere Interpretation zulässt, nahezu konstant für die LÜW-Typen II und III. Die Häufigkeit des LÜW-Typ I stieg im untersuchten Zeitraum jedoch signifikant an. Die Bedeutung des Anstiegs der Häufigkeit des klinisch nicht relevanten LÜW-Typ I wird durch die Ergebnisse der weiterführenden genetisch-statistischen Analyse deutlich.
Die Ergebnisse der weiterführenden genetisch-statistischen Analysen bestätigen die erbliche Grundlage der LÜW. Die hier geschätzte Heritabilität des Merkmals nLÜW geht in ihrer Höhe konform mit der Schätzung von JULIER-FRANZ (2006). Es liegt eine moderate Heritabilität zwischen 0,25 und 0,27 vor. Die Heritabilitätsschätzungen für die einzelnen LÜW-Typen ergeben eine Spannbreite der Schätzwerte in Höhe von 0,08 bis 0,28, was vermutlich zumindest teilweise aus den deutlich voneinander abweichenden Häufigkeiten der unterschiedlichen LÜW-Typen resultiert. Zusammengefasst impliziert die hier nachgewiesene genetische Grundlage von LÜW, dass eine Zuchtstrategie auf Basis einer phänotypischen Selektion mit dem Ziel der Reduktion der Häufigkeit von LÜW erfolgversprechend sein kann. Die Ergebnisse der multivariaten Varianzkomponentenschätzung geben deutliche Anhaltspunkte, dass eine enge genetische Beziehung zwischen den verschiedenen LÜW-Typen besteht. Hierbei liegt zwischen den LÜW-Typen II und III eine größere genetische Ähnlichkeit vor (rg > 0,8) als zwischen dem LÜW-Typ I und den LÜW-Typen II und III (rg zwischen 0,5 und 0,6). Die hohen positiven Schätzwerte der additiv-genetischen Korrelationen der LÜW-Typen I bis III untereinander verdeutlichen, dass Zuchtempfehlungen mit einer ausschließlichen Zuchtreglementierung der LÜW-Typen II und III von zweifelhafter Effizienz sind. Um die Häufigkeit des Auftretens von LÜW zu reduzieren, ist vielmehr ein Zuchtverfahren zu erarbeiten, bei dem auch der LÜW-Typ I in die Zuchtentscheidungen einbezogen wird. Zwar ist dieser für den individuell betroffenen Hund klinisch ohne Belang, jedoch lassen die Ergebnisse der weiterführenden genetisch-statistischen Analyse den Schluss zu, dass auch DSH dieses LÜW-Typs ein erhöhtes Risiko besitzen Nachkommen mit stärker von der Norm abweichenden LÜW (Typen II und III) hervorzubringen. Der größtmögliche Zuchtfortschritt sollte daher bei einer Zuchtselektion gegen eine generelle genetische Disposition für LÜW zu erreichen sein, wenn auch eine phänotypische Selektion gegen LÜW möglich erscheint. Der Anstieg der Häufigkeit des LÜW-Typ I in der Population des Studienteiles B über die Jahre 2006 bis 2015 in Kombination mit den festgestellten positiv additiv-genetischen Korrelationen der LÜW-Typen untereinander zeigt die Dringlichkeit einer Einbeziehung der Hunde mit dem LÜW-Typ I in die Zuchtmaßnahmen. Jedoch gilt es die Verteilungsmuster der LÜW in der Population bei der Erarbeitung jeglicher Zuchtmaßnahmen zu berücksichtigen. Durch die hohe Prävalenz des LÜW-Typ I innerhalb des SV würde ein strenger Zuchtausschluss dieses Typs einen enormen Einschnitt in die Population bedeuten. Hierdurch würden sich populationsgenetische Begleiterscheinungen, wie eine substantielle Verringerung des genetischen Pools, eine Erhöhung der Inzuchtsrate und die Förderung anderer hereditärer Erkrankungen ergeben. Aus diesen Gründen wäre die Durchführung eines Selektionsverfahrens unter Anwendung einer Zuchtwertschätzung die einzige Möglichkeit zu selektieren und daher auch zu empfehlen. Die beiden Teile dieser Arbeit reflektieren die Herausforderungen, die die Datenerfassung und -analyse zur Charakterisierung der genetischen Grundlage von LÜW mit sich bringt. Anforderungen hinsichtlich der Zuverlässigkeit und Differenziertheit der Erfassung einerseits und des Datenumfanges andererseits lassen sich häufig nur schwer in Einklang bringen. Dennoch war es möglich, praktikable Ansätze für züchterische Maßnahmen zur Reduktion der LÜW-Häufigkeit abzuleiten. Die seit vielen Jahren etablierte röntgenologische Reihenuntersuchung für den Zuchteinsatz vorgesehener Hunde stellte sich als wertvolle Informationsquelle dar, die sich durch zusätzliche Erhebungen weiter stärken ließe. Allerdings bleibt die Festlegung und Optimierung des Vorgehens zur integrierten Nutzung von LÜW-Daten aus unterschiedlichen Quellen weiteren Untersuchungen auf Basis umfangreichen Datenmaterials vorbehalten.
Aus radiologischer Sicht bleibt festzuhalten, dass zur Beurteilung des lumbosakralen Überganges die ausschließlich ventrodorsalen Röntgenaufnahmen des offiziellen Screenings auf HD für die Durchführung einer eingehenden morphologischen Beurteilung eingeschränkt geeignet sind. Zusätzliche laterolaterale Aufnahmen sind nützlich, um die Rate falsch-negativ eingestufter Hunde zu reduzieren und sollten daher immer dann verwendet werden, wenn eine eingehende morphologische Untersuchung notwendig ist. Für die Entwicklung eines Zuchtprogrammes unter Nutzung eines anwenderfreundlichen Screeningverfahrens ist nach den vorliegenden Ergebnissen das Klassifikationsverfahren nach FLÜCKIGER et al. (2009), unter Verwendung einer einzelnen ventrodorsalen Röntgenaufnahme, jedoch eine praxistaugliche Methode, mittels derer auch unter Routinebedingungen Daten erhoben werden können, die sich als Basis genetisch-statistischer Analysen eignen. Den Ergebnissen dieser Arbeit zufolge können die erweiterte röntgenologische Datenerfassung und die Integration zusätzlicher Datenquellen dazu beitragen, die Aussagekraft genetisch-statistischer Analysen zu LÜW zu stärken. Jedoch sind diese nicht als zwingend erforderlich, sondern als komplementär zum Röntgenscreening anzusehen, das es erlaubt, züchterische Maßnahmen zur Kontrolle der Häufigkeit des Auftretens von LÜW in der Population des DSH zu etablieren.
Erscheinungsdatum
Reihe/Serie Edition Scientifique
Sprache deutsch
Maße 146 x 210 mm
Gewicht 214 g
Themenwelt Veterinärmedizin
Schlagworte Doktorarbeit • Uni • Wissenschaft
ISBN-10 3-8359-6815-7 / 3835968157
ISBN-13 978-3-8359-6815-8 / 9783835968158
Zustand Neuware
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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