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Gewohnheitstiere (eBook)

Wie Industrie und Wissenschaft unsere Instinkte manipulieren
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Aufl. 2024
331 Seiten
Quadriga (Verlag)
978-3-7517-6451-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gewohnheitstiere - Nicklas Brendborg
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Eine neue Sichtweise auf unsere Gewohnheiten

Wieso sind große, bunte Eier für Vögel attraktiver als die kleinen, unscheinbaren? Warum werden Früchte im Laufe der Evolution immer süßer? Und warum wird die Weltbevölkerung immer übergewichtiger, obwohl das Interesse an einer gesunden Lebensweise größer ist, denn je?
In Gewohnheitstiere nimmt Nicklas Brendborg die Entwicklung unserer Verhaltensmuster unter die Lupe und gibt unterhaltsame, kritische und wissenschaftliche Antworten auf die Fragen, wieso wir uns so schwer von schlechten Gewohnheiten befreien können und wie sich Unternehmen das Wissen über den menschlichen Instinkt und die Biologie zunutze machen, um süchtig machende Superreize zu schaffen.



<p><strong>Nicklas Brendborg</strong> ist Postdoktorand für Molekularbiologie an der Universität Kopenhagen und Absolvent des Novo Nordisk International Talent Program sowie des Novo Scholarship Program. Sein Buch QUALLEN ALTERN RÜCKWÄRTSwar ein großer Erfolg in Dänemark und die Übersetzungsrechte wurden in über zwanzig Länder verkauft. In Deutschland erhielt es zudem die Auszeichnung <b>Wissensbuch des Jahres 2022</b>in der Kategorie »Überraschung - Das originellste Buch«.<br /></p>

Sonne, Palmen und ein kurzes Leben


Wir befinden uns mitten in einer historischen Gesundheitskrise.

Wahrscheinlich denken Sie im Alltag nicht darüber nach, denn man gewöhnt sich schnell an seine Umgebung. Stellen Sie sich aber einmal vor, wir könnten zurück in die Zeit H. C. Andersens reisen und ein paar gewöhnliche Menschen von damals mit in unsere heutige Zeit nehmen. Natürlich stünden den Zeitreisenden bei der Begegnung mit dem 21. Jahrhundert die Münder offen: all die leuchtenden Bildschirme, die Autos auf den Straßen, die Flugzeuge in der Luft und der Überfluss an Lebensmitteln in unseren Supermärkten. Ganz sicher würde ihnen aber auch auffallen, dass die Menschen heutzutage anders aussehen als im 19. Jahrhundert. Wir sind heute größer als zur Zeit H. C. Andersens, aber wir sind auch breiter geworden.

Ja, im Grunde müssten wir nicht einmal bis zurück ins 19. Jahrhundert reisen, um ein Straßenbild mit weitaus schlankeren Figuren vorzufinden. Wir könnten uns mit einem Abstecher in die 1960er-Jahre begnügen, in denen Übergewicht eine Seltenheit war. Bei der Musterung zum dänischen Heer registrieren wir heute beispielsweise 50-mal mehr übergewichtige junge Männer als noch in den 1960er-Jahren. Und an unseren Volksschulen sind es im Vergleich inzwischen 80-mal so viele übergewichtige Kinder (auch an deutschen Schulen zeigt sich ein ähnliches Bild, etwa fünfzehn Prozent aller Kinder zwischen 3 und 17 Jahren sind übergewichtig).

Betrachten wir die Gesellschaft als Ganzes, sieht es ebenfalls nicht allzu rosig aus. Gerade erst haben wir den bedenklichen Meilenstein hinter uns gelassen, ab dem es mehr übergewichtige als normalgewichtige Dänen und Däninnen gibt (in Deutschland wurde diese Schwelle bereits 1999 überschritten, seitdem geht die Kurve stetig weiter nach oben). Aber obwohl diese Zahlen vor nur wenigen Jahrzehnten noch undenkbar gewesen wären, hat die Fettleibigkeits-Epidemie ihren Gipfel noch nicht erreicht. Jahr für Jahr brechen unsere Gewichtsprobleme weiter Rekorde.

Diese Entwicklung ist besonders erschreckend, weil Dänemark zu einem der wohlhabenden Länder gehört, die sich am besten schlagen. Wir sind beispielsweise das schlankste Volk innerhalb der EU, und auch unser Anteil an schwer übergewichtigen Personen ist mit zwanzig Prozent der niedrigste Wert der Union (Deutschland liegt hier mit etwa fünfundzwanzig Prozent im Mittelfeld).

Wenn wir unseren Blick auf die Welt richten, ist es nicht weiter schwer, Horrorbeispiele zu finden. Auf der Hand liegen natürlich die USA. Siebzig Prozent der Bevölkerung leiden dort unter Adipositas, und annährend die Hälfte der Bevölkerung ist schwer übergewichtig. Aber genauso wie bei uns in Dänemark bedeutet das nicht, dass die Amerikaner die Entwicklung abgeschlossen hätten, an Gewicht zuzulegen. Auch sie brechen jedes Jahr neue Rekorde in Bezug auf Übergewicht.

Trotz ihres Rufs sind die Amerikaner jedoch nicht das übergewichtigste Volk der Welt. Dieser nicht ganz so schmeichelhafte Titel fällt stattdessen einigen kleinen Inselrepubliken im Pazifik zu. Diese abseits gelegenen Inseln waren vor allem bekannt als das Paradies auf Erden mit ihren kreideweißen Sandstränden, großen Palmen und prächtigen Korallenriffen. Der schottische Schriftsteller Robert Louis Stevenson schreibt: »Wenige Männer, die die Inseln (des Pazifiks) besuchen, verlassen sie wieder … Kein Ort der Welt übt eine solch attraktive Macht auf die Besucher aus.«

Heute werfen die Gesundheitsprobleme der Einwohner allerdings einen ordentlichen Schatten auf das Paradies. Im Großen und Ganzen existieren auf den Pazifikinseln nämlich keine normalgewichtigen Menschen mehr. Auf den meisten Inseln leben über achtzig Prozent Übergewichtige, und auf der rekordhaltenden Insel Nauru liegt der Anteil bei neunzig Prozent.

Die ehemaligen Paradiesinseln sind wie Warnleuchten, die dem Rest der Welt zuzublinken scheinen: Egal, wie ernst eure Übergewichtsprobleme auch sind, es geht immer schlimmer.

So ist es auch so gut wie überall. Global wird es nicht mehr viele Jahre dauern, bis die Mittellinie überschritten ist und wie in Dänemark mehr Über- als Normalgewichtige existieren. Ergänzen wir die Liste der Länder, die Probleme mit Übergewicht haben, reisen wir einmal um die ganze Welt: in die Türkei, nach Mexiko, Saudi-Arabien, Chile, auf die Bahamas, nach Neuseeland, in den Irak, nach Malta, Israel und so weiter.

Diese Liste umfasst sämtliche Ethnien, Religionen, Landesgrößen, Klimabedingungen und Wohlstandsniveaus. Ja, selbst in Afrika ist Adipositas auf dem Vormarsch. Zwar gibt es immer noch afrikanische Länder, in denen ein Teil der Bevölkerung untergewichtig ist. Aber selbst auf dem ärmsten Kontinent der Welt leben in vielen Gebieten inzwischen mehr übergewichtige als untergewichtige Menschen. Die am stärksten betroffenen afrikanischen Länder wie zum Beispiel Südafrika haben das dänische Fettleibigkeitsniveau längst hinter sich gelassen und steuern auf amerikanische Zustände zu.

Also ist die Frage nicht ganz unberechtigt: Was passiert da gerade eigentlich? Haben wir das Interesse daran, uns gesund und schlank zu halten, komplett verloren?

Nein, eher im Gegenteil. Würden wir unsere Freunde aus H. C. Andersens Zeiten fragen, würden sie wohl antworten, dass wir völlig besessen von unserem Gewicht sind. Wir diskutieren fieberhaft über Kalorien und Nahrungsergänzungsmittel, während wir eine Diät nach der anderen durchmachen. Studien zeigen, dass etwa die Hälfte aller Erwachsenen innerhalb eines Jahres versucht, an Gewicht zu verlieren. Aber es hilft nichts. Sogar diejenigen, die es schaffen abzunehmen, enden allzu oft wieder genau dort, wo sie angefangen haben. Nach einer erfolgreichen Schlankheitskur nimmt eine durchschnittliche Person die Hälfte des verlorenen Gewichts binnen zweier Jahre wieder zu. Und innerhalb von fünf Jahren sind es achtzig Prozent des Gewichts.

Man bekommt also nur allzu leicht das Gefühl, dass irgendetwas gehörig schiefläuft.

***

Die Erklärung für diese Fettleibigkeits-Epidemie kann aus guten Gründen keine genetische sein. Wir haben die gleichen Gene wie unsere schlanken Vorfahren vor nur wenigen Generationen. Ja, in manchen Ländern sind die Übergewichtsprobleme sogar im Lauf weniger Jahrzehnte entstanden.

Wenn der Übeltäter also nicht in der Anlage zu finden ist, muss es die Umwelt sein. Wenn es nicht unsere Gene sind, die uns übergewichtig machen, muss es irgendetwas in unserer Umwelt oder an unserem Lebensstil sein, mit dem etwas nicht stimmt. Irgendetwas, das sich innerhalb der letzten Jahrzehnte drastisch verändert hat.

»Einleuchtend«, denken Sie vielleicht. Früher verrichteten wir den ganzen Tag lang schwere körperliche Arbeit. Jetzt sitzen viele von uns tagein, tagaus vor dem Bildschirm. Da ist es doch logisch, dass man nicht sonderlich viele Kalorien verbrennt und am Ende zunimmt!

Um diese Theorie auf die Probe zu stellen, können wir in den Norden Tansanias reisen und die Hadza treffen, eine der aktivsten Volksgruppen der Welt. Die Hadza sind Jäger und Sammler, ihr Lebensstil erinnert also an denjenigen, den wir in Dänemark – und dem Rest der Welt – in der Steinzeit führten. Sie halten keine Nutztiere oder bewirtschaften Land, sondern ziehen stattdessen jeden Morgen hinaus in die Savanne, um für Nahrung zu sorgen: Die Männer gehen auf die Jagd und klettern nach Honig, während die Frauen Wurzeln, Beeren, Früchte und Nüsse sammeln.

Daraus ergibt sich die Tatsache, dass die Hadza körperlich sehr viel aktiver sind als wir Dänen. Ein Hadzamann läuft durchschnittlich 19 000 Schritte am Tag, eine Hadzafrau erreicht an die 13 000 Schritte. Und ein Teil dieser Schritte besteht dabei darin, die Ausbeute des Tages zurück zum Stamm zu schleppen, ob es sich dabei nun um Wurzelgemüse, Perlhühner oder gar ein ganzes Zebra handelt. Deshalb wird es vermutlich nicht überraschen, dass die Hadza schlanke Menschen sind. Der durchschnittliche Däne ist, wie bereits erwähnt, übergewichtig und hat einen BMI von über 25, während ein durchschnittlicher Hadza einen BMI von etwa 21 und zudem mehr Muskelmasse als ein typischer Däne hat (der bundesdeutsche BMI liegt im Schnitt übrigens auch über dem Wert von 25, weshalb wir im Folgenden davon ausgehen dürfen, dass für Deutsche weitestgehend das Gleiche gilt wie für Dänen).

Es zeichnet sich also ein simples Bild für uns: Das eine Volk – die Dänen – sitzt still herum, verbrennt wenig Kalorien und leidet deshalb unter Übergewicht. Das andere – die Hadza – ist wahnsinnig aktiv, verbrennt massenweise Kalorien und ist daher schlank.

Das Problem ist nur, dass dieses Bild falsch ist. Denn obwohl sich die Hadza ungewöhnlich viel bewegen, verbrennen sie nicht mehr Kalorien als Dänen.

Ja, ich war selbst überrascht, als ich zum ersten Mal von dieser Statistik hörte. Aber es ist wahr: Die Hadza verbrennen nicht mehr Kalorien als die Dänen.

Tatsächlich verbrennt ein Däne im Schnitt sogar mehr Kalorien als ein durchschnittlicher Hadza, was daran liegt, dass wir größer als die Hadza sind, und größere Körper haben eine höhere Kalorienverbrennung. Wenn...

Erscheint lt. Verlag 25.10.2024
Übersetzer Justus Carl
Sprache deutsch
Original-Titel Vanedyr
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik
Technik
Schlagworte Adipositas • Biologie • digital • Fett • Fitness • Forschung • Gesundes Leben • Gesundheit • Gewohnheit • Instinkt • Kopenhagen • Macht • Manipulation • Medizin • Molekularbiologie • Naturwissenschaften • Online • Salz • Superreiz • Superstimuli • Superstimulus • Übergewicht • verarbeitete Lebensmittel • Wissensbuch • Wissenschaft • Zucker
ISBN-10 3-7517-6451-8 / 3751764518
ISBN-13 978-3-7517-6451-3 / 9783751764513
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