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Wie die Welt in den Computer kam (eBook)

Zur Entstehung digitaler Wirklichkeit
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
256 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490213-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wie die Welt in den Computer kam -  David Gugerli
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Der Weg in die digitale Kultur Damit die Welt mit Computern verwaltet und organisiert werden kann, muss sie in den digitalen Raum der Maschinen überführt werden. Der Historiker David Gugerli erzählt die Geschichte dieses großen Umzugs anhand von prägnanten Beispielen. Er schildert, wie Techniker, Manager, Berater und User miteinander gestritten haben, wie sie ihre Wirklichkeit formatiert und welche neue Unübersichtlichkeit sie dabei erzeugt haben. Sie haben Rechner verbunden, Daten kombiniert, Programme umgeschrieben und aus dem Computer fürs Personal einen Personal Computer gemacht - warum und wie, zeigt dieser glänzend geschriebene Essay. »Wer befürchtet, dass Computer ?den Menschen? bald verdrängen werden, muss dieses Buch lesen.« Professor Timothy Lenoir, Stanford University

David Gugerli, geboren 1961, studierte Geschichte und Literaturwissenschaften und ist seit 1997 Professor für Technikgeschichte an der ETH Zürich. Er war Gastwissenschaftler und Fellow u.a. an der Maison des Sciences de l'Homme in Paris, an der Stanford University sowie am Wissenschaftskolleg zu Berlin. 1997 erhielt er den Preis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. 2009 erschien von ihm »Suchmaschinen. Die Welt als Datenbank«, 2015 gab er zusammen mit Hannes Mangold ein unveröffentlichtes Manuskript von Max Frisch heraus, »Ignoranz als Staatsschutz?«.

David Gugerli, geboren 1961, studierte Geschichte und Literaturwissenschaften und ist seit 1997 Professor für Technikgeschichte an der ETH Zürich. Er war Gastwissenschaftler und Fellow u.a. an der Maison des Sciences de l'Homme in Paris, an der Stanford University sowie am Wissenschaftskolleg zu Berlin. 1997 erhielt er den Preis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. 2009 erschien von ihm »Suchmaschinen. Die Welt als Datenbank«, 2015 gab er zusammen mit Hannes Mangold ein unveröffentlichtes Manuskript von Max Frisch heraus, »Ignoranz als Staatsschutz?«.

tolle Einblicke auf das, was Computer sind und sein sollten.

eine nachhaltig anregende Lektüre

sein materialreiches, flüssig geschriebenes Buch bietet eine spannende Lektüre.

Konsequent zäumt Gugerli das gefundene Material entlang computertechnischer Problemstellungen auf.

Aber der Leser [...] kann sich jedenfalls kaum eine bündigere Darstellung wünschen, die ihn mit der Entstehungsgeschichte seiner digitalen Umgebungen bekanntmacht.

ein instruktives, gut geschriebenes Buch, das sich auf ein profundes Quellenstudium stützt und überzeugende Perspektivewechsel bietet.

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Dieses Buch berichtet darüber, wie die Welt in den Computer gekommen ist. Es ist die Geschichte eines großen Umzugs, der vor sieben Jahrzehnten, also um die Mitte des 20. Jahrhunderts begann. An der Ausgestaltung einer rechnergestützten Wirklichkeit ist seither aus unterschiedlichen Gründen gearbeitet worden – in Millionen von »Mannjahren«, wie es in der Branche hieß.[1] So leicht heute von der rasanten und umfassenden Computerisierung der Welt die Rede ist, so langwierig, aufwendig und manchmal auch frustrierend waren jene Anstrengungen, »die die Welt in die Computer versetzt haben«, wie der amerikanische Technikhistoriker Michael S. Mahoney es formuliert hat.[2]

Wie ist die Welt in den Computer gekommen? Das in Computergeschichten übliche Gemisch aus schönen Pioniertaten, unternehmerischem Risiko, straffen Genealogien und exponentiellen Wachstumskurven gibt darüber keine Auskunft. Wo hart gearbeitet, verwegen projektiert, nicht selten blauäugig konzipiert und oft verzweifelt auf eine nächste Version von Programmen gewartet wurde, wo während Jahrzehnten immer wieder auf das eben zusätzlich angestellte Personal und die bald entwickelte Software verwiesen worden ist oder mit großem Aufwand rechnergestützte Routinen erlernt wurden, kann die historische Untersuchung zur Entstehung digitaler Wirklichkeit nicht einfach von der Naturwüchsigkeit des technischen Fortschritts ausgehen oder gar die Maschine für die Entwicklung verantwortlich machen. Statt die Opfer von Rechnern zu beklagen und sie als Ursache für »Lese- und Aufmerksamkeitsstörungen, Ängste und Abstumpfung, Schlafstörungen und Depressionen, Übergewicht, Gewaltbereitschaft und sozialen Abstieg« zu bezeichnen,[3] muss man die Motive ihrer Entwickler und die Intentionen ihrer Anwender in Erfahrung bringen.

Weder Naturwüchsigkeit noch Opferdiskurs weisen einer angemessenen Computergeschichte den Weg. Ich will deshalb meiner Geschichte eine andere Perspektive geben, und das heißt die Probleme so darstellen, wie sie sich den Zeitgenossen präsentiert haben und wie diese sie angegangen sind. Ich werde den Erwartungen, Denkstilen und Motiven derjenigen nachgehen, die als Techniker, Manager, Anwender, Unternehmer und Beamte an der großen Verschiebungsaktion gearbeitet, sie angeordnet oder mitgetragen haben. Sie alle haben auf erweiterte Gestaltungsmöglichkeiten, auf das Analysepotential oder auf die Beschleunigung der Dinge im digitalen Raum gesetzt und deshalb die Mühen des Umzugs für sich und andere in Kauf genommen. Aber nicht alle haben das in gleicher Weise getan. Ich berichte also davon, wie der Rechner aus unterschiedlichen Gründen nutzbar gemacht wurde. Aufgrund welcher Motivationen ist der neue Handlungsraum erschlossen worden und welche Probleme galt es dabei zu behandeln? Wie verlief der Umzug von den alten Registraturen in die unbekannten Datenbanken, vom Rundfunk ins World Wide Web, vom Ring der Börsenhändler zum rechnergestützten Aktienhandel oder von den Roulettetischen der Casinos in die Gewinnzonen raffinierter Online-Spiele?

Die Frage, wie die Welt in den Computer gekommen ist, übt einen belebenden Denkzwang aus. Sie lässt sich mit etwas Glück und mit kritischer Unbeirrbarkeit auch beantworten. Die Quellen für diese Geschichte sind jedenfalls greifbar – in Hunderttausenden von Vorträgen, Diskussionspapieren und Artikeln, die im ersten halben Jahrhundert der Computergeschichte zu diesem Thema produziert wurden.[4] Mit ihnen wurden immer wieder neue Aufmerksamkeitsmuster erzeugt und zukunftsträchtige Handlungsweisen diskutiert. Aufsätze, Ankündigungen und Arbeitsberichte geben heute darüber Auskunft, wie man den neuen, digitalen Raum hatte einrichten wollen und welche Regeln man dafür entwickelt, geprüft und schließlich verworfen oder implementiert hat. Darüber, was sich mit Fug und Recht erwarten ließ, musste man sich verständigen – in Vorträgen und Artikeln, in Strategiepapieren, Inseraten und Debatten. Die Spuren dieser Verständigungsarbeit sind meine Quellen. Sie berichten von den erfolgreichen oder gescheiterten Debatten in jener dynamischen Projektkultur, die eng mit der Computerwelt verknüpft war. Sie sind von Zeitgenossen als Reiseführer gelesen worden. Und sie helfen auch heute, sich im digitalen Raum von damals zurechtzufinden.

Die Technikgeschichte des Computers beobachtet also Beobachtungen und ist eine zusammenführende, konzentrierte Darstellung einer großen Zahl von zeitgenössischen Darstellungen. Denn weder die Prozessoren auf Leiterplatten noch die Zeichen auf längst erloschenen Bildschirmen, weder Datenbestände noch Programme, weder Anwenderinnen noch Operateure sind historisch anders als durch die kritische Lektüre ihrer in Archiven oder im Netz überlieferten Kommentare begreifbar. Selten nur habe ich Memoiren und Interviews mit ausgewählten Akteuren der Computergeschichte konsultiert.[5] Meistens liefern diese nur Rechtfertigungen für weitsichtiges Handeln in der Vergangenheit, zeigen aber wenig Interesse an der historischen Entwicklung. Sie gehen von einer Vergangenheit mit beschränktem Horizont (der anderen) aus und vergleichen diese Vergangenheit mit der undankbaren oder ignoranten Gegenwart. Dabei übersehen sie, dass sich Ungewissheit nicht zuverlässig reduzieren lässt und sich Klugheit auch nicht stetig vermehrt.

Im Wesentlichen ist damit gesagt, worauf sich meine Aussagen zur Geschichte des Computers stützen und was ich beiseitelassen will. Ich nutze vor allem die umfangreichen Bestände der Association for Computing Machinery, weil sie sehr detailliert Auskunft darüber geben, aufgrund welcher Vorstellungen beim Umzug in den Rechner gehandelt worden ist.[6]

Zur Verständigungsarbeit gehören leise und laute Ankündigungen, lange und kurze Erzählungen, große und kleine Versprechen, auch außerhalb der selbsternannten Fachzirkel. So hat beispielsweise, im ersten Werbespot der Computergeschichte überhaupt, der Computerhersteller Remington RAND um 1951 eine universelle Einladung ausgesprochen, die man heute leicht überhören könnte.[7] Wie jeder Werbespot verbreitete auch dieser eine frohe Botschaft und verkündete in seiner offensichtlichsten Mitteilungsschicht große Freude über die Fortsetzung des zivilisatorisch-technischen Fortschritts. Das eben erst gegründete Unternehmen mobilisierte die ganz große Kulisse, um seinem neuen »Universal Automatic Computer« eine geeignete Bühne für den filmischen Auftritt zu bieten. Von den Pyramiden bis zu den Wolkenkratzern, von den Erfolgen wissenschaftlicher Forschung über den enormen Output automatisierter Industrieanlagen bis zu den Leistungen moderner Regierungsformen wurde in Wort und Bild alles aufgefahren, was zu den Fundamenten und Erfolgen, zur Geschichte und zur Zukunft der Menschheit zählte. Der Auftritt des UNIVAC stellte diese Zivilisationskulisse in den Schatten – und auf neue Grundlagen: In Zukunft sollte das ganze Welttheater von den Rechenkünsten der Maschine profitieren. Denn der UNIVAC hatte sich als erster kommerzieller Digitalrechner überhaupt von der Hauptaufgabe bisheriger Rechenmaschinen emanzipiert, die in der Kalkulation von ballistischen Kurven, in der Kryptographie und in der Entwicklung von nuklearen Massenvernichtungswaffen bestanden hatte.[8]

Der Werbespot der Remington RAND präsentierte den Computer als krönenden Abschluss der zivilisatorischen Entwicklung und zugleich als deren Instrument. Detailliert erklärte der Film die verschiedenen Komponenten, Prozeduren und Einsatzmöglichkeiten des Rechners: Codierstationen, Lochkartenleser, magnetische Bänder, Überwachungskonsole, Prozessor, Zwischenspeicher, Drucker, das Ganze umgeben von ein paar menschlichen Aktanten. Erwähnt wurde die erstaunlich schnelle Lösung komplexer kernphysikalischer Gleichungssysteme, im Vordergrund aber stand die bürokratische Massenverarbeitung von Daten am digitalen Fließband.

Besonderes Gewicht wurde auf die Beherrschung der Maschine durch präzis denkende Programmierer und adrette Operatricen gelegt. Der Rechner war ein automatisiertes, industrielles und gut beherrschtes Rechenmonster im Dienste der Menschheit. Er kam als eine reibungslos funktionierende Fabrikationsanlage daher, die am Eingang mit Rohdaten gefüttert wurde, welche nach einer ganzen Reihe von Verarbeitungsschritten am Ende als fertig gerechnete und sauber gedruckte Ergebnisse ausgeliefert wurden. Das konnten Tausende von Schecks für die Bezahlung der Belegschaft eines großen Unternehmens sein, unter Berücksichtigung sämtlicher Abzüge für Steuern, Sozialversicherung und Gewerkschaftsgebühren und der Zulagen für individuell geleistete Überstunden, Ferien und Nachtschichten. »In weniger als vier Stunden pro Woche und mit wenig Bedienungspersonal kann der UNIVAC eine Lohnabrechnung für 15000 Angestellte erledigen. Eine gewaltige Ersparnis an Zeit und Geld.«[9]

Die Leistungsfähigkeit der Anlage war enorm. Sie erledigte alle Prozesse, »bei denen Daten verarbeitet und Probleme gelöst werden mussten«.[10] Es sei klar, dass die Verwaltungsarbeit künftig jenen Grad an Geschwindigkeit und Effizienz erreichen werde, den man von großen industriellen Anlagen kenne und erwarte. Der Drucker etwa konnte stolze drei Seiten eines großstädtischen Telefonbuchs mit allen Namen, Adressen und Nummern in weniger als einer Minute ausdrucken. Doch damit nicht genug – und das war der eigentliche Knaller des bombastischen...

Erscheint lt. Verlag 25.4.2018
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Technik
Schlagworte 20. Jahrhundert • Apple • Computergeschichte • Digitalisierung • IBM • Personal Computer • Programmieren • Remington Rand • Technikgeschichte • Univac
ISBN-10 3-10-490213-5 / 3104902135
ISBN-13 978-3-10-490213-5 / 9783104902135
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