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Akadämlich (eBook)

Spiegel-Bestseller
Warum die angebliche Bildungselite unsere Zukunft verspielt
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Aufl. 2025
239 Seiten
Quadriga (Verlag)
978-3-7517-7436-9 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
19,99 inkl. MwSt
(CHF 19,50)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
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Kaum ein Satz ohne Rechtschreibfehler, aber am liebsten morgen schon einen gut bezahlten Job in der freien Wirtschaft. Zu jedem Thema eine Meinung, aber Kritik an sich selbst als Majestätsbeleidigung verstehen. Junge Menschen aus wohlstandsverwöhnten Generationen erwarten, dass ihnen alles auf dem Silbertablett serviert wird: von Leistungs- und Leidensbereitschaft haben sie nie etwas gehört. Deshalb haben sie sogar das Lernen verlernt oder gar nicht erst gelernt. Zümrüt Gülbay-Peischard entlarvt die Ursachen der Bildungsmisere an deutschen Hochschulen und zeigt ihre Folgen: Hochschulen sind immer weniger in der Lage, die dringend benötigten Topkräfte für den Arbeitsmarkt auszubilden. Die Autorin geht mit der Generation Z hart ins Gericht, die Ignoranz und Lethargie der Studierenden empfindet sie als geradezu unanständig.



<p><strong>Zümrüt Gülbay-Peischard</strong> kam mit zwei Jahren als Tochter türkischer Gastarbeiter nach Westberlin. Sie wuchs im Wedding auf, der in Medien oft als »Problembezirk« bezeichnet wird. Sie legte ihr Abitur als Jahrgangsbeste ab, studierte Betriebswirtschaftslehre und Rechtswissenschaft, promovierte mit 25 zum europäischen Wettbewerbsrecht, arbeitete als Rechtsanwältin, später in den USA und Asien sowie als Dozentin an unterschiedlichen Hochschulen. Sie war Mitglied der Islamkonferenz und im Beraterkreis von Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Mit Altkanzlerin Angela Merkel sprach sie über Frauen in Führungspositionen.</p>

2. Kapitel


Wie ich eine Professorin wurde

Als ich die Zusage des Verlages für dieses Buch erhielt, musste ich kurz innehalten. Das Arbeiterkind aus dem Berliner Wedding würde sich also mit einem Buch zur Bildung an Deutschland wenden. Wer hätte das gedacht? Es war nicht unbedingt absehbar, dass ich diese Karriere mache. Meine Ausgangsbedingungen waren nicht optimal. Ich habe mit viel Arbeit und einiger Unterstützung meinen Platz in der Bildungslandschaft gefunden und ich glaube fest daran, dass das auch vielen anderen gelingen kann, wenn sie bereit sind, sich einzubringen und sich auf das Abenteuer Bildung einzulassen.

Ist jede Form von Arbeit inhuman?


Manchmal schaffe ich es tatsächlich, eine ganze Gruppe im Vorlesungssaal zu motivieren, sich an einer Diskussion zu beteiligen. In einer Vorlesung zum Arbeitsrecht ging es um Arbeitszeiten und den hierzu bestehenden gesetzlichen Schutztatbeständen. Die Begrenzung von Überstunden brachte uns zu der Frage, wie viel ein Mensch denn arbeiten kann. Es fiel der Satz, dass zu viel Arbeit inhuman sei.

»Ein interessantes Argument, meine Damen und Herren, lassen Sie uns darüber reden«, war mein Vorschlag, und ich fragte nach einer Definition für »inhuman«. Wir trugen also zusammen, dass von inhuman geredet werden kann, wenn Regulierungen und Forderungen menschliche Gesichtspunkte völlig außer Acht lassen. Daraufhin sagte eine Studentin: »Dann ist doch aber jede Form von Arbeit inhuman, oder?« »Also sollten Menschen gar nicht arbeiten in einer humanen Gesellschaft?«, war meine Gegenfrage. »Ja, ich denke schon. Arbeit liegt doch keinem Menschen.« Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

Ist Arbeit wirklich etwas so Furchtbares, dass daraus das Gegenteil von menschlich wird? Ähm, eigentlich nein, also versuchte ich einen neuen Ansatz. Zunächst einmal verwies ich auf Untersuchungen der OECD, wonach eine Gesundheitsgefährdung erst ab einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 50 Stunden festzustellen ist. Dann erzählte ich von einer Zeit in meinem Leben, in der ich fast drei Jahre lang, vor dem Ersten Staatsexamen und bis zum Abschluss meiner Promotion, jeden Tag gearbeitet habe und nicht einen Tag frei hatte oder ausgegangen bin. Es war hart und anstrengend und widerspricht auch bestimmt meiner gemütlichen Grundnatur, aber ich habe diese Zeit dennoch genossen und gewusst, dass ich mich auf einem erfolgreichen Weg befinde. Diese Situation war mir persönlich nie inhuman vorgekommen.

Ein Student meinte daraufhin mit einem leicht süffisanten Lächeln: »Und dann sind Sie bei all der Arbeit nur Professorin geworden?« Er hatte die Lacher auf seiner Seite. Ein inhumanes Leben mit viel Arbeit und keinem ausreichend erfolgreichen Status. Ich wurde auch schon mal charmanter beschrieben. Mir zeigte seine scherzhafte Anmerkung jedoch eine versteckte zweite Ebene. Wer so viel wie ich gearbeitet hat und nur ein Professorengehalt verdient, hat etwas falsch gemacht im Leben. Arbeit und vor allem viel Arbeit muss mit einem größeren messbaren finanziellen Erfolg und dem entsprechenden Status einhergehen. So sehe ich das nicht.

Wie es anfing


Ich bin im Alter von 28 Jahren Professorin für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Anhalt in Sachsen-Anhalt geworden, wo ich heute noch hauptamtlich arbeite. Mein Alter, meine Herkunft und mein Werdegang haben damals viele Medien und Menschen in verschiedenen Positionen interessiert. Ich bin für einige Projekte angefragt worden und habe interessante Sachen gemacht. Ich war Mitglied der Islamkonferenz des damaligen Bundesinnenministers Dr. Wolfgang Schäuble, ich war im Beraterkreis des Bundesfinanzministers Peer Steinbrück, und ich habe mich auch in verschiedenen Veranstaltungen bei den Grünen und in der Frauenunion der CDU engagiert.

Als eine junge Frau mit einem türkischen Migrationshintergrund war ich der Beweis für ein erfolgreiches Bildungssystem in Deutschland. Ich wurde auch angefragt, ob ich ein Buch zur Bildung in Deutschland schreiben möchte, das habe ich damals abgelehnt. Zu diesem Zeitpunkt fühlte ich mich für eine solche Aufgabe nicht bereit. Ich hätte es als anmaßend empfunden, denn mir hatte das Bildungssystem in Deutschland einen sozialen Aufstieg ermöglicht, und ich war eine Nutznießerin dieses Systems des freien Zugangs zur Bildung. Für einen kritischen Blick darauf fehlten mir seinerzeit die notwendigen umfassenden Erfahrungen als Gestaltende und Mitwirkende in diesem System. Das ist jetzt anders.

Hallo Deutschland


Ich bin ein Gastarbeiterkind. Aufgewachsen im Berliner Wedding. Wenn ich morgens um halb acht zur Schule gegangen bin, waren die zwei Kneipen in unserer Straße schon auf, und das Bier wurde ausgeschenkt. Meine Eltern haben in Fabriken gearbeitet. Mein Vater im wöchentlichen Drei-Schicht-Betrieb in einer Schokoladenfabrik in Berlin Neukölln und meine Mutter am Akkordfließband bei Siemens. Sie haben zunächst keinen Gedanken daran verschwendet, wie sie sich in Deutschland integrieren können. Sie gehörten zur ersten Generation, die eigentlich nach ein paar Jahren in Deutschland auch wieder zurückkehren wollten. Mit den Jahren ist meinen Eltern bewusst geworden, dass eine Heimkehr und Rückkehr als Familie nicht geschehen würde, denn ihre vier Mädchen waren hier in Deutschland zu Hause. Erst zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt in ihrem Leben ging es für sie allein wenigstens teilweise zurück in die Heimat.

Für meine Eltern muss es unglaublich schwierig gewesen sein, darüber geredet haben wir leider nicht. Ihr Spagat zwischen der eigenen Kultur, mit der sie aufgewachsen waren und die für sie Maßstab und Orientierung war, und den vier Mädchen, die aus der Schule mit vielen anderen Ideen und Lebensmodellen nach Hause kamen. Es war ein immer schwelender und nicht lösbarer Konflikt zwischen dem, was wir Mädchen wollten, und dem, was meine Eltern akzeptieren konnten.

Bis ich zur Schule gegangen bin, konnten weder meine Eltern noch ich richtig deutsch sprechen. Nachdem ich mit drei Jahren mit meiner Schwester, die zwei Jahre alt war, und meinem Vater meiner Mutter, die schon über ein Jahr in Deutschland war, nachgereist bin, haben wir weitgehend ohne einen Kontakt zu den Deutschen in einer rein türkischen Parallelgesellschaft gelebt. Erst als ich in der Schule anfing Deutsch zu lernen, lernten es meine Eltern auch. Meine Eltern stammen beide aus Familien, in denen eine höhere Bildung für sie nicht möglich war. Beide haben früh angefangen zu arbeiten und die Familie zu unterstützen. Auch in Deutschland haben sie über eine eigene berufliche Weiterbildung nicht nachgedacht. Dafür waren sie auch nicht geholt worden. Ihre vier Töchter, mit mir als der ältesten, sollten jedoch alle Möglichkeiten ausschöpfen. Wir sollten Abitur machen, was drei von uns vieren auch gelungen ist.

Die körperlich harte Arbeit hat meinen Eltern nicht viel Kraft und Zeit gelassen, sich mit uns vier Mädchen zu beschäftigen und uns zu fördern. Wir mussten funktionieren, und die Schule durfte zu Hause keine Probleme machen. Sie hatten am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, keine Ausbildung zu haben. Also trieben sie uns an. Uns wurde immer wieder eingeschärft, etwas aus unserem Leben zu machen, die Schule zu nutzen und erfolgreich zu sein. Meine Eltern haben Fleiß, Disziplin und Engagement verlangt und auch bekommen. Etwas anderes blieb uns gar nicht übrig.

Im Nachhinein ist mir bewusst, wie anders meine Eltern im Vergleich zu vielen anderen Eltern aus Gastarbeiterfamilien waren. Weil die Rückkehr in die Heimat zunächst das Ziel von allen war, war die deutsche Schulbildung der Kinder zunächst nicht wichtig. Auch weil sie selbst vielfach eine sehr geringe Schulbildung hatten, haben sie sich nicht um die Bildung ihrer Kinder bemüht und wurden auch nicht darin durch irgendwen oder irgendwie bestärkt oder unterstützt. Eine echte Integrationspolitik gab es damals nicht.

Zu der Zeit habe ich nur gesehen, unter welchem Druck ich stand. Ich musste verstehen und lernen, dass es wenig Unterstützung durch meine Eltern gab, aber eine ständige Forderung nach Erfolg. Hilfe bei den Hausaufgaben, meine Eltern als Elternvertreter oder anderweitig engagiert in der Schule war nicht machbar. Wir vier haben nur dann Reaktionen bekommen, wenn die Noten schlecht waren oder wir etwas angestellt hatten. Auch dann gab es keine langen Gespräche, wertschätzenden Hilfestellungen oder Diskussionen. Im Zweifel wurde man bestraft und musste die Sache ausbügeln.

Meine Rettung war damals das Lesen. Ich habe alles gelesen, was die Jerusalem Bibliothek im Wedding hergab. Meine Eltern wussten zwar selten, was ich las, waren aber glücklich, wenn sie mich mit einem Buch irgendwo entdeckten.

Ich hatte meistens kein Frühstück zu Hause, weil wir uns selbst darum kümmern mussten, uns für die Schule fertig zu machen. Meine Mutter ist um halb sechs aus dem Haus gegangen, und mein Vater war entweder aus der Nachtschicht noch nicht zu Hause oder ebenfalls schon unterwegs zur Arbeit. Wie viele andere Kinder damals auch habe ich in der Toilette am Wasserhahn meinen Durst gelöscht und nach der Schule zu Hause das erste Mal am Tag etwas gegessen.

Ich konnte aber sehen und beobachten, wie gut es andere, vor allem deutsche Kinder hatten. Ich habe diese Kinder heiß und innig beneidet, deren Mütter und Väter nachmittags bei den Hausaufgaben dabei waren und denen die vergessenen Schulbücher oder Hausaufgaben in die Schule nachgebracht wurden. Vorbereitete...

Erscheint lt. Verlag 28.3.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Abgrenzung • Abitur • Anstand • Arbeit • Arbeitsmarkt • arrogant • Aufstiegschancen • Ausbildung • Ausbildungsberufe • Bachelor • Betrug • Bildung • Bildungsmisere • Bildungssystem • BWL • Chancengleichheit • Corona • Eltern • Empathie • Empörung • Erfolg • Erreichbarkeit • Erziehung • faul • Finanzierung • Fleiß • Föderalismus • Führungsposition • Gastarbeiter • Gehalt • Geld • Generation • Gesellschaft • Grundschule • Gymnasium • Handwerk • Hausarbeit • Hochschulen • Höflichkeit • Ignoranz • Job • Klausuren • Kommunikation • Konflikte • Konsequenzen • Langzeitstudent • Lehrende • Lehrer • Leistungsbewertung • Leistungswille • Lernbulimie • Lernen • Lesen • Lethargie • Master • Migration • Mitarbeit • Pflicht • Politik • Professorin • Prüfungen • Sachbücher • Scheitern • Selbstreflexion • Selbstüberschätzung • Seminar • soziales Jahr • Spickzettel • Sprache • Studienabschluss • Topkräfte • Vorlesung • Vorstand • Widerstand
ISBN-10 3-7517-7436-X / 375177436X
ISBN-13 978-3-7517-7436-9 / 9783751774369
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