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Migration (eBook)

Warum man sie nicht steuern kann - aber verstehen und mitgestalten

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
149 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-46153-3 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
23,99 inkl. MwSt
(CHF 23,40)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
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Das Thema Migration polarisiert. Die einen fordern mehr Arbeitskräfteeinwanderung, die anderen fürchten sozialen Unfrieden durch zu viele Fluchtmigrierende. Die einen verteidigen den Schutz der Fliehenden vor Verfolgung und Krieg, andere fordern strengere Grenzkontrollen. Vor allem rechtspopulistische Kräfte machen aus der komplizierten Wirklichkeit eine einfache Botschaft: Migration ist ein Problem und muss reduziert, mindestens aber gesteuert werden. Der Migrationssoziologe Ludger Pries zeigt in diesem Buch, dass die vollständige Kontrolle von Migration eine Illusion ist. Anhand zahlreicher Beispiele aus Geschichte und Gegenwart stellt er dar, warum Migrationsbewegungen eine Eigendynamik haben. Maßnahmen der staatlichen Migrationsbeeinflussung erreichen sogar oft das Gegenteil der intendierten Wirkung - Beispiele sind etwa die »Gastarbeitermigration« in der BRD in den 1960er Jahren oder die Versuche der US-Grenzpolitik, Einwanderung aus Mexiko zu reduzieren. Migration ist seit Menschengedenken ein alltäglicher Prozess. Dieser ist nicht wirklich regulierbar, aber er kann beeinflusst werden. Dafür müssen zunächst die Motivlagen und Hintergründe aller an Migrationsprozessen Beteiligten besser verstanden werden. Das Buch gibt einen Gesamtüberblick über Migrationsbewegungen weltweit, über Ansätze der Migrationspolitik und zukünftige Tendenzen der internationalen Migration. Es beleuchtet die lebensweltliche Situation sowohl von Arbeits- als auch von Fluchtmigrierenden und stellt dar, wie legale Zugänge zu Migration erweitert und die Zivilgesellschaft besser einbezogen werden kann.

Ludger Pries ist Senior-Professor und war vormals Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie/Organisation, Migration, Mitbestimmung an der Fakultät für Sozialwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum. Er hatte Forschungs- und Lehraufenthalte in Brasilien, Mexiko, Spanien und den USA. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind (international vergleichende) Organisations- und Arbeitssoziologie, Migrationssoziologie und Transnationalisierungsforschung. Von 2011 bis 2015 war er Mitglied und stellvertretender Vorsitzender des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Migration und Integration. Von 2015 bis 2017 Inhaber des Wilhelm-und-Alexander-von-Humboldt-Lehrstuhls an El Colegio de México in Mexiko-Stadt.

Ludger Pries ist Senior-Professor und war vormals Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie/Organisation, Migration, Mitbestimmung an der Fakultät für Sozialwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum. Er hatte Forschungs- und Lehraufenthalte in Brasilien, Mexiko, Spanien und den USA. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind (international vergleichende) Organisations- und Arbeitssoziologie, Migrationssoziologie und Transnationalisierungsforschung. Von 2011 bis 2015 war er Mitglied und stellvertretender Vorsitzender des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Migration und Integration. Von 2015 bis 2017 Inhaber des Wilhelm-und-Alexander-von-Humboldt-Lehrstuhls an El Colegio de México in Mexiko-Stadt.

2.Migration – Wir müssen reden und uns ehrlich machen


Das Thema Migration ist in Deutschland und vielen anderen Ländern in aller Munde. Während die einen mehr Arbeitsmigration für notwendig halten, fühlen sich andere mit der Aufgabe der Integration überfordert. Auf der einen Seite wird betont, dass den Menschen, die vor Verfolgung und Krieg fliehen, Schutz gewährt werden muss, gerade auch vor dem Hintergrund der Geschichte unseres Landes. Andererseits meinen nicht wenige in Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft, dass das Land nicht alle Flüchtlinge aufnehmen könne, die hier ankommen. Denn viele dieser Menschen, so berechtigt ihre Anliegen auch sein mögen, hätten bereits andere sichere Drittstaaten oder EU-Mitgliedsländer durchquert, die sich eigentlich um sie zu kümmern hätten. Die Aufnahme von Millionen von Flüchtlingen aus Syrien und der Ukraine allein sei schon eine zu große Herausforderung für die Kommunen. Wie immer man zu solchen Äußerungen stehen mag, sie eint der Wunsch und die Erwartung, dass Migrationsbewegungen kontrolliert und gesteuert werden sollten und könnten.

Vor allem in Wahlkampfzeiten machen populistische Politikerinnen und Politiker regelmäßig die Migration für alles Mögliche verantwortlich. Einige sich links verstehende Parteien – in Deutschland etwa das Bündnis Sahra Wagenknecht – kritisieren, dass die Zuwanderung von Geringqualifizierten das allgemeine Lohnniveau der Beschäftigten drücke und unzumutbare Arbeitsverhältnisse wie in der Schlachtindustrie oder der Erntearbeit zementiere. Hätten wir überall anständige Arbeitsplätze, bräuchten wir wenig oder gar keine Zuwanderung, weil zum Beispiel die Beschäftigungsquote steigen würde. In Frankreich betont der Linkspopulist Mélenchon, dass die kulturelle Identität Frankreichs gewahrt werden müsse, er eigentlich der im Vergleich zu Marine Le Pen bessere Patriot sei und dass das Asylrecht zwar wichtig sei, aber die Migrierenden ihre Länder am besten gar nicht verließen und Frankreich nicht alle beschäftigen könne.4 Für rechtspopulistische Kräfte ist das Thema Migration in der Regel der Hauptankerpunkt einer völkisch-rassistischen Ideologie. Sie sprechen von Armutsmigration, Einwanderung in die Sozialsysteme, Überfremdung und von der Bedrohung einer angeblichen Leitkultur. Es werden sogar rassistische Begriffe wie die »Gefahr einer Umvolkung« verwendet. Man geht davon aus, dass es ein durch Blut oder Sprache definiertes Volk gebe, das durch Zuwanderung von innen heraus zerstört würde. Offen verfassungsfeindlich wird es, wenn die »Remigration« all derer gefordert wird, die nicht ins eigene rassistische Weltbild passen.

So wie in Deutschland wird Migration auch in den meisten Ländern der Welt als Problem diskutiert. Oft wird nicht über die vielen Millionen hart arbeitenden Menschen gesprochen, ohne die der Logistiksektor, die Gesundheitssystem oder die landwirtschaftliche Ernte in den Einwanderungsländern zusammenbrechen würden. Stattdessen wird Migration mit Menschen in Verbindung gebracht, die angeblich Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen gefährden. Und schnell kommt Kritik auf, wenn nicht alle Migrierenden und Schulkinder möglichst bald die Sprache des Ankunftslandes fließend sprechen. Natürlich sollten wir die Augen nicht vor den Herausforderungen verschließen, die mit der Arbeits- oder Flüchtlingsmigration verbunden sind. Dennoch ist es weder realitätsgerecht noch fair, das Thema Migration überwiegend negativ zu bewerten. Weil das aber getan wird, liegt der Ruf nach Steuerung nahe: Von der Politik wird erwartet, dass sie die Migration (wieder) ›in den Griff bekommt‹. Vor allem rechtspopulistische Kräfte fordern, die Migration nicht nur zu kontrollieren, sondern auch insgesamt zu reduzieren. Medienwirksam öffentlich wurde diese Absicht, als das Recherchenetzwerk Correctiv eine konspirative Klausurtagung rechtsradikaler Kreise im November 2023 in Potsdam aufdeckte: Dort erörterten die auch der Alternative für Deutschland (AfD) angehörenden Teilnehmenden, wie die erzwungene »Remigration« all jener, die nicht in ihr rassistisches Bild eines angeblichen »deutschen Volkes« passen, organisiert werden könnte. Solche nazistischen Töne hatte man zuletzt von Donald Trump in den USA gehört. Der damalige Präsident bestritt 2018, dass irreguläre Einwanderer Menschen seien: »Das sind keine Menschen, das sind Tiere«. Im Präsidentschaftswahlkampf 2024 behauptete er sogar, die ›illegalen Einwanderer« würden Katzen und Hunde essen.5

Rechtspopulistische und nationalistische Kräfte haben in vielen Ländern der Welt enorm an Einfluss gewonnen. Das gilt für Russland ebenso wie für Indien, Brasilien, Argentinien, Australien, die USA und natürlich auch für Europa. Für die EU-Mitgliedstaaten zeigt eine Analyse der Wählerunterstützung für rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien bei nationalen Parlaments- und Europawahlen in 266 Regionen (Georgiadou et al. 2018), dass die Wahl rechtsradikaler Parteien stärker mit einem raschen wirtschaftlichen Abschwung und Wandel verbunden ist als mit einem hohen Anteil bereits erfolgter Zuwanderung. Dies entspricht der sogenannten Kontakthypothese, nach der ein häufiger Kontakt mit Angehörigen anderer soziokultureller Gruppen Vorurteile gegenüber diesen abbaut. Allerdings erhöht eine hohe Arbeitslosigkeit auch die Sensibilität gegenüber zusätzlicher Einwanderung, da diese als Bedrohung der eigenen Beschäftigungs- oder Wohnsituation empfunden werden kann.6 Wissenschaftlich betrachtet sind die Zusammenhänge zwischen Migration, Wohlstand, empfundener Sicherheit, Zugehörigkeitserfahrungen und Wahlverhalten sehr komplex.

Rechtspopulistische Kräfte und Parteien verwandeln die vielschichtige Realität in eine einfache Botschaft: Migration ist ein Problem und muss gesteuert und reduziert werden. Politiker und Politikerinnen anderer politischer Parteien lassen sich in der Regel auf diesen Diskurs ein. Sie versuchen, die Steuerung der Migration auf ein ›menschenrechtlich akzeptables‹ und ›wirtschaftlich sinnvolles‹ Niveau zu bringen. Wenn es um die Frage der Migrationssteuerung geht, treffen im öffentlichen Diskurs zwei Tabus aufeinander. Das eine könnte man so charakterisieren: »Vermeide das Thema Migration, wenn du nicht die Sympathien des rechten Randes gewinnen willst.« Das andere lautet: »Gib nicht zu, dass die Politik etwas nicht kontrollieren kann, weil das den eigenen Gestaltungsanspruch untergraben würde.«

Migration ist zu komplex, um gesteuert zu werden

Genau hier müssen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft der Realität ins Auge sehen: Migration lässt sich nicht wie ein Wasserkanalsystem ›eindämmen‹. Die Migrationsdynamik ist eher mit natürlichen Wasserläufen vergleichbar: Treffen sie auf Hindernisse, suchen sie sich andere Wege. Migration lässt sich auch nicht regulieren wie der Verkehrsfluss durch Ampelanlagen – sie hat ihre eigene Logik, die keiner technischen Programmierung folgt. Allzu oft haben Versuche, Migration zu steuern, zum genauen Gegenteil dessen geführt, was beabsichtigt war – dies wird in Kapitel 3 gezeigt. Wer allerdings in der Politik offen zugibt, dass sich Migration nicht vollständig kontrollieren, sondern nur begrenzt beeinflussen lässt, wird schnell als schwach, zögerlich oder nicht durchsetzungsfähig abgestempelt. Deshalb lassen sich die meisten Politiker von denen treiben, die vorgeben, einfache Rezepte für die Kontrolle, Eindämmung oder gar Unterbindung der Migration zu haben.

Wie würde die Öffentlichkeit reagieren, wenn eine Politikerin dazu auffordern würde, die Wirtschaft, die Geburtenrate oder die Urlaubspläne der Menschen zu verwalten? Wahrscheinlich gäbe es einen Aufschrei und solche Vorschläge würden als Weg zur Staatsdiktatur kritisiert werden. Von Karl Marx bis John M. Keynes hat es immer wieder Ideen gegeben, die Wirtschaft durch den Staat zu regulieren. Heute wissen wir, dass die wirtschaftliche Entwicklung durch Regierungen und Einzelstaaten nur eingeschränkt beeinflusst, aber nicht gesteuert werden kann. Dies gilt erst recht in einer globalisierten Welt. Staaten und internationale Verbände wie die Welthandelsorganisation WTO, die EU oder der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) können allenfalls versuchen, Rahmenbedingungen und Impulse für die wirtschaftliche Dynamik zu setzen. Ähnliches gilt für den Klimawandel: Er hat ein viel zu komplexes Geflecht von Ursachen und Wechselwirkungen, als dass ...

Erscheint lt. Verlag 16.1.2025
Verlagsort Weinheim
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Soziologie Spezielle Soziologien
Schlagworte Arbeitsmigration • Asyl • Asylrecht • Bevölkerungspolitik • Demografie • Einwanderung • Einwanderungsland • EU-Außengrenzen • Flüchtlingskrise • Fremdenfeindlichkeit • Grenzpolitik • Internationale Migration • offene Grenzen • Rassismus • Schleuser
ISBN-10 3-593-46153-6 / 3593461536
ISBN-13 978-3-593-46153-3 / 9783593461533
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