Grundlagen und Schwerpunkte des Familienrechts für die Soziale Arbeit (eBook)
272 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8499-3 (ISBN)
Walter Röchling, Jg. 1948, Dr. jur., Familienrichter und Betreuungsrichter a.D., Honorarprofessor an der Hochschule Niederrhein/Fachbereich Sozialwesen. Fachgebiet: Institutionalisierte Soziale Arbeit in Familien- und Jugendhilfesachen einschließlich Verfahrensrecht. Lehrbeauftragter für Familienrecht, Kinder- und Jugendhilferecht sowie Familienverfahrensrecht. Dozent in der beruflichen Fortbildung.
3.Umfang der elterlichen Sorge
Gem. § 1626 Abs. 1 BGB – und damit in gesetzlicher Konkretisierung von Art. 6 Abs. 2 GG – haben die Eltern die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).
§ 1626 BGB
Elterliche Sorge, Grundsätze
(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).
(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.
(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.
Die Grundsätze über die elterliche Sorge gelten einheitlich für eheliche und nichteheliche Kinder (im GG – immer noch – „uneheliche“ Kinder genannt, vgl. Art. 6 Abs. 5 GG).
3.1
Bei Kindern von miteinander verheirateten Eltern geht das Gesetz stillschweigend von einer gemeinsamen elterlichen Sorge aus. Solange eine gemeinsame Sorge besteht, entscheiden beide Eltern zusammen und gleichberechtigt. (Dies gilt auch für den Fall von Trennung oder Scheidung. Die gemeinsame Sorge bleibt nämlich erhalten, es sei denn, sie wird in Teilbereichen oder im ganzen aufgehoben und auf einen Elternteil übertragen, vgl. hierzu Kap. II, 2). Da beide Elternteile in allen Bereichen der Personen- und Vermögenssorge gemeinsam entscheiden, verlangt das Gesetz gem. § 1627 BGB, dass die Eltern die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohle des Kindes ausüben und bei Meinungsverschiedenheiten versuchen müssen, sich zu einigen. Gelingt ihnen dies nicht, ist jeder Elternteil berechtigt, das Familiengericht anzurufen, das die Entscheidung einem Elternteil überträgt, sofern es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind handelt, § 1628 BGB.
§ 1627 BGB
Ausübung der elterlichen Sorge
Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen.
§ 1628 BGB
Gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern
Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.
In diesem Zusammenhang hatte das KG Berlin darüber zu entscheiden, inwieweit und auf welcher Rechtsgrundlage die Entscheidungsbefugnis über eine (möglicherweise) zukünftig erforderliche Bluttransfusion im hypothetischen Fall einer Operation des gemeinschaftlichen Kindes (von völlig zerstrittenen, aber weithin gemeinsam sorgeberechtigten Eltern) auf den Vater oder die Mutter zu übertragen sei. Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Zwischen den seit etwa zehn Jahren getrenntlebenden Eltern eines mittlerweile etwa 13-jährigen Sohnes hatte es „zahlreiche“ familiengerichtliche Verfahren gegeben, in deren Folge der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und dieses auf den Vater übertragen worden war, während es i. Ü. bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verblieb. Nunmehr hatte der Vater beantragt, ihm die alleinige Entscheidungsbefugnis über die Frage der Vornahme einer (zukünftigen) Bluttransfusion und Operationen, für die eine Bluttransfusion erforderlich sein könnte, für den gemeinsamen Sohn zu übertragen. Die Mutter beantragte die Zurückweisung dieses Antrages u. a. unter Berufung auf ihre Religionszugehörigkeit (…) sowie darauf, dass Bluttransfusionen bzw. Operationen nicht anstünden, sodass es sich bei der Entscheidung um eine unzulässige Vorratsentscheidung handele, die modifizierte Positionen innerhalb der Glaubensgemeinschaft nicht berücksichtige. Der Vater hatte argumentiert, dass ein Unfall oder eine Sportverletzung (bei der eine Operation nötig sei), jederzeit passieren könne und Zeit für eine gerichtliche Klärung dann gegebenenfalls nicht vorhanden sei.
Das KG hat den Antrag des Vaters (unter Zugrundelegung eines den Parteien zuvor erteilten rechtlichen Hinweises) zurückgewiesen und ausgeführt: „Die Voraussetzungen für eine Entscheidungsübertragung gemäß § 1628 Satz 1 BGB liegen nicht vor. Bei der vom Vater beantragten Entscheidung handelt es sich nicht um eine einzelne Angelegenheit oder bestimmte Angelegenheit der elterlichen Sorge im Sinne des § 1628 Satz 1 BGB. § 1628 BGB ist restriktiv auszulegen und beschränkt sich auf Einzelfallentscheidungen (…). § 1628 BGB ist nur einschlägig, wenn es sich um eine auf die konkrete Situation bezogene Übertragung der Entscheidungsbefugnis, also um eine situative Entscheidung, handelt (…). Dies ist vorliegend nicht der Fall. (…) Dies wäre nur dann der Fall, wenn eine konkrete Behandlungsentscheidung anstünde und sich die Eltern für diesen konkreten Fall nicht auf die Behandlungsweise einigen könnten. Hier hingegen begehrt der Vater die Entscheidungsbefugnis für alle denkbaren Entscheidungen in der hypothetischen Situation einer in Frage stehenden Bluttransfusion; dies betrifft folglich keinen Einzelfall, in dem die Eltern konkrete Meinungsverschiedenheiten nicht allein zu überwinden vermögen, sondern einen Teilbereich der elterlichen Sorge, welcher aus dem gemeinsamen Sorgerecht der Eltern insgesamt herauszulösen wäre. Sind die Eltern in einer generellen gesundheitlichen Frage uneins, kommt nach § 1671 BGB auch eine teilweise Übertragung des Sorgerechts in Betracht. Lässt sich nicht abschließend klären, welcher der beiden Normen die Angelegenheit zuzuordnen ist, ist § 1671 BGB anzuwenden, dessen differenzierte Ausgestaltung dem Elternrecht am ehesten gerecht wird (…). Die Übertragung des Teilbereichs der elterlichen Sorge – die Entscheidungsbefugnis für Bluttransfusionen – ist indes auch nicht nach § 1671 BGB gerechtfertigt. Es ist nicht zu erwarten, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge in diesem Teilbereich und die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht (1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Die Sorgerechtsentziehung stellt – auch wenn sie nur einen Teilbereich der elterlichen Sorge betrifft – einen Eingriff in das Elternrecht der Mutter dar, der den Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gerecht werden muss. Die Sorgerechtsentziehung für den Teilbereich der elterlichen Sorge muss geeignet und erforderlich sein, um eine Kindeswohlgefährdung abzuwehren. Hiervon kann nicht ausgegangen werden. …“ (KG Berlin, Beschluss v. 05.09.2022 – 16 UF 64/22-, juris, RN 3–8, 13–16).
Im Hinblick auf...
Erscheint lt. Verlag | 4.9.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Pädagogik ► Sozialpädagogik |
ISBN-10 | 3-7799-8499-7 / 3779984997 |
ISBN-13 | 978-3-7799-8499-3 / 9783779984993 |
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