Projekt Lebensverlängerung (eBook)
336 Seiten
Deutsche Verlags-Anstalt
978-3-641-32137-6 (ISBN)
Die vielleicht größte medizinische Erkenntnis des vergangenen Jahrzehnts lautet: Das Altern ist formbar. Es kann beeinflusst, beschleunigt, gebremst werden. Und wir können selbst viel dafür tun. Was genau, das hat Thomas Schulz in zahlreichen Interviews mit Nobelpreisträgerinnen und Krebsmedizinern, Hirnforscherinnen und Ernährungsexperten, Biohackern und KI-Vordenkerinnen zusammengetragen. Sein Buch führt in die angesehensten Longevity-Forschungslabore der Welt ebenso wie in die Unternehmenszentralen des Silicon Valley und beantwortet die großen Fragen: Welche Faktoren haben den stärksten Einfluss auf die gesunde Lebensspanne? Welche Ernährung, welche Sportarten sind am besten geeignet? Kann die Einnahme von Zusatzstoffen oder Medikamenten tatsächlich das Leben verlängern? Und, nicht zuletzt: Können wir uns die kommende Gesellschaft der Hundertjährigen überhaupt leisten?
Thomas Schulz ist Reporter der Chefredaktion des SPIEGEL. Zuvor berichtete er fast ein Jahrzehnt als Korrespondent für den SPIEGEL aus den USA: ab 2008 aus New York und ab 2012 aus San Francisco, wo er die Redaktionsvertretung im Silicon Valley aufbaute. Er wurde unter anderem ausgezeichnet mit dem Henri-Nannen-Preis, dem Deutschen Journalistenpreis sowie als Journalist des Jahres. Bei DVA erschienen seine vielbeachteten internationalen Wirtschaftsbestseller »Was Google wirklich will« (2015) und »Zukunftsmedizin« (2018).Schulz studierte Politikwissenschaften in Frankfurt und Kommunikationswissenschaften als Fulbright-Stipendiat in den USA. An der Harvard University forschte er zu internationaler Wirtschaftspolitik. Seit 2024 ist er Mitglied des Sachverständigenrats des führenden europäischen Zentrums für gesunde Langlebigkeit, des Institut Hospitalo-Universitaire HealthAge an der Universitätsklinik Toulouse.
EINLEITUNG
Warum auf einmal 100 die neuen 80 sind
Für heute Fünfjährige wird es normal sein, 100 Jahre alt zu werden. Klingt gleich zu Anfang ein bisschen gewagt? Ist es aber nicht. So erwarten es Demografen schon länger. »Ein sehr langes Leben ist nicht das ferne Privileg künftiger Generationen – ein sehr langes Leben ist das wahrscheinliche Schicksal der meisten Menschen, die heute in den entwickelten Ländern leben«, hat James Vaupel, Direktor des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung, schon 2002 vorhergesagt. »100 Jahre zu leben, wird zum Standard für alle, die heute geboren werden«, stellten Wissenschaftler der Stanford University 2021 nüchtern fest.
Viele, die zum Altern forschen, sehen es inzwischen sogar so: Auch heute Fünfzigjährige haben noch gute Chancen, 100 zu werden. Und spätere Generationen halten eher auf die 120 zu.
Nach fast zwei Jahren Recherche und vielen Dutzend Interviews mit Spitzenforscherinnen und Nobelpreisträgern, mit Krebsmedizinerinnen, Alzheimer-Spezialisten, KI-Vordenkern, Ernährungsexpertinnen und CEOs von Techkonzernen bin ich davon ebenso überzeugt. Auch, wenn es sich gerade nicht so anfühlt.
Ich bin neulich selbst 50 geworden, und ich merke es. Die Haare werden weniger und die Brille stärker. Morgens tut der Rücken weh, die Nieren waschen das zur schnellen Abhilfe eingeworfene Ibuprofen nicht mehr so schnell aus, und die Berge bin in ich früher auch schon mal schneller hochgekraxelt. Da war eben mein Atemzugvolumen größer, und meine Muskeln konnten besser Sauerstoff aufnehmen. Auch das abendliche Bier wird von der Leber nicht mehr so schnell abgebaut. Und das Blut fließt langsamer durch mein Gehirn. Über Spermiendichte wollen wir gar nicht reden. Das Verhältnis von Muskeln und Fett verschiebt sich sehr penetrant auf die falsche Seite.
Die Liste ist so fürchterlich lang, dass mir die verbleibenden (angegrauten) Haare zu Berge stehen. Und dabei habe ich noch nicht mal das dramatisch steigende Krebsrisiko erwähnt. Hermann Hesse beschrieb es wunderbar punktgenau:
Von der Wiege bis zur Bahre
sind es fünfzig Jahre,
dann beginnt der Tod.
Man vertrottelt, man versauert,
man verwahrlost, man verbauert
und zum Teufel gehen die Haare.
Aber was soll man machen. Menschen sind nun mal nicht für die Ewigkeit gebaut. Irgendwann fängt es an zu knirschen und zu ächzen. Altern mit all seinen Begleitkrankheiten ist unumgänglich. Und die letzten Jahrzehnte sind deswegen eher nicht so toll. Wer Glück hat, darf nach der Rente noch ein paar Jahre im Gartenstuhl vor sich hin jammern.
So war es immer. So wird es also auch für immer bleiben.
Falsch.
Die vielleicht größte medizinische Erkenntnis des vergangenen Jahrzehnts lautet: Altern ist formbar. Es kann beeinflusst, beschleunigt, gebremst werden. Vielleicht auch gestoppt, für eine Weile zumindest. Jedenfalls muss für die meisten nicht mit spätestens Mitte 80 Schluss sein. Und das Leben mit 90 muss sich auch nicht miserabel anfühlen.
Wir lernen gerade sehr schnell, was zu tun ist, damit es besser läuft. Wie gesunde 100 erreichbar sind.
Unser Blick auf Altern und Lebenserwartung war bislang durch zweierlei getrübt: Erstens hatten wir bis noch vor wenigen Jahren viele biologische Zusammenhänge nicht verstanden. Etwas zu beeinflussen, was man nicht versteht, scheint unmöglich. Und zweitens war es in der Menschheitsgeschichte eben immer so, dass die späten Lebensjahre durch Siechtum und Krankheit geprägt waren. Warum sollte sich etwas ändern, was seit tausenden Generationen gleich war? Genauso konnte sich auch niemand vorstellen, dass es irgendwann normal wäre, nach Lust und Laune um den Planeten zu fliegen. Oder das Atom zu spalten, um daraus Energie zu gewinnen. Die eigentliche Frage also lautet: Warum sollten Wissensexplosion und technischer Fortschritt überall in der Natur zu radikalen Evolutionssprüngen führen – nur ausgerechnet bei unserem eigenen Körper nicht?
Tatsächlich beherrschen wir zunehmend unsere eigene Biologie, das zeigt sich in vielen Bereichen. Noch in den 1990ern galt Krebs als unheilbar. Gentherapien waren noch vor einem Jahrzehnt Science-Fiction. Und künstliche Intelligenz, die Tumore besser erkennt als Ärzte, hielten Informatiker für Quatsch. All das ist längst Normalität.
Was es bedeutet, alt zu sein, hat sich schon in den vergangenen 170 Jahren dramatisch verschoben. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts lag die Lebenserwartung in Europa bei kaum mehr als 40 Jahren. Hygiene, Medizin und soziale Errungenschaften veränderten viel. Bei Geburt im Jahr 1950 lag die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland immerhin bei knapp 67 Jahren. Sprich: Arbeiten bis zur Rente, und dann bleiben noch zwei, drei Jährchen im Sessel.
So ist es zum Glück für viele nicht gekommen, zwischendrin machte sich erneut der Fortschritt bemerkbar: Der Bypass wurde erfunden und die Chemotherapie, Herzinfarkte und Krebs waren nicht mehr so tödlich. Bürojobs lösten Knochenjobs ab. Viele wurden wohlhabender.
Wer heute Sterbeanzeigen in der Lokalzeitung durchschaut (ja, so was gibt es noch), kann sehen, wo es zuletzt hinging: Viele sterben im Alter von 85, 86, 87. Und das sind die Generationen, die erst in ihrem letzten Lebensdrittel von vielen medizinischen Entwicklungen profitieren konnten. Für die Krieg, Asbestverseuchung und Kettenrauchen normal waren. Allerdings sind heute für etliche Menschen die späten Lebensdekaden nur bedingt erquicklich, sie werden beeinträchtigt von vielerlei Erkrankungen.
Aber es gibt auch in diesen Generationen Menschen, die nicht nur sehr alt werden, sondern dabei weitgehend gesund und vital bleiben. Sogar im Alter von über 100 Jahren. Die sogenannten SuperAger zeichnet aus, dass sie keine der üblichen Alterserkrankungen schwer erwischt, weder Krebs noch Demenz noch Herzprobleme. Sie fallen oft einfach vom einen auf den anderen Tag um. Ich bin einigen dieser faszinierenden Menschen begegnet, die mit 104 noch Fahrrad fahren oder mit 99 Violine spielen, als hätten sie noch nie von steifen Fingern gehört. Alles genetische Glückspilze? Nur sehr bedingt. Tatsächlich macht das Erbgut Schätzungen zufolge lediglich etwa 10 bis 25 Prozent der Lebenserwartung aus.
Wenn wir über längeres Leben reden, kann es aus doppeltem Grund nur um eine längere Gesundheitsspanne gehen, das heißt das Ausbleiben von schweren Krankheiten bis ins hohe Alter. Zum einen will kaum jemand ein Jahrzehnt länger leben, wenn das ein Jahrzehnt voller Krankheit und Schmerzen bedeutet. Länger leben muss heißen: länger vital sein – mit 80 noch Tennis spielen, mit 90 noch wandern, mit 100 noch ein Gläschen Rotwein mit Freunden und Familie und ins Konzert gehen. Die Urenkel aufwachsen sehen. So wie die SuperAger. Und zugleich ist das signifikant längere Leben im Wesentlichen nur möglich, wenn der körperliche Zerfall ausbleibt, der zu Krankheiten führt.
Deswegen ist dies kein Buch über den (Alb-)Traum von der Unsterblichkeit. Und es geht auch weniger um die Frage, wie weit wir die Grenze der menschlichen Lebenserwartung nach hinten verschieben können, ob es noch über die 120 hinausgehen kann (es scheint so). Sondern es geht um vitale Lebensjahrzehnte im hohen Alter, um fitte 100.
Biologisch betrachtet ist Altern ein fortschreitender Verlust der physiologischen Unversehrtheit, mit versagenden Körperfunktionen in allen Organsystemen. Zellen, Gewebe und Erbsubstanz häufen mit zunehmendem Alter Schäden an, die sich gegenseitig verstärken und die der Körper irgendwann nicht mehr selbst reparieren kann. Das ist erst mal nicht so gut.
Allerdings können wir beeinflussen, wie viele Schäden sich anhäufen und wie früh. Wir können etwas gegen den Zerfall tun. Vieles davon ist gar nicht so schwer. Und die Logik dahinter ist auch nicht kompliziert. So wie sich ein Auto 200 000 Kilometer gut fahren lässt, wenn man regelmäßig das Öl wechselt und die wichtigsten mechanischen Teile pflegt. Natürlich ist der Wagen am Ende nicht mehr so frisch, aber er läuft noch ziemlich rund. Oder der Motor raucht schon nach 100 000 Kilometern ab, weil der Wagen durch jedes Schlagloch geschunden wurde und Wartung und Inspektion ja nur vermeintliche Geldmacherei sind, die man auch lassen kann. Nur wissen wir genau, welche Schrauben und Rädchen man am Auto drehen muss, um sie lange am Laufen zu halten. Die Hebel, um unsere Körper in Schwung zu halten, kannten wir kaum. Mehr noch: Viele meinten, es gebe gar keine. Die biologische Maschine gehe eben einfach irgendwann kaputt, Pech gehabt.
Aber diese Zeit der Unkenntnis ist vorbei.
Schon vor einem Jahrzehnt kündigte sich eine Wissensrevolution an. Sie fällt nicht zufällig zusammen mit dem Moment, als künstliche Intelligenz die Welt zu verändern begann. Als Maschinen lernten, sich durch riesige Datenmengen zu wühlen und zuvor unlösbare Aufgaben in Windeseile zu berechnen. Ich habe das damals aus der Nähe beobachtet, als USA-Korrespondent des SPIEGEL in San Francisco. Eigentlich sollte ich aus dem ganzen Land berichten, aber ich verbrachte fünf Jahre fast ausschließlich im Silicon Valley. Zu sehr fühlte es sich nach einem geschichtsträchtigen Moment an, der den Lauf der Welt verändern würde.
Die datengetriebene Wissensrevolution schlägt...
Erscheint lt. Verlag | 25.9.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | 2024 • Alzheimer • Artificial Intelligence • Bas Kast • Biohacking • Biontech • Biotechnologie • Blue Zones • Demenz • Diabetes • eBooks • epigenetischer test • epigenetische Uhr • Forschung • Gensequenzierung • Gentechnik • Jörg Blech • Krebs • Künstliche Intelligenz • Longevity • masterplan gesundheit • Medizin • Metformin • michael greger • Mikrobiom • Nahrungsergänzungsmittel • Neuerscheinung • Nina Ruge • outlive • Ozempic • Parkinson • peter attia • Pharmaindustrie • project lightspeed • Silicon Valley • Start-up • SuperAger • Supplements • Ugur Sahin • Was Google wirklich will • Zukunftsmedizin |
ISBN-10 | 3-641-32137-9 / 3641321379 |
ISBN-13 | 978-3-641-32137-6 / 9783641321376 |
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