Digitalisierung in der Schule (eBook)
163 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8078-0 (ISBN)
Schulische Digitalisierung – Ergebnisse einer systematischen Sichtung der Forschungsliteratur
Claudia Quaiser-Pohl, Annika Werger
und Charlotte Schmidt
1Einleitung
Versucht man den Forschungsstand zur schulischen Digitalisierung zu erfassen, so wird schnell deutlich, dass die inflationäre Nutzung des Begriffes und das damit einhergehende diffuse Verständnis von schulischer Digitalisierung solche Bemühungen nur schwer zulässt. Während schulische Digitalisierung von vielen als „Technisierung“ von Schule mit Fokus auf die Ausstattung von Schüler*innen und Lehrkräften mit digitalen Endgeräten verstanden wird (vgl. Syring et al. 2022), verorten andere das Ziel von schulischer Digitalisierung im Erlangen sogenannter „digital skills“ (Europäische Komission 2019), welche den Lernenden Wissen zur Nutzung digitaler Medien vermitteln, um sich in einer immer weiter digitalisierten Gesellschaft zurechtzufinden. Wiederum andere suchen den Mehrwert von schulischer Digitalisierung in innovativen Lehr-Lern-Konzepten, welche das Unterrichten für Lehrkräfte erleichtern und den Schüler*innen einen Lerngewinn ermöglichen sollen, der Vorteile gegenüber dem durch den klassischen Frontalunterricht erzielten Fortschritt aufweist (vgl. Kaspar et al. 2020).
Das Ziel dieses Artikels ist es, trotz der vielfältigen Begriffsdefinitionen einen systematischen Überblick über den Forschungsstand zur schulischen Digitalisierung zu geben. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf den Möglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung für Schulen eröffnen, wobei ein Schwerpunkt auf die neuen Möglichkeiten zur individuellen Lernförderung gelegt wird. Ein weiterer Fokus liegt auf der Betrachtung der Hürden, die sich bei der Umsetzung schulischer Digitalisierung auftun, sowie auf den Rahmenbedingungen, die gegeben sein müssen, damit die Digitalisierung in Schulen weiter vorangetrieben werden kann. Hier ist es insbesondere die Medienkompetenz von Lehrkräften und Schüler*innen, die sich bei der Umsetzung als große Herausforderung herausstellt. In diesem Zusammenhang ebenfalls von großer Bedeutung ist die Tatsache, dass die effektive Nutzung digitaler Medien im Bildungskontext nicht nur technologische, sondern auch pädagogische und psychosoziale Herausforderungen mit sich bringt. Aus diesem Grund wird auch auf die Auswirkungen von schulischer Digitalisierung auf die akademischen Leistungen und auf das Wohlbefinden eingegangen.
2Zur Methodik
Um den Forschungsstand zur schulischen Digitalisierung umfassend zu beleuchten, wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. Dazu wurden die Datenbanken „EBSCO“ und „pedoc“ durchsucht. Erstere wurden ausgewählt, da fächerübergreifende und internationale Studien enthalten sind, zweitere aufgrund des erziehungswissenschaftlichen Schwerpunktes. Die verwendeten Schlagworte waren „digitalization“/„Digitalisierung“, „school“/„Schule“ sowie „digital media“/„digitale Medien“. Darüber hinaus wurden die Datenbanken „Google Scholar“ und „Scopus“ mithilfe des Tools „Publish or Perish“ durchsucht. Die verwendeten Schlagworte waren „school“, „digitalization“, „Schule“ und „Digitalisierung“. Diese Schlagworte wurden sowohl einzeln als auch in verschiedenen Kombinationen verwendet, um möglichst umfassende Ergebnisse zu erzielen. Zusätzlich wurde die gleiche Suche, jedoch zeitlich unbegrenzt, in der Datenbank der Zeitschrift „PraxisForschungLehrer*innenBildung (PFLB) – Zeitschrift für Schul- & Professionsentwicklung“ durchgeführt. Insgesamt wurden 50 Artikel in diese Übersicht aufgenommen.
Es gab verschiedene Kriterien für die Auswahl der Veröffentlichungen. Der zeitliche Rahmen der Recherche erstreckte sich auf Artikel, die von 2019 bis einschließlich 2023 veröffentlicht wurden. Außerdem wurden nur englisch und deutschsprachige Artikel eingeschlossen. Die ausgewählten Quellen wurden anhand von Titel, Schlagworten und Abstracts auf ihre Relevanz für die Darstellung des Forschungsstandes zur schulischen Digitalisierung überprüft. Dabei wurden sowohl quantitativ-empirische Studien als auch qualitative Forschungen, Übersichtsartikel und Fachbeiträge einbezogen.
Die Durchführung der Literaturrecherche führte zur Identifikation von Schwerpunktthemen, die den aktuellen Diskurs zur schulischen Digitalisierung prägen. Diese Schwerpunktthemen wurden anhand der gefundenen Literatur analysiert und detailliert untersucht. Mithilfe der relevanten Artikel lässt sich ein umfassendes Bild von den Potenzialen schulischer Digitalisierung, aber auch von den Barrieren und Herausforderungen, die einer Umsetzung gegenüberstehen, darstellen.
Trotz sorgfältiger Auswahl der Quellen und umfassender Suchstrategien kann nicht ausgeschlossen werden, dass einige relevante Studien möglicherweise nicht erfasst wurden. Die Literaturrecherche beschränkte sich auf den Zeitraum von 2019 bis 2023, wodurch eventuell ältere Studien nicht berücksichtigt wurden. Relevante Sekundärliteratur wurde jedoch ohne zeitliche Begrenzung einbezogen.
Die durchgeführte Literaturrecherche ermöglichte es, den aktuellen Forschungsstand zur schulischen Digitalisierung im Hinblick auf deren Potenziale und in Bezug auf bestehende Hürden darzustellen. Die identifizierten Schwerpunktthemen bilden die Grundlage für die weiteren Analysen und Diskussionen im vorliegenden Artikel und liefern Erkenntnisse, die als Basis für die Gestaltung zukünftiger Forschungsprojekte und bildungspolitischer Überlegungen und Maßnahmen im Bereich der digitalen Bildung im schulischen Kontext dienen können.
3Potenziale der schulischen Digitalisierung – wie diese uns weiterbringen kann
Gerjets und Scheiter (2019) beschreiben drei Bereiche, in denen die Nutzung digitaler Medien ganz neue Potenziale bietet. Erstens werden Möglichkeiten für neue Informations- und Interaktionsformen in verschiedensten Unterrichtskontexten eröffnet. Dies resultiert aus der enormen Menge an verfügbaren Informationen aus einer großen Vielzahl an unterschiedlichen Quellen ebenso wie aus dem Aspekt der Multimedialität und der Vernetzung digitaler Informationen aus verschiedenen Perspektiven. Digitale Medien, insbesondere das Internet, haben die Informationsverfügbarkeit, was den Zugriff auf Informationen und die Erschließung von Informationsquellen durch Suchfunktionen beinhaltet, dramatisch verändert. Dieser Umstand bietet zwar Vorteile, erfordert jedoch auch ein hohes Maß an Selbststeuerung und kann zu kognitiver Belastung führen. Die Nutzung von Informationen aus dem Internet erfordert zudem neue Fähigkeiten in der Auseinandersetzung mit Informationen, deren Selektion, Evaluation und Bewertung. Darüber hinaus ermöglichen digitale Medien vielfältige multimediale Darstellungsformen, die das Verständnis von Inhalten fördern können. Jedoch ist die Wirksamkeit abhängig davon, wie Lernende bei der Nutzung dieser Formate angeleitet werden. Neben der Multimedialität spielt auch die multiperspektivische Informationsvernetzung eine wichtige Rolle bei neuen Informations- und Interaktionsformen. Digitale Medien verknüpfen Informationen über Hyperlinks miteinander und ermöglichen so den Zugriff auf verschiedene Perspektiven und Quellen. Dies fördert die Auseinandersetzung mit Inhalten aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Herausfordernd für die Lernenden ist an dieser Stelle die Notwendigkeit einer kritischen Bewertung der Informationen und der Überprüfung ihrer Qualität (vgl. ebd.).
Als zweiten Bereich ergeben sich nach Gerjets und Scheiter (2019) neue Wege für die Individualisierung von Lernprozessen. Diese beziehen...
Erscheint lt. Verlag | 15.5.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Pädagogik |
ISBN-10 | 3-7799-8078-9 / 3779980789 |
ISBN-13 | 978-3-7799-8078-0 / 9783779980780 |
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