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Mototherapie bei Sensorischen Integrationsstörungen (eBook)

Eine Anleitung zur Praxis
eBook Download: EPUB
2024 | 10. Auflage
212 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61867-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mototherapie bei Sensorischen Integrationsstörungen -  Gudrun Kesper,  Cornelia Hottinger
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In diesem Buch wird ein klinisch erprobtes, praxisorientiertes Konzept der Mototherapie vorgestellt. Auf den neurophysiologischen Grundlagen der Arbeiten von Jean Ayres sind in diesem Konzept verschiedene Methoden der sensomotorischen Förderung von Kindern eingebunden. Der erste Teil beschreibt die Diagnose und Therapie von Sensorischen Integrationsstörungen mit einer ausführlichen Erläuterung der Elternarbeit und Lehrerberatung. Im zweiten Teil werden die Übungen nach einem Entwicklungsorientierten Aufbau beschrieben, geordnet nach Therapieelementen. Genaue Anwendungshinweise für die im Diagnostik-Kapitel aufgeführten Störungsbilder und weiteren Behinderungen (z. B. Down-Syndrom) runden den Praxisteil ab.

Gudrun Kesper, Motopädin, 26 Jahre am Sozialpädiatrischen Zentrum der Kinderklinik Siegen. Seit über 20 Jahren Fortbildungen für pädagogische und therapeutische Fachkräfte im In- und Ausland. Leitung des SIM-Instituts für Weiterbildung und der Praxis für Mototherapie seit 1998. Kooperationspartner der Donau-Uni in Krems/A. Lehrgangsleitung des postgradualen Uni-Lehrgangs Si-Mototherapie (MSc).Cornelia Hottinger, Heilerziehungspflegerin und Motopädin, war lange am Sozialpädiatrischen Zentrum der Kinderklinik Siegen, jetzt Freie aktive Schule Wülfrath, Montessori-Ausbildung.

Gudrun Kesper, Motopädin, 26 Jahre am Sozialpädiatrischen Zentrum der Kinderklinik Siegen. Seit über 20 Jahren Fortbildungen für pädagogische und therapeutische Fachkräfte im In- und Ausland. Leitung des SIM-Instituts für Weiterbildung und der Praxis für Mototherapie seit 1998. Kooperationspartner der Donau-Uni in Krems/A. Lehrgangsleitung des postgradualen Uni-Lehrgangs Si-Mototherapie (MSc).Cornelia Hottinger, Heilerziehungspflegerin und Motopädin, war lange am Sozialpädiatrischen Zentrum der Kinderklinik Siegen, jetzt Freie aktive Schule Wülfrath, Montessori-Ausbildung.

Inhalt
1. Einleitung ................................................................................. 11
2. Grundlagen der Sensorischen Integration ............................ 13
2.1. Aufbau und Funktion des Gehirns ............................................. 13
2.1.1. Der Hirnstamm .......................................................................... 15
2.1.2. Das Kleinhirn ............................................................................. 16
2.1.3. Das Zwischenhirn ...................................................................... 16
2.1.4. Der Balken ................................................................................. 16
2.1.5. Limbisches System oder der "alte Kortex" ............................... 17
2.1.6. Die Großhirnrinde (Neokortex) ................................................. 17
2.1.7. Die Funktionsprinzipien des Gehirns ........................................ 18
2.2. Entwicklung der kindlichen Motorik ......................................... 22
2.2.1. Die wichtigsten Schritte der grobmotorischen
Bewegungsmuster ...................................................................... 22
2.2.2. Die Prinzipien der motorischen Entwicklung ............................ 27
2.2.3. Die frühkindlichen und persistierenden Reflexe ....................... 29
2.2.4. Die Beschreibung der tonischen Nackenreflexe ........................ 31
2.3. Entwicklung der Wahrnehmung ................................................ 34
2.3.1. Der Hautsinn oder die taktile Wahrnehmung ............................ 34
2.3.2. Der Stellungs- und Spannungssinn, die Tiefensensibilität
oder kinästhetische Wahrnehmung ............................................ 35
2.3.3. Der Gleichgewichtssinn oder die vestibuläre
Wahrnehmung ........................................................................... 36
2.3.4. Der Geruchssinn ........................................................................ 37
2.3.5. Der Geschmackssinn ................................................................. 37
2.3.6. Der Gehörsinn ........................................................................... 37
2.3.7. Der Gesichtssinn oder das Sehen .............................................. 38
2.3.8. Die Wahrnehmungsverarbeitung ............................................... 39
3. Sensorische Integration ........................................................... 42
3.1. Was ist Sensorische Integration? ............................................... 42
3.1.1. Die Handlungsebenen ................................................................ 44
3.1.2. Verhalten eines gut sensorisch integrierten Kindes ................... 45
3.1.3. Prinzip der verschiedenen Funktionsebenen ............................. 45
3.2. Bereiche der Sensorischen Integration ...................................... 46
3.2.1. Taktil-kinästhetischer Bereich ................................................... 47
3.2.2. Vestibulärer Bereich .................................................................. 49
3.2.3. Körperorientierung .................................................................... 51
3.2.4. Praxie (Bewegungsplanung) ...................................................... 53
3.3. Störungen der Sensorischen Integration .................................... 55
3.3.1. Taktil-kinästhetischer Bereich ................................................... 56
3.3.2. Vestibulärer Bereich .................................................................. 58
3.3.3. Körperorientierung .................................................................... 59
3.3.4. Dyspraxie ................................................................................... 62

2. Grundlagen der Sensorischen Integration

In diesem Kapitel werden der Aufbau, die Funktionen und Funktionsprinzipien des Gehirns beschrieben. Die motorischen Entwicklungsprinzipien stellen die Grundlage dar, an die sich die entwicklungsorientierte Bewegungsförderung anlehnt. Die Kenntnis der frühkindlichen Reflexe und ihrer möglichen Auswirkungen auf die Entwicklung ist notwendig, um Bewegungsstörungen und Verhaltensweisen eines Kindes einordnen und gezielte Übungen zur Verbesserung anbieten zu können. Die Beschreibung der einzelnen Sinnessysteme sowie deren Funktionen in der Entwicklung des Kindes lässt verstehen, dass viele kognitive Funktionen das Endprodukt sensorischer Integrationsprozesse darstellen. Die sinngebende Verarbeitung von Wahrnehmungsreizen beschreibt die Entwicklung des Lernens auf der Basis der Ausbildung eines erfahrungsbedingten Gedächtnisses.

Neurophysiologische Prozesse sind immer an Verhalten, Motorik und Lernen beteiligt. Die Zusammenhänge neurophysiologischer Funktionen ergeben Aufschlüsse über die Entstehung vieler Fähigkeiten; sie zeigen Erklärungsmöglichkeiten und Hinweise auf Störungen sowie einen möglichen Ansatzpunkt in der Förderung. Neurologische Symptome sind kein statischer Zustand, sondern sie sind durch ein adäquates Übungsangebot und ein positives Einwirken des sozialen Umfeldes beeinflussbar. Für das Verständnis Sensorischer Integrationsstörungen halten wir deshalb die Beschreibung neurophysiologischer und entwicklungspsychologischer Grundlagen für sehr wichtig. In den Erläuterungen werden wir uns auf die Aspekte beziehen, die uns für die praktische Arbeit Hinweise und Zusammenhänge liefern.

2.1. Aufbau und Funktion des Gehirns

Die Phylogenese beschreibt die stammesgeschichtliche Entwicklung des Gehirns aus einfachen Gehirnstrukturen zu dem hochentwickelten und komplizierten Gebilde des menschlichen Gehirns. Neue Gehirnstrukturen kamen zu den bereits vorhandenen hinzu, ohne diese jedoch zu ersetzen.

Der Antrieb für diese Gehirnentwicklung war ein lang anhaltender umweltbedingter Stress, der so auf die Art einwirkte, dass diese quasi „gezwungen“ war, (im Rahmen der Evolutionsmechanismen) neue Gehirnstrukturen auszubilden, um den Anforderungen der Umwelt weiterhin gerecht werden zu können. Das Nervensystem der Wirbeltiere entwickelte sich aus dem Neuralrohr, einem einzigen Nervenstrang, der es dem Tier ermöglichte, einfache Interpretationen der Umweltreize und Reaktionen auszubilden. Das Hinzukommen des Hirnstammes erweiterte die Fähigkeit des Organismus, sensorische Reize differenzierter zu interpretieren und qualifiziertere Verhaltensmuster auszubilden als es durch das Neuralrohr möglich war. Der Hirnstamm, einschließlich des Thalamus, stellte lange Zeit das höchste Zentrum neuraler Prozesse dar. Mit der Entwicklung der Hemisphären konnten zusätzliche Fähigkeiten ausgebildet werden. Erst durch die Weiterentwicklung der auditiven Zentren z.B. konnten sich auch die Sprachzentren ausbilden. Das Hinzukommen neuer Gehirnstrukturen ermöglichte ein Anwachsen der Qualität und Quantität des Austausches zwischen dem Organismus und der Umwelt.

Aus der phylogenetischen Entwicklung des Gehirns lässt sich ableiten, dass Funktionen, die überwiegend von der Großhirnrinde gesteuert werden, also von einer kortikal höheren Funktionsebene, ohne ausreichende Funktionen der subkortikalen Gehirnstrukturen (wie z.B. des Hirnstamms und des Zwischenhirns) sich nicht umfassend und ausreichend entwickeln können. Erst die optimale Funktion der „niederen“ Gehirnstrukturen lässt eine adäquate und komplexe Verarbeitung auf kortikaler Ebene entstehen.

Taktile Reize müssen auf Hirnstammniveau entsprechend verarbeitet und mit sensorischen Daten aus anderen Sinneskanälen verknüpft werden, sodass sie der Großhirnrinde als präzise Empfindung bewusst werden und eine entsprechende Reizantwort eingeleitet werden kann.

Das Gehirn ist der in der knöchernen Schädelhöhle liegende Teil des zentralen Nervensystems (ZNS). Das ZNS setzt sich zusammen aus Rückenmark und Gehirn. Im Gehirn unterscheidet man verschiedene Abschnitte (vgl. Abb. 1).Jedem dieser Gehirnabschnitte kommen bestimmte Funktionen zu, die im Folgenden beschrieben werden, wobei immer nur die Aspekte beschrieben werden, die für die Sensorische Integration von besonderer Bedeutung sind:

1. Hirnstamm mitFormatio reticularis (1a).

2. Kleinhirn (Cerebellum).

3. Zwischenhirn mit Thalamus und Basalganglien.

4. Balken (Corpus callosum).

5. Limbisches System oder der „alte Kortex“.

6. Großhirnrinde (Neokortex).

Abb. 1: Schematische Übersicht über die Abschnitte des Gehirns (Erläuterung im Text)

2.1.1. Der Hirnstamm

Stammesgeschichtlich gesehen ist der Hirnstamm der „alte“ Teil des Gehirns. Man unterscheidet im Hirnstamm das verlängerte Rückenmark (Medulla oblongata), die Brücke (Pons), das Mittelhirn und die Formatio reticularis. Der Hirnstamm nimmt eine zentrale Stellung im Nervensystem ein, denn hier laufen viele Nervenbahnen aus allen Gehirngebieten (Rückenmark, Kleinhirn, Großhirn) zusammen. Impulse werden vom Hirnstamm zu den entsprechenden Kerngebieten der Großhirnrinde weitergeleitet. Nur was auf Hirnstammniveau adäquat verarbeitet wird, kann von der Großhirnrinde als Information genutzt werden, um Impulse für eine angemessene Reaktion zu produzieren. Die Integration der Sinnesreize auf Hirnstammniveau stellt so die Grundlage dar, auf der sich Lernen entwickeln kann. Der Hirnstamm ist über die Steuerung einfacher Halte- und Stellreflexe verantwortlich für die Kontrolle des Körpers im Raum. Über Hirnstammmechanismen werden einfache Kopf- und Augenbewegungen gesteuert. Der Hirnstamm regelt auch lebenswichtige Funktionen wie Atmung und Kreislauf. Saugen und Schlucken sind ebenso Funktionen, die von Hirnstammmechanismen gesteuert werden.

Die Formatio reticularis ist eine netzförmige, wenig gegliederte Nervenmasse, die ganz zentral im Hirnstamm liegt. Sie erhält sensorische Informationen aus allen Sinnesgebieten und stellt ein wichtiges Zentrum zur Integration aller hier einlaufenden Informationen dar. Die Informationen werden dort miteinander verknüpft und ergänzt für die weitere Verarbeitung auf höheren Funktionsebenen. Einen ganz besonderen Zugang zur Formatio reticularis haben taktile, kinästhetische und vestibuläre Reize.

Die Formatio reticularis unterliegt Einflüssen aus allen Gehirngebieten, sie hat einen weitreichenden Einfluss auf den Rest des Gehirns. Sie stellt den Hauptkontrollmechanismus des ZNS dar; ihre Hauptfunktion ist es, die Großhirnrinde zu wecken. Über aufsteigende Impulse steuert sie den Wachheitszustand und den Grad der Aufmerksamkeit des ZNS. Ein aufmerksamer Organismus ist in der Lage, mehr Informationen über einen Reiz zu erhalten und wird dadurch besser auf effektivere Reaktionen vorbereitet. Eine weitere Funktion der Formatio reticularis ist die Hemmung oder Verstärkung von sensorischen Reizen auf dem gesamten Übertragungsweg eines Reizes von der Befehlszelle bis zur Großhirnrinde. Durch ihre diskriminative und differenzielle Funktion, das heißt, einen sensorischen Reiz durch die Hemmung anderer Reize hervorzuheben, schützt sie das Gehirn vor Reizüberflutung. Besondere Aufmerksamkeit für einen Reiz wird gebraucht, um diese Information für eine adäquate Interaktion mit der Umwelt zu nutzen.

Die Dysfunktion dieser diskriminativen Mechanismen zeigt sich in Konzentrationsstörungen, Hyperaktivität, Störungen der Aufmerksamkeit oder des Wachheitszustandes. Viele Lernstörungen, aber auch Störungen der Haltungskontrolle, der Augenmuskelkontrolle sowie ein abnormaler Muskeltonus lassen sich mit Dysfunktionen der Formatio reticularis und des Hirnstammes in Verbindung bringen.

2.1.2. Das Kleinhirn

Das Kleinhirn ist an der Feinsteuerung der Körperbewegung und -haltung beteiligt und ermöglicht die Erhaltung des Gleichgewichts. Der Ursprung des Kleinhirns und des Labyrinths im Ohr aus gemeinsamen Nervensträngen erklärt und beschreibt die Funktion des Kleinhirns beim Menschen. Das Kleinhirn steht in enger Verbindung mit Hirnstamm und Großhirnrinde. Zur Bewältigung seiner Funktionen – Koordination von Bewegungen, Speicherung von willkürlichen Bewegungsmustern, Verknüpfung von Haltung und Bewegung, Aufrechterhaltung des Gleichgewichts, Steuerung des Zusammenspiels der Muskeln – ist das Kleinhirn abhängig von Informationen aus dem taktilen, kinästhetischen und vestibulären Bereich.

2.1.3. Das Zwischenhirn

a) Der Thalamus

Der Thalamus ist eine der mächtigsten Ansammlungen von Kernen im zentralen Nervensystem. Er steht in Verbindung mit Kleinhirn, Hirnstamm und Großhirn. Alle einlaufenden Sinneserregungen werden dort gefiltert und übersetzt für die Verarbeitung in der Großhirnrinde. Der Thalamus gilt als „Tor des Bewusstseins“, denn alles, was als Empfindung bewusst werden soll, wird vom Thalamus weitergeleitet. Über den Thalamus werden...

Erscheint lt. Verlag 15.1.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sonder-, Heil- und Förderpädagogik
Schlagworte Bewegungsstörung • Bewegungstherapie • Diagnostik • Frühförderung • Jean Ayres • Motodiagnostik • Motopädie • MOTOTHERAPEUTISCHE ÜBUNG • Praxisanleitung • Psychomotorik • Sensomotorik • sensomotorische Förderung • Sensorische Integration • SENSORISCH-INTEGRATIVE MOTOTHERAPIE • Übungssammlung
ISBN-10 3-497-61867-5 / 3497618675
ISBN-13 978-3-497-61867-5 / 9783497618675
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