Migration (eBook)
496 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491795-5 (ISBN)
Hein de Haas, geboren 1969, forscht seit über drei Jahrzehnten zu Migration und ist einer der bekanntesten Migrationsforscher weltweit. Er ist Professor für Soziologie und Geographie in Amsterdam und Professor für Migration und Entwicklung in Maastricht. Zudem leitet er das International Migration Institute in Oxford. Seine interdisziplinäre Forschung hat ihn unter anderem in die Türkei, nach Ägypten und nach Marokko geführt. Er beschäftigt sich mit den sozioökonomischen Auswirkungen von Migration auf die Herkunfts- und Zielländer, mit Einwanderungspolitik und mit den Zusammenhängen zwischen globaler Erwärmung, Umweltveränderungen und Migration. Hein de Haas lebt in Amsterdam.
Hein de Haas, geboren 1969, forscht seit über drei Jahrzehnten zu Migration und ist einer der bekanntesten Migrationsforscher weltweit. Er ist Professor für Soziologie und Geographie in Amsterdam und Professor für Migration und Entwicklung in Maastricht. Zudem leitet er das International Migration Institute in Oxford. Seine interdisziplinäre Forschung hat ihn unter anderem in die Türkei, nach Ägypten und nach Marokko geführt. Er beschäftigt sich mit den sozioökonomischen Auswirkungen von Migration auf die Herkunfts- und Zielländer, mit Einwanderungspolitik und mit den Zusammenhängen zwischen globaler Erwärmung, Umweltveränderungen und Migration. Hein de Haas lebt in Amsterdam.
Ein Plädoyer für eine differenzierte Analyse jenseits ideologischer Lager.
Ein gut geschriebener, fundierter Beitrag.
Kenntnisreich und unparteiisch
So liefert de Haas Buch Argumente, die sowohl der Panikmache, als auch naiven Optimismus Fakten entgegenstellen. Unbedingt lesenswert.
Ein spannend erzähltes Werk, das komplexe Sachverhalte in einfacher Sprache abhandelt.
Wie hilfreich ist da das Buch von Hein de Haas mit dem Titel "Migration".
Sein aufrüttelndes, aber auch beruhigendes Buch ist eine gute Basis für diejenigen, die eine solche Debatte faktenbasiert führen wollen.
ein so kluges wie frustrierendes Buch auch über die gegenwärtige Debattenkultur und sollte in jeder Schule Pflichtlektüre sein
Die Arbeit würde erst wieder aufgenommen, wenn jeder von uns wenigstens zwei Kapitel von Hein de Haas' Buch Migration hätte. Ist das zu viel verlangt? (...) Lesen!
Allein die vielen Fakten und Einordnungen sind enorm interessant und machen das Buch zu einer fesselnden Lektüre.
Einleitung
Der Eindruck drängt sich auf, dass wir in einer Zeit der beispiellosen Massenmigration leben. Bilder von »Karawanen« aus Zentralamerika, die Richtung Südgrenze der USA strömen, von Afrikanern, die zusammengepfercht in morschen Booten das Mittelmeer überqueren, und von illegalen Migranten, die über den Ärmelkanal nach Großbritannien kommen – sie alle scheinen die Befürchtung zu bestätigen, dass die Migration außer Kontrolle geraten ist. Unter dem Eindruck einer toxischen Mischung aus Armut, Ungleichheit, Gewalt, Unterdrückung, Klimawandel und galoppierendem Bevölkerungswachstum machen sich immer mehr Menschen aus Afrika, Asien und Lateinamerika auf den immer aussichtsloseren Weg in den »reichen Westen«.
Man erzählt uns, Menschenschmuggler nutzten mit falschen Versprechungen von gut bezahlter Arbeit und einem Leben in Wohlstand die Schutzlosigkeit der Migranten aus und verführten sie zu immer gefährlicheren Reisen, doch selbst wenn sie lebend ankommen, dann warte nur unmenschliche Ausbeutung auf sie. Zu der Angst, dass die Migration außer Kontrolle geraten sein könnte, gesellen sich Zweifel an der Bereitschaft und Fähigkeit der Zuwanderer, sich in die Gesellschaft und Kultur des Ziellandes zu integrieren. Bilder von Migranten, die in einer Art »Parallelgesellschaft« in von Armut und Kriminalität zerrissenen Stadtteilen leben, bestätigen die Befürchtung, dass die Integration dieser Menschen gescheitert ist. Das alles fügt sich zu einem Bild der »Zuwanderungskrise«, die drastische Maßnahmen verlangt, zum Beispiel in Form von verschärften Grenzkontrollen, Integrationsprogrammen für Flüchtlinge und Entwicklungshilfe für arme Länder.
Das sehen allerdings nicht alle so. Auf der anderen Seite der zunehmend polarisierten Debatte erklären uns Politiker, Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Aktivisten, dass die Zuwanderung nicht etwa ein Problem ist, sondern die Lösung für die immer dringlicheren Probleme des Arbeitskräftemangels und der alternden Gesellschaft. Ihrer Ansicht nach brauchen wir Zuwanderer, um das Wachstum und die Innovation anzukurbeln und unsere Gesellschaften zu verjüngen. Die Vielfalt, die uns die Zuwanderung bringt, ist demnach keine Bedrohung, sondern ein Segen, denn sie fördert die Innovation und kulturelle Erneuerung. Auch in den Herkunftsländern wirke sich die Migration wachstumsfördernd aus, denn die Zuwanderer überwiesen große Summen nach Hause und regten in ihrer Heimat den Handel und das Unternehmertum an. Wir benötigten Hilfsarbeiter genauso wie Fachkräfte und sollten daher unsere Grenzen öffnen, um dem zunehmenden Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken.
Wie ich in diesem Buch zeigen werde, stehen hinter diesen Bildern einseitige, holzschnittartige und oftmals falsche Vorstellungen von Migration, die mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun haben. Um die Grabenkämpfe und das simple Pro und Kontra dieser Debatte hinter uns zu lassen, präsentiere ich die Fakten der Migration und bürste die herkömmlichen, an Schulen und Universitäten gelehrten und von den Medien, Experten, Menschenrechtsorganisationen, Thinktanks, Filmen, Zeitschriften und Büchern verbreiteten Darstellungen der Migration gegen den Strich. Wir brauchen ein radikal neues Verständnis der Migration, das nicht auf politischen Interessen oder ideologischen Vorstellungen beruht, sondern die Migration als das begreift, was sie ist.
In diesem Buch vermeide ich ideologische Standpunkte und beschreibe Migration weder als Problem, das es zu lösen gilt, noch als Lösung für unsere Probleme. Stattdessen versuche ich, der Natur und den Ursachen der Migration aus wissenschaftlicher Sicht auf den Grund zu gehen. Dies ist eine ganzheitliche Sichtweise, die versucht, Migration als wesentlichen Aspekt der umfassenderen wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Umwälzungen der Gegenwart zu verstehen, die einigen Menschen mehr nutzen als anderen und wiederum anderen auch Nachteile bringen können, die wir uns aber nicht einfach wegdenken oder wegwünschen können.
Gleichzeitig versuche ich, einige der zentralen Fragen zur Migration zu beantworten. Warum ist es der Politik beispielsweise trotz massiver Ausgaben für den Grenzschutz nicht gelungen, die Zuwanderung zu unterbinden? Warum gibt es nach wie vor illegale Zuwanderung, obwohl Politiker versprechen, das Geschäftsmodell der Schlepper und Schleuser zerschlagen zu wollen? Warum ist es der Politik nicht gelungen, die Ausbeutung der Zuwanderer zu unterbinden, trotz aller Beteuerungen, gegen diesen Missbrauch vorgehen zu wollen? Warum kommen Politiker mit den immer gleichen falschen Versprechungen und Lügen zur Migration durch? Und vor allem: Wie könnte eine bessere Migrationspolitik aussehen?
Ich habe dieses Buch aus einem Gefühl der Dringlichkeit heraus geschrieben. Die Forschungsliteratur zur Migration füllt Regale, doch kaum etwas davon ist in die öffentliche Debatte, die Vorschläge von Politikern oder die Arbeit von internationalen Organisationen durchgedrungen – ein Grund, warum politische Maßnahmen so oft wirkungslos bleiben oder gar nach hinten losgehen. Meine jahrelange Forschungstätigkeit, meine wissenschaftlichen Beiträge, meine öffentlichen Vorträge, meine Arbeit mit Regierungen und NGOs und die zahlreichen Fernseh- und Rundfunkdebatten, an denen ich teilgenommen habe, haben mir gezeigt, dass »speaking truth to power« nicht ausreicht, um den Ton in der Migrationsdebatte zu entschärfen und das Niveau anzuheben.
Mit anderen Worten ist es nicht genug, einfach nur die Fakten auf den Tisch zu legen. Politiker ignorieren sie, wenn sie ihnen nicht in den Kram passen. Wie oft ist es mir passiert, dass Politiker im Anschluss an einen Vortrag auf mich zukommen, mir zu meinem »großartigen Vortrag« gratulieren und im selben Atemzug hinzufügen: »Das könnten wir natürlich niemals umsetzen, das wäre ja politischer Selbstmord.« Daher wende ich mich mit diesem Buch direkt an Sie, die Bürgerinnen und Bürger, um Ihnen das Wissen an die Hand zu geben, das Sie brauchen, um die Behauptungen von Politikern, Meinungsmachern und Expertinnen kritisch zu hinterfragen und die Desinformation und Propaganda rund um dieses Thema zu durchschauen.
Dieses Buch basiert auf drei Jahrzehnten meiner Forschung und der Arbeit von Forschungsteams, die ich an der University of Oxford und der Universiteit van Amsterdam leitete. Außerdem stützt es sich auf Erkenntnisse aus dem boomenden Gebiet der Migrationsforschung und auf Arbeiten aus der Anthropologie, Soziologie, Geographie, Demographie und Wirtschaftswissenschaft, aber auch aus der Geschichtsforschung, den Rechtswissenschaften und der Psychologie.
Nach zehn Jahren der Forschung und Lehre an der University of Oxford ging ich im Jahr 2015 zurück in die Niederlande, weil ich einen Ruf als Professor für Soziologie an die Universität von Amsterdam erhalten hatte. Die syrische Flüchtlingskrise erreichte damals ihren Höhepunkt. Innerhalb eines Jahres kamen rund eine Million Syrer nach Europa, und es wurden hitzige Debatten geführt. Zu einer dieser Diskussionen wurde ich als Migrationsexperte eingeladen, zusammen mit Politikern und Aktivisten, darunter auch der Vertreter einer Aktionsgruppe, die den Widerstand gegen die Errichtung von lokalen Asylbewerberzentren organisierte. Die Diskussion eskalierte rasch zu einem Schlagabtausch mit persönlichen Angriffen, und keiner wollte den anderen zuhören.
Der Moderator freute sich, dass es hoch herging, doch ich war frustriert, denn in dieser aufgeladenen Atmosphäre war eine differenzierte Diskussion unmöglich. Die Runde unterschied sich nicht von vielen anderen, an denen ich bereits teilgenommen hatte, doch ich hatte nie richtig verstanden, was mit diesen »Migrationsdebatten« nicht stimmte und warum sie einen derart frustrierenden Verlauf nahmen. Die Eingebung kam mir, als der Moderator ins Publikum fragte: »Wer von Ihnen ist mit Professor De Haas für Zuwanderung, und wer ist dagegen?«
In diesem Moment fiel der Groschen, und ich begriff, woran die gesamte Migrationsdebatte krankt: Sie wird als einfache Pro-und-Kontra-Diskussion geführt. Der Moderator reagierte ungehalten, als ich ihn unterbrach und dieses Schwarz-Weiß-Denken hinterfragte, doch mir war es eine wichtige Lektion: Unsere Pro-und-Kontra-Debatten lassen keine echte Auseinandersetzung mit dem Thema zu und bieten keinen Raum für Zwischentöne und Differenzierungen. Danach war mir klar, dass wir als Wissenschaftler nicht nur mit »Fakten« über Migration aufklären, sondern den gesamten Umgang mit dem Thema verändern müssen. Die Fakten sprechen nicht für sich selbst, sie ergeben nur Sinn im Zusammenhang einer umfassenden Geschichte über Migration und darüber, was sie für die Menschen bedeutet.
Das Phänomen der Migration ist zu vielschichtig für einfaches Schwarz-Weiß-Denken. In solchen Erzählungen werden Migranten zu Karikaturen (je nach Standpunkt zu Opfern, Helden oder Schurken), die nichts mit der komplexen Wirklichkeit gemein haben und die sie oftmals ihrer Menschlichkeit berauben. Mehr noch, wenn wir die Migration nur als Pro-und-Kontra-Debatte angehen, dann übersehen wir einen wesentlichen Aspekt des menschlichen Daseins und unserer Geschichte. Migration hat es schon immer gegeben, sie ist so alt wie die Menschheit. Wir waren immer schon unterwegs. Aber mit unserem Kästchendenken sind wir nicht in der Lage, die Migration als ganz normalen Prozess zu verstehen und ihrer Natur, ihren Ursachen und ihren Folgen auf den Grund zu gehen.
Einige Vergleiche sollen veranschaulichen, wie naiv das ist. Pauschal für oder gegen Migration zu sein ist so, als wären wir zum...
Erscheint lt. Verlag | 25.10.2023 |
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Übersetzer | Jürgen Neubauer |
Zusatzinfo | Mit zahlreichen s/w-Abbildungen und Karten |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Braindrain • Demographie • Einwanderer • Einwanderung • Entwicklungsländer • Entwicklungspolitik • Fachkräftemangel • Fake-News • faktenbasiert • Flüchtlings-Krise • Frontex • Gastarbeiter • Globalisierung • Grenzkontrolle • Illegale Einwanderung • Infografiken • Integration • Irreguläre Einwanderung • Klima-Flüchtlinge • Kriminalität • Menschenhandel • Migrationsdebatten • Migrationsgeschichte • Migrationspolitik • Moderne Sklaverei • Nachrichten • Pull-Faktor • Pushback • Sozialpolitik • Sozialstaat • Sozialwissenschaften • Statistiken • Weltsicht • Wissen statt Meinung |
ISBN-10 | 3-10-491795-7 / 3104917957 |
ISBN-13 | 978-3-10-491795-5 / 9783104917955 |
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