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Kulturbasierte Personalauswahl (eBook)

Eine empirische Untersuchung am Beispiel der Siemens AG

(Autor)

eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
218 Seiten
Herbert von Halem Verlag
978-3-7445-1115-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kulturbasierte Personalauswahl -  Birgit Klein
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Die Diskussion über die öffentliche Verantwortung und moralische Integrität von Spitzenma-nagern reißt nicht ab. Durch einen anhaltenden Strom von Skandalen ist die Öffentlichkeit für moralische Fragen des Managements sensibilisiert. Gleichzeitig erodiert das Vertrauen in die Führungseliten der Wirtschaft. Angesichts dieser Entwicklung rückt Birgit Klein die Rekrutierungsprozesse für das Manage-ment in den Fokus. Das Personalauswahlverfahren hat unmittelbaren Einfluss darauf, welche Denkstile rekrutiert werden und welchen Stellenwert kulturelle, ethische und wertbasierte Haltungen haben. Daraus leitet sie folgende Fragen ab: Gelten kulturelle und moralische Ka-tegorien auf dem Weg zu Führungspositionen? Sind sie tatsächlich ähnlich wichtig wie bei-spielsweise Erfolg und DurchSetzungsfähigkeit? Und wie kann sichergestellt werden, dass eine Führungskraft auch zu den Unternehmenswerten passt? Vor diesem Hintergrund beschreibt die Autorin die Chancen und Potenziale eines kulturba-sierten Personalauswahlverfahrens und entwickelt einen Analyserahmen, der auch kulturelle Haltungen und Wertgrundsätze berücksichtigt. Wie dies gelingt, zeigt sie in einer empirischen Studie im Rahmen des Führungsnachwuchs-Recruitings der Siemens AG. Dabei wird insbe-sondere auf tieferliegende Identitätsmerkmale von Führungsnachwuchskräften verwiesen, die für Führungsaufgaben mit weitreichender Verantwortung konstitutiv sind.

Dr. Birgit Klein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Soziologie und empirische Sozialforschung der Universität Hohenheim.

Dr. Birgit Klein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Soziologie und empirische Sozialforschung der Universität Hohenheim.

2. Status quo: Instrumente der Personalauswahl


Wenn unter Spitzenmanagern Haltungen und Handlungen verbreitet sind, dass sogar die Mitglieder dieser Berufsgruppe selbst zu einem ernüchternden Fazit bei der Bewertung ihrer Kollegen gelangen, so stellt sich die Frage, woraus diese ähnlichen Verhaltens- und Denkweisen resultieren. Der Verdacht liegt nahe, dass bereits in der Ausbildung der Führungselite ein bestimmter Denkstil privilegiert wird, der jenes Fehlverhalten begünstigt, welches eine wesentliche Ursache für den verbreiteten Vertrauensverlust in das Spitzenmanagement ist, und dass umgekehrt kulturelle Wert- und Habitusfragen nicht hinreichend berücksichtigt werden. Daher lohnt es sich, einen Blick auf den Ausgangspunkt der Ausbildung zu werfen, nämlich auf die Rekrutierung von Nachwuchsführungskräften.

Es ist für jedes Unternehmen von zentraler Bedeutung, die passenden Mitarbeiter zu finden. Insbesondere wenn es um Stellen geht, die für das Unternehmen elementar und damit überlebensnotwendig sind, wie dies bei Fach- und Führungskräften der Fall ist. Der Aufwand für die Personalrekrutierung sowie die Investitionen für die Weiterbildung eines solchen Mitarbeiters sind in der Regel sehr hoch. Aber sie sind auch notwendig, denn die (künftigen) Mitarbeiter sichern den Erfolg des Unternehmens, sie repräsentieren das Unternehmen nach außen, und sie sind Teil der „Unternehmensatmosphäre“ bzw. der Unternehmenskultur. Die kontinuierliche Steigerung des Unternehmenswertes hat sich zum Leitgedanken der Unternehmensführung entwickelt, was bedeutet, dass sich die strategische Ausrichtung aller Unternehmensbereiche – und damit auch die Personalstrategie – der Steigerung des Unternehmenswertes unterzuordnen hat (vgl. Au 2009, S. 11ff.). Dabei spielen die Bindung von hochqualifizierten Mitarbeitern, die Nachwuchsführungskräfte-Entwicklung sowie die Rekrutierung neuer Talente – zusätzlich verschärft durch den demographischen Wandel – eine besondere Rolle.

Für eine optimale Passung von Mitarbeiter und Organisation bedarf es einer funktionierenden Personaldiagnostik. Die systematischen Auswahlverfahren innerhalb der Personaldiagnostik sollen Auskunft über die Kompetenzen und Potenziale eines Kandidaten geben, um die Personalauswahl und -entwicklung zu unterstützen (vgl. Armutat 2009, S. 17). Im Mittelpunkt der Bewerberauswahl in Form einer Potenzialanalyse stehen in der Regel die (fachlichen) Qualifikationen, psychologische Faktoren wie Leistungs- und Personaltests, situative Tests und Arbeitsproben. Oftmals werden die einzelnen Werkzeuge und Instrumente zu einem Verfahren kombiniert, wie es beispielsweise im Assessment Center geschieht. Die Bewerber werden danach beurteilt, ob sie künftig für das Unternehmen nützlich, d.h. ob sie passend zu den Stellenanforderungen und damit auch profitabel sind (vgl. Mühl 2014, S. 35). Für ein aussagekräftiges Ergebnis müssen möglichst viele Daten und Informationen über den Bewerber gesammelt werden, damit eine „Erfolgswahrscheinlichkeit“ berechnet werden kann.

Je bedeutender die zu besetzende Stelle ist, desto größer und kostenintensiver ist der Aufwand, der bei der Auswahl betrieben wird. Das Personalmanagement muss dafür sorgen, dass der richtige Mitarbeiter an die richtige Stelle kommt. Gelingt dies nicht, so muss mit massiven Leistungseinbußen, steigenden Krankenständen und hoher Fluktuation gerechnet werden (vgl. Armutat 2009). Ausgedrückt in konkreten Zahlen bedeutet dies laut einer Studie der internationalen Personalberatung DDI, dass für ein Unternehmen mit 10.000 Mitarbeitern die Steigerung der Fluktuation um einen Prozentpunkt Kosten von 270.000 Euro verursacht (vgl. Holzapfel 2011).

In Deutschland startet die Bewerberauswahl mit der Sichtung der Bewerbungsunterlagen, wozu üblicherweise ein Anschreiben bzw. Motivationsschreiben, ein Lebenslauf, Nachweise über Spezialkenntnisse, Zeugnisse, Referenzen etc. gehören. Diese Vorauswahl ist der erste Kontakt zwischen Bewerber und Unternehmen und dient der Überprüfung der formalen Voraussetzungen (vgl. Schuler 2000, S. 79). In den USA werden je nach zu besetzender Stelle innerhalb der Vorauswahl zusätzlich zu den Bewerbungsunterlagen meist auch sogenannte Background Checks durchgeführt (vgl. Mühl 2014, S. 35). Dabei werden internationale Strafregister, Sexualverbrecherkarteien, Hinweise auf Drogen- und Alkoholmissbrauch, die Bonität sowie der Hochschulabschluss des Bewerbers überprüft. Standardmäßig werden außerdem Social-Media-Profile der Bewerber mit Angaben aus Facebook, Twitter etc. erstellt. Diese automatisierte, erweiterte Prüfung durch den Arbeitgeber soll ein umfassenderes Bild des Bewerbers ergeben und dadurch die Sicherheit erhöhen, die „richtige“ Wahl zu treffen. Mittlerweile wird auch in Deutschland vermehrt auf die digitale Überprüfung und Bewertung gesetzt. Während das Social-Media-Screening in Deutschland verboten ist, erlaubt das Datenschutzgesetz seit 2009, dass im Auswahlprozess personenbezogene Daten gespeichert, verarbeitet und genutzt werden dürfen. Die wachsende Relevanz digitaler Überprüfung in Deutschland wird unter anderem daran erkennbar, dass sich spezialisierte Dienstleister am Markt etablieren. So bietet beispielsweise das Beratungsunternehmen Signum Consulting seinen Kunden an, durch digitale Überprüfung „Risiken zu erkennen und zu minimieren […].“ (Signum Consulting GmbH 2014). Mit dem Geschäftsfeld Pre-Employment Screening unterstützt das Unternehmen „die Entscheidungsfindung der Personalabteilung bei der Auswahl von geeignetem Personal und trägt zur Vermeidung von Fehlbesetzungen bei“ (ebenda). Der Dienstleister überprüft die Ausbildung, Universitätsabschlüsse, ehemalige Arbeitgeber etc. Bei Führungskräften werden zusätzliche Screenings empfohlen. Notwendig sei diese Form der Überprüfung, da rund 25 Prozent der Angaben in Bewerbungen falsch oder fehlerhaft seien (vgl. Mühl 2014, S. 35).

Angesichts des großen zeitlichen und finanziellen Aufwands, der heute bei der Auswahl des Führungsnachwuchses betrieben wird, stellt sich umso dringender die Frage, warum es dennoch so viele Fälle von Fehlverhalten seitens der Manager gibt. Sind die gängigen Methoden und Verfahren der Personalauswahl also ausreichend, um geeigneten Nachwuchs für das Top-Management zu rekrutieren, der nicht nur fachlich kompetent ist, sondern durch seine Verhaltensmaßstäbe das Unternehmen auch vor den oben beschriebenen Skandalen bewahrt? Andersherum gefragt: Könnten die bisher gängigen Auswahlprozesse bestimmte Kompetenzen und Denkstile privilegieren, nämlich solche, die ein „unmoralisches“ Verhalten der Manager eher befördern als verhindern?

Berücksichtigt man außerdem den massiven Vertrauensverlust der Öffentlichkeit gegenüber den Führungseliten, dann stellt sich auch die Frage, ob die gängigen Auswahlverfahren solche kulturellen Werthaltungen und Habitusfragen berücksichtigen, die von der Gesellschaft als vorbildhaft verstanden werden.

Einen ersten Hinweis auf die Antworten zu diesen Fragen gibt der Blick auf die Verfahren und Maßstäbe, nach denen das Personalmanagement heute agiert, um die geeigneten Kandidaten für Stellen zu identifizieren.

2.1. Eignungsdiagnostische Verfahren der Personalauswahl


Im ersten Schritt der Personalauswahl muss das Umfeld der zu besetzenden Stelle analysiert werden um daraus die Bewerberanforderungen abzuleiten. Daher wird zunächst auf Grundlage des Berufs, der Tätigkeit, der Organisation, des Arbeitsplatzes oder des Kompetenzmodells ein Anforderungsprofil entwickelt (vgl. Schuler 2000, S. 59f.). Das Anforderungsprofil beschreibt die erforderliche Qualifikation sowie die benötigten Fach- und Sozialkompetenzen eines Bewerbers. Unterschieden wird zwischen Eigenschaftsanforderungen (Fähigkeiten und Interessen), Verhaltensanforderungen (z.B. Fertigkeiten und Gewohnheiten), Qualifikationsanforderungen (z.B. Kenntnisse und Fertigkeiten) sowie Ergebnisanforderungen (z.B. Problemlösungen und Qualitätsstandards). Die Personalsuche über Stellenanzeigen sowie die anschließende Bewertung der eingehenden Bewerbungsunterlagen basieren auf diesem Anforderungsprofil. Die Auswertung der Unterlagen sowie die Auswahl potenziell geeigneter Kandidaten erfolgt – oftmals nach einer Vorselektion durch automatisierte Verfahren des E-Recruitings oder externe Dienstleister – anhand bestimmter Kriterien, wie z.B. formale Aspekte, erforderliche Kenntnisse, Noten und Studienleistungen, Praktika, Auslandsaufenthalte, Referenzen etc. (vgl. dazu Schuler 2000, S. 78ff.).

Nach der Vorauswahl wird nun mit verschiedenen Instrumenten bzw. in verschiedenen Verfahren die Eignung des Bewerbers erfasst, um die erwartete Leistung und das erwartete Verhalten des Kandidaten zu prognostizieren (vgl. Goth 2009, S. 63f.). Dabei werden z.B. Eigenschaften und Motive anhand von psychologischen Testverfahren sowie das Verhalten anhand von simulationsorientierten und biographischen Verfahren gemessen. Simulationsorientierte Verfahren wie das Assessment Center erfassen die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Kandidaten, woraus die (maximale) Leistungsfähigkeit abgeleitet wird. Aus biographischen Verfahren wie Interviews und biographischen Fragebögen werden Rückschlüsse auf das langfristige Leistungsniveau gezogen. Meist werden die einzelnen Verfahren kombiniert, um ein umfassenderes Bild des Kandidaten zu gewinnen.

Laut einer Studie von Schuler u.a. zählen die Analyse der Bewerbungsunterlagen, das Einstellungsinterview und das Assessment Center zu den am weitesten verbreiteten Verfahren der externen Personalauswahl in Deutschland (vgl. Schuler u.a. 2007, S.61ff.). Demnach analysiert fast jedes Unternehmen im ersten Schritt der Personalauswahl...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2016
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Soziologie Spezielle Soziologien
Schlagworte Agil • Arbeitssoziologie • Assessment Center • Elite • Führungskraft • Gouvernanceethik • Kapitalismus • Karriere • Korruption • Moral • Parsons • Personal • Personalmanagement • Siemens • Siemens Graduate Program • Spitzenmanager • Talcott • Wirtschaft • Wirtschaftssoziologie
ISBN-10 3-7445-1115-4 / 3744511154
ISBN-13 978-3-7445-1115-5 / 9783744511155
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