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Politischer Klientelismus (eBook)

Informelle Macht in Griechenland und Irland
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2016 | 1. Auflage
323 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-43393-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Politischer Klientelismus -  Isabel Kusche
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Im Zuge der Griechenland-Krise ist in Politik und Medien wiederkehrend die Rede vom politischen Klientelimus. Selten wird jedoch genauer dargestellt, worum es sich dabei handelt und inwiefern es ein problematisches Phänomen - und nicht einfach Teil der Normalität demokratischer Politik - ist. Isabel Kusche gibt einen Überblick über den Stand der internationalen Forschung und arbeitet deren theoretische Defizite heraus. Unter Rückgriff auf die Differenzierungstheorie und in kritischer Anknüpfung an frühe Arbeiten Niklas Luhmanns deutet sie klientelistische Strukturen als spezifische Variante informeller politischer Macht. Über den Vergleich von Griechenland und Irland wird das Phänomen im europäischen Kontext verständlich.

Isabel Kusche ist Associate Professor und Fellow am Aarhus Institute of Advanced Studies der Universität Aarhus in Dänemark.

Isabel Kusche ist Associate Professor und Fellow am Aarhus Institute of Advanced Studies der Universität Aarhus in Dänemark.

Inhalt 6
1. Einleitung 10
1.1 Politischer Klientelismus zwischen Korruption und demokratischer Normalität 12
1.2 Zum Aufbau der Arbeit 16
2. Klientelismusforschung und soziologische Theorie 20
2.1 Klientelismus – Definitionen und deren Folgeprobleme 21
2.2 Die modernisierungstheoretische Makroperspektive und ihre Kritiker 25
2.3 Neopatrimonialismus statt politischer Klientelismus? 28
2.4 Klientelismus als Attribut politischer Organisationen 29
2.5 Politischer Klientelismus als Ergebnis rationaler Wahl 33
2.6 Theoretische Folgen der Orientierung an Ansätzenrationaler Wahl 37
2.7 »Bringing the Dyad Back In«? 43
2.8 Schlussfolgerungen: Theoretische Defizite der Klientelismusforschung 48
3. Patron-Klient-Strukturen und Differenzierungstheorie 52
3.1 Funktionale Differenzierung und Strukturen despolitischen Systems 54
3.1.1 Die strukturfunktionalistische Beschreibung demokratischer Politik 54
3.1.2 Systemtheorie als Theorie operativer Systeme 58
3.2 Netzwerke aus systemtheoretischer Perspektive 62
3.3 Differenzierungstheoretische Alternativen? 65
3.3.1 Handlungstheoretische Reformulierungen der Luhmannschen Systemtheorie 65
3.3.2 Bourdieus Theorie sozialer Felder als Differenzierungstheorie 69
3.4 Systemtheoretischer Strukturbegriff und das Verhältnisvon Funktionssystemen und Netzwerken 75
3.4.1 Erwartungserwartungen als temporalisierte Strukturen sozialer Systeme 76
3.4.2 Netzwerke und Reziprozitätserwartungen 78
3.4.3 Klientelistische Netzwerke, politisches Funktionssystem und das Kommunikationsmedium Macht 82
3.5 Funktionale Analyse im Schema von Problem und Problemlösung 89
4. Das Verhältnis von Politik, Verwaltungund Publikum 93
4.1 Formale und informelle politische Macht – Der doppelte Machtkreislauf 94
4.2 Informelle klientelistische Macht 96
4.3 Die Differenz von Politik und Verwaltung 100
4.4 Das Problem der Generalisierung von Macht – Zwei Varianten rationaler Bürokratie 111
4.5 Machtkreislauf und Differenzierung 121
4.6 Vom Modell des demokratischen Machtkreislaufs zur Empirie – Fallauswahl 123
5. Machtkreislauf und politischer Klientelismus in Griechenland 134
5.1 Griechische Staatsbildung und Demokratisierung im 19. und 20. Jahrhundert 136
5.2 Parteipolitik im demokratischen Griechenland seit 1974 139
5.3 Öffentliche Verwaltung und Verwaltungsreformen 143
5.4 Verwaltungsentscheidungen und das politische Publikum 148
5.5 Politischer Klientelismus – Vergangenheit oder Gegenwart? 151
5.6 Formale und informelle Macht im politischen Machtkreislauf Griechenlands 156
6. Politik in der Republik Irland –Demokratie unter Klientelismusverdacht 162
6.1 Historischer Hintergrund: Von Irland als Teil des Vereinigten Königreichs zur Republik Irland 163
6.2 Der Bereich der öffentlichen Verwaltung 165
6.3 Parteipolitik und Wahlverfahren 169
6.4 Das politische Publikum zwischen lokalen undnationalen Bezügen 174
6.5 Klientelismus oder Brokerage? 177
6.6 Griechenland und Irland – Ein vorläufiger Vergleich 180
6.7 Erklärungsversuche für Brokerage: Die politische KulturIrlands 183
6.8 Kultur als soziales Gedächtnis und die Semantik von Selbstbeschreibungen 186
6.9 Zum weiteren Vorgehen 190
7. Klientelismus als Semantik in der irischen Politik 194
7.1 Vorüberlegungen zur Semantikanalyse 195
7.2 Empirisches Material, Materialzugang und -auswahl 201
7.3 Analyseschritte 207
7.4 Der Begriff Klientelismus in der irischen Öffentlichkeit im Zeitverlauf 209
7.5 Klientelismus und mögliche Synonyme im irischen Kontext 211
7.6 Der »irische Klientelismus« – Eine Annäherung 217
7.6.1 Klientelismus als (Art der) Wahlkreisarbeit 217
7.6.2 Klientelismus = Pork-Barrel Politics? 222
7.6.3 Wahlkreisarbeit und Fallarbeit – Mehr als normal? 229
7.7 Klientelismus-Semantik und Wahlkreisarbeit 233
8. Die Beobachtung von informellen Erwartungen in der irischen Politik 236
8.1 Das klientelistische Moment der Fallarbeit 237
8.2 Informalität als politische Erwartungsstruktur 252
8.3 Formalisierungsversuche informeller Einflussnahme 257
8.4 Die Beobachtung von Klientelismus im Zeitverlauf 265
8.5 Die Zurechnung von Ursachen des Klientelismus 276
8.6 Das Modell des doppelten Machtkreislaufs und die irische Politik 281
9. Fazit 288
9.1 Informelle politische Macht in Griechenland und Irland 289
9.2 Schlussfolgerungen für die Theorie gesellschaftlicherDifferenzierung 295
Anhang 300
1. Kategorien der Inhaltsanalyse 300
2. Hinweis zu den Quellenangaben für Zeitungsartikel und Parlamentsprotokolle 303
Literatur 304
Danksagung 323

1. Einleitung
Aus Anlass der griechischen Parlamentswahlen im Mai 2012 fand sich in 'Le Monde Diplomatique' eine anschauliche Illustration dessen, was seit Ausbruch der europäischen Finanzkrise und speziell der Krise in Grie-chenland vermeintlich Teil des Allgemeinwissens ist, nämlich was Kliente-lismus ist:
'Früher hat jeder aussichtsreiche Bewerber für das griechische Parlament (Vouli genannt) auf Wochen hinaus einen Laden gemietet, beflaggt mit Parteifahnen, voll mit Stapeln von Wahlbroschüren. Diesmal sparten sich die Kandidaten die Miete, die sie vom Privatkonto finanzieren mussten. Zum einen aus Angst vor den Glaserrechnungen, denn die Büros hätten die Wutbürger angezogen wie der Honigtopf die Bienen. Zum anderen weil so ein Ort nutzlos geworden ist. Im Kandidatenladen konnte der Wähler seinen künftigen Abgeordneten aufsuchen und die Gegenleistung für seine Stimme aushandeln: einen Auftrag für seinen Kleinbetrieb, eine Stelle für den Sohn beim staatlichen Stromversorger, eine Empfehlung für die Tochter an den parteinahen Universitätsprofessor. Das spielte sich keineswegs im Geheimen ab. Jeder konnte sehen, wer mit wem ins Geschäft kam oder kommen wollte.
Die öffentliche Kontaktzone zwischen Volk und Volksvertreter war die Kernzelle des Klientelsystems - solange es Aufträge und Posten zu verteilen gab. Seit Stellen im öffentlichen Sektor nicht mehr besetzt, sondern gestrichen werden, ist der Klientelismus tot oder doch auf dem Weg ins verdiente Grab.' (Kadritzke 2012: 12)
Derart anschauliche und konkrete Darstellungen sind die Ausnahme: Stichworte wie Korruption und Klientelismus werden zwar im Zusam-menhang mit Berichten über die Schuldenkrise immer wieder genannt, dienen aber, gemeinsam mit dem Verweis aufs Schuldenmachen, eher als Etikett für die vielfältigen Probleme von Politik und staatlicher Verwaltung in bestimmten Ländern, als dass sie diese Probleme erklären würden. Implizit scheinen sich die meisten Beiträge darauf zu verlassen, dass alle eine hinreichend konkrete Vorstellung davon haben, worum es sich bei Erscheinungen wie Korruption oder Klientelismus handelt. Im Falle von Korruption mag das noch einleuchten - vor dem inneren Auge taucht vielleicht ein mit Banknoten gefüllter Briefumschlag auf, der bei einem Zusammentreffen zwischen einem Verwaltungsbeamten und einem Antragsteller oder zwischen einer Politikerin und einer Unternehmerin mehr oder weniger diskret überreicht wird. Dass solche Praktiken nicht gerade ein Ausweis für gute Politik und einen verlässlichen Staat sind, leuchtet wohl ein, und man mag sich allenfalls fragen, weshalb man dann nicht schon längst hätte wissen können, was inzwischen alle zu wissen scheinen, nämlich dass das auf Dauer nicht gut gehen kann.
Welche Assoziationen die Rede von Klientelismus hervorruft, ist weni-ger klar. Gelegentliche Hinweise deuten auf '[p]olitische Parteien, die sich ihre Unterstützung in griechischer Manier mit teuren Wahlgeschenken zu erkaufen versuchten' (Fuster 2012). Wie verheerend das offenbar sein kann, macht aber erst der Verweis auf Griechenland anschaulich, denn für sich genommen sind teure Wahlgeschenke in der Vergangenheit auch in Deutschland immer wieder einmal kritisiert oder gar skandalisiert, aber nie als Praktik ausgewiesen worden, die das Funktionieren von Staat und Politik insgesamt gefährden könnte.
Präziser ist ein anderer Hinweis, was eine Politik des Klientelismus be-inhalte: 'Marode Privatfirmen wurden verstaatlicht und mit Parteian-hängern besetzt, um sich deren Stimmen zu sichern' (Panagiotidis 2012). Anderswo ist etwa vom 'Klientelismus zwischen Politik und Bauwirt-schaft' (o.N. 2012) die Rede. Und auch mit Bezug auf Deutschland werden Beispiele für Klientelismus identifiziert, so etwa eine vom FDP-Vorsitzenden vorgeschlagene Erhöhung der Pendlerpauschale oder das aus Rücksicht auf die CSU eingeführte Betreuungsgeld für Familien mit Unterdreijährigen, die diese zu Hause betreuen (Riedel 2012).Zusammengefasst scheint Klientelismus in der aktuellen Debatte für alles von Subventionswirtschaft über persönliche Beziehungen zwischen Politikern und Unternehmern bis hin zu bestimmten Formen des Werbens um Wählerstimmen zu stehen. Seine Konnotation ist eindeutig negativ. Mit Bezug auf Griechenland (und zum Teil andere südeuropäische Länder wie Italien) erscheint Klientelismus als Teil eines Syndroms, das offenbar die Funktionsfähigkeit von Staat und Politik in Frage stellt. Diese Verbindung wird aber in der massenmedialen Berichterstattung erst hergestellt, seit sich die Geschehnisse in Griechenland als umfassende Staatskrise beschreiben lassen. Wenige Jahre zuvor galt Griechenland noch als normales Mitglied der Europäischen Union, vielleicht mit mehr Problemen als manch andere EU-Mitgliedsstaaten, aber doch soweit, dass niemand jene Krise prognostiziert hätte, die nun als unvermeidliche Konsequenz von Korruption und Klientelismus erscheint. Gleichzeitig wird das scheinbar gleiche Phänomen in Deutschland ausgemacht, ohne daraus zu schlussfolgern, dass dort demnächst mit griechischen Verhältnissen zu rechnen wäre. Gerade ange-sichts der jüngsten Ereignisse in Europa stellt sich also die Frage, welche Rolle politischer Klientelismus in demokratischen politischen Systemen spielt. Untergräbt Klientelismus das Funktionieren von Staat und Politik? Oder ist er einfach eine, vielleicht nicht besonders erfreuliche, aber durchaus normale Begleiterscheinung von Politik? Orientiert man sich nicht an der massenmedialen Debatte, sondern an der sozialwissenschaftlichen Forschung, finden sich zwei typische Antworten, die jeweils die eine der beiden Fragen bejahen und die andere verneinen. Dabei überwiegt der negative Blick auf politischen Klientelismus, der ihn teils als Variante politischer Korruption (Scott 1969), teils als Vorstufe zu ihr versteht (Mény 1997) oder zumindest in engem Zusammenhang mit ihr sieht (DellaPorta 1997: 36ff.). Andere Autoren normalisieren politischen Klientelismus dagegen als eine Form politischer Interessenvertretung, deren spezifische Vor- und Nachteile sich im Vergleich zu anderen Formen benennen lassen (Piattoni 2001c).
1.1 Politischer Klientelismus zwischen Korruption und demokratischer Normalität
Korruption ist ein wiederkehrendes Thema der sozialwissenschaftlichen Forschung. Mit jeder neuen Konjunktur des Themas stellen sich Fragen der Definition des Phänomens. Weit verbreitet ist der Vorschlag, Korrup-tion als Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Vorteil aufzufassen (Johnston 1996: 322). Die Definition unterscheidet zwischen einem ange-messenen Machtgebrauch und Machtmissbrauch und wirft damit notwen-dig die Frage auf, was angemessen ist und was nicht. Das Rechtssystem, das Delikte wie die Bestechung von Amtsträgern oder die Gewährung von Vorteilen unter Strafe stellt, benennt zwar auf diese Weise bestimmte Varianten des Missbrauchs anvertrauter Macht. Eine sozialwissenschaftliche Korruptionsforschung, die sich einer legalistischen Perspektive verschriebe, würde aber von vornherein vieles aus der Betrachtung ausschließen, was andere als rechtliche Beobachter durchaus als Korruption betrachten.
Dabei kann es sich um Nicht-Regierungsorganisationen wie Transpa-rency International handeln, die sehr strenge Maßstäbe anlegen. Sie be-trachten selbst die Tätigkeit von Lobbyisten als Korruption, weil diese darauf abzielt, Entscheidungen, die in öffentlichen Ämtern getroffen wer-den, im Sinne bestimmter, also privater, Interessen zu beeinflussen. Die Distanz zu einer legalistischen Perspektive auf Korruption wird in jüngster Zeit sogar mit der Bezeichnung 'legale Korruption' hervorgehoben (Transparency International 2012: 10; Kaufmann/Vincente 2011). Teilweise unter Berufung auf die Expertise solcher Nicht-Regierungsorganisationen, teilweise mit Blick auf die öffentliche Meinung skandalisieren Massenmedien oft Vorfälle als Korruption, für die das Recht keine Sanktionen vorsieht.
Die Suche nach Möglichkeiten, den Missbrauch öffentlicher Ämter oder anderer anvertrauter Macht nicht-juristisch zu definieren, hat die institutionenökonomische Unterscheidung von Prinzipal und Agent ins Spiel gebracht (Groenendijk 1997). Demnach handelt es sich bei Korrup-tion um eine bestimmte Art der Vertragsverletzung in der Beziehung zwi-schen einem Prinzipal und einem Agenten, wobei der Vertragsbegriff aber nicht juristisch gemeint ist, sondern informelle Verträge einschließt (Stykow 2002: 93). Gemäß dem Prinzipal-Agenten-Modell stellt jede Handlung, mit der der Agent eigene Interessen verfolgt und gegen die Interessen des Prinzipals handelt, eine solche Vertragsverletzung dar. Das Modell selbst lässt folglich offen, welche Interessen der Prinzipal hat. Seine Anwendung setzt dann aber doch voraus, dass diese Interessen benannt werden, da deren Verletzung anderenfalls überhaupt nicht festzustellen wäre. Damit stellt sich in allen Fällen, in denen nur von informellen Verträgen die Rede sein kann, die Frage, worauf diese den Agenten denn eigentlich verpflichten. Gleichzeitig ist die Vorstellung, eine Prinzipal-Agenten-Beziehung könne jemals vollständig formal geregelt werden, abwegig; die Einsicht, dass diese Vollständigkeit unmöglich ist, ist gerade der Ausgangspunkt institutionenökonomischer Ansätze.
Nichtsdestotrotz erleichtert die Existenz eines formalen Arbeits- oder Dienstverhältnisses, bestimmte Abweichungen von eingegangenen Ver-pflichtungen als korrupt einzuordnen. Auch hier mag es gewisse Schwie-rigkeiten geben, weil bestimmte Praktiken im Interesse des Dienstherren und dennoch korrupt sein können. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Dritte Arbeitsmaterial wie Computer zur Verfügung stellen, das nicht privat, sondern in der Organisation selbst genutzt wird und dort anderenfalls vielleicht nicht in dieser Qualität zur Verfügung stünde (Stark 2011: 202ff.). Besonders große Probleme für diesen Definitionsansatz bereitet jedoch der Bereich der so genannten politischen Korruption. Hier bleibt letztlich nur der Verweis auf Formeln wie 'Wählerauftrag', 'öffentliches Interesse' oder 'Gemeinwohl', um einen angemessenen Machtgebrauch im Sinne des Prinzipals zu charakterisieren. Varianten persönlicher Bereicherung mögen in klarem Widerspruch zu solchen Formeln stehen. Wann immer aber Inhaber politischer Ämter bestimmte Interessen bevorzugt berücksichtigen oder Entscheidungen dazu nutzen, ihre politische Macht, das heißt insbesondere ihre Chancen auf Wiederwahl, zu sichern, ist unklar, ob es sich dabei um Korruption handelt. Prominentes Beispiel ist der Schwarzgeldkontenskandal der CDU in den 1990er Jahren, in dem sich Helmut Kohl mit dem Argument verteidigte, dass er sich nicht persönlich bereichert habe (Fischer 2002: 69ff.).
Thompson (1993) schlägt den Begriff der vermittelten Korruption (mediated corruption) vor, um Fälle zu erfassen, in denen politische Ak-teure nicht persönlich profitieren, sondern politisch. Er plädiert dafür, von 'tatsächlichen' Motiven der Handelnden abzusehen und die Folgen für den demokratischen Prozess zu betrachten, um zu entscheiden, ob bestimmte Spenden und der Umgang politischer Akteure mit den Spendern als korrupt oder nicht korrupt einzuordnen sind. Wie Thompson (1993: 378) betont, setzt die Verwendung des Konzeptes daher eine Vorstellung darüber voraus, wie der demokratische Prozess im Normalfall abläuft und ablaufen sollte. Letztlich mündet jeder Versuch, politische Korruption definitorisch zu bestimmen, in die Frage, was man unter Politik versteht und als Teil ihrer Normalität betrachtet (Philp 1997: 439).
Daher ist eine radikale Sichtweise wie jene von Transparency International, die bereits Lobbying als Korruption betrachtet, ebenso mög-lich wie die umgekehrte Ansicht, dass der Begriff der politischen Korrup-tion in politischen Systemen mit pluralistischer oder korporatistischer Interessenvertretung kaum noch anwendbar ist, weil er eine Trennung zwischen Staat beziehungsweise öffentlichem Interesse einerseits und Ge-sellschaft beziehungsweise privaten Interessen andererseits voraussetzt, die im politischen Prozess faktisch nicht existiere (von Alemann/Kleinfeld 1992: 276; vgl. Schefczyk 2005). - Es ist aussichtslos, nach einem konsensfähigen Kern für eine Definition politischer Korruption zu suchen, denn wann immer man ein Phänomen als politisch korrupt einordnet, legt man sich implizit auf bestimmte Vorstellungen darüber fest, was Politik ausmacht und zu ihrer Normalität gehört (Philp 1997).
Stellt man speziell für politischen Klientelismus die Frage, ob es sich dabei um Korruption handelt, zeigt sich, dass er sich gängigen Unterschei-dungen zu entziehen scheint, die in der Literatur verwendet werden, um Typen politischer Korruption zu benennen. So trennt etwa Scott (1972: 88f.) zwischen parochialer und marktförmiger Korruption. Im parochialen Fall geschieht der Missbrauch anvertrauter Macht zugunsten von Verwandtschafts- oder sonstigen persönlichen Beziehungen. Marktförmige Korruption ist demgegenüber unpersönlich; bei ihr kommt es lediglich darauf an, wie viel jemand zu zahlen bereit ist, um einen privaten Vorteil zu erlangen. Auch wenn diese Unterscheidung natürlich idealtypisch gemeint ist, trifft keine der beiden Möglichkeiten die spezifischen Merkmale des politischen Klientelismus. Dieser beruht weder auf affektiven persönlichen oder verwandtschaftlichen Beziehungen noch auf Geldzahlungen, sondern darauf, dass anvertraute Macht genutzt wird, um private Vorteile zu gewähren, in der Erwartung - beziehungsweise sogar unter der Bedingung - dass die Begünstigten eine bestimmte Partei oder Kandidatin politisch unterstützen, insbesondere ihre Wählerstimme für sie abgeben (vgl. genauer dazu Kap. 2). Jenkins (2007: 66ff.) weist gar auf die Möglichkeit eines Antikorruptions-Klientelismus hin. Damit ist gemeint, dass Aktivisten sich in dem Bemühen, konkrete Fälle von politischer Korruption zu enthüllen, auf die Hilfe von Politikern stützen, die darauf hoffen, auf diesem Wege politische Gegner in Bedrängnis zu bringen.
Politischer Klientelismus als empirisches Phänomen markiert also in zugespitzter Weise das Problem, dass es unmöglich ist, politische Korrup-tion zu beobachten, ohne sich im gleichen Zuge auf bestimmte Vorstellungen darüber festzulegen, was Politik ausmacht, was zu ihr gehört und was nicht. Bei Philp (1997) mündet diese Einsicht in ein Plädoyer für die Relevanz normativer politischer Theorie. Er gibt aber selbst den Hinweis, dass es, wenn man das Problem abstrakter formuliert, zunächst darum geht, wie man Politik als autonomen Handlungszusammenhang ernst nehmen und von anderen Handlungssphären unterscheiden kann (ebd.: 446f.). Die vorliegende Arbeit knüpft an diese Problembeschreibung an, schlägt aber als Lösung nicht den Rückgriff auf normative Ansätze der politischen Theorie vor, sondern einen soziologischen Zugriff mit Hilfe der Differen-zierungstheorie. Ein solcher Zugriff präsentiert keine Wahl zwischen un-terschiedlichen normativen Modellen des Politischen. Stattdessen nutzt er soziologische Ansätze, die davon ausgehen, dass die Unterscheidung zwi-schen Politik und anderen Handlungssphären eine Unterscheidung ist, die in der gesellschaftlichen Kommunikation ständig gemacht/hergestellt wird - oder eben nicht.
1.2 Zum Aufbau der Arbeit
Die Forschung zu politischem Klientelismus erstreckt sich über mehrere Jahrzehnte. Implizit oder explizit war sie natürlich immer auch mit der Frage beschäftigt, ob es sich dabei um ein normales politisches Phänomen oder um eine vorübergehende oder dauerhaft pathologische Abweichung von der politischen Normalität handelt. Daher beginnt die vorliegende Arbeit im nächsten Kapitel zunächst mit einer Bestandsaufnahme der Klientelismusforschung und der verschiedenen Ansätze, vor deren Hintergrund immer wieder um eine angemessene Definition von politischem Klientelismus gerungen wurde. Methodologisch stehen dabei Positionen, die mit dem Ziel einer international vergleichenden Forschung eine weite Definition bevorzugen, solchen Positionen gegenüber, die gegen eine drohende konzeptionelle Überdehnung eine enge Definition in Anschlag bringen. Theoretisch lässt sich insbesondere eine ältere Herangehensweise, die von modernisierungstheoretischen und implizit strukturfunktionalistischen Annahmen ausgeht, von einer neueren Tendenz unterscheiden, die auf Rational Choice als allgemeines Handlungsmodell setzt, um politischen Klientelismus zu verstehen und zu erklären. Die Kontrastierung dieser beiden dominierenden theoretischen Perspektiven sowie der Blick auf vorhandene alternative Ansätze münden in die Einschätzung, dass die Klientelismusforschung von einer differenzierungstheoretischen Perspektive profitieren kann.
Das dritte Kapitel widmet sich differenzierungstheoretischen Ansätzen unter dem Gesichtspunkt, ob und wie sie auf politischen Klientelismus eingehen, und zieht daraus Schlüsse für die im Weiteren verwendeten theoretischen Konzepte. Dabei zeigt sich, dass das differenzierungstheoretische Bild demokratischer Politik die Möglichkeit, dass Strukturen informeller Reziprozität das Verhältnis zwischen Politikern und Wählern prägen, entweder völlig ausblendet, als Überbleibsel früherer Differenzierungsformen marginalisiert oder in Regionen außerhalb Europas verortet, in denen das Erbe des Kolonialismus für ein abweichendes Differenzierungsmuster verantwortlich ist. Die Systemtheorie im Anschluss an Niklas Luhmann wird als prinzipiell geeignete Grundlage identifiziert, um politischen Kli-entelismus differenzierungstheoretisch zu analysieren. Allerdings bringt deren jüngere Fassung, die die Konzepte operativer Schließung und binärer Codierung in den Mittelpunkt stellt, theoretische Vorannahmen mit sich, die eine solche Analyse eher blockieren. Stattdessen wird eine ältere Fassung der Machttheorie Luhmanns als Anknüpfungspunkt für die theoretische Auseinandersetzung mit politischem Klientelismus ausgemacht.
Diese Machttheorie liegt einem von Luhmann vorgeschlagenen Modell des doppelten Machtkreislaufs in Demokratien zugrunde, das im vierten Kapitel adaptiert und erweitert wird. Das Modell betrachtet neben den formal-demokratischen Machtverhältnissen zwischen Politik im engeren Sinne, staatlicher Verwaltung und politischem Publikum informelle Machtdifferenzen, die den formalen entgegenwirken. Es lässt sich daher in modifizierter Form heranziehen, um die Machtverhältnisse in Demokratien für den Fall zu analysieren, dass Politiker dank klientelistischer Versprechen und Leistungen informelle Macht über Wähler haben. Ein wichtiger Ertrag dieser Analyse liegt in der Gegenüberstellung mit dem von Luhmann vorgeschlagenen Modell. Sie offenbart, dass Klientelismus nicht mit völlig anderen Machtverhältnissen in Demokratien einhergeht, sondern sich auf seiner Basis ähnliche informelle Machtdifferenzen ausbilden, wie Luhmann sie beschreibt. Der größte Unterschied zeigt sich im Verhältnis zwischen Politik und Verwaltung. Es wird daher mit besonderer Sorgfalt diskutiert, um zu klären, was dieser Unterschied differenzierungstheoretisch bedeutet.
Der differenzierungstheoretische Hintergrund motiviert die Auswahl der zwei Länder, die in den folgenden Kapiteln genauer daraufhin unter-sucht werden, welche Rolle Klientelismus in ihren politischen Systemen spielt. Um den pauschalen Schluss von der Beobachtung klientelistischer Strukturen auf eine unvollständige oder defizitäre funktionale Differenzierung zu vermeiden, stehen mit Griechenland und Irland zwei europäische Länder im Fokus - Länder also, für die ein solches Argument schwierig wäre. Schließlich würde es die Frage aufwerfen, wo dann überhaupt noch von funktionaler Differenzierung gesprochen werden dürfte. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass die Untersuchung der beiden Länder Unterschiede hinsichtlich des Grades der Ausdifferenzierung von Politik aufzeigen wird; mögliche Unterschiede werden durch die Anlage der Untersuchung aber als empirische Frage behandelt, die sich vor dem Hintergrund eines prinzipiell erkennbaren funktionalen Differenzierungsmusters stellt.
Im Falle Griechenland begrenzt die Sprachbarriere die Möglichkeiten der Analyse. Sie beschränkt sich daher im fünften Kapitel auf eine Aus-wertung der deutsch- und englischsprachigen Literatur, die Auskünfte zu den im Modell des Machtkreislaufs betrachteten Relationen zwischen Politik, Verwaltung und Publikum gibt. Daraus ergibt sich, dass mindestens bis Mitte der 1990er Jahre die klientelistische Version des Machtkreislaufmodells die informellen Machtverhältnisse besser widerspiegelt als das ursprüngliche Modell. Auch für die Zeit danach gibt es gute Gründe davon auszugehen, dass politischer Klientelismus weiterhin eine wichtige Rolle spielte. Allerdings zeigt sich, dass mit dem Einfluss der Europäischen Union zunehmend ein Faktor ins Spiel kommt, der im Modell des Machtkreislaufs nicht berücksichtigt ist. Einerseits scheint er den politischen Klientelismus zusätzlich zu stabilisieren, andererseits wirken die Anforderungen der europäischen Integration, speziell der Einführung des Euro, wie ein politisches Reformprogramm, das die Konkurrenz der Parteien ansonsten kaum hervorgebracht hätte. In diesem Punkt, wie auch in der Frage nach den Folgen der griechischen Finanzkrise für die klientelistische Basis informeller Macht, beschränkt sich das Kapitel auf einige vorsichtige Schlussfolgerungen.
Das sechste Kapitel unternimmt für die Republik Irland ebenfalls zu-nächst eine Auswertung der existierenden Literatur. Dabei zeigt sich, dass trotz verschiedener Studien, die Aspekte irischer Politik als Klientelismus analysieren, insgesamt die Skepsis überwiegt, ob diese Perspektive ange-messen ist. Sie wird in erster Linie ins Spiel gebracht, um die Vermittler-rolle von Politikern beim Umgang von Bürgern mit der Verwaltung in den Blick zu rücken, die in Irland stark ausgeprägt ist. Da Hilfe suchende Wähler sich aufgrund des Wahlsystems aber gleichzeitig an mehrere Abgeordnete verschiedener Parteien wenden können, lässt sich nicht davon sprechen, dass partikularistische Vorteile konditioniert vergeben würden.
Neben der Bedeutung, die Vermittlerdienste für einzelne Wähler im politischen Wettbewerb haben, ist jedoch der Umstand bemerkenswert, dass in der irischen politischen Öffentlichkeit Klientelismus als Problem der Politik im Land thematisiert wird. Begreift man Differenzierung auch als Ergebnis der Selbstbeobachtung von sozialen Systemen, wie die Luh-mannsche Systemtheorie vorschlägt, liegt es nahe, Klientelismus als Se-mantik zu verstehen, die im Zuge der Selbstbeschreibung des irischen politischen Systems verwendet wird. Das siebente und das achte Kapitel nehmen daher Redebeiträge im Parlament sowie Beiträge in den beiden wichtigsten Zeitungen des Landes in den Blick, die Aspekte oder Ereig-nisse der irischen Politik als Klientelismus bezeichnen. Untersucht wird, welches Verständnis von Klientelismus diesen Äußerungen zugrunde liegt und welche Erwartungen über politische Erwartungen mit Hilfe dieses Begriffs reflektiert werden. Dabei zeigt sich, wie eine Erwartungsstruktur, die davon ausgeht, dass informelle Macht formaler Macht grundsätzlich überlegen ist, sich reproduziert und dadurch in der Öffentlichkeit immer wieder die Frage nach der Grenze zwischen politischen und nichtpoliti-schen Angelegenheiten, also nach der Grenze des politischen Systems gegenüber seiner Umwelt, aufwirft.
Ein neuntes Kapitel fasst die zentralen theoretischen Überlegungen und empirischen Ergebnisse der Arbeit abschließend noch einmal zusam-men und ordnet sie mit Blick auf die Fragestellung und allgemeine Schlussfolgerungen für die Differenzierungstheorie ein.
2. Klientelismusforschung und soziologische Theorie
(Politischer) Klientelismus wurde in den 1960er und 1970er Jahren Gegenstand spezieller sozialwissenschaftlicher Untersuchungen. Diese fanden in einem wissenschaftlichen und gleichzeitig politischen Kontext statt, der durch die Begriffe Modernisierung und Entwicklung geprägt war. Patron-Klient-Beziehungen wurden als Merkmal traditionaler Gesellschaften begriffen. Gleichzeitig konnte die einsetzende Forschung (z.B. Weingrod 1968) zeigen, wie sich diese Beziehungen in Reaktion auf den Ausbau staatlicher Strukturen und die Herausbildung politischer Parteien wandelten. Daraus zog man den Schluss, dass der Klientelismus im Zuge fortgesetzter ökonomischer Entwicklung und politischer Demokratisierung, also als Folge eines übergreifenden Modernisierungsprozesses, allmählich verschwinden würde (Roniger 2004: 355f.).
Im Zuge der Abkehr von der Modernisierungstheorie ab den 1970er Jahren (vgl. Bernstein 1971; Tipps 1973) registrierte man, dass Klientelismus nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in sozialistischen Staaten und in etablierten Demokratien auftritt. Damit öffnete sich die Forschung zum Thema Klientelismus einer stärker vergleichenden Perspektive. Diese rückt das Phänomen in den Kontext der Beschreibung moderner Gesellschaft, statt es als Relikt der Vergangenheit und Symptom oder auch Ursache mangelnder Entwicklung einzuordnen (z.B. Eisenstadt/Roniger 1984). Klientelismus wurde zunehmend als Strategie der politischen Mobilisierung begriffen, die gerade mit der Durchsetzung eines allgemeinen Wahlrechts an Bedeutung gewinnen kann (vgl. Shefter 1977). Mit der so genannten dritten Demokratisierungswelle Mitte der 1970er bis Mitte der 1990er Jahre etablierten sich allgemeine Wahlen und die kommunikative Bezugnahme auf demokratische Werte in mehr Staaten als je zuvor. Für die Klientelismusforschung wurden in der Folge neben Fallstudien breit angelegte Vergleiche zwischen diesen Demokratien zu einer attraktiven Forschungsrichtung (Kitschelt/Wilkinson 2007a).
Die sich wandelnden Forschungsinteressen haben die Art und Weise, wie der Forschungsgegenstand definiert wird, nicht unberührt gelassen. Nach einem Überblick über verschiedene Definitionsversuche und ihre Schwierigkeiten werden daher im Folgenden zentrale theoretische Prämissen herausgearbeitet, die die verschiedenen Phasen der Klientelismusforschung geprägt haben. Als wesentlich wird sich dabei vor allem der Kontrast zwischen einer älteren, modernisierungstheoretisch geprägten Klientelismusforschung und jüngeren Ansätzen erweisen, die mit Annahmen rationaler Wahl arbeiten. Ziel des Kapitels ist es, aus den Vorzügen und Problemen der bislang das Feld prägenden Ansätze Schlussfolgerungen für den eigenen theoretischen Zugang zu ziehen.
2.1 Klientelismus - Definitionen und deren Folgeprobleme
Die meisten Vorschläge, Klientelismus zu definieren, arbeiten mit dem Begriff des Tauschs oder Austauschs. Weitere Bestandteile der Definition spezifizieren dann, um welche Art von Tausch es sich handelt. Clapham (1982: 4) beispielsweise definiert Klientelismus komprimiert als Austauschbeziehung zwischen Ungleichen. Der Begriff des Tausches impliziert als weiteres Merkmal eine gewisse Freiwilligkeit - mit anderen Worten, mindestens soviel Freiheit von unmittelbarem Zwang, dass der Eintritt in die Beziehung sowie die innerhalb der Beziehung erbrachten Leistungen den Beteiligten als Entscheidung zugerechnet werden können. Angesichts der Ungleichheit der Beteiligten ist dieser Austausch von Leistungen gleichzeitig asymmetrisch. Eine ausführlichere Definition hält entsprechend fest:
'The patron-client relation is defined here as a special type of dyadic exchange, distinguishable by the following characteristics: (a) the relationship occurs between actors of unequal power and status; (b) it is based on the principle of reciprocity; that is, it is a self-regulating form of interpersonal exchange, the maintenance of which depends on the return that each actor expects to obtain by rendering goods and services to the other and which ceases once expected rewards fail to materialize; (c) the relationship is particularistic and private, anchored only loosely in public law or community norms.' (Kaufman 1974: 285)
Anderswo wird stärker hervorgehoben, dass die die Beziehung begründende Reziprozität nicht die einer rationalen Kalkulation ist:
'[C]lientelism refers to a personalized and reciprocal relationship between an inferior and a superior, commanding unequal resources; moreover, in contrast with the ?ideal type? of bureaucratic relationship, the norms of rationality, anonymity, and universalism are largely absent from the patron-client nexus. Instead, affectivity serves as the primary social adhesive for binding a patron to his client and vice versa. Political clientelism, in short, may be viewed as a more or less personalized, affective, and reciprocal relationship between actors, or sets of actors, commanding unequal resources and involving mutually beneficial transactions that have political ramifications beyond the immediate sphere of dyadic relationships.' (Lemarchand/Legg 1972: 151f.)
Den meisten Definitionen ist gemein, dass sie zunächst eine dyadische soziale Beziehung zwischen Individuen annehmen, innerhalb derer der Austausch erfolgt. Viele dehnen dieses Verständnis allerdings in einem nächsten Schritt aus, so dass auch Organisationen oder bestimmte Kategorien von Akteuren als Elemente der Dyade aufgefasst werden können (z.B. auch Eisenstadt und Roniger 1984: 244ff.). Aber es ist insbesondere die politikwissenschaftliche Literatur zum Thema, die sich ganz auf diese Möglichkeit konzentriert. Sie interessiert sich für Klientelismus als linkage zwischen Parteien und Wählern, die eine Alternative dazu bietet, Wähler mit politischen Programmen oder mit charismatischen Führungspersönlichkeiten zu mobilisieren (Kitschelt 2000).
Autoren, die von vornherein politischen Klientelismus behandeln, verzichten oft darauf, Ungleichheit und Affektivität als Elemente hervorzuheben, und nehmen in erster Linie den Aspekt des konditionierten Aus-tauschs in den Blick, der klientelistischen Beziehungen zugrunde liegt (Hicken 2011): Klienten tauschen Wählerstimmen sowie andere Arten politischer Unterstützung, wie Spenden oder Arbeit für eine Partei, gegen Arbeitsplätze, Aufträge, Hilfe beim Umgang mit der Verwaltung usw. (Clark 1994: 122f.). Werden in entsprechenden Definitionen Leistungen der Patrone allgemein als Güter bezeichnet oder gar direkte Zahlungen als mögliche Leistung eingeschlossen (Piattoni 2001b: 7ff.; Kitschelt/Wilkinson 2007b), verwischt die Differenz zum Begriff der Korruption; sie kann nur noch daran festgemacht werden, dass es der einen Seite eben speziell um Wählerstimmen geht. Schließt man direkte Geldzahlungen aus und betrachtet administrative Entscheidungen als die Währung, in der Wählerstimmen erworben werden (Hopkin 2001: 117), ist zwar die Differenz zum Begriff der Korruption stärker markiert. Aber ihre theoretische Bedeutung bleibt unklar, wenn viele jener administrativen Entscheidungen indirekt doch zu Geldzahlungen führen.
Vor diesem Hintergrund führt Hilgers (2011) Dauerhaftigkeit und Diffusität der Beziehung als weitere definitorische Merkmale an (so auch Komito 1984: 176), die notwendig sind, um Klientelismus von Korruption, Stimmenkauf und anderen informellen Varianten politischen Austauschs abzugrenzen. Hanke (1999: 283) betrachtet die Identifikation von Amt und Person als ein konstitutives Merkmal klientelistischer Beziehungen. Patrone werden eben nicht als Amtsträger, sondern als Personen adressiert, was damit einhergeht, dass Klienten persönlich mit ihnen in Kontakt treten und dabei implizit oder explizit auf ein gemeinsames Band Bezug nehmen, das in der persönlichen Bekanntschaft, der Fürbitte einer Mittlerperson, aber auch in der Mitgliedschaft in der gleichen Partei bestehen kann.
Angesichts dieser persönlichen Adressierung sind manche Autoren grundsätzlich skeptisch, was den Tauschcharakter der Beziehung angeht. Sie verweisen darauf, dass die Akteure selbst ihr Handeln keineswegs als einer Logik des Austauschs folgend verstehen (Auyero 2001: 121f.). Die performative Dimension klientelistischer Beziehungen, die Interesselosigkeit und das Kümmern um individuelle Probleme zur Schau stellt, verbirgt den Aspekt des Tausches und macht gerade die Besonderheit des Klientelismus aus. Diese Ambivalenz der klientelistischen Beziehung zwischen Tauschlogik einerseits und nicht-instrumentellen, diffus-partikularistischen Zügen andererseits, bringen Eisenstadt und Roniger (1980: 52ff.) mit der Beschreibung der Gabe als generalisiertem Tausch bei Mauss (1984) in Verbindung. Sie betonen, dass instrumentelle und symbolisch-legitimierende Aspekte in klientelistischen Beziehungen miteinander verwoben sind.
Festhalten lässt sich, dass Definiti

Erscheint lt. Verlag 8.4.2016
Zusatzinfo 4 Abb.
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Vergleichende Politikwissenschaften
Schlagworte Bürokratie • EU • Europa • Griechenland • Irland • Korruption • Macht • Parteien • Politiker • Politikwissenschaften • Verwaltung
ISBN-10 3-593-43393-1 / 3593433931
ISBN-13 978-3-593-43393-6 / 9783593433936
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