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Weiter! (eBook)

Wie Bette Davis mir das Leben rettete
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
208 Seiten
Kailash (Verlag)
978-3-641-31896-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Weiter! -  Katharina von der Leyen
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»The key to life is accepting challenges«: Der Schlüssel zum Leben liegt darin, Herausforderungen anzunehmen.
Als Katharina von der Leyen an einem seltenen Hirntumor erkrankt, beschließt sie, nicht dem Tode ins Auge zu blicken, sondern dem Leben. Ihrem Leben. Dies hatte bislang so gar nichts mit der Situation gemeinsam, in der sie sich plötzlich wiederfindet: triste Krankenhauszimmer, niederschmetternde Tumorkonferenzen und kräftezehrende Monate mit Chemotherapien. Vor allem aber einer Lage, die ihr unbekannt ist: Hilflosigkeit und Abhängigkeiten von anderen.

Im Gegenteil: die Journalistin hatte früh einen selbstbewussten und oft eigensinnigen Weg beschritten. Als junge Frau nutzte sie jede Gelegenheit, die Welt zu erobern - ob als Redakteurin der australischen Vogue in Sydney oder als Assistentin von Lauren Hutton, die sie in einem Münchner Biergarten angesprochen hatte. Anstatt sich in den Glitzerwelten der Modebranche oder Hollywood niederzulassen, nahm sie immer ungewöhnliche Ausfahrten und fand sich an überraschenden Orten und in erstaunlichen Gesellschaften wieder, ob als Seehund-Pflegerin im Zoo von Sydney oder als Cowgirl auf einer Ranch in New Mexiko.

Was all das mit ihrer Erkrankung zu tun haben könnte, wird ihr erst beim Schreiben dieses Buchs bewusst: Sie begreift die ungewöhnlichen Stationen und Momente ihres Lebens, zu denen plötzlich auch der Aufenthalt auf einer Intensivstation gehört, als logische Gesamtheit eines, ja, ihres Schicksals. Ihre charakteristische Art, die Welt zu erleben, erweist sich als maßgeblich für ihr Überleben. So wie die Verbundenheit zu Freunden und Weggefährten, zu denen nicht nur besondere Menschen, sondern auch besondere Hunde, Ziegen, Schafe und Hühner zählen - allesamt sehr spezielle Charaktere.

Ihrer Lebensbetrachtung stellt sie das Zitat der großen Diva Bette Davis voran, »The key to life is accepting challenges«: Der Schlüssel zum Leben liegt darin, Herausforderungen anzunehmen. Was diese Lebenserzählung so außergewöhnlich macht, ist, dass sie den Tiefpunkten und schmerzlichen Erfahrungen während der Krebserkrankung mit der gleichen kraftvollen Neugier begegnet, wie den schillernden Augenblicken und Momenten des Hochgefühls. An jedem Punkt, so verrät bereits der Titel, erkennt sie die Richtung: Weiter.

Katharina von der Leyen, 1964 in München geboren, ist freie Journalistin und Autorin. Schon vor dem Abitur begann sie für namhafte Zeitschriften zu schreiben. Während längerer Auslandsaufenthalte in Europa, Australien und den USA war sie u. a. für die VOGUE, das ZEIT Magazin, die FAZ oder Architectural Digest tätig. Neben erzählenden Sachbüchern und beliebten Ratgebern zu Hunden und Hühnern hat Katharina von der Leyen mehrere Beststeller geschrieben, darunter CHARAKTERHUNDE (2001), LEINEN LOS (2015), ANGELEINT! (2018) und DIE ZWEITE CHANCE (2020). Sie lebt auf einem Hof zwischen München und Salzburg mit vielen Tieren.

3


Ich lebe mit einer veränderlichen Anzahl an Hunden und Hühnern sowie vier Ziegen und zwei Schafen in einem alten Bauernhaus in der bayerischen Pampa: Außer Feldern, Wiesen und Wäldern gibt es hier nichts. Der Straßenverkehr besteht aus Traktoren und anderen Erntegeräten, und wer sich überfahren lassen möchte, muss sorgfältig planen, wann die Post geliefert wird. Eines Morgens spazierte ich mit meinen Hunden den kleinen Hügel vor meinem Haus hinunter, als mir so wahnsinnig schwindelig wurde, dass ich umfiel – aber nicht so, wie man normalerweise bei Schwindel fällt, nämlich seitlich oder nach vorne: Stattdessen kippte ich flach nach hinten. Da lag ich nun im Schnee wie ein großer zappelnder Käfer im schwarzen Daunenmantel und konnte nicht mehr aufstehen, während meine Hunde um mich herumstanden und mich ratlos betrachteten; denn üblicherweise treibe ich sie mit einem zackigen »Weiter!« voran. Nach einer halben Stunde, in der ich völlig bewegungslos den blassen Wolkenhimmel betrachtete, war mein Anfall von Fallsucht vorbei, und ich wankte benommen nach Hause.

Im Nachhinein hätte die Beschreibung dieser Art des Umfallens den verschiedenen Ärzten schon sagen können, dass sie sich möglicherweise einmal mit meinem Kopf ­beschäftigen sollten, denn, wie mir viele, viele Monate später ein Notarzt bestätigte: So fällt man nur, wenn mit dem Gehirn etwas nicht stimmt. Aber so richtig schlau ist man ja oft erst hinterher.

Mein Bett wurde auf einmal zu meinem zentralen Lebensort. Dabei bin ich niemand, der gerne lange schläft, ausschweifend liegen bleibt und es sich zwischen vielen Kissen gemütlich macht: Dafür habe ich immer viel zu viel zu tun, people to see, places to go. Anfang März verbrachte ich ein ganzes Wochenende zwischen meinen ­Kissen (nicht so, wie man es sich gerne vorstellen würde, sondern allein, unter ein paar Hunden begraben), zu schwach, um einen vernünftigen Spaziergang zu machen oder auch nur die Hühner zu füttern.

Ich beschloss, mich in ein Krankenhaus zu begeben, um mich von oben bis unten genau und mit Blick auf einen umfassenden körperlichen Zusammenhang ansehen zu lassen.

Das »genaue Ansehen« sollte dann länger dauern als gedacht. Ein junger indischer Arzt (der wirklich so jung aussah, dass ich mich kurz fragte, ob er überhaupt schon Autofahren durfte) in einer hiesigen Spezialklinik für Neurologie versicherte mir, ich würde mit meinem Leben spielen, wenn ich das Krankenhaus jetzt auch nur kurz verließe – und sei es, um mir zu Hause eine Zahnbürste und einen Schlafanzug einzupacken. Dabei warteten dort ernst zu nehmende Zahlen alleinerzogener Hunde, Hühner, Ziegen und Schafe, die ich kaum sich selbst überlassen konnte. Aber wie das so ist in Zeiten des Krieges: Man bewältigt Dinge, die man sich kaum zugetraut hätte. Innerhalb weniger Stunden schaffte ich es irgendwie, den ganzen Zoo gleichmäßig auf Bekannte, Nachbarn und Freunde zu verteilen, und legte mich am Tag darauf in ein Krankenhausbett, aus dem ich lange nicht mehr aufstehen sollte. Was zu diesem Zeitpunkt aber noch keiner ahnte.

Man geht ins Krankenhaus im festen Glauben, dass man dort nicht lange bleibt. Das soll auch so sein: Krankenhausaufenthalte sind teuer, und deshalb wird man, sofern man sich nicht gerade in akuter Lebensgefahr befindet, möglichst bald wieder entlassen. Ich war fest davon überzeugt, dass ich nach spätestens einer Woche wieder zu Hause wäre, denn ich hatte ja zu tun nach den Wochen meiner gesundheitlichen Ausfälle.

Daraus wurde nichts. Die Zusammenfassung meiner einzelnen Symptome wies die Neurologen dieser Klinik endlich darauf hin, dass wohl irgendetwas mit meinem Gehirn nicht in Ordnung war.

Die genauere Betrachtung meines Körpers begann mit einer »Lumbalpunktion«. Das verdirbt einem gleich zu Anfang jeglichen Spaß: Im Bereich der Lendenwirbel wird aus dem Wirbelkanal mit einer Nadel etwas Hirn- oder Rückenmarksflüssigkeit (auch Hirnwasser genannt) entnommen und im Labor untersucht, um mögliche Erkrankungen oder Entzündungen im Gehirn oder Rückenmark zu finden. Diese sogenannte »Liquoruntersuchung« ist genauso unangenehm, wie sie sich anhört, und man genießt das volle (üblicherweise nicht sehr ausgeprägte) ­Mitleid der ausführenden Ärzte. Aber es führte kein Weg daran vorbei. Es fanden sich ein paar entzündete Zellen, aber das Ganze war irgendwie diffus: Da war zwar was, aber nicht genug, um beispielsweise eine bakterielle Gehirnhautentzündung zu diagnostizieren. Was so schön einfach, weil gut behandelbar gewesen wäre. Es war die Rede von einer geschwollenen Arterie im Gehirn und »einer Art chronischer Meningitis«, aber Genaueres wusste man nicht. Ich musste mich andauernd übergeben, hinzu kamen Sehstörungen: Überall in meinem Sehfeld sah ich schwarze Punkte, aus denen nach einer Woche schwarze Wolken wurden. Lesen ging nicht mehr, Schreiben wurde schwierig (ich schrieb sozusagen »aus der Erinnerung« vor mich hin, wenn ich auch zugeben muss, dass ich das Meiste davon mittlerweile nicht mehr entziffern kann). Ich wurde »auf Verdacht« nach dem Gießkannenprinzip mit einem Medikament gegen Viren, mit starken Schmerzmitteln und mit hochdosiertem Kortison behandelt. Damit sollte mein Gehirn zum Abschwellen gebracht werden, denn die Kopfschmerzen wurden immer massiver. Das Ergebnis war, dass ich tatsächlich bald wieder besser sprechen konnte, ohne zu stottern. Dafür wirkte das Kortison bei mir wie ein Doping-Mittel: Ich redete in einem solchen Tempo, dass manchen meiner Gesprächspartner Angst und Bange wurde. Es war immerhin besser als das wirre Kauderwelsch, das ich noch kurz zuvor von mir gegeben hatte: Das war so weit gegangen, dass sich ein Freund von mir nach einem Telefonat bei einem anderen Freund erkundigte, ob ich verrückt geworden sei, weil ich so dummes Zeug gefaselt hatte. »Aber nein, gar nicht«, beruhigte ihn der andere Freund, »die hat wohl bloß was im Gehirn.«

Ich lag auf einer neurologischen Spezialabteilung, geführt von einem älteren Oberarzt mit langem grauen Zopf, Harley-T-Shirt und Jeans unter dem offenen weißen ­Kittel, dessen Spezialgebiet neurologische Entzündungen waren. Er war sehr bemüht um mich, ich schien ein interessanter Fall zu sein, den er nur ungern mit anderen Ärzten in der Klinik teilen wollte.

Ich lag in einem Zweibettzimmer. Eine andere Möglichkeit bot sich nicht, denn die Klinik war voll bis unters Dach. Meine Zimmernachbarin war eine recht verwirrte 76-jährige Dame, die mir erklärte, sie habe einen Schlaganfall gehabt. In Wirklichkeit hatte sie einen so massiven epileptischen Anfall erlitten wie nie zuvor, aber daran konnte sie sich ebenso wenig erinnern wie an die Tat­sache, dass sie unter einer Penizillin-Allergie litt. Genau dieses Mittel bekam sie von den Ärzten, die von dieser Allergie ja nichts wussten, munter verabreicht, was bei der Patientin zu entsetzlichen Ausschlägen und Juckattacken führte, die uns beide und die Nachtschwestern um den Schlaf brachten. Ihr Sohn war Naturheilpraktiker, weshalb sie alle Tabletten, die man ihr zur Linderung oder Besserung ihres Zustandes verabreichte, prinzipiell ausschlug, weil Schulmedizin abzulehnen sei, was ihr wiederum insofern bestätigt wurde, als sie wirklich sehr an den Folgen ihrer Penizillin-Allergie litt. Ständig flogen die Tabletten in hohem Bogen durch das Krankenzimmer, einen Teil davon nahm sie ein, die anderen sammelte ich auf, manche fand ich erst wieder, wenn mein Bettzeug gewechselt wurde. Sie konnte ihre Familie nicht anrufen, weil sie selbst kein Handy hatte und mit der Telefonanlage im Zimmer nicht zurechtkam. Ich wurde zu einer Art Sekretärin für sie und erklärte ihr mehrfach täglich das Telefon, wenn ihr Mann anrief. Ich kämpfte bei den Schwestern darum, dass man ihr Essen stehen ließ oder es ihr wiederbrachte, weil sie vor lauter Schlaf zu wenig aß, und übersetzte den Ärzten alle möglichen Dinge, die sie mir erzählt, aber bei der Visite tunlichst verschwiegen hatte. Die Dame war ein Vollzeitjob, was auch den Pflegern klar war. Darum freuten sie sich auch so über mich: Ich machte meine Sache gut, auch wenn ich selbst kaum noch sprechen oder denken konnte. Man kann nur schwer zur Ruhe kommen, wenn man den ganzen Tag lang mit den Wasserstandmeldungen anderer Schwerkranker konfrontiert wird, aber so ist das nun einmal in Krankenhäusern. Immerhin waren wir nur zu zweit im Zimmer und die Bauarbeiten vor dem Fenster fingen gnädigerweise auch immer erst um sieben Uhr an. Da sind die Patienten, die ihre ersten Medikamente und Blutuntersuchungen schon um halb sechs verabreicht bekommen, längst wach. Das Frühstück dagegen kommt erst drei Stunden später, gegen neun, dafür aber schon um elf das Mittagessen und um vier Uhr nachmittags das Abendessen. Warum das so ist, ist eines der großen Rätsel der globalen Krankenhaus-Koordination, auf das es keine Antwort gibt.

Das führt dazu, dass man zu den seltsamsten Zeiten sehr hungrig wird und mit seinem Schlafrhythmus vollkommen durcheinanderkommt. Wenn ich endlich eingeschlafen war, begann meine Zimmernachbarin in ihrem Bett zu toben. Gründe gab es dafür viele: der Juckreiz, die Angst, der unberechenbare Stuhlgang, der Weg zum Klo. Manchmal wachte sie mitten in der Nacht auf und sortierte bei voller Neon-Beleuchtung ihre Wäsche. Warum, blieb ihr Geheimnis.

In einem Krankenhaus kann man nicht gesund werden. Es geht einfach nicht: Dafür bräuchte man Ruhe, Luft, Schlaf und gute Ernährung. Nichts davon gibt es dort. Im Krankenhaus geht es darum, herauszufinden, woran ein Patient leidet, und ihn dementsprechend so einzustellen, dass er entlassen und möglichst woanders gesund werden kann.

Ich vermisste mein Zuhause, als würde mir eine bestimmte...

Erscheint lt. Verlag 6.11.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Schlagworte 2024 • Angst vor dem Tod überwinden • Chemotherapie • eBooks • Gesundheit • gut durch die krebstherapie • Heilung • Hirntumor • Hoffnung finden • hunde expertin • Kampf gegen Krebs • Krebs Buch • Krebserkrankung • Krebsmemoir • Krebszellen mögen keine Himbeeren • Lebensgeschichte • Mut Buch • Mut machen • Neuerscheinung • Persönlichkeitsentwicklung • Ratgeber
ISBN-10 3-641-31896-3 / 3641318963
ISBN-13 978-3-641-31896-3 / 9783641318963
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