Dein Workbook gegen Kopfchaos (eBook)
176 Seiten
Kösel (Verlag)
978-3-641-31375-3 (ISBN)
Dieses Arbeitsbuch ist ein praktischer Alltagshelfer und eine Informationsquelle für neurodivergente Menschen mit AD(H)S, Hochsensibilität oder Autismus. Um mit ihrem speziellen neurodivergenten Nervensystem den Alltag gut zu meistern, brauchen Betroffene andere Wege und Möglichkeiten, um mit Reizen, Stress oder Arbeitsanforderungen umzugehen. Diese liefert Coachin Katharina Schön in ihrem Workbook mit konkreten und »neurodivergent-gehirn-gerechten« Strategien, Methoden und Reflexionsaufgaben zu den größten Problemfeldern wie Aufschieberitis, Umgang mit Emotionen und Stress sowie das Erkennen von eigenen Bedürfnissen. So werden Selbstakzeptanz, Mut und Selbstbewusstsein gefördert.
Katharina Schön ist selbst mit ADHS und Autismus spätdiagnostiziert und hat sich in ihrer Arbeit als Coachin und systemische Beraterin auf Neurodiversität spezialisiert. Sie hat als @guardianofmind in den Sozialen Medien über 160.000 Follower.
Katharina Schön, Jahrgang 1988, ist Trainerin und Systemische Coachin und selbst spätdiagnostiziert mit AD(H)S und Autismus. Sie hat BWL und Wirtschaftspsychologie studiert. Ziel ihrer Arbeit ist es, Psychoedukation für jeden zugänglich zu machen sowie zur Entstigmatisierung der Neurodivergenzen AD(H)S, Autismus und Hochsensibilität beizutragen. Dafür nutzt sie auch ihre erfolgreichen Social-Media-Kanäle. Unter @guardianofmind hat sie auf TikTok und Instagram insgesamt über 160.000 Follower.
Das neurodivergente Spektrum
Diese Visualisierung soll die Komplexität von Neurodiversität fassbar machen: Der große Kreis umfasst alle Menschen: neuronormative und neurodivergente. Im äußersten Bereich befinden sich neuronormative Menschen. Innerhalb des großen Kreises befindet sich ein kleinerer Kreis, der die vielfältigen Neurodivergenzen darstellt. Neurodivergente Menschen befinden sich also mitten in der neuronormativen Gesellschaft. Sie stellen außerdem eine »Neuro-Minderheit« dar.
Im Zentrum des neurodivergenten Spektrums stehen ADHS und Autismus. Mit diesen beiden Neurodivergenzen gehen oft zusätzliche Begleiterscheinungen, auch genannt Komorbiditäten, einher, wie
- Lese-Rechtschreib-Schwäche (Dyslexie und Dysgraphie),
- Zahlen- und Rechenschwäche (Dyskalkulie),
- eine Schwäche der Grob- und Feinmotorik (Dyspraxie) oder
- unwillkürliche Bewegungen und Lautäußerungen (Tourette und Tics).
Vor ein paar Jahrzehnten wurden Begriffe geprägt, um typische Verhaltensweisen zu beschreiben, die damals ADHS oder Autismus noch nicht eindeutig zugeordnet werden konnten. Sie waren darauf ausgerichtet, den Fokus auf die Stärken Betroffener zu lenken. Mit den Begriffen »Scanner-Persönlichkeit« und »Hochsensibilität« wurde der Fokus von den Herausforderungen auf die positiven Merkmale und Talente Betroffener gelegt.
In den 1990er Jahren prägte Barbara Sher den Begriff der »Scanner-Persönlichkeit«. Bei ihr selbst wurde die hypoaktive Form von ADHS diagnostiziert, ehemals als ADS bekannt. Sie war Autorin, Karriereberaterin und Coach. Sie spezialisierte sich auf die Herausforderungen ihrer Zielgruppe und konzentrierte sich eher auf Menschen, die »aus gutem Hause kamen« und vermutlich keine größere Existenzangst hatten, wenn sie auf Barrieren in ihrer Karriere stießen. Aufgrund der finanziellen Stabilität ihrer Klientel konnte diese sich Auszeiten nehmen, sich weiterbilden oder Interessen nachgehen, ohne sich um finanzielle Engpässe sorgen zu müssen, und trotzdem ihren Lebensstil fortsetzen. Mit einigen bedarfsgerechten Anpassungen und dem Bewusstsein, nicht defizitär zu sein, konnten sie ihre Stärken entwickeln und einen passenden Beruf finden.
Auch der Begriff der Hochsensibilität wurde Ende der 1990er Jahre geprägt, und zwar von der Psychologin Dr. Elaine Aron. Obwohl sie sich als introvertiert identifizierte, erkannte sie, dass sie zusätzliche Merkmale besaß, die stärker ausgeprägt waren als in den gängigen Beschreibungen von Introversion. Besonders den Bereich der Sensibilität gegenüber Reizwahrnehmungen identifizierte sie als spannenden Forschungsgegenstand.
Leider besteht bei den Begriffen »Hochsensibilität« und »Scanner-Persönlichkeit« auf mehreren Ebenen eine Problematik. Einerseits fördern wir durch ihren Gebrauch eine Form von Behindertenfeindlichkeit. Indem solche Euphemismen benutzt werden, wird suggeriert, dass auf den darunterliegenden Neurodivergenzen, die mit gewissen Herausforderungen verbunden sind, etwas Schändliches liegt. Eine Neurodivergenz ist jedoch lediglich eine andere »Verdrahtung« im Gehirn, die es wert ist, angenommen und nicht als etwas Negatives dargestellt zu werden. Außerdem führt diese Verschleierung dazu, dass wir uns von wissenschaftlichen und medizinischen Grundlagen entfernen, die es erschweren, die Herausforderungen und Stärken empirisch zu untersuchen. Darüber hinaus kann sie zu Verwirrung führen und dazu beitragen, dass Menschen sich nicht die Hilfe und Unterstützung suchen, die sie benötigen. Wir verfehlen die Chance, die Gesellschaft über ADHS und Autismus aufzuklären und sie dafür zu sensibilisieren, wenn wir sie mit anderen Bezeichnungen verschleiern. Indem wir die korrekten Begriffe benutzen, fördern wir die Normalisierung und Akzeptanz neurologischer Unterschiede, was zu einer inklusiveren und unterstützenden Umgebung für alle Menschen führen kann.
Die Forschung zum Merkmal der sensorischen Verarbeitungssensitivität (Hochsensibilität) steckt auch nach mehr als 25 Jahren immer noch in den Kinderschuhen. Zukünftige Studien werden dazu beitragen, sie besser zu verstehen und auch die Überschneidungen und Unterschiede zu ADHS und Autismus zu ergründen. Ob Hochsensibilität nur ein Merkmal bestimmter Ausprägungen der beiden Neurodivergenzen ist oder als alleinstehende Neurovariante gesehen werden kann, wird sich zeigen.
Im Kontext von Autismus besteht häufig eine fehlerhafte Auffassung des Begriffs »Spektrum«. Bei der Verwendung dieses Ausdrucks denken viele Menschen an eine regenbogenfarbene Linie, vergleichbar mit dem Lichtspektrum. Die hartnäckige Vorstellung, dass »jeder Mensch ein bisschen autistisch ist«, erfordert daher Aufklärung. Das Autismus-Spektrum erstreckt sich nicht linear von »ein wenig autistisch« bis »sehr autistisch«. Entweder ist eine Person autistisch oder nicht – vergleichbar mit den Spezies Katze und Hund: Beide Spezies sind Säugetiere und haben viele Gemeinsamkeiten. Ein Hund ist aber nicht »ein bisschen Katze«, weil er auf vier Pfoten läuft und Fell besitzt. Bei der Neurodivergenz Autismus befinden sich die Merkmale auf einem kreisförmigen Spektrum. Die Fähigkeiten eines autistischen Menschen sind dabei so ausgeprägt, dass das Profil »stachelig« ist. Das bedeutet, dass die autistische Person in manchen Bereichen überdurchschnittliche Fähigkeiten besitzt, in anderen, wie zum Beispiel dem Alltag, jedoch ohne Unterstützung große Probleme hat. Es kann auch vorkommen, dass unerkannt autistische Menschen viele Jahre ihres Lebens ihre Herausforderungen kompensieren können. Das gelingt meist nur so lange, bis es zu einer Vielzahl körperlicher und psychischer Erkrankungen (Diabetes, Bluthochdruck, Fibromyalgie, Angststörungen, Depression u.v.m.) oder sogar zu einem kompletten Zusammenbruch kommt.
Das vorherige Schaubild stellt den Unterschied zwischen neuronormativen und autistischen Menschen dar. Bei neuronormativen Menschen »läuft es rund«. Jeder Mensch hat Stärken und Schwächen, daher kann der Kreis bei neuronormativen Menschen auch in eine Richtung tendieren. Grundsätzlich gibt es jedoch erhebliche Unterschiede, die Autismus zur Behinderung machen. Besonders bei weiblich sozialisierten und weiblich gelesenen Menschen bleibt Autismus oft bis ins Erwachsenenalter unerkannt. Da er sich bei Mädchen und Frauen anders zeigt und viele ihre autistischen Verhaltensweisen schon ab einem jungen Alter zu verstecken lernen, kann es sein, dass sie erst mit 30, 40 oder 50 Jahren erkennen, dass sie autistisch sind. Sie denken oft, dass sie »feinfühlig« sind, oder identifizieren sich als hochsensibel.
Auch im Kontext von ADHS besteht die Möglichkeit, den Irrtum zu begehen, dass das Spektrum von »ein wenig ADHS« bis zu »starker ADHS« reicht. Ein weiterer möglicher Fehlschluss könnte darin bestehen, anzunehmen, dass die drei Hauptausprägungen auf einer geraden Linie festgelegt sind: Die hyperaktive Ausprägung definiert ein Ende, die hypoaktive das andere und die Kombiform befindet sich in der Mitte. Tatsächlich ist das nicht der Fall. Auch die vielen Facetten der Neurodivergenz ADHS werden am besten durch ein kreisförmiges Spektrum dargestellt.
Es mag sein, dass sich gelegentlich auch neuronormative Individuen mit den Herausforderungen identifizieren können, denen ADHS-Neurodivergente täglich gegenüberstehen. Laien könnten stressbedingte Verhaltensweisen im Alltag fälschlicherweise für ADHS-typische Merkmale halten, was leider weiterhin zum Klischee »jeder hat ein bisschen ADHS« führt. Das spiegelt jedoch nicht die tatsächliche Lebensrealität wider, denn Menschen mit der angeborenen Neurodivergenz ADHS erleben im Alltag aufgrund ihrer Gehirnfunktion und ihres Nervensystems deutlich mehr Stress als neuronormative Menschen. Das bedeutet nicht, dass es mit einem ADHS-Gehirn unmöglich ist, seine Verhaltensmuster zu ändern oder Symptome zu verbessern. Es bedeutet, dass der Aufwand größer sein kann und dass ADHS-Neurodivergente an manchen Dingen mehr arbeiten müssen als neuronormative Menschen. Mit den richtigen Strategien und Methoden ist das möglich.
Die wichtigsten Begrifflichkeiten rund um Neurodiversität
Neurodiversität
Als Neurodiversität wird die Vielfalt der neurokognitiven Funktionen der menschlichen Spezies bezeichnet. Sie ist ein biologischer Fakt. So wie es Biodiversität in der Natur gibt, gibt es Neurodiversität bei Menschen. Sie besteht als Konzept zur Beschreibung andersartiger Funktionsweisen des Gehirns bei Menschen und als soziale Bewegung.
Neurodivergenz
Neurodivergenz ist ein bestimmtes Muster an neurokognitiven Funktionen eines einzelnen Menschen, das von der Funktionalität der Mehrheitsgesellschaft abweicht. Neurodivergenz beeinflusst das Denken, Fühlen, Lernen und Verhalten sowie die Kommunikation und Wahrnehmung einer Person. Angeborene Neurodivergenzen sind zum Beispiel ADHS, Autismus oder Legasthenie. Erworbene Neurodivergenzen sind Persönlichkeitsstörungen, psychische Erkrankungen und Resultate von Unfällen, die die Kognition beeinflussen.
Neurovariante
Der Begriff Neurovariante steht für alle Funktionstypen von Gehirnen. Der Begriff betont, dass es nicht den einen »normalen« Gehirntyp gibt. Eine Neurovariante kann also der Typ »Neuronorm« sein, andere sind die Typen ADHS, Autismus...
Erscheint lt. Verlag | 21.8.2024 |
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Zusatzinfo | Durchgehend zweifarbig |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebenshilfe / Lebensführung |
Schlagworte | 2024 • 6 Minuten Tagebuch • AD(H)S • ADHS • ad(h)s: die versteckte kraft in uns • Angelina Boerger • Arbeitsbuch • Autismus • besser fühlen • Das Date mit dir Selbst • dr. leon windscheid • dr. med. astrid neuy-lobkowicz • eBooks • Ein guter Plan • Gesundheit • guardianofmind • Hochsensibel • Hochsensibilität • Kirmes im Kopf • mentale Gesundheit • Neuerscheinung • neurodivergent • Neurodiversität • Persönlichkeitsentwicklung • Psychologie • Ratgeber • Sacha Bachim • Selbstakzeptanz • Stress • Therapie to go • tom bobsien • Verhaltensstörungen • weibliche ad(h)s |
ISBN-10 | 3-641-31375-9 / 3641313759 |
ISBN-13 | 978-3-641-31375-3 / 9783641313753 |
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