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Ein Rauhnacht-Märchen (eBook)

aus dem Tal der vier Winde

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
352 Seiten
unum, ein Imprint von GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH
978-3-8338-9544-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein Rauhnacht-Märchen -  Alexa Szeli
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Eine Geschichte voller Magie ... für die Zeit zwischen den Jahren Eine uralte Siedlung, hoch im Norden. Zwischen Eiben und Tannen, Weißdorn und Hollerbusch, schroffem Stein und wildem Bach pulsiert die Magie. Sieben Häuser stehen dort, um den Brunnen herum, zwei weitere befinden sich am Hang. Es ist die Zeit der Rauhnächte. Jemand besucht die Häuser. Ist es Freyja in ihrem Falkengewand? Fasziniert beobachtet sie die Menschen vom Tal der vier Winde, vom Clan der Bären, der Füchse und der Wölfe. Ein besonderes Rauhnacht-Märchen, durchtränkt vom Wissen des alten Pfades. Die Mythen des Nordens verzaubern dich. Begib dich auf eine Reise in die zeitlose Mystik der alten Welt. Du bist eingeladen, tief einzutauchen und dich der Einkehr, Reflexion und Rückverbindung zu widmen.

Alexa Szeli, Jahrgang 1974, studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaften. Im Jahr 2014 gründete sie den Blog 'Taste of Power', um neben ihrem Hauptberuf über spirituelle Themen zu schreiben. 2019 machte sie sich damit selbstständig. Ihr erstes Buch 'Der alte Pfad und die Rauhnächte' (ET 2019) stand auf Anhieb über Wochen auf den ersten Plätzen der BoD-Bestsellerliste. Dies wiederholt sich seitdem jährlich in der Vorweihnachtszeit.

Alexa Szeli, Jahrgang 1974, studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaften. Im Jahr 2014 gründete sie den Blog "Taste of Power", um neben ihrem Hauptberuf über spirituelle Themen zu schreiben. 2019 machte sie sich damit selbstständig. Ihr erstes Buch "Der alte Pfad und die Rauhnächte" (ET 2019) stand auf Anhieb über Wochen auf den ersten Plätzen der BoD-Bestsellerliste. Dies wiederholt sich seitdem jährlich in der Vorweihnachtszeit.

Hinweis zur Optimierung
Impressum
Eine Begegnung mit der Schnitterin
Eine wahre Geschichte
Vertiefe deine Rauhnächte
Epilog
Über die Autorin

DIE MŌDRANIHT


Auf der Schwelle zwischen dem Reich der Träume und dem beginnenden Tag, höre ich den Knochenbeutel rasseln. Die Schnitterin, die Tödin, die Winterhex, die alte Hag, sie kichert leis‘ zur blauen Morgenstunde. Ihr eisiger Atem legt sich über Wasser, Wald und Wiesen. Der Nebel, gleichsam einem Flüstern, raunt: „Wach auf, Erdenkind, wach auf. Die Rauhnächte beginnen.“ Es ist die Mōdraniht, die Mütternacht, die heiligste Zeit des Jahres, geborgen im Schoß rabenschwarzer Finsternis. Es ist die Nacht der Wintersonnenwende. Ich spüre es: Eine fast greifbare Erwartung schwebt in der Luft. Etwas geschieht, regt sich in der Tiefe.

Ich springe aus dem Bett. Der Ruf der Schnitterin zieht mich fort von zu Hausʼ. Ich verlasse meine kleine Hütte in der Tiefe des Waldes, um einen der vielen Kraftplätze in der Umgebung aufzusuchen. Je näher ich der alten Höhle komme, desto mehr verliere ich mich in Raum und Zeit. Schleier sind dünn in dieser Zeit. Die Dimensionen vermischen sich.

Ich bin ein Erdbauchkind. Höhlen sind mein Seelenhaus. In der Welt der Wurzeln atme ich auf. Ich habe ein dichtes Fell dabei und lasse mich auf dem steinigen Boden nieder. Meine Augen schließen sich und mein Geist geht auf die Reise. War es eben noch Tag, beginnt in der anderen Welt soeben die Nacht. Das Abendrot lässt mich tiefer sinken. Hinein in dieses Reich, welches alles zersetzt und neu gebiert. Sanft schmiege ich mich in den Mutterboden. Raben kreisen immerfort über mir und erzählen Geschichten von der Welt. Leise nur erklingt ihr Ruf in der Ferne der Nacht. Magie flimmert, verwebt die Räume. Sie vibriert in den Knochen. Müde sind sie vom Jahr. Ich krieche eine Höhle weiter. Verliere mich im Fell von Mutter Bär.

„Bald“, flüstert mein Krafttier, ehe es wieder schläft. »Ja«, denke ich, »bald.« Den wilden, animalischen Duft atmend, lausche ich fasziniert dem gleichmäßigen Rhythmus ihres Herzens.

„Ja, große Bärin, bitte schlag die Trommel“, raune ich leis‘, ehe mein Geist mehr und mehr versinkt.

Im Traum webe ich mich tiefer in den erdigen Schoß. Sickere ich der unausweichlichen Geburt entgegen. Die Kontraktionen im Erdenbauch nehmen zu. Ich spüre den Puls. Mein Atem steht nahezu still. Da! Die rote Glut des Erdkerns bäumt sich auf. Sie ist bereit zur Eruption. Jetzt, in dieser Nacht, eingeschlossen im Schoß von Mutter Erde, passiert das Wunder: Das Licht, die Sonne wird neu geboren. Es ist wie im Leben. In den dunkelsten Schatten wartet der eine Funke, der alles zum Leuchten bringt. Die neue Sonne steigt auf, trägt mich mit sich fort, zurück in das Fell der Bärin.

Wieder rasseln die Knochen. Meine Augen öffnen sich, suchen das feixende Gesicht der Winterhex‘.

„Hab ich dich!“ Dort im Verborgenen steht sie. Silberfäden glänzen in ihrem schlohweißen Haar. „Jetzt wach auf, Erdenkind, wach auf. Die erste Rauhnacht beginnt.“ Lichter Nebel verlässt den faltigen Mund. Ihre Pupillen, dunkler als die Nacht, weiten sich. Sie lacht unbekümmert wie ein junges Mädchen, doch hager sind Gesicht und Gebein.

„Sag, Schnitterin, wohin soll ich gehen?“

„Zur Quelle, Kind, zur Quelle. Folge dem Pfad der Ahninnen. Reise mit der Falkin. Nordwärts geh, immer nordwärts. Halt ein im Tal der vier Winde, eingebettet zwischen Felsen und Moos. Sieben Häuser, dreizehn Geschichten. Eile geschwind.“ Kaum hat sie gesprochen, ist sie fort, einmal mehr mir entwischt. Nur ihr Kichern hallt in den Wänden nach.

„Folge dem Pfad der Ahninnen. Halt ein im Tal der vier Winde. Die Falkin. Zur Quelle. Eile.“ Müde erwehre ich mich des Wunsches, tiefer ins Fell der Bärin zu sinken und gebe mir einen Ruck.

„Bis bald, Mutter Bär.“ Ich ertaste die schroffen, archaischen Wände. Folge der schwindenden Spur der alten Hag. Der raue Gesang eines uralten Liedes vibriert in meiner Seele:

»Erdmutter,
Dunkelmutter,
Schädelmutter,
Knochenmutter,
Blutig rot ihr glühend Schoß,
wie das Morgenrot und das Abendlicht,
wenn die Sonne die Naht zwischen
Tag und Nacht zerbricht.«

Roh und ungeschliffen ist der Klang. Ursprünglich, unverfälscht. Meine Hände tasten sich weiter vor an der felsigen Wand, bis ich den Ausgang finde und Haut und Haar im Mondlicht baden.

Ich bin zurück aus meiner Trance, oder nicht? Tonlos, wie ein Bergsee, gleitet die Nacht durch Zeit und Raum. Vielleicht hält sie inne, wohlwissend, dass jeder weitere Tag an Stärke gewinnt. Oder wartet sie auf den Sturm? Meine Augen suchen am mondfarbenen Himmel nach Odin, Frigg und der wilden Jagd. Gott und Göttin und ihre Heerschar verlorener Seelen, Geistwesen – das Totenheer. Flankiert von krächzenden Raben, schwarz wie die Nacht selbst. Odin reitet auf seinem achtbeinigen Pferd, Sleipnir genannt. Frigg steht mit der Peitsche auf ihrem Wagen, die durch die Finsternis knallt. Zahllose Wesen übertreten die Grenze zu unserer Welt – Götter und Geister, Hexen und Walküren, tote Seelen, allerlei Getier. Rosse wiehern, Wölfe jaulen. Klagegeschrei zerreißt die Nacht. Einst fürchtete das Volk die wilde Jagd wie der Teufel das Weihwasser. Vor allem im Gebirge tosten in der Winterzeit die Stürme. Sie brausten und krachten, dröhnten und wüteten um bergiges Land. Sausten Täler hinab, rüttelten an der Bauern Häuser. Unerbittlich zerfetzten sie die Stille der Nacht. Die Türen und Fenster fest verschlossen, hofften die Bauern, den dunklen Wesen zu entgehen. Düstere Geschichten am Feuer flossen schon den Kleinsten mit der Muttermilch ins Blut.

Selbst heute finden im Alpenraum, wie einst, die sogenannten Perchtenläufe statt. Zumeist Männer tragen gruselige Masken. Sie gebären sich furchterregend. Feuer glühen, Peitschen knallen, Böller pfeifen durch die Nacht, Glocken läuten, Töpfe werden geschlagen. Ein Heidenlärm ertönt bis in die Wolken hinein, um die finsteren Wesen anderer Welten zu vertreiben. Sie trommeln, sie fegen, sie schießen und schnalzen. Alles scheint erlaubt, Hauptsache, das Böse bleibt fern.

Die Percht ist eine Magna Mater, eine große Mutter. Dieser Archetyp kennt die Mysterien des Lebens und des Todes. Sie spinnt, webt und trennt die Lebensfäden. Du findest sie in Frau Holle, der Frigg oder der keltischen Wintergöttin Cailleach. All diese Göttinnen sind eine Göttin, allesamt verwoben, miteinander verbunden. Die Nacht der Percht ist die Perchtennacht, die Hollenacht, vom fünften auf den sechsten Januar eines jeden Jahres. Für mich persönlich ist es gleichsam eine Rauhnacht, die dreizehnte und letzte. Sie schließt einen Raum der Transformation. Sie ist eine Schwelle der Initiation. Lassen wir uns bewusst auf ihre Energie ein, so wartet Erneuerung. Mit dem Segen der weiblichen göttlichen Urkraft säen wir die Samen für das kommende Jahr. Neue Wege entfalten sich. Künftige Erfahrungen zappeln erregt. Sie warten darauf, durchlebt zu werden.

Wie die Holle kehrt die Percht in Haus und Hof ein. Sie schenkt ihren Segen dem Gebäude, dem Stall und dem Land. In den Gärten segnet sie die Apfelbäume. Sie sind die Frucht des Lebens. Im Märchen „Frau Holle“ ist der Apfel ein bewusst gewähltes Element. In einigen Gegenden ist es heute noch Brauch, die Bäumchen zu schütteln, um den Segen der Göttin zu empfangen. Diese Frucht spendet die Kraft des Lebens. So die Kunde. Wer sich seinen Aufgaben stellt, den belohnt am Ende das Leben, wie bei der Goldmarie.

Noch immer stehe ich im Mondlicht und lausche. Kein Laut ist zu hören. Es ruht die wilde Jagd hinter den Schleiern der Anderswelt, dem Reich der Ahnen. So bleibt mir Zeit, weiter zu berichten, mit dir zu reisen. Weben wir uns tiefer in die Rauhnachtszeit. Stets die Tiere im Blick, die nervös werden, wenn die Heerschar nicht mehr fern ist. Hast du ein Haustier, egal ob Katze, Hund, Schaf, Hase oder Pferd? Beobachte sie. Sie wittern die sich wandelnden Energien lange, bevor wir selbst sie erspüren. Zur Geisterstunde, so wird sich erzählt, sprechen sie mit menschlicher Stimme. Die Alten munkeln, wer es vernimmt, dem wird Böses geschehen. Ob es wahr ist? Ich vermag es nicht zu bezeugen. Eines indes ist gewiss, in den rauen Nächten erwachen Wunder. Warum ist das so? Was ist so besonders an dieser Zeit?

Komm, spitz deine Ohren, Erdling. Ich erzähle dir von einer längst vergangenen Zeit. Schau, wir richten uns nach dem Lauf der Sonne. Heute bemisst sich ein Jahr nach der Zeit, in welcher die Erde die Sonne einmal umrundet. Die Sonne ist der Ankerpunkt. Wir sehen sie am Tage, nicht wahr? Wusstest du, dass einst der Tag mit der Abenddämmerung erwachte? Die Arbeit war geschafft. Der Raum für Neues öffnete sich mit der Nacht. Jetzt hatte die Sippe Zeit füreinander. Sie speisten und tranken. So manch eine Geschichte verflocht sich mit den Flammen des Feuers. Kinder wurden gezeugt, Verstorbene beklagt. Der Zeitgeber für all dies war nicht die Sonne. Es war der Mond. Wie wir Menschen selbst wandelt er sich stetig. Er schwillt an und ab, zieht sich zurück und erneuert sich, erblüht und vergeht. Nebenbei bemerkt, gleicht dies dem Zyklus einer Frau und dessen drei Phasen: vor, während und nach dem Eisprung.

Eine Mondphase dauert 29,5 Tage. Zwölf lunare Monate ergeben 354 Tage und nicht 365 solare Kalendertage wie heute. Zwischen Mond- und Sonnenjahr klafft eine Lücke von elf Tagen und zwölf Nächten. Diesen Zwischenraum schließen die Rauhnächte. Sie sind ein Kontinuum außerhalb der Zeit. Und wie alle Schwellenzeiten bergen sie Geheimnisse, rätselhafte und wundersame Begebenheiten sowie...

Erscheint lt. Verlag 5.9.2024
Reihe/Serie unum
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Schlagworte Booktok • BookTok Germany • Frau Holle • Märchen • Mythologie • Rauhnächte • sperrnächte • TikTok • TikTok books • TikTok Germany
ISBN-10 3-8338-9544-6 / 3833895446
ISBN-13 978-3-8338-9544-9 / 9783833895449
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