Lehrer mit Asperger: Cool, kompetent, anders (eBook)
160 Seiten
Süddeutscher Pädagogischer Verlag GmbH
978-3-944970-44-8 (ISBN)
3. Bei der Bundesmarine
Wie das damals so üblich war, irgendwann erhielt ich im Alter von 18 Jahren meinen Einberufungsbescheid für den Grundwehrdienst als Wehrpflichtiger. Ich hatte mich vorher eingehend durch das Lesen von Informationsmaterial informiert. Ich wollte entweder Fallschirmspringer werden oder zur Marine, auf jeden Fall weit weg von zuhause. Leider war kurz vorher die dreijährige Dienstzeit für Offiziere bei der Marine abgeschafft worden. Das hätte ich toll gefunden. Vier Jahre Bundeswehr erschienen mir allerdings schon zu lang. So liebäugelte ich mit der zweijährigen Dienstzeit und der damit verbundenen Ausbildung zum Unteroffizier. Irgendwann musste ich dann zunächst einmal für drei Tage zum Eignungstest mit dem Zug nach Köln fahren. Dort wurde man auf Herz und Nieren, auf körperliche Belastbarkeit, die politische Einstellung und natürlich auch eingehend psychologisch getestet. Bei der medizinischen Untersuchung ergab sich, dass ich aufgrund einer Wirbelsäulenverkrümmung nicht Fallschirm springen durfte. Bei den psychologischen Tests stellte man fest, dass ich zur Ausbildung als Signäler geeignet war. Ich reagierte schnell auf optische und akustische Signale und konnte sie hervorragend wiedergeben. Auch waren meine Englischkenntnisse sehr gut. Infolgedessen würden später der Sprechfunk an Bord, das Signalisieren mit Flaggen und Lichtmorsen hauptsächlich meine Aufgaben bei der Marine an Bord sein. Am 23. Juni unterschrieb ich meine Verpflichtungserklärung für die zweijährige Dienstzeit bei der Bundesmarine. Ab dem 1. Oktober 1978 wurde meine Dienstzeit zunächst auf sechs Monate festgesetzt. Es ging sofort los mit der Grundausbildung der Ausbildungsreihe 27 in der Marinefernmeldeschule in Eckernförde. Da wurde uns zunächst das soldatische Rüstzeug, der Umgang mit den Waffen, das Marschieren, aber auch viel Theorie vermittelt. Auch Sanitätsausbildung und Englisch gehörten dazu. In Erinnerung blieb mir ein 40-Kilometer-Marsch mit Gepäck sowie ein Biwak bei 30 Grad Minustemperaturen. Bei dieser Übernachtung, die zum Glück nur einen Tag dauerte, lagen wir Matrosen frierend in voller Montur bei klirrender Kälte angezogen in unseren Schlafsäcken. Die Herren Offiziere und Unteroffiziere dagegen hatten es gemütlich warm am offenen Feuer. Die Eingewöhnungszeit an das Militärische war aber schnell vorbei. Nach der Grundausbildung in Eckernförde wurde ich vom 3. Januar bis zum 2. Juli 1979 der Marinefernmeldeschule in Flensburg zugewiesen. Vorher hatte ich noch über Weihnachten Heimaturlaub gehabt und war stolz in meiner schönen Matrosenuniform mit dem Zug nach Hause gefahren. Die Rückfahrt in Richtung Flensburg stellte sich aber als sehr abenteuerlich heraus. Es hatte geschneit wie seit Jahren nicht mehr. In Kiel ging es dann aufgrund der meterhohen Schneeverwehungen mit der Bahn nicht mehr weiter. Gut war es in dem Fall, in Uniform unterwegs zu sein. Wir wurden am Bahnhof in Kiel von Feldjägern empfangen und durften die Nacht in Kiel an Bord eines Versorgungsschiffes übernachten. Irgendwann war die Bahnstrecke dann wieder frei und es ging weiter nach Flensburg. Der Fachlehrgang für alle Marinesoldaten der Ausbildungsreihe 27 dauerte vom 8. Januar 1979 und endete am 2. April 1979. Wir lernten Fernmeldeorganisation, Signalbuchkunde, Sprechfunkverfahren, optische Fernmeldeverfahren, Kryptodienst, Morsen, Englisch und Fernmeldegerätekunde. Am 1. April wurde ich zum Gefreiten befördert und durfte am Maatenlehrgang teilnehmen. Dort ging es mit den gleichen Fächern weiter wie vorher. Dazu kam noch die Ausbildung zum Vorgesetzten. Waren meine Noten beim Grundlehrgang noch gut bis sehr gut gewesen, so fielen sie beim Maatenlehrgang eher befriedigend bis gut aus. Ich war noch jung, aber es kostete doch sehr viel Kraft, mit den anderen mitzuhalten. Am 3. Juli 1979 ging es zum ersten Mal an Bord. Ich war dem Minenabwehrgeschwader Nordsee zugeteilt worden. Mein erster Einsatz war auf dem Minenjagdboot Minden. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis ich mich an das Leben an Bord und auf See gewöhnt hatte. Anfangs grüßte ich jeden Offizier auch unter Deck militärisch, bis man mir sagte, dass das überflüssig sei. Man musste auch nicht immer bestimmte Uniformteile tragen. Nur beim Ein- und Auslaufen in die Häfen wurde manchmal erste Geige befohlen. Das war der dunkelblaue Paradeanzug der Marinesoldaten. Ich fügte mich wie ein Rädchen ein in das Getriebe auf dem 30 Meter langen Minenjagdboot „Minden“ mit 34 Mann Besatzung. Nur einmal – wir befanden uns auf hoher See –- warf ich gedankenlos die Waschmaschine an Bord an. Ich hatte nicht mitbekommen, dass das während der Seefahrt verboten ist, denn die Waschmaschine verbrauchte unseren wertvollen Trinkwasservorrat. Das hätte mir fast eine Disziplinarmaßnahme eingebracht. Da ich aber mein Fehlverhalten einsah und bei nächster Gelegenheit meine gesamte Bordzulage dem Waisenhaus in Minden – der Patenstadt unseres Bootes – spendete, ging ich straflos aus. Das lag sicher in erster Linie an unserem vollbärtigen, manchmal etwas kauzigen Kommandanten. Manchmal ließ er über die Bordlautsprecher „Dire Straits“ spielen, wenn er gut drauf war. Kapitänleutnant Walter Dagobert, von seinen Freunden liebevoll Donald genannt, lebt immer noch mit Frau und Sohn in einem kleinen Dorf in Ostfriesland. Hier erwarb er vor Jahren ein altes, 1836 erbautes Landhaus, das er in nicht gezählten Stunden wieder reparierte. Dabei legte der Ex-Offizier viel Wert auf die Verwendung wertvoller Antiquitäten, die heute sein Familiendomizil zieren und zu einem Schmuckstück im Dorf machen. Das reetgedeckte Wohnhaus verrät die Handschrift eines Menschen, der alten Traditionen gegenüber verpflichtet ist. Dafür hat Donald, so seine Freunde, ein feines Gespür für das Überlieferte der Vorfahren. Aber zurück zum Leben an Bord der „Minden“. Ich war auf unserem Schiff mit Sprechfunken, Flaggensignalisieren und Lichtmorsen quasi in meinem Element und immer gut beschäftigt auf der Brücke und unter Deck. In der Freizeit reparierte ich Flaggen oder nähte mit der Hand an einem großen weißen Seesack. Das Material dazu hatte ich von unserem Decksmeister umsonst erhalten. Mit der Minden unternahmen wir nur kleinere Touren, meist in der Nordsee. Wir gingen in Helgoland und Borkum an Land und sprengten gelegentlich Minen, die noch vom Zweiten Weltkrieg übrig geblieben waren. Auf den Seekarten waren ganze Regionen verzeichnet, die deswegen für die Schifffahrt gesperrt waren. Am 1. Oktober 1979 wurde ich zum Maat befördert und war Signalabschnittsleiter und Unteroffizier. Mein erster „Untergebener“ war ein wehrpflichtiger Abiturient, der später vorhatte, Physik zu studieren. Oft kritzelte er irgendwelche Formeln und Berechnungen auf Zettel, die er bei sich trug, sonst war der Gefreite Knopfer (Name geändert) nicht allzu viel zu gebrauchen. Flaggen reparieren konnte oder wollte er nicht, und den Signalabschnitt mit grauer Farbe zu streichen ging auch eher in die Hose oder besser gesagt auf seine Hose. Bis zum 17. Februar 1980 blieb ich auf der „Minden“, dann meldete ich mich für die restliche Zeit bei der Bundeswehr für die Standing Naval Force Channel (STANAVFORCHAN). Dieser Nato-Verband unter anderem aus Minenjagdbooten sollte die militärische Präsenz im Ärmelkanal sicherstellen. Ich wechselte deshalb bis zum 30. September 1980 auf das Minenjagdboot „Völklingen“. Von der Minden erhielt ich als Abschiedsgeschenk ein vom Kommandanten unterschriebenes Schiffswappen, das ich heute noch besitze. Auf der „Völklingen“ fuhr ich dann richtig zur See, denn wir waren von Norwegen bis Portugal ständig unterwegs, ohne während der sechs Monate den Heimathafen in Wilhelmshaven anzusteuern. Wir waren in Portsmouth, wo ich den Proviant für unser Schiff auf Englisch ordern musste. Der Smut hatte mich vorgeschickt, weil er der Sprache nicht so mächtig war. Ich habe ganz schön gezittert am Fernsprecher im englischen Hafen als 21-jähriger, aber es musste ja funktionieren. Von Portsmouth aus unternahmen einige Kameraden und ich mit der Bahn einen Ausflug nach London. In Bayonne waren einige andere Unteroffiziere und ich kostenlos zum Essen eingeladen gewesen. Der Besitzer des Restaurants lieferte nämlich unsere Bordverpflegung. Als Vorspeise gab es Weinbergschnecken, das Hauptgericht war Ente gewesen. Hinterher waren wir alle sehr satt und zufrieden. Ansonsten war ich viel alleine unterwegs. In Amsterdam war das damals nicht ganz ungefährlich, einmal wurde ich von einem schräg aussehenden Typen regelrecht verfolgt, konnte ihn aber in den engen Gassen abschütteln. Lästig waren auch die Drogenverkäufer gewesen, die in dieser Stadt an jeder Ecke lauerten. In Lübeck stand ein Empfang in erster Geige im Rathaus an. Ich hasste schon damals den sogenannten Smalltalk und konnte wenig mit dem Ganzen anfangen. Wahrscheinlich habe ich mich in meiner Zurückhaltung etwas blamiert. In Den Helder, Bayonne, Vlissingen, Ostende und Aalborg erkundete ich die Städte vom Hafen aus auf eigene Faust. In Bergen in Norwegen hatte ich noch einige Tage Urlaub übrig. Der Kommandant, Kaleu W., ein ruhiger Typ, schlug mir vor die freien Tage in Norwegen zu verbringen. So fuhr ich mit dem Zug ohne Begleitung in Zivil von Bergen nach Oslo. Übernachtet habe ich dort im Hotel, in dem...
Erscheint lt. Verlag | 13.5.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Esoterik / Spiritualität |
ISBN-10 | 3-944970-44-6 / 3944970446 |
ISBN-13 | 978-3-944970-44-8 / 9783944970448 |
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