Echte Hasen mögens wild (eBook)
184 Seiten
Elysion Books (Verlag)
978-3-96000-275-8 (ISBN)
Agenten lieben heimlich
Dee hielt sich das linke Ohr zu, um den Lärm auszusperren und sich voll und ganz auf die Schimpftirade ihres Chefs konzentrieren zu können. Seine Stimme war so laut, dass sogar die zwei nahestehenden Einsatzkräfte der Polizei etwas von den Flüchen hatten. Da konnte der kleine Mann im Ohr noch so modern und regulierbar sein, gegen Big Mick kam auch der High-Tech-Clip nicht an.
»Wenn ich jetzt auf Verstärkung warte, entkommen sie mit der ganzen Ladung«, versprach Dee in ihrem ruhigsten Tonfall und sah zu der umstellten Bank. Die meisten der Polizisten hatten Stellung bezogen. Nur eine kleine Gruppe stand bei ihrem Partner Henry und erhielt Instruktionen.
»Sie werden nicht entkommen, wir haben alle möglichen Fluchtwege gesichert«, behauptete Mick.
»Klar und die zwanzig Leute, die sich entgegen des Plans im Gebäude befinden, haben dann was?« Sie verstummte eine Sekunde und zählte stumm bis zwanzig, weil ihr Chef diese Kleinigkeit nicht berücksichtigt hatte. Zumindest versuchte sie es, platzte aber schon bei vier mit der Antwort heraus: »Keine noch so winzige Überlebenschance?!«
»Dee, es geht hier um weit Wichtigeres.« In den Worten ihres Chefs schwang alles mit, was sie vorher bei der Teamsitzung durchgegangen waren: Sichern, nicht auffallen, den Verbrechern nicht im Weg stehen, bis sie gestellt werden konnten. Lebend. Und ohne, dass die Öffentlichkeit etwas davon mitbekam. Denn sie brauchten Informationen. Hintermänner. Details.
Trotzdem hätte Dee nun, da sich die Umstände von normal zu desaströs aufgeflogen geändert hatten, versucht, mit Mick zu verhandeln, oder einige Informationen an Journalisten durchsickern lassen, um wenigstens die Geiselnahme ohne Opfer über die Bühne zu bringen. Sie warf dem Gebäude, vor dem sie Stellung bezogen hatten, einen finsteren Blick zu. So, als könnte der Steinbau etwas für ihr aktuelles Dilemma. Denn diese Situation war trotz des professionellen Auftretens ihres Teams und der Polizei alles andere als normal – und weit mehr als nur desaströs.
Das Ganze war eine einzige Katastrophe!
Und wenn sie jetzt nicht handelte, würde ihre Familie sterben. Nur weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren. Und Dee würde schuld sein, weil ihre Falle aufgeflogen war, bevor die Gangster ihre Beute ohne Kollateralschäden fortgebracht hatten.
Sie fluchte leise.
»Dee, hören Sie. Sie sind eine tolle Agentin. Aber auch tolle Agenten kommen in dumme Situationen. Es kann immer zu zivilen Opfern kommen. Aber das ist nicht unsere Schuld.«
»Zivile Opfer?«, echote sie ungläubig und sah zu, wie ihr Team näher um Henry zusammenrückte. So als hätten sie tatsächlich mehr Angst vor ihr und ihrer Laune als vor Big Mick.»Der Helikopter steht bereit, wir können alle Forderungen der Geiselnehmer erfüllen.«
»Wir werden sie nicht mit den Unterlagen entkommen lassen.«
»Sir?« Sie räusperte sich. »Bis sie und die Verstärkung eintreffen, werden Geiseln sterben.«
Dee konnte förmlich spüren, wie Mick gleichgültig mit den Schultern zuckte. Die Geiseln waren nur ein geringer Schaden, wenn man bedachte, was passieren konnte, wenn die Verbrecher mit den Unterlagen entkamen.
»Sir, wir haben einen Zugang und eine Möglichkeit vorher zu handeln«, erklärte Dee und gab Henry und ihren Kameraden ein Zeichen weiterzumachen. Ungeachtet der Stimme in ihrem Ohr.
»Sie warten und das ist ein Befehl.«
»Sir? Sir, ich kann Sie nicht verstehen.« Dee klopfte gegen den Lautsprecher.
»Dee, machen Sie nichts Dummes.«
»Sir? Ich glaube, die benutzen einen Störsender.« Abermals klopfte sie gegen das kleine Gerät und entfernte es bei der Gelegenheit auch gleich aus ihrem Ohr.
»Deeee….«, scholl aus ihrer Hand, bevor sie entschlossen auf »Aus« drückte. Sie konnte sich nicht um Politik kümmern, um die Regierung oder um die Pläne anderer Organisationen. Das hier zählte viel mehr, zählte alles!
Und während die Welt stillzustehen schien, gab sie den Einsatzbefehl.
Ein letztes Mal, denn später würde jemand die Konsequenzen tragen müssen. Sie.
***
»Sie gottverdammtes, ignorantes ...« Big Mick verstummte. Es war aber auch gar nicht notwendig, die Verfluchung zu beenden. Dass da kein freundliches Wort mehr kam, konnte man sich nicht nur denken, sondern auch überdeutlich an seinem Gesichtsausdruck erkennen.
»Anderthalb Jahre Arbeit umsonst, weil sie die Heldin spielen wollten.«
»Wir haben alle gerettet und die Unterlagen sind ebenfalls wieder in unseren Händen«, presste Dee hervor und hielt dem Blick ihres Chefs stand.
»Ach?!« Er baute sich vor ihr auf und nutzte den Umstand, dass er einen beeindruckenden Kopf größer war als sie, um sie von oben herab anzufunkeln. »Dann ist ja alles wieder gut? Und die Informationen, um unser Land zu schützen, bekommen wir sicherlich zusammen mit der Belobigung vom Präsidenten? Gleich als Geschenk zu dem widerrechtlich beschlagnahmten Hubschrauber, der jetzt auf unserem Dach steht?« Mick schob sich ein Stückchen weiter vor und schaffte es, durch seine Nähe noch einschüchternder zu wirken. Als Dee nicht zurückwich, lachte er freudlos auf. »Hab ich ja ganz vergessen: Es gibt gar keine Belobigung, weil wir weder die Drahtzieher haben, noch die Informationen.«
Er trat zurück und musterte Dee wie etwas, was man normalerweise unter seinem Schuh fand – oder unter einem Stein. »Ich hoffe, Sie können noch etwas anderes, als wild schießend Gebäude zu stürmen – am besten irgendetwas, wo Sie allein arbeiten und Ihren Autoritätsproblemen freien Lauf lassen können.«
»Was soll das heißen, Sir?« Dee trat von einem Bein auf das andere und ließ zum ersten Mal ihre Nervosität nach außen strahlen.
»Sparen Sie sich das Scheiß-Sir! Wer nicht auf mich hört, ist raus und braucht mir dann auch nicht mehr mit Freundlichkeit zu kommen!«, polterte Mick. »Geben Sie mir ihre Marke und ihre Dienstwaffe!«
»Sir?« Dee warf ihrem Chef einen unsicheren Blick zu, aber er schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein.
»Hören Sie auch noch schlecht?« Unbarmherzig sah Mick zu, wie Dee die genannten Sachen auf seinen Schreibtisch legte.
»Wir haben das Richtige getan, Sir!«, behauptete Dee, die sich ihrer Sache ebenfalls sehr sicher war. »Und wir haben unser Land beschützt.«
»Sie haben Ihre Familie beschützt!«, betonte Mick, warf aber zum ersten Mal einen Blick auf die zwei Stahlkassetten, die Dee gerettet hatte.
»Natürlich ha...«
Der Alarm unterbrach Dee mitten im Satz. Sie hatte noch die Chance, sich nach dem Ursprung des Geräuschs zu drehen – und das rettete ihr vermutlich das Leben.
Eine Sekunde nach ihrer Drehung explodierte die Tür zum Büro und einige Stahlteile fetzten nur Millimeter entfernt an Dees Kopf vorbei und bohrten sich in die gegenüberliegende Wand. Eine weitere Sekunde später wurde Mick von der Wucht eines Schusses ebenfalls gegen die Wand geschleudert.
»Kugelsichere Westen sind ein großer Vorteil, nicht wahr?«
Dee blinzelte, war sich aber nicht sicher, wann der schlanke Asiate aus dem Rauch der Explosion getreten war oder ob sie ihn sich nur einbildete. Niemand konnte so ungerührt sein, während um ihn herum das Chaos ausbrach und Leute aus den Büros flohen. Niemand so ruhig wirken, wenn er gerade den Chef des FBI niedergestreckt hatte.
»Auf die Beine!« Der Fremde zog Big Mick mit einer Leichtigkeit hoch, die Dee überraschte und fast davon ablenkte, was sie zu tun hatte.
»Ich würde nicht einmal daran denken«, warnte der Fremde, der sie noch nicht einmal angesehen hatte, und nahm ihre Waffe vom Schreibtisch und an sich, bevor sie überhaupt reagieren konnte. Dann deutete er ihr, die Stahlkassetten zu nehmen und voranzugehen. Immer noch hing Big Mick wie betäubt im Griff des unbekannten Angreifers wie ein Schutzschild, kaum in der Lage sich zu bewegen oder sich gar zu widersetzen – und kam erst wieder vollständig zu sich, als sie den Eingangsbereich vor dem Treppenhaus erreichten.
»Waffen und Handys fallen lassen!«, befahl der Angreifer den FBI-Agenten, die verwirrt vor dem abgeschirmten Bereich standen und noch gar nicht begriffen hatten, dass die Bedrohung schon längst im Inneren der Zentrale war. Ihr eigenes Sicherheitssystem war ihnen zur Falle geworden.
»Fallen lassen!«, wiederholte der Geiselnehmer. Bei seinen Worten wanderte seine Waffe, die bisher auf Micks Brustkorb gezielt hatte, weiter nach oben, verlieh dem Befehl Nachdruck.
»Fessel sie!«, befahl er Dee, nachdem die Agenten sich von ihren Waffen getrennt hatten, und sah zu, wie sie ihre Kollegen mit Kabelbindern unschädlich machte. Dabei gab seine Miene keine Anzeichen von seinen Gedanken preis – aber Dee erkannte etwas ganz anderes: Er war aufmerksam. Aufmerksamer als jeder Mensch, dem sie bisher begegnet war.
Und er wusste es. Seine ganze Haltung strahlte eine Überheblichkeit aus, die ihresgleichen suchte. Sicher, er war ein schlauer Mann, da er ins Gebäude gekommen war, ein mutiger Mann, weil er sich getraut hatte, Bundesagenten als Geiseln zu nehmen und ganz sicher war er auch ein attraktiver Mann. Aber auch ein kalter. Eiskalt und berechnend.
Dee biss sich auf die Zunge, weil ihr klar wurde, dass ein Mann wie er mit Sicherheit auch einen Weg aus dem Gebäude kannte. Mit den Unterlagen, die sie gerade erst in Sicherheit gebracht hatte.
Ein kleines Lächeln schlich sich auf die Lippen ihres Gegners, so als lese er ihre Gedanken und freue sich darüber, weil sie ihm endlich intellektuell folgen konnte.
»Sie werden mich jetzt mit dem Hubschrauber...
Erscheint lt. Verlag | 5.10.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Familie / Erziehung |
ISBN-10 | 3-96000-275-0 / 3960002750 |
ISBN-13 | 978-3-96000-275-8 / 9783960002758 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
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Größe: 371 KB
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