Kriegspropaganda und Medienmanipulation (eBook)
232 Seiten
Europa Verlag GmbH & Co. KG
978-3-95890-564-1 (ISBN)
Dr. phil. Christian Hardinghaus, geb. 1978 in Osnabrück, promovierte nach seinem Magisterstudium der Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaft (Film und TV) an der Universität Osnabrück im Bereich Propaganda- und Antisemitismusforschung und schloss danach ein Studium des gymnasialen Lehramtes mit dem Master of Education in der Fachkombination Geschichte/Deutsch ab. Seine historischen Schwerpunkte liegen in der Erforschung des NS-Systems und des Zweiten Weltkriegs. Er ist außerdem schulisch ausgebildeter Fachjournalist und arbeitet als Lektor, Autor und beratender Historiker. Seine Artikel erscheinen in zahlreichen regionalen und überregionalen Zeitungen und Magazinen. Er veröffentlicht sowohl Sachbücher als auch Romane.
Dr. phil. Christian Hardinghaus, geb. 1978 in Osnabrück, promovierte nach seinem Magisterstudium der Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaft (Film und TV) an der Universität Osnabrück im Bereich Propaganda- und Antisemitismusforschung und schloss danach ein Studium des gymnasialen Lehramtes mit dem Master of Education in der Fachkombination Geschichte/Deutsch ab. Seine historischen Schwerpunkte liegen in der Erforschung des NS-Systems und des Zweiten Weltkriegs. Er ist außerdem schulisch ausgebildeter Fachjournalist und arbeitet als Lektor, Autor und beratender Historiker. Seine Artikel erscheinen in zahlreichen regionalen und überregionalen Zeitungen und Magazinen. Er veröffentlicht sowohl Sachbücher als auch Romane.
KAPITEL 2
PROPAGANDA VERSTEHEN:
EIN BEGRIFF IM WANDEL DER ZEIT
»Es gibt keinen Unsinn, den man der Masse nicht durch geschickte Propaganda mundgerecht machen könnte«,7 formulierte der britische Philosoph Bertrand Russell und beschrieb damit treffend schon im Jahr 1951 das aktuell vorherrschende Bild von Propaganda als etwas Negatives. Heute wird der Begriff vor allem dafür gebraucht, einem politischen Gegner unlautere Mittel vorzuwerfen. Niemand aber, der ernst genommen werden will, würde noch von sich behaupten, Propaganda zu betreiben. Hätten allerdings die Deutschen zwischen 1933 und 1945 den Begriff abwertend aufgefasst, hätte Goebbels sich wohl nicht als Leiter des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) bezeichnen lassen können. Propaganda musste zuvor also zumindest in Deutschland schon mit etwas Positivem oder wenigstens Neutralem umschrieben worden sein.
Doch auch ohne dass ein Name dafür existierte, hat es Propaganda wohl immer gegeben. Ihre Techniken lassen sich im Rahmen der Untersuchung von Herrschaftsgeschichte bereits im Altertum nachweisen. Im antiken Griechenland entstand im 5. Jahrhundert vor Christus die Rhetorik als Redekunst der politischen Überzeugungsarbeit, während die Weissagungen des Orakels von Delphi schon ernsthafte Täuschungsabsichten verfolgten. Auch römische Kaiser, die zur Machtsicherung ihr Volk durch »Brot und Spiele« bei Laune hielten, betrieben Propaganda. Fasst man die Definition für den Begriff Medium nicht zu eng, können theoretisch bereits antike Münzen als frühe Propagandamedien eingeordnet werden. Münzbeamte der späten Römischen Republik nutzten die schnelle Verbreitung des Zahlungsmittels nämlich systematisch für politische Zwecke aus, indem sie darauf mit dem prunkvollen Konterfei ihrer Herrscher warben. Sobald ein neuer Kaiser den Thron bestieg, wurden passende Münzen geprägt, die Stationen seines Lebens glorifizierten und ihn so im wahrsten Wortsinne dem Volk »einprägten«. Mit Sicherheit das erste massentaugliche Medium ist das gedruckte Buch, dessen Erfindung durch Johannes Gutenberg seit Ende des 15. Jahrhunderts entscheidend zum Verständnis von Propaganda als Machtmittel beigetragen hat. Komplexe Ideen und politische Konzepte konnten seither theoretisch in alle Teile der Welt gelangen. So machte die Technik der Buchdruckkunst es gleichzeitig möglich, den Begriff selbst zu transportieren. Sprachlich erstmalige Erwähnung in Büchern fand er sodann im Jahr 1622, als römische Kardinäle die Heilige Kongregation für die Glaubensverbreitung (Sacra Congregatio de Propaganda Fide) gründeten – eine Art Hochschule, in der im Zuge der Gegenreformation junge Männer in rhetorischen Fähigkeiten geschult wurden, sodass sie als Überredungskünstler ausziehen konnten, um den katholischen Glauben in ganz Europa zu verbreiten und zu festigen. Der Begriff entstand demnach durch seine Ableitung vom lateinischen Verb propagare, das eben »verbreiten« bedeutet. Bezog sich die Substanz von Propaganda (Propagem oder Ideologem) zunächst wie auch der Anspruch des Herrschers auf Religion, waren es im Zeitalter von Aufklärung und Säkularisierung die neuen politischen Ideen, die rasant Verbreitung über Propagandamittel fanden und durch neu entwickelte, erschwinglichere Medien wie die Zeitung allen Schichten der Gesellschaft zugänglich wurden. Weltweit erkannten führende Politiker, dass sich die Informationsarbeit des jungen Journalismus im 18. Jahrhundert, der eigentlich hatte so unabhängig sein wollen, effektiv ausnutzen ließ, um die Ansichten der Masse zu beeinflussen und so die Herrschaft über die öffentliche Meinung zur größten Macht werden zu lassen. Die ebenfalls noch junge Disziplin der Psychologie, die sich erst im 19. Jahrhundert als empirische Wissenschaft etablieren sollte, beobachtete diese Entwicklung mit zunehmender Sorge, zunächst in den Auswirkungen auf die Psyche des Individuums. Doch der Begründer der Massenpsychologie Gustave le Bon sah 1895 schließlich in der Masse selbst die aufziehende Gefahr durch politische Manipulation verortet und warnte: »Die Verbrechen der Massen sind in der Regel die Folge einer starken Suggestion, und die einzelnen, die daran teilnahmen, sind hinterher davon überzeugt, einer Pflicht gehorcht zu haben. Das ist beim gewöhnlichen Verbrecher durchaus nicht der Fall.«8
Dass sich mithilfe von Propagandatechniken neben politischen Inhalten auch materielle Güter optimal unters Volk mischen ließen, entging auf der anderen Seite keinem wirtschaftlichen Zweig. Da sich Methoden und Ziele glichen, wurde Propaganda sprachlich neben ihrer Anwendung auf politische Meinungsbildung ab dem 18. Jahrhundert auch für sämtliche Produkte und Dienstleistungen verwendet, die man käuflich erwerben konnte. Zwar erkannten bereits damals eine Menge kluger Menschen, dass man sie mittels einer rhetorischen Technik zu manipulieren versuchte, doch der Begriff Propaganda an sich behielt zunächst eine weitestgehend wertneutrale Bedeutung und stand – mit Ausnahme ihrer Verwendung im nationalsozialistischen Deutschland – bis Mitte des 20. Jahrhunderts auch noch für Reklame jeglicher Art.
Während des Ersten Weltkriegs jedoch deutete sich schon der Wandel des Begriffs hin zu seinem zukünftigen Verständnis an. Die Entwicklung der sogenannten Gräuelpropaganda, die vor allem Briten und Franzosen ab 1914 und Amerikaner ab 1917 aufboten, um in der Bevölkerung ihren Krieg gegen Deutschland mittels Hetze zu legitimieren, gab spätestens mit Beginn des Zweiten Weltkriegs den Anstoß für die Verwendung des Begriffs ausschließlich für politische Inhalte. Die Erfahrungen aus den beiden großen Kriegen des 20. Jahrhunderts sind somit auch maßgeblich prägend für unsere heutige Auffassung von Propaganda als etwas Negatives. Die Gräuelpropaganda entwickelte sich im Laufe des Ersten Weltkriegs zu einer so mächtigen Kriegswaffe, dass man sie in den USA bereits parallel wissenschaftlich untersuchen ließ. Die Propaganda des Deutschen Reiches, die hauptsichtlich auf Außendarstellung, Patriotismus und Werbung zur finanziellen Unterstützung der Soldaten mittels Kriegsanleihen abzielte, sollte sich dagegen als ungleich weniger effektiv erweisen. So waren nach Kriegsende in Deutschland bedeutende Wissenschaftler davon überzeugt, dass die Schwäche der deutschen Propaganda maßgeblichen Anteil an der Kriegsniederlage gehabt habe, und forderten eine ausführliche Erforschung der Manipulationsmethodik, um in Zukunft besser gewappnet zu sein. Prominente Fürsprecher dabei waren der Werbetheoretiker Hans Domizlaff, der Staatswissenschaftler Johann Plenge und der Publizist Edgar Stern-Rubarth. Sie kristallisierten sich als führende Köpfe der Entwicklung einer neuen, effektiven deutschen Propagandalehre heraus, die sich bald als tödlichste und grausamste ihrer Art erweisen sollte. Politische Parteien richteten in der Frühphase der Weimarer Republik eigene Propagandazentralen ein, die an Universitäten erforschte Manipulationsmethoden praktisch umsetzten. Auf Propagandaplakaten und in ersten Propagandafilmen glorifizierten Politiker und Mitglieder ihre eigene Partei und überschütteten die Konkurrenz mit Spott und Häme. Begünstigt wurde die massenpsychologisch ausgerichtete Verbreitung von Propaganda vor allem durch die fortschreitende Technik in Rundfunk und Film der 1920er-Jahre. Besonders in den USA erkannte man früh parallel die Macht, die von der Beherrschung der Massenmedien ausgehen würde.
Wir werden von Personen regiert, deren Namen wir noch nie gehört haben. Sie beeinflussen unsere Meinungen, unseren Geschmack, unsere Gedanken […] Die unsichtbaren Herrscher kennen sich auch untereinander meist nicht mit Namen […] Ob es uns gefällt oder nicht, Tatsache ist, dass wir in fast allen Aspekten des täglichen Lebens, ob in Wirtschaft oder Politik, unserem Sozialverhalten oder unseren ethischen Einstellungen, von einer […] relativ kleinen Gruppe Menschen abhängig sind, die die mentalen Abläufe und gesellschaftlichen Dynamiken von Massen verstehen. Sie steuern die öffentliche Meinung […] Um die Welt zusammenzuhalten und zu führen.9
Was sich heute für manch einen liest, als hätte es ein unverbesserlicher »Facebook-Verschwörungstheoretiker« formuliert, der womöglich sogar unter Verdacht geriete, »strukturellen Antisemitismus zu bedienen«, stammt tatsächlich aus der Feder des amerikanischen Psychologen Edward Bernays, seines Zeichens Begründer der modernen Public Relations und innerhalb der Kommunikationswissenschaften bis heute als »Vater der PR« geehrt. Mit seinen Büchern und exorbitanten Kampagnen legte der New Yorker Spindoctor auch die Grundlagen für die theoretische Erforschung von Propaganda und psychologischer Kriegsführung, wie sie heute existieren. Dabei verfolgte Bernays sicherlich keine edlen Ziele und hatte auch nicht die Aufklärung der Bevölkerung bezüglich Gefahren...
Erscheint lt. Verlag | 2.6.2023 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Aufklärung • Ersten Weltkrieg • Ersten Weltkrieges • Erster Weltkrieg • Holocaust • Information • Institute for Propaganda Analysis • Internet • Joseph Goebbels • Journalismus • Journalisten • Kommunikationsmittel • Krieg • Kriegsberichterstattung • Kriegsrhetorik • Massenbeeinflussung • medialer Manipulation • Medien • moderner Kommunikationsmittel • Nationalsozialismus • Opfer jedes Krieges • Politik • Propaganda • Russland • russlands • Überangebot • Ukraine • USA • Wahrheit • Wahrheitsfindung • Wladimir Putin • Wolodymyr Selenskyj • World Wide Web • Zensur • Zweiter Weltkrieg |
ISBN-10 | 3-95890-564-1 / 3958905641 |
ISBN-13 | 978-3-95890-564-1 / 9783958905641 |
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