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Das Enneagramm unserer Beziehungen (eBook)

Verwicklungen, Wechselwirkungen, Entwicklungen
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
320 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01216-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Enneagramm unserer Beziehungen -  Maria-Anne Gallen,  Hans Neidhardt
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Das Enneagramm: kein modisches Zauberwort aus der Psycho-Kiste, sondern ein traditionsreiches Modell neun grundlegender menschlicher Charaktermuster, die hier im Kontext der Humanistischen Psychologie neu interpretiert werden. Unsere Wahrnehmung, unser Denken, Fühlen und Verhalten folgen einem dieser Muster - nicht immer, aber öfter, als wir ahnen (und uns lieb ist). Auf welche Weise wir in wichtigen Beziehungen mit den Wechselwirkungen verschiedener 'seelischer Strickmuster' in Berührung kommen, davon handelt dieses Buch. Und davon, wie wir mit den Spielregeln, die uns die Charaktermuster zu diktieren scheinen, bewusster umgehen können, um unser Leben und unsere Beziehungen befriedigender zu gestalten.

Maria-Anne Gallen, geboren 1958 in München, verheiratet, zwei Töchter. Diplompsychologin, Klinische Psychologin/Psychotherapeutin BDP. Ausbildungen in Verhaltenstherapie, personenzentrierter Psychotherapie, Focusing-Körpertherapie. www.gallen-praxis.de eMail: MAGallen@web.de

Maria-Anne Gallen, geboren 1958 in München, verheiratet, zwei Töchter. Diplompsychologin, Klinische Psychologin/Psychotherapeutin BDP. Ausbildungen in Verhaltenstherapie, personenzentrierter Psychotherapie, Focusing-Körpertherapie. www.gallen-praxis.de eMail: MAGallen@web.de Hans Neidhardt, geboren 1952, Diplompsychologe, Klinischer Psychologe/Psychotherapeut BDP. Studieum der Psychologie in Würzburg, danach neun Jahre Leitung einer Telefonseelsorgestelle. Seit 1987 in eigener Praxis als Psychotherapeut und Supervisor tätig. www.hans-neidhardt.de eMail: info@hans-neidhardt.de

Charaktermuster: Unsere Wahrnehmungs-, Denk-, Fühl- und Verhaltensstile


Beginnen wir mit einem kleinen Gedankenspiel. Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Sie haben sich vor einer Woche für den heutigen Abend, 20 Uhr, mit K verabredet, und zwar bei sich zu Hause. Sie haben Essen und Getränke vorbereitet. Es ist inzwischen 21.30 Uhr, und K ist bis jetzt nicht gekommen, hat aber auch nicht abgesagt.

Was würden Sie in dieser Situation «spontan» denken, empfinden und (am liebsten) tun?

Vielleicht notieren Sie sich, was Ihnen dazu einfällt, bevor Sie die folgenden Beispiele lesen. Wir haben diese Beispiele frei erfunden, um zu zeigen, wie verschieden die «spontanen» Reaktionen auf ein und dieselbe Situation ausfallen können.

Achten Sie beim Durchlesen bitte gleichzeitig auf Ihre eigenen inneren Reaktionen auf diese Beispiele. Zwischen «Wie kann man nur?!» und «Das könnte glatt von mir sein!» werden Sie vermutlich ganz verschiedene Gedanken, Gefühle und Verhaltenstendenzen bei sich beobachten können (nach dem Motto: «Am liebsten würde ich jetzt …»).

  1. A hatte schon den ganzen Tag über dieses abendliche Treffen gut vorbereitet. Die Wohnung ist geputzt, das Essen sorgfältig vorbereitet und zubereitet. Alles lief nach einem genauen Zeitplan ab. A hatte sich extra für eine kalte Vorspeise entschieden, damit die warme Hauptspeise bis ca. 20.30 Uhr bei milder Hitze zu Ende köcheln konnte. Ab 19.45 Uhr war A zunehmend von einer leisen Sorge befallen worden, ob K denn auch pünktlich sein würde. Diese Sorge hat sich jetzt zu einem ätzenden Ärger ausgewachsen, und A macht sich Vorwürfe: «Warum habe ich nicht deutlicher darauf bestanden, daß K pünktlich kommt oder rechtzeitig absagt?»

  2. Auch B hatte sich bei der Vorbereitung viel Mühe gegeben: ein Bild ins Regal gestellt, das K vor langer Zeit geschenkt hatte, in einem Buch gelesen, das K gefällt, die Musik ausgewählt, die Ks Geschmack entspricht. Das verdorbene Essen macht B weniger Kummer als die Frage, was K wohl passiert sein könnte. B hat inzwischen versucht, verschiedene Leute anzurufen, um sich nach K zu erkundigen.

  3. C hat ziemlich zu «kauen» an der «Beleidigung», die seinem Empfinden nach in dem unentschuldigten Nicht-Erscheinen von K steckt. Es wäre für C sehr wichtig gewesen, anläßlich dieses abendlichen Treffens ein paar interessante berufliche Projekte durchzusprechen. Und da K in Verbindung zu einigen wichtigen Leuten steht, hat sich C von diesem Abend versprochen, diese Beziehungen für sich nutzen zu können. C empfindet es als beleidigend, sitzengelassen zu werden, wo man doch zum gegenseitigen Nutzen kooperieren könnte! Daraus wird nun wohl nichts, und C überlegt, wie sich die neuen Projekte auch ohne K realisieren lassen.

  4. Aus den Stereoboxen erklingt nun schon zum zweiten Mal «La Mer» von Claude Debussy. Damals, vor gut drei Jahren, waren K und D hier zusammen auf dem Sofa gelegen und hatten nicht nur in impressionistischer Musik geschwelgt. Die Erinnerungen an damals sind ganz lebendig, und D fühlt sich wie umflort von einem schmerzlich-schönen, liebevoll-traurigen Stimmungsschleier. Es hätte so schön werden können mit K an diesem Abend: die Kerzen, der Duft aus der Aromalampe, «La Mer» und so weiter. Schließlich ist doch klar, daß man nichts mehr voneinander will, da könnte man doch …

  5. E sitzt um 21.30 Uhr im Schaukelstuhl und hat sich völlig in eine geologische Fachzeitschrift vertieft. E ist eher erleichtert, daß K offensichtlich nicht kommt, denn E mag solche Abende eigentlich nicht und hatte die Einladung deshalb auch schon ein paarmal verschoben. Der Käse ist längst wieder in Alufolie verpackt. K ist über dem Lesen der Fachzeitschrift eigentlich schon vergessen. Interessante Gesteinsformationen, die da in einem abgelegenen Tal in den Anden entdeckt wurden, passen gar nicht so recht in das Bild, das man sich von der Entstehung der Anden macht. Ist das nun ein Beweis für die Außenseitertheorie von Prof. X oder nicht?

  6. F fühlt sich leider wieder mal bestätigt. Da war doch schon dieses kleine Zögern in der Stimme, als K am Telefon zusagte. Hat K nicht sogar so was wie «mal sehen» gesagt? Ja, K war nur zu höflich und zu feige, um deutlich mitzuteilen: «Ich habe keine Lust zu kommen.» Natürlich, das ist wie immer. K drückt sich vor klaren Aussagen, ist einfach feige, und dadurch wird K zu einer unzuverlässigen Person! Das war nun aber bestimmt das letzte Mal, daß F einen Versuch unternommen hat, sich mit K zu treffen, nachdem es in der Vergangenheit zwischen ihnen beiden eigentlich immer so abgelaufen war. «Große Worte und nix dahinter», urteilt F abschließend über K.

  7. «Das ist wirklich schade und auch ein bißchen ärgerlich», denkt G. Schon den ganzen Tag hatte sich G ausgemalt, wie anregend dieser Abend mit K werden würde. Nun gut: Der alte Bordeaux schmeckt auch ohne K ganz vorzüglich. Und im Spätprogramm kommt «Purple Rose of Cairo» von und mit Woody Allen. Dieser Film wird G ganz gewiß gefallen. Inzwischen hat G außerdem mit L telefoniert, um sich für übermorgen zum Abendessen zu verabreden.

  8. H wollte sich eigentlich mit K lieber in einer Kneipe treffen und denkt grimmig: «Das mache ich nie wieder, daß ich zustimme, wenn K sich bei mir einlädt; so eine verdammte Unverschämtheit, mich hier sitzenzulassen!» H hat sich längst entschlossen, K bei nächster Gelegenheit sofort zur Rede zu stellen. «So was kannst du mit mir nicht machen», denkt H und nimmt noch einen kräftigen Schluck.

  9. Unser letzter Protagonist, Person I, hat sich mehr oder weniger ziellos mit verschiedenen Dingen beschäftigt, ein bißchen getrunken, ein bißchen geknabbert. I liegt jetzt auf dem Sofa, und während Lieutenant Stone auf den Straßen von San Francisco einem Drogendealer nachjagt (auf dem anderen Programm ist Tennis), döst I vor sich hin und findet das alles gar nicht so schlimm. K hat ganz bestimmt gute Gründe, heute abend nicht zu erscheinen. Bestimmt wird sich alles aufklären.

Wahrscheinlich haben Sie sich oft schon darüber gewundert, wie unterschiedlich verschiedene Menschen Ihrer Umgebung auf ein und dieselbe Situation reagieren. Da, wo einer sich lauthals empört, zuckt ein anderer nur die Achseln. Jemand fühlt sich verletzt oder persönlich angegriffen, wo Sie selbst nur eine Lappalie erkennen können. Da redet jemand ununterbrochen, ohne allzu viel zu sagen, ein anderer schweigt lange und sagt dann plötzlich etwas Bedeutsames. Und so weiter.

Wenn solche persönlichen Eigenheiten und Reaktionsweisen immer wieder und mit einer gewissen Beständigkeit zutage treten, dann schreiben wir sie dem «Charakter« der betreffenden Person zu.

«Charakter» … das ist ein durchaus schwieriges und klärungsbedürftiges Wort – zumal im Deutschen. Wenn wir sagen: Jemand hat «Charakter», dann meinen wir damit eine Person mit einem festen Willen, einer gewissen Prinzipientreue und Konsequenz. Entsprechend halten wir Leute für «charakterlos», die ihr Fähnchen nach dem Wind hängen, für die der Zweck alle Mittel heiligt und so weiter. In diesem umgangssprachlich-wertenden Sinn verwenden wir diesen Begriff hier nicht.

In der psychologischen Fachsprache finden sich dann im Zusammenhang mit «Charakter» Bezeichnungen wie «zyklothymer/schizothymer Konstitutionstyp»[1] oder «oral», «anal», «phallisch», «masochistisch», «schizoid», «narzißtisch», «passiv-feminin», «psychopathisch»[2]. Auch solche wissenschaftlichen, diagnostizierenden Wörter benutzen wir nicht. Das Enneagramm beschreibt unsere ganz alltäglichen, menschlich-allzumenschlichen inneren und äußeren Reaktionsgewohnheiten. Es benutzt dafür die Alltagssprache, die nah an den Phänomenen selbst ist, und verwendet zur Unterscheidung schlicht die Zahlen von EINS bis NEUN. Allerdings lassen sich die Enneagramm-Charaktermuster sowohl bis in den «dunklen» Bereich der Psychopathologie als auch in den «hellen» Bereich der sogenannten höheren (transpersonalen) Bewußtseinszustände hinein aufzeigen. Wir bleiben hier weitgehend in der Grauzone unserer Alltäglichkeit und finden es spannend genug, diesen Bereich mit Hilfe des Enneagramms etwas zu durchleuchten.

 

Gehen wir zu unserem einleitenden Gedankenspiel zurück. Haben Sie an der einen oder anderen Stelle, vielleicht schmunzelnd, gedacht: «Das könnte typisch für mich sein?» Oder: « Na, das ist typisch für X.» Übrigens: Ob Sie sich beim Lesen mehr mit sich selber oder mehr mit anderen Personen beschäftigt haben – auch das könnte «typisch» für Sie sein.

Wenn wir sagen: Das ist mal wieder typisch, dann meinen wir doch: «Ja …, so oder so ähnlich denke ich, empfinde ich, verhalte ich mich eigentlich ganz oft. Und ganz oft habe ich den Eindruck, auch gar nicht anders zu können. Da gibt es so etwas wie eine Konstante in meinen innerseelischen Aktionen und Reaktionen und in meinem nach außen sichtbaren Verhalten. So oder so ähnlich passiert mir das immer wieder. Gewisse Gefühle stellen sich offenbar spontan ein, andere kenne ich kaum.» Zum Beispiel ärgern sich manche Menschen sehr schnell, andere eher selten. All dies sind Hinweise darauf, daß es da offenbar so etwas wie ein seelisches Strickmuster gibt, das unser Erleben und Verhalten in gewisser Weise steuert. Deshalb verwenden wir hier das Wort...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2023
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebensdeutung
Schlagworte Beziehung • Charakter • Enneagramm • Esoterik
ISBN-10 3-644-01216-4 / 3644012164
ISBN-13 978-3-644-01216-5 / 9783644012165
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