Born to Run – Das ultimative Trainings-Buch (eBook)
Mit seinem Weltbestseller »Born to Run« etablierte Christopher McDougall den Lauftrend des Barfußlaufens - sein neuestes Buch ist ein komprimierter Guide für alle Läufer*innen - ob Jogging-Newbies oder Langstrecken-Athlet*innen: Running Fitness und das richtige Aufwärmprogramm, Ernährung vor und auf der Strecke, ein 90-Tage-Plan für das Erreichen individueller Ausdauer-Ziele, Tipps für die perfekte Ausrüstung und den motivierenden Spaß in der eigenen Running Community. Großformatig und durchgehend bebildert mit atmosphärisch-packenden Aufnahmen u.a. von den legendären Races in den Copper Canyons.
Christopher McDougall, geboren 1962, studierte in Harvard, seine journalistische Laufbahn begann er als Auslandskorrespondent der Associated Press, für die er aus Ruanda und Angola berichtete. Er war als Redakteur für »Men's Health« tätig und schrieb u.a. für »Esquire«, »The New York Times Magazine« und »Outside«. Drei Mal war er für den National Magazine Award nominiert, sein erstes Buch »Born to Run« (Blessing 2010) wurde ein Welterfolg. McDougall lebt auf Hawaii.
1. Run Free
Seit dem Erscheinen von Born to Run habe ich Zuschriften aus aller Welt erhalten, in denen immer wieder das Gleiche zu lesen ist:
»Danke, Chris! Du hast mein Leben verändert.«
Darauf antworte ich: »Ich weiß genau, was du meinst.«
Weil ich in den gleichen Fußstapfen stehe. Ich stehe immer noch in den gleichen Fußstapfen wie meine Leser:innen. Born to Run mag wie eine irre Abenteuerstory rüberkommen, denn – seien wir ehrlich – es ist schon abenteuerlich, wenn ein mysteriöser Einzelgänger namens Caballo Blanco, »Weißes Pferd«, einen 80 km langen Wettlauf gegen einen legendären indigenen Stamm veranstaltet, und zwar genau vor der Nase zweier mörderischer Drogenkartelle.
Aber im Kern ist Born to Run eine ganz andere Geschichte. Es ist die Geschichte einer Verwandlung, eines Aufstiegs vom Scheitern zur Hoffnung und schließlich zur Kraft. Zu einer echten, lebensverändernden Kraft. Zu der Kraft, rauszugehen und die Welt auf eigenen Füßen zu erkunden und zu laufen: wo man will, so lange man will, wann immer man Lust hat.
Was für eine Superkraft das Laufen ist, begreift man vor allem dann, wenn man sie entweder zum ersten Mal kennenlernt oder auf einmal verliert. Von diesen Leuten höre ich am meisten: von Ex-Läufer:innen, die überglücklich sind, dass sie eine neue Chance bekommen, und von Anfänger:innen, die die nötige Inspiration erhalten haben, um endlich loszulegen.
Mit seiner eigentümlichen Wildheit zeigt Born to Run auch: Egal wie alt oder wie unfit du bist, egal welche Verletzungen und Misserfolge dich ausgebremst haben, deine besten Lauftage liegen vor dir. »Man hört nicht mit dem Laufen auf, weil man alt wird«, sagte Jack Kirk, der 94-jährige Trail runner namens Dipsea Demon, gerne. »Man wird alt, weil man mit dem Laufen aufhört.«
Aber niemand wird von selbst zum 94-jährigen Läuferdämon. Laufen ist ein Tanz, und man braucht eine Weile, um die Schritte zu lernen. Deshalb enden viele der Dankesbriefe, die ich erhalte, mit einer Bitte:
»Ich kann es kaum erwarten zu laufen. Aber wie fange ich an?«
Darauf hatte ich keine Antwort. Jahrelang war ich mir über die nächsten Schritte nicht im Klaren, weil ich selber gerade dabei war, sie herauszufinden. Ich fühlte mich, als hätte ich im Lotto gewonnen, konnte aber nicht glauben, dass das Geld wirklich mir gehörte. Zu diesem Zeitpunkt war es mehr als ein Jahrzehnt her, dass Eric Orton mich für mein mexikanisches Laufabenteuer trainiert hatte, aus dem dann mein erstes Buch Born to Run wurde. Das Buch hatte gleich drei weltweite Trends angestoßen: Barfußlaufen, Ultramarathons sowie Chiasamen als Superfood.
Ich sah das als Hinweis dafür, dass wir etwas Wichtigem auf der Spur waren. Die Leute wollten nicht nur laufen, sie wollten gerne laufen. Sie wollten die gleiche Freude erleben, die wir Mâs Locos bei unserem langen, gefährlichen Rennen unter brennender Sonne verspürt hatten.
Run free, erklärte Caballo gern, »Lauf dich frei!«. Dieser knappe Schlachtruf bringt es auf den Punkt. »Frei« bedeutet nicht dasselbe wie »wild«, auch wenn es nah dran ist. Caballo Blanco meinte damit: frei von Verletzung. Frei von Stress. Frei von überteuerten Schuhen und Ausrüstung und Startgebühren. Laufe frei wie ein Kind, das zur großen Pause aus der Schultür stürmt – oder wie ein mürrischer Einzelgänger, der die Zivilisation gegen eine winzige Hütte getauscht und bei den Rarámuri eine fremde, aber liebevolle Familie gefunden hat.
Junge Rarámuri jagen dem Rarájipari-Ball nach und verbessern so ihre Lauftechnik.
Aber ob ich selbst diese Freiheit gefunden hatte?
Ich hatte volles Vertrauen in Erics Methode: Seine Version des Run-Free-Systems hatte mich nie im Stich gelassen, Rennen um Rennen, Jahr um Jahr, Abenteuer um Abenteuer. Was ich nicht hatte, war Vertrauen in mich selbst. Im Hinterkopf hörte ich immer noch die Ärzte mit ihrer Mahnung, Laufen sei schlecht für den menschlichen Körper, besonders für einen Körper wie den meinen. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Laufen nichts für jemanden wie mich war. Vielleicht kam ich jetzt noch damit durch, aber eines Tages würde ich den Preis zahlen.
Und dann, an einem überraschend heißen Morgen Ende September, kam die Wende. Ich war bei meinem Lieblingsrennen, dem Bird-in-Hand Half Marathon, den meine amischen Nachbarn jedes Jahr hier vor Ort veranstalten, um Geld für die Feuerwehrleute und Ersthelfer zu sammeln, die bei dem Massaker an einer amischen Schule im Jahr 2006 zur Rettung der Kinder gekommen waren.
Die Bird-in-Hand-Strecke ist atemberaubend und sehr beschaulich. Da dröhnt keine Musik, nur bei Kilometer 3 singt leise eine Mennonitenfamilie auf ihrer Veranda. An den Verpflegungsstationen vor den Farmen bieten amische Kinder Becher mit Getränken an und rufen auf Pennsylvania-Deutsch: »Vater! Vater! Vater!« Die Laufstrecke schlängelt sich durch die grünen Hänge des Valley of No Wires, das so heißt, weil keines der Häuser dort Telefon oder Strom hat.
Aber einer der Anstiege, nämlich der Red Lane Hill, ist ein ausgesprochenes Biest. Jedes Jahr weiß ich, dass er kommt, und jedes Jahr ist er schlimmer, als ich es in Erinnerung hatte. Zunächst einmal ist er einfach gemein. Er erwischt einen kurz nach Kilometer 16, wenn man sich schon auf der Zielgeraden glaubt. Und er ist tückisch. Man blickt auf lauter sanfte Biegungen, und im nächsten Moment knickt die Strecke seitwärts auf einen versteckten Feldweg ab, der durch ein Maisfeld steil himmelan führt. Außerdem ist es heiß, heiß, heiß. Kein Baum weit und breit, also die volle Vormittagssonne im Gesicht.
Und schließlich ist Red Lane Hill für uns Barfußlaufende ein Ort, der uns wieder einmal lehrt, wie viele spitze Steinchen sich in einem Feldweg verstecken. Als ich oben ankam, blieb vor mir ein älterer Typ wie angewurzelt stehen. Er schwitzte und schnaufte wie eine verreckende Lokomotive. Plötzlich schmiss er die Arme in die Luft, als hätte er gerade olympisches Gold gewonnen.
»ICH HATTE VOLLES VERTRAUEN IN ERICS METHODE: SEINE VERSION DES RUN-FREE-SYSTEMS HATTE MICH NIE IM STICH GELASSEN, RENNEN UM RENNEN, JAHR UM JAHR, ABENTEUER UM ABENTEUER.«
»Juhu!«, keuchte er. »Was für ein Glück!«
Auf der Liste meiner Wahrnehmungen in diesem Moment – Durst, Müdigkeit, Überdruss, wunde Füße – stand nichts von »Glück«. Jedenfalls nicht, bevor ich anhielt und mich umsah und verstand, was er meinte. An diesem Morgen hatten wir uns alle auf einer Wiese versammelt, um den Sonnenaufgang zu betrachten. Dann waren wir auf unseren eigenen zwei Beinen losgestürmt, um so schnell und weit und so frei zu laufen, wie wir wollten. Wir hatten aus eigener Kraft diesen Hügel erklommen und waren kurz davor, den Rausch des Hinablaufens zu erleben.
Was für ein erstaunliches Geschenk! Was für eine Superkraft! Das war es, was mir Eric angeboten hatte, als wir uns das erste Mal in einem Park mitten in Denver trafen. Es hatte viele Meilen gedauert, bis meine Zweifel verstummt waren, aber als ich oben auf dem Red Lane Hill stand, kapierte ich endlich. Eric hatte mich nie für irgendein Rennen trainieren wollen. Er trainierte mich für das Leben.
Anfangs war ich ein durchschnittlicher Jogger, der so oft verletzt war, dass mir ärztlicherseits mehrfach gesagt wurde, ich könnte mich auf schicke Knieprothesen freuen, wenn ich weiter laufen würde.
Als ich in die Barrancas del Cobre reiste, hatte ich es aufgegeben, nach neuen Lösungen für ein altes Problem zu suchen. Ich war ohnehin nie ein großer Läufer gewesen. Ab und an versuchte ich, meine täglichen paar Meilen in Richtung Halbmarathon zu steigern, aber schaffte kein halbes Jahr ohne Verletzung. Als ich einen führenden Sportmediziner fragte, warum ich ständig verletzt sei, blickte er mich an, als wäre ich hirntot. »Haben wir das nicht besprochen?«, fragte er, während er mir zum dritten Mal in diesem Jahr Kortison in den Fuß spritzte. Die Stoßbelastung sei schlecht für den Körper, vor allem für einen Körper wie den von Shrek, sagte er für den Fall, dass ich vergessen hatte, dass ich 1,93 Meter groß und 110 Kilo schwer war.
Aber was sollte ich machen? Man soll laufen, um in Form zu kommen. Außer wenn man nicht in Form ist, dann soll man nicht laufen. Und so geht es nicht nur mir, sondern uns allen. Die Verletzungsquote unter Läufern ist irrsinnig hoch, irgendwo bei über 70 Prozent pro Jahr, und das schon seit Jahrzehnten. Ständig kommen neue Schuhmodelle auf den Markt, und kein einziges hat jemals nachweisbar Verletzungen reduziert.
Ironischerweise schrieb ich damals für die Runner’s World, da mangelte es mir keineswegs an Expertenwissen zur Verletzungsprävention und zum Training. Ich hatte jeden Tipp ausprobiert, den die Laufzeitschrift zu bieten hatte: Stretching, Cross-Training, thermisch angepasste Einlegesohlen, Eisbäder, alle vier Monate ein neues Paar 150-Dollar-Schuhe. Aber egal was ich tat, es war nur eine Frage von Monaten, bis aus meinen Fersen, Oberschenkeln oder Achillessehnen wieder feurige Stiche schossen. Das Einzige, was ich noch nicht versucht hatte, war, meine Lauftechnik zu ändern, denn warum sollte ich das tun? Ich war ja nicht verrückt.
An der Technik soll man nie herumfrickeln. Nie nie nie. Laufexperten sind sich über kaum etwas einig, aber bei dieser Frage sind sie der reinste Kirchenchor. »Jeder Mensch hat einen einzigartigen Laufstil«, behauptet Dr. Reed Ferber, Leiter der Klinik für Laufverletzungen an der University of Calgary. »Es gibt weder eine richtige Art zu laufen noch eine...
Erscheint lt. Verlag | 15.3.2023 |
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Übersetzer | Max Limper |
Zusatzinfo | durchg. 4c |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Born to Run 2 |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Sport |
Schlagworte | 2023 • Aufwärmübungen • Barfußlaufen • bewusste Ernährung • copper canyons • eBooks • gesund durch Bewegung • Langstrecken Athlet*innen • Laufen • Lauf Programm • Lauftraining • Neuerscheinung • Outdoor • Ratgeber • Rennausrüstung • running community • Running Fitness • Sport |
ISBN-10 | 3-641-30519-5 / 3641305195 |
ISBN-13 | 978-3-641-30519-2 / 9783641305192 |
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