Unser Essen - Killer und Heiler (eBook)
176 Seiten
Gräfe und Unzer Autorenverlag, ein Imprint von GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH
978-3-8338-8693-5 (ISBN)
Dr. Matthias Riedl ist einer der renommiertesten deutschen Ernährungsmediziner. Der Diabetologe und Internist ist unter anderem Gründer des medicum Hamburg, Europas größtem Zentrum für Ernährung und Diabetes, sowie Berater für Krankenkassen und Fernsehsender. Seine diversen Tätigkeiten, Projekte, Vorträge und Vorlesungen entspringen dem übergeordneten Ziel, die Möglichkeiten einer optimierten Ernährung einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
Dr. Matthias Riedl ist einer der renommiertesten deutschen Ernährungsmediziner. Der Diabetologe und Internist ist unter anderem Gründer des medicum Hamburg, Europas größtem Zentrum für Ernährung und Diabetes, sowie Berater für Krankenkassen und Fernsehsender. Seine diversen Tätigkeiten, Projekte, Vorträge und Vorlesungen entspringen dem übergeordneten Ziel, die Möglichkeiten einer optimierten Ernährung einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
Hinweis zur Optimierung
Impressum
Vorwort
Warum unsere aktuelle Ernährung ein Desaster ist
Ernährungspolitik – Nichtstun mit Ansage
Zugabe! Wenn Nahrung aus dem Labor kommt
Ernährung – die verkannte Therapieoption
Das Paradoxon der modernen Ernährung
Leben im Überfluss – ein schwieriges Umfeld
Wie Gefühle unser Essverhalten beeinflussen
Scharlatanerie statt echtem Wissen
Rezepte für alle, die artgerecht essen möchten
Literaturempfehlungen
Adressen, die weiterhelfen
Die Autoren
Dr. Matthias Riedl
Von Killer-Nahrung und den Gründen dahinter
Manche Patienten bleiben einem besonders in Erinnerung. Nicht unbedingt deshalb, weil sie besonders krank gewesen wären – und ihre Erfolge mit der Ernährungstherapie entsprechend spektakulär. Sondern weil sich in ihrem Alltag und ihrer Ernährung das gesamtgesellschaftliche Elend spiegelt, dem wir tagtäglich ausgesetzt sind. Wenn ich anfange, von diesem Elend zu sprechen und von meinen Forderungen, wie der Misere zu begegnen sei, sagen mir Menschen immer wieder: »Geht es nicht eine Nummer kleiner? Das ist doch übertrieben!« Nein, es geht nicht kleiner. Auf keinen Fall.
Denn unsere aktuelle Ernährungssituation ist ein Skandal, der nicht nur das Essen auf unseren Tellern betrifft. Wie in einem Brennglas vereint er unhaltbare Zustände, die uns als Individuen und als Gesellschaft insgesamt unsagbar belasten – und zwar weltweit. Doch anders als etwa der Klimawandel bleibt dieses Drama weitgehend unbemerkt: Keiner geht für eine bessere Ernährung auf die Straße. Doch das wird sich ändern, so meine große Hoffnung.
Claudia und Markus – die Musterpatienten
Um die Katastrophe unserer alltäglichen Ernährung etwas zu verdeutlichen, möchte ich Ihnen von Claudia erzählen. Claudia hat mich vor etwa zwei Jahren aufgesucht und gehört zu jenen Fällen, die ich nicht vergessen kann. Sie ist Altenpflegerin, inzwischen 50 Jahre alt, verheiratet und Mutter dreier Kinder. Eine Frau, die auf Anhieb sympathisch wirkt, mit ihrem kräftigen Händedruck, dem klaren Blick und diesem gelassenen Tonfall in der Stimme, der so viele Norddeutsche auszeichnet. Claudia kam nicht wegen sich selbst – auch wenn sie ein klein wenig übergewichtig war und entzündete Haut hatte. Sie kam wegen Markus, ihrem Mann. Das ist eine typische Situation in meiner Praxis: Frauen erlebe ich Ernährungsveränderungen gegenüber meist aufgeschlossener als Männer. Falls Männer eine Anpassung vornehmen, werden sie häufig von ihren Partnerinnen angetrieben. Das hat positive Folgen: Statistisch betrachtet leben Männer länger, wenn sie in einer guten, mitfühlenden Beziehung mit einer Frau zusammenleben. Wieder mag es für einige übertrieben klingen, aber es ist so. Von allein kommen kranke Männer in der Regel erst zu mir, wenn sie die kleine Treppe zu meinem Behandlungsraum kaum noch schaffen.
40 % der Frauen essen täglich Gemüse, bei Männern sind es nur 24 %. Fleisch oder Wurstwaren konsumiert knapp jede fünfte Frau und jeder dritte Mann täglich.
QUELLEN: RKI, STATISTA
Auch bei Claudias Ehemann Markus war die Situation schon dramatisch: Seit Jahren litt er an Typ-2-Diabetes und spritzte Insulin, doch der Langzeitzuckerwert stieg immer weiter. Dazu wurde der 48-Jährige zusehends schwächer und antriebsloser, er konnte sich gerade noch aufraffen, zur Arbeit zu gehen. Claudia selbst musste daheim immer mehr erledigen. Und wenn sie für Markus kochte, wusste sie gar nicht mehr, was sie ihm noch vorsetzen konnte. »Gesundes« mochte er nicht. Außerdem war ihr nicht klar, was wirklich gesund wäre – da würde ja auch jeder etwas anderes sagen. »Soll das jetzt immer so weitergehen, wird einfach immer alles schlimmer?«, fragte mich meine Patientin irgendwann. »So habe ich mir mein Leben nicht vorgestellt.« Das war der Moment, in dem dieser zupackenden Frau Tränen in die Augen stiegen.
Die Gründe hinter dem Ernährungsskandal
Ich habe an diesem Nachmittag alle weiteren Termine abgesagt. Weil mir klar wurde: Ich war hier nicht mehr nur als Arzt gefragt, sondern auch als Mensch, der einfach zuhört, die richtigen Fragen stellt, ab und an mal nickt, weil er die Missstände kennt – und selbst oft an ihnen verzweifelt. Am Ende haben wir knapp zwei Stunden miteinander gesprochen. Und ich weiß noch, dass ich anschließend dachte: Jemand wie Claudia müsste eigentlich jeden Abend in einer Talkshow sitzen. Weil ihre Geschichte und die ihres Mannes so beispielhaft stehen für die Katastrophe, die sich täglich abspielt. Eine Katastrophe, deren Folgen – anders als etwa beim Klimawandel – schon jetzt bei jedem Einzelnen angekommen sind. Lassen Sie es mich in aller Klarheit sagen: Was wir aktuell essen, bringt Millionen Deutsche vorzeitig ins Grab.
Die zentralen Punkte, um die sich diese Katastrophe dreht, lassen sich am Beispiel von Claudias Familie klar schildern. Jeden einzelnen zu ändern, ist die gesamtgesellschaftliche Aufgabe!
Die moderne Ernährung liefert viel zu viel Energie: Claudia und Markus haben ihr Leben lang das gegessen, was hierzulande die meisten Menschen zu sich nehmen – Brötchen am Morgen, Kartoffeln mit Fleisch oder Fisch und ein bisschen Gemüse am Mittag, Brot mit Wurst und Käse am Abend. Dazwischen mal ein Keks, mal ein Apfel, abends ein paar Chips. Als Getränke gab es oft Cola oder Limo. Bis zu acht Mal am Tag essen und snacken auch die meisten anderen Deutschen inzwischen. Häufig überschreiten sie damit die empfohlene Tageshöchstmenge an Zucker deutlich, schaffen aber die ideale Gemüsemenge für einen Tag in einer ganzen Woche nicht.
Eine solche Ernährung sorgt zum einen dafür, dass wir mehr Energie aufnehmen als wir verbrennen. Und zum anderen dafür, dass wir von den guten Nährstoffen zu wenig bekommen. Damit ist die typisch westliche Ernährung Ausgangspunkt Dutzender Krankheiten – und verschlimmert fast alle Beschwerdebilder.
Die Industrie verschärft die Katastrophe: Wie die meisten von uns waren auch Markus und Claudia an Fertigprodukte und Snacks gewöhnt – von Kindheit an. Kein Wunder: Die Industrie nutzt die vielen ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, um uns von Chips und Co. buchstäblich abhängig zu machen. Mit greller Werbung etwa, die sich häufig an Kinder richtet. Mit immer neuen Kreationen, die teils evolutionär verankerte Gelüste in uns triggern. Mit Lügen über vermeintlich gesunde Snacks (»health washing«) – und natürlich mit viel Chemie in Form von Zusatzstoffen. Außerdem sorgen die Hersteller der krankmachenden Produkte über intensive Lobbyarbeit dafür, dass sie an all dem kaum gehindert werden.
Die Politik schützt die Menschen nicht: Es gäbe viele Möglichkeiten, die alltägliche Ernährung über Maßnahmen »von oben« zu verbessern und Menschen wie Claudia und Markus so den Zugang zu einer artgerechten, gesunden Ernährung zu erleichtern. Doch die Regierenden in Deutschland scheinen diese Verantwortung mitunter zu scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Sie verschließen die Augen vor der unfassbar steigenden Zahl an Übergewichtigen und ernährungsbedingt Kranken – ähnlich wie sie es lange beim Klimawandel oder auch dem Artensterben getan haben.
Statt etwas zu unternehmen, überlässt uns die Politik also einem ungünstigen Umfeld, das zwangsläufig zur Fehlernährung der Massen führen muss. Das Krasse: Bei all dem kommen die Verantwortlichen bislang sogar gut weg. Denn noch immer glauben und verbreiten viele Menschen hierzulande die Mär, wonach der Einzelne schuld sei an seiner Fettleibigkeit und den ernährungsbedingten Beschwerden – nicht aber die Nahrungsmittelindustrie oder eine Regierung, die dieser Industrie das Allermeiste durchgehen lässt. Dabei zeigen die Regale in den Supermärkten sehr genau, wo das Problem liegt: Über 80 Prozent der Produkte sind maßlos überzuckert. Schuld ist der, der zugreift? Wie kann man so etwas auch nur denken!
Das Gesundheitssystem bietet keine Hilfe: Obwohl inzwischen klar ist, wie krank die moderne westliche Ernährung uns macht und wie gut eine Ernährungstherapie gegen die allermeisten Krankheiten hilft, wird diese Option meist ignoriert. So bekam Markus von seinem Arzt keine Ernährungstherapie angeboten, um den Diabetes zu behandeln – obwohl damit nachgewiesenermaßen sogar eine Heilung möglich ist! Stattdessen verschrieb der Arzt ihm nur mehr Insulin. Und bescherte Markus, obwohl er selbst übergwichtig war, noch wenig motivierende Kommentare wie: »Versuchen Sie es einfach mal mit ein paar Gummibärchen weniger.« Als Markus irgendwann, von Claudia instruiert, selbst eine Ernährungstherapie vorschlug, zog der Arzt nur die Augenbrauen hoch und lachte: »Da können Sie ja gleich Globuli nehmen.« Und die Krankenkasse erklärte, die Kosten einer Ernährungstherapie nicht zu übernehmen.
Solche Systemfehler sorgen dafür, dass Patienten mit den verschiedensten Krankheitsbildern eine Odyssee von Arzt zu Arzt hinter sich bringen müssen, ehe sie im besten Fall in einer ernährungsmedizinischen Schwerpunktpraxis landen. Dabei haben die meisten Krankheiten, von Adipositas und rheumatoider Arthritis über Neurodermitis und Reizdarm bis hin zu Gicht, häufig ihre Ursache (auch) in einer falschen Ernährung. Die günstigste Behandlung in Form einer Ernährungstherapie wird aber meiner Erfahrung nach oft um bis zu 20 Jahre verschleppt. Das ist deshalb besonders fatal, weil sich einige Krankheiten durch eine rasch nach der Diagnose eingeleitete Ernährungsanpassung nicht nur bessern, sondern sogar heilen lassen.
Unser Lebensumfeld macht alles noch schwerer: Markus hatte oft versucht, sein Leben in Eigenregie zu ändern, also beispielsweise aktiver zu werden und mit dem Fahrrad statt dem Auto ins Büro zu fahren. Doch weil die Radwege so schlecht waren, griff er nach ein paar Tagen wieder zum Autoschlüssel. Beim Stopp an der Tankstelle kaufte er häufig wie ferngesteuert einen Schokoriegel, der so verführerisch an der Kasse lag. Besonders oft dann, wenn er gestresst war, etwa, weil er sich mal wieder über seinen Chef geärgert hatte. Denn etwas Süßes half gegen den Frust immer ganz gut!
Dass uns negative Gefühle und Stress zu...
Erscheint lt. Verlag | 3.12.2022 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Essen / Trinken ► Gesunde Küche / Schlanke Küche |
Schlagworte | Ernährung • Ernährungsfakten • Ernährungsgewohnheiten • Ernährungsmythen • Ernährung und Gesundheit • Essen als Medizin • Gesund bleiben • Gesunde Ernährung • Gesundheitsrisiken in der Ernährung • Giftige Substanzen in Lebensmitteln • gut essen • Heilende Nahrungsmittel • nährstoffreiche Lebensmittel • Nahrungsmittelwissenschaft • Toxische Lebensmittel • Veganismus • Vegetarismus • versteckte Lebensmittel • Vollwertkost • Zivilisationskrankheiten |
ISBN-10 | 3-8338-8693-5 / 3833886935 |
ISBN-13 | 978-3-8338-8693-5 / 9783833886935 |
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Größe: 10,1 MB
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