Jesus Christus: Die Mysterien des esoterischen Christentums (eBook)
180 Seiten
Aquamarin Verlag
978-3-96861-283-6 (ISBN)
Für Hans Stolp steht die Person von Jesus, dem Christus, im Mittelpunkt seines Lebens und Schreibens. In seinen zahlreichen Büchern, die sich mit den Mysterien des Christentums befassen, greift er immer wieder auf Auszüge aus den Werken Rudolf Steiners zurück, der für ihn zu den maßgeblichen Wegbereitern eines neuen Geistchristentums zählt.
Steiners Einsichten in eine mystisch-rosenkreuzerische Tradition bilden für Hans Stolp die Grundlage für ein „esoterisches Christentum“, das nach seiner Überzeugung das Christentum der Zukunft sein wird.
Eine außergewöhnliche Studie über jene verborgenen Seiten christlicher Mystik, die allmählich, aber unaufhaltsam ans Licht drängen.
Hans Stolp ist Pfarrer und Schriftsteller. Er steht mit der Stiftung Heraut in Verbindung und hält Vorträge und Seminare über 'Die esoterische Deutung der Bibel', über Engel, die Mysterientradition, den Umgang mit Verstorbenen und viele weitere Themen, die in Zusammenhang mit dem Denken einer neuen Zeit stehen. Er hat viele Jahre in der Sterbebegleitung und in der Seelsorge gearbeitet. Dabei durfte er immer wieder auch sterbende Kinder auf ihrem Weg in eine andere Welt geleiten. Seine Bücher über das'Leben nach dem Tod' sind von seiner jahrzehntelangen Erfahrung inspiriert und haben Menschen auf der ganzen Welt berührt. Weitere Informationen finden Sie auf seiner persönlichen Website: www.hansstolp.nl
1. Ein Meilenstein in unserer Geschichte
Die Mystiker
Warum, so fragte ich mich schon als Kind, gab man ihm drei verschiedene Namen: „Jesus“, „Christus“ und „Jesus Christus“? Ich spürte, dass mit diesen verschiedenen Namen große Geheimnisse verbunden waren. Aber niemand konnte mir sagen, welche Geheimnisse das waren. Der Pfarrer in der Kirche wusste es anscheinend auch nicht – bei allem, was er am Sonntag von der Kanzel aus über den Christus sagte, hatte ich als Kind das Gefühl: „So ist es nicht, es ist anders.“ Aber wie es wirklich war, das wiederum wusste ich natürlich auch nicht.
Jahre später konnten mir auch die gelehrten Theologie-Professoren während meines Theologie-Studiums diese Geheimnisse ebenso wenig verraten. Ich hatte mir davon viel erhofft und erwartet. Auch bei ihnen hatte ich immer wieder das Gefühl: „Irgendwie stimmt das nicht – es ist tiefer, anders.“ Aber wie war es denn wirklich? Ich wusste es nicht.
Nach meinem Theologie-Studium habe ich die Mystiker entdeckt: Jakob Böhme, Johannes vom Kreuz, Hildegard von Bingen, Meister Eckhart, Johannes Tauler und so viele andere des Mittelalters, aber auch Persönlichkeiten wie Emanuel Swedenborg, den schwedischen Wissenschaftler und Mystiker aus dem 18. Jahrhundert. Wie habe ich ihre Bilder und Erkenntnisse genossen! Bei ihnen spürte ich ein tieferes Wissen – als ob sie irgendwie mit den großen Geheimnissen Jesu Christi vertraut wären. Darüber hinaus spürte ich bei den meisten von ihnen eine echte, lebendige Verbindung zur geistigen Welt. Dadurch wurde mir klar, dass ihre Erkenntnisse auf irgendeine Weise jener Welt entsprangen.
Um uns eine Vorstellung von ihrer Denkweise zu machen, müssen wir uns nur einmal mit dem berühmten polnischen Arzt und Mystiker Angelus Silesius befassen. Er lebte im 17. Jahrhundert und wurde mit folgendem Ausspruch sehr berühmt: „Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht in dir – du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren.“ Aber auch der folgende schöne Text von Meister Eckhart ist sehr aufschlussreich: „Wer also Licht finden will und Unterscheidung aller Wahrheit, der warte auf diese Geburt in sich und im Inneren und nehme ihrer wahr: So werden alle Kräfte und der äußere Mensch erleuchtet. Denn so, wie Gott das Innere mit der Wahrheit berührt hat, so wirft sich das Licht in die Kräfte, und der Mensch versteht alsdann mehr, als ihn jemand lehren könnte.“ 4
Eine ausdrucksstarke Bilderflut
Wie diese Zitate deutlich machen, zeigen uns die Mystiker den Weg nach innen, zu unserem eigenen Herzen. Unser Herz ist der Ort, an dem der Christus geboren werden möchte. Theologen hingegen verwiesen meist nach außen: Auf die Bibel, die Kirchenväter oder die Dogmatik. Man könnte auch sagen, dass die Mystiker aus ihrer eigenen Erfahrung und Wahrnehmung sprachen, die Theologen hingegen hauptsächlich aus ihrem (begrenzten, rationalen) Denken und Glauben heraus. Aber als ich mich dann zwischen diesen beiden entscheiden musste – und offensichtlich gab es keine andere Wahl als die zwischen den beiden – sprach mich der Weg der Mystiker mehr an. Was sie sagten, berührte mich, und das war bei den Texten der Theologen selten der Fall.
So fand ich bei den Mystikern eine Lebenswelt, die mich ansprach und mir irgendwie vertraut war. Darüber hinaus spürte ich bei ihnen auch eine tiefe Verbundenheit zum Mysterium Christi. In jedem Wort, das sie schrieben oder sprachen, war diese Verbundenheit spürbar, und sie drückten sie mit einer tiefen Ehrfurcht aus. Insbesondere diese Ehrfurcht und die Tiefsinnigkeit ihrer Gedanken berührten mich immer wieder und nährten meine Seele.
Es gab jedoch ein „Aber“: Die Mystiker präsentierten die Geheimnisse Christi nicht auf eine logische, kohärente und verständliche Weise, und damit nicht in der Art, wie der moderne Mensch nun einmal denkt. Es war mehr wie eine Flut von Metaphern und tiefgründigen Gedanken, die mir immer den Eindruck von Wasser vermittelten, das aus einer verborgenen Quelle sprudelt. Doch in dieser Vielzahl von Bildern und Gedanken konnte ich kaum einen richtigen Zusammenhang in Bezug auf das Thema finden, das mich so sehr beschäftigte, nämlich: „Wer ist Jesus Christus?“ Doch weil ich nun einmal ein Mensch dieser Zeit bin, wollte ich die Mysterien Christi so gern auf eine klare und logische Weise verstehen.
Die Nag-Hammadi-Schriften
Bald entdeckte ich auch die Nag-Hammadi-Schriften. Es handelt sich um Evangelien und andere christliche Schriften, die 1945 in Ägypten gefunden wurden und aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung stammen. Obwohl diese Schriften nicht in die Bibel aufgenommen wurden, spiegeln sie doch das tiefere Wissen der christlichen Eingeweihten in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung wider. Von diesen Schriften ist das Thomas-Evangelium inzwischen die berühmteste Schrift geworden: Eine Sammlung von kurzen Sprüchen oder Texten, die einen tiefen Einblick in die menschliche Seele verraten. Die Erkenntnisse, die Psychiater wie Freud, Jung, Adler und ganz viele andere Wissenschaftler erst Jahrhunderte später entdeckten – die Grundlagen der Psychologie – sind hier bereits zu finden, allerdings eben in Bildersprache. Eines der berühmtesten sogenannten Logien (Sprüche) aus dem Thomas-Evangelium lautet:
„Jesus sagte:
‚Wer das All erkennt,
sich aber selbst verfehlt,
verfehlt das Ganze.‘“5
Wie in allen Nag-Hammadi-Schriften wird auch in diesem Text ausdrücklich betont, wie wichtig es ist, den Weg nach innen zu gehen: Selbsterkenntnis bildet die Grundlage allen Wissens. Wer sich selbst nicht kennt, wird die Welt daher nie (wirklich) verstehen können – er kennt die Dinge nur von außen. Deshalb stand über dem Eingangstor des Tempels in Delphi geschrieben: „Gnothi seauton“, was so viel bedeutet wie „Erkenne dich selbst“. Das Heiligtum stand in Griechenland (eben in Delphi) und stammt aus vorchristlicher Zeit. Die Besucher des Heiligtums bekamen den Rat mit auf den Weg: „Alles (wahre) Wissen beginnt mit der Selbsterkenntnis.“
Keine Frage: Dies ist eine wichtige Erkenntnis, gerade auch für unsere heutige Zeit. Sie bedeutet, dass eine Wissenschaft, die sich nur auf das Objekt (außerhalb ihrer selbst) und nicht auch auf sich selbst konzentriert, niemals in der Lage sein wird, die Essenz des Objektes zu verstehen. Wir haben es dann mit einer Wissenschaft zu tun, die sich nur auf das (materielle) Äußere konzentriert, die Essenz, den Geist, jedoch ignoriert. Mit anderen Worten: Man erhält keine Verbindung zum Wesen des Objekts, sondern lediglich zu seinem Äußeren.
Je länger ich über die Texte aus den Nag-Hammadi-Schriften sinnierte, desto mehr begann ich ihre große Bedeutung zu erkennen. Gerade für unsere heutige Zeit, die sich vor allem auf die Materie konzentriert, den Geist jedoch vergisst, sind sie von unschätzbarer Bedeutung.
Die Nag-Hammadi-Schriften haben uns einen tieferen Einblick in die Ursprünge und Anfänge des Christentums geschenkt.6 In der Tat haben diese Schriften in der Theologie eine Revolution ausgelöst: Sie zeigen, dass es in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung in den Kreisen der Eingeweihten eine ganz andere, tiefsinnigere und tiefgründigere Art gab, über die Mysterien Christi nachzudenken, als die Theologie es seit Jahrhunderten kannte und erkannte: In ihnen werden esoterische Geheimnisse offenbart. Zum Beispiel die Geheimnisse, die mit dem Jesuskind verbunden sind, oder die Geheimnisse, die der Auferstehung von Jesus Christus zugrunde liegen. Das sind Schriften, in welchen ich immer noch regelmäßig lese und Inspiration finde: Allein schon der Geist, der aus diesen Schriften spricht, tut meiner Seele spürbar gut. Aber auch bei diesen Schriften stieß ich auf das gleiche Problem wie bei den Mystikern: Sie enthalten eine Vielzahl von beeindruckenden Bildern und tiefgehende Erkenntnisse, aber sie geben keinen zusammenhängenden und verständlichen Einblick in die Mysterien Christi.
Die eine leidige Frage
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Schriften der Mystiker und die Nag-Hammadi-Schriften über viele Jahre hinweg meine spirituelle Nahrung gewesen sind – ich habe ihnen viel zu verdanken. Doch tief in meiner Seele nagte eine Sehnsucht nach mehr: „Wo könnte ich einen zusammenhängenden Einblick in die Mysterien Jesu Christi finden, der auch mein Denken befriedigen und mir die Erkenntnis schenken würde, nach der ich schon mein ganzes Leben lang gesucht habe?“ Mit den Jahren schwand allmählich die Hoffnung, dass ich jemals eine Antwort auf diese Frage finden würde.
Eine Entdeckung, die mein Leben geprägt hat
In meinem Buch über Rudolf Steiner habe ich bereits erwähnt, dass ich vor fünfundzwanzig Jahren auf einem Flohmarkt zufällig auf ein paar Bücher von Rudolf Steiner stieß.7 Vier Bücher, um genau zu sein – und jedes davon enthielt eine Auslegung zu einem der vier Evangelien der Bibel. Ich kaufte sie für ein Butterbrot – einen Gulden pro Stück (das war noch zu der Zeit vor der Einführung des Euro). Aber so preisgünstig sie auch waren, so wertvoll sind sie für mich geworden. Weil ich eine tiefe Liebe zum Johannes-Evangelium empfand, zugleich jedoch auch merkte, dass es mir nicht gelang, in die tieferen Schichten durchzudringen, zur verborgenen Botschaft, die in diesem Evangelium enthalten war, hatte ich schon etliche Kommentare gelesen. Aber nicht ein einziges dieser Bücher hat mich wirklich weitergebracht.
Als ich jedoch nach der Rückkehr vom Flohmarkt begann, Rudolf Steiners Auslegung des Johannes-Evangeliums zu lesen, spürte ich eine wachsende Begeisterung in mir: „Das ist...
Erscheint lt. Verlag | 16.11.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Esoterik / Spiritualität |
Geisteswissenschaften ► Religion / Theologie ► Christentum | |
ISBN-10 | 3-96861-283-3 / 3968612833 |
ISBN-13 | 978-3-96861-283-6 / 9783968612836 |
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