Das Chakra-System: Der Schlüssel zum Verständnis des Menschen (eBook)
500 Seiten
Aquamarin Verlag
978-3-96861-219-5 (ISBN)
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt sich im westlichen Denken das Wissen um die feinstofflichen Energiezentren des menschlichen Körpers – die Chakras – auszubreiten. Englische Kolonialbeamte, die spirituell interessiert waren, sowie einige Abenteurer, die nach Tibet reisten oder zu Füßen indischer Yogis saßen, waren die ersten, die in tantrische Geheimlehren eingeweiht wurden.
Anfang des 20. Jahrhunderts erschienen dann allmählich auch die ersten Bücher über die Chakras in deutscher Sprache. Mittlerweile ist über ein Jahrhundert vergangen – und die Veröffentlichungen zu diesem Thema sind kaum noch zu überschauen. Viele Titel enthalten Wissen aus zweiter Hand, viele sind auch nur Abschriften von Abschriften. Nur Weniges ist authentisch und damit wertvoll.
Kurt Leland veröffentlicht mit diesem Jahrhundertwerk erstmals eine umfassende Übersicht der Literatur über die Chakras und sortiert zwischen Wertvollem und nur Abgeschriebenem. So wird endlich nachvollziehbar, welches Wissen am Anfang stand und wie es über anderthalb Jahrhunderte hinweg weitergereicht wurde.
Ein Werk, das Jahrzehnte an Arbeit und ein ungeheures Wissen erforderte! Eine meisterhafte Studie, die ihresgleichen sucht!
Einführung
An einem Sommertag im Jahre 2014 – ich musterte gerade die Warenberge in der örtlichen Lebensmittel-Genossenschaft – stieß ich auf eine kleine Werbebroschüre, die jemand liegen gelassen hatte. Der Umschlag zeigte eine junge Frau, sie trug eine hauchdünne weiße Hemdbluse und saß aufrecht in Yoga- oder Meditationshaltung. Vor ihrem Körper waren sieben farbige Medaillons übereinander gereiht, jedes enthielt einen Buchstaben des Sanskrit-Alphabets. Die Farben gingen von Rot an ihrer Sitzfläche bis zu Violett am höchsten Punkt ihres Kopfes und folgten der Reihenfolge des Spektrums. Bei näherer Betrachtung zeigte sich, dass jede der bunten Flächen eine andere Zahl von blütenblatt-ähnlichen Strahlen aufwies.
Diese Medaillons waren Darstellungen der sieben Chakras (Sanskrit für »Räder«), eines Schemas, das schon vor Jahrhunderten in Verbindung mit einem bestimmten Yoga in Indien entstanden war, der zum zentralen Gegenstand für heutige Yoga-Gruppen und New-Age-Metaphysiker geworden ist. Die Chakras, so hören wir, zeigten sich dem Blick eines Hellsichtigen als rotierende Lichtwirbel, daher ihr Name »Räder«. Antike Texte lehrten, dass ihre Aktivierung durch eifriges Meditieren und rituelle Praktiken zu einem siebenstufigen Prozess der Bewusstseinserweiterung führe, der wiederum gesteigerte geistige Kräfte, Erleuchtung und Befreiung von dem karmischen Gesetz der Wiedergeburt mit sich bringe.
Das Produkt in der Werbebroschüre nannte sich »Biologischer Chakra-Ausgleichs-Aromatherapie-Deoroller«. Der Hersteller war eine Firma Aura Cacia, die duftende ätherische Öle vermarktete, die für heilsame Zwecke aus Kräutern und Blüten hergestellt wurden – daher »Aromatherapie«. Die Broschüre ließ sich zu einer hochformatigen Tabelle farblich hinterlegter Entsprechungen entfalten, die die Positionen, Eigenschaften und Wirkungen (auf Gefühle, Denken und Geist) der Chakras anzeigten, die durch den Gebrauch dieser aromatherapeutischen Deoroller »auszugleichen« seien; es gab für jedes Chakra einen, mit dem eine eigene Rezeptur ätherischer Öle zum Tragen kam.
Mehrere halb-amüsierte Fragen kamen mir in den Sinn: Konnte ein Duft wirklich »die Schleusen des Mitgefühls und Verständnisses« öffnen, die mit dem Herz-Chakra assoziiert wurden? Warum war das »ermächtigende« dritte Chakra mit einer »zarten Zitrus-Duftmischung« bedacht worden? Und wie würde ein vollkommen erleuchtetes Wesen riechen, wenn es alle sieben Düfte gleichzeitig trüge?
Die drängendste Frage aber lautete: Wie sind wir von dort nach hier gelangt? Die Liste der genannten Chakra-Eigenschaften klang vertraut nach Dutzenden von New-Age-Büchern zum Thema: Erdung in dem ersten Chakra, Sinnlichkeit oder Sexualität im zweiten, Ermächtigung im dritten, Mitgefühl im vierten, Kommunikation im fünften, intuitive Erkenntnis im sechsten und Erleuchtung im siebten. Doch jeder, der einen Blick auf die Ursprünge des Chakrasystems in Indien wirft, dürfte mit Erstaunen feststellen, dass die Chakras hier Farben haben, während es dort keinen Regenbogen gibt; sie besitzen wohl Eigenschaften und spirituelle Kräfte, aber nicht diejenigen in der Tabelle. Von Düften ist gar keine Rede. Die Vorstellung, dass Chakras auszugleichen sind, wird in den alten Schriften nirgends erwähnt. Dort sind die Chakras zu durchdringen, aufzulösen und zu transzendieren, um einen Zustand der »Befreiung innerhalb des Lebens« zu erlangen – nicht einen emotionell und spirituell ausgeglichenen Lebensstil (was auch immer mit »Lifestyle« gemeint sein mag).
Ende der 1970er Jahre hatte ich erstmals über die Chakras gehört; eine Freundin, die Schülerin eines indischen Yogis war, erzählte davon. Ich erfuhr, wo sie sich befanden und wie man atmen muss, um sie zu reinigen. Aus der metaphysischen Gerüchteküche kam mir eine Liste von Chakra-Eigenschaften in die Hände, die derjenigen in der Aura-Cacia-Broschüre ähnlich sah. In esoterischen Buchhandlungen waren damals nur wenige Bücher zum Thema erhältlich, die ich jedoch weder kaufte noch las.
Im Jahr 2002 wurde ich gebeten, ein Buch über die spirituellen Wirkungen der Musik zu schreiben. Ich erwog, das Chakrasystem als Rahmen zu verwenden, um mystische oder Gipfelerlebnisse zu schildern, die im Zusammenhang mit Komponieren, Musizieren und Musikhören berichtet wurden. Inzwischen waren Dutzende von Büchern über die Chakras auf dem Markt, und sie zeigten die unterschiedlichsten Auflistungen von Farben und Eigenschaften. Ich wollte mit der authentischsten Liste arbeiten, die ich finden konnte. Doch meine Untersuchung alter indischer Systeme brachte noch mehr Verwirrung: Manche hatten nur vier Chakras, andere sage und schreibe neunundzwanzig. Mehrere Fragen hatten mich beschäftigt – doch als mein Buch 2005 veröffentlicht wurde, waren sie immer noch unbeantwortet:
• Wann gelangte der Begriff Chakra erstmals in die englische Sprache?
• Wann entstand das Schema der Regenbogenfarben, und wer war dafür verantwortlich?
• Woher kam die allgegenwärtige New-Age-Liste von Chakra-Eigenschaften, und wie lange kursiert sie schon?
Im Sommer 2012 trat man mit der Bitte an mich heran, eine neue Ausgabe eines Buches über die Chakras zu kommentieren, das 1927 von Charles W. Leadbeater veröffentlicht worden war – einem Hellsichtigen, der in der Theosophischen Gesellschaft wirkte. Sein Buch The Chakras (dt. Ausgabe: Die Chakras) war seit fünfundachtzig Jahren ständig nachgedruckt worden. Obwohl es als ein Klassiker auf dem Gebiet der New-Age-Chakra-Literatur galt, war dieses Buch keine leichte Lektüre. Leadbeater verwendete eine obskure Terminologie und ging offenbar davon aus, dass seine theosophische Leserschaft sie ohne weitere Erklärungen verstehen werde. Es gab mehrere Punkte, in denen sich seine hellsichtigen Wahrnehmungen der Chakras nicht nur von den alten indischen Texten unterschieden, sondern auch von jüngeren New-Age-Büchern. Ich bemühte mich, einen »verbindlichen«, eigenständigen Text zu erarbeiten – mit Anmerkungen, die alle Begriffe erklären, und einem Nachwort, in dem ich das Buch in seinem Kontext innerhalb der Entstehungsgeschichte der New-Age-Version des Chakrasystems würdigte. Dieses Projekt erlaubte mir, die Frage zu beantworten, wo das Regenbogenfarben-Schema herkam. Da ich einen sehr knappen Abgabetermin hatte, war es mir jedoch nicht möglich, den anderen Fragen nachzugehen.
Im Sommer 2014 jedoch erhielt ich eine Anfrage, einen Vortrag über das Chakrasystem zu halten. Diese Gelegenheit erlaubte mir, meine Nachforschungen weiter zu verfolgen. Es gelang mir tatsächlich, die ersten Erwähnungen des Chakrasystems in englischer Sprache aufzuspüren. Es war mir auch möglich, die jahrhundertelange Evolution dessen zurückzuverfolgen, was ich heute das westliche Chakrasystem nenne. Seine Evolution begann in den 1880er Jahren in den Schriften von Madame Helena Petrovna Blavatsky, der Gründerin der Theosophischen Gesellschaft, und war im Jahr 1990 mehr oder weniger abgeschlossen, als die Schauspielerin Shirley MacLaine in der Tonight-Show auftrat und ein landesweites Fernsehpublikum ergötzte, indem sie farbige Kreise, die das Chakrasystem darstellen sollten, auf Kleidung und Kopf ihres Gastgebers Johnny Carson befestigte.
Ich kam zu dem Ergebnis, dass die Evolution des westlichen Chakrasystems eine unbeabsichtigte Gemeinschaftsproduktion folgender Beteiligter war:
• Esoteriker und Hellsichtige (viele von ihnen aus den Reihen der Theosophen)
• Indologen (Akademiker, die sich mit indischer Kultur und Religion auskennen und befassen)
• Joseph Campbell (Mythologe)
• Psychologen (C. G. Jung und die Schöpfer der Human-Potential-Bewegung im Esalen-Institut in Big Sur, Kalifornien)
• Indische Yogis (Die »uralten« Lehren so mancher von ihnen bedienten sich bei Leadbeaters Farbensystem.)
Die beiden wichtigsten Strömungen dieser evolutionären Reihe – das Schema der Regenbogenfarben und die Liste der Chakra-Eigenschaften – kamen erst 1977 in gedruckter Form zusammen. Damit war das vielgepriesene »antike« Chakrasystem des Westens kaum vierzig Jahre alt, und seine Geschichte verlor sich im Trüben, einer Gewohnheit der New-Age-Autoren, sowohl in gedruckten Werken als auch im Internet keine Anmerkungen und Quellen für ihre Informationen mitzuliefern – eine Angewohnheit, die man Quellen-Amnesie nennt.
Ich habe dieses Buch für Menschen geschrieben, die die wirkliche Geschichte des westlichen Chakrasystems erfahren wollen – eine wilde und verrückte Geschichte, die irgendwie einen Schatz an spirituellen und alternativen Behandlungsmethoden hervorgebracht hat, der die Leben von Millionen Menschen tiefgreifend veränderte.
Teil Eins, »Osten ist Osten und Westen ist Westen«, handelt von der frühen Evolution des Chakrasystems. Ich untersuche den indischen Hintergrund dieses Systems und entwickle nützliche Übersetzungen von wichtigen...
Erscheint lt. Verlag | 14.12.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Esoterik / Spiritualität |
Geisteswissenschaften ► Religion / Theologie ► Hinduismus | |
ISBN-10 | 3-96861-219-1 / 3968612191 |
ISBN-13 | 978-3-96861-219-5 / 9783968612195 |
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Größe: 10,5 MB
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