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Savitri - Legende und Sinnbild -  Sri Aurobindo Aurobindo

Savitri - Legende und Sinnbild (eBook)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
743 Seiten
Aquamarin Verlag
978-3-96861-212-6 (ISBN)
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Sri Aurobindo schrieb an diesem Buch über vierzig Jahre. Er bezeichnete es als sein eigentliches „Lebenswerk“, das er erst wenige Tage vor seinem Tod vollendete. Für dieses Meisterwerk wurde er mehrfach für den Literatur-Nobelpreis vorgeschlagen. Es ist eine einzigartige poetische Suche nach dem Unendlichen, eine Reise in den Urgrund des Göttlichen Wesens! Unvergleichlich!

Canto 2

Der Auftrag

Für eine Weile in verborgene Gefilde des Denkens eingekehrt, bewegte sich ihr Mental in den Bildern der Vergangenheit, die neu auflebte, doch sie sah, daß sich ihr Ende näherte. Obwohl sie schon verging, lebte sie unvergänglich in ihr fort. Vorübergehend und den zeitgebundenen Augen entschwindend, trug die Vergangenheit unsichtbar als ein schicksalsvoller Geist des Selbsts auf ihrer Geister-Brust die Zukunft. In der Ereignisse weithin zurückflutender Spur verebbte dieser Strom beharrlich andringender Stunden, und an dem Ufer der geheimnisvollen Flut, bevölkert von Gestalten, die man liebte, aber nicht mehr sah, und von den feinen Bildern jener Dinge, die einst waren, stand jetzt ihr Geist als Zeuge und musterte die Zeit. Was alles sie erhofft einst und erträumt hatte und selbst gewesen war, das flog durch Himmel der Erinnerung an ihr vorüber wie auf Adlersflügeln. Gleich wie im innern Tagesanbruch, der in vielen Farben aufflammt, so lagen ihres Lebens breite Straßen und die holden Nebenwege vor ihrem sonnenklaren Blick verzeichnet wie auf einer Karte, von jenem hellen Lande ihrer Kindheitstage an, den blauen Bergen ihrer hochfliegenden Jugend, den Paradiesesgärten und den Pfauenfittichen der Liebe bis zu der Freude, die sie an sich riß, unter dem schweigenden Schatten von Verhängnis in einer letzten Wendung, da Himmel und Hölle um die Wette rasten. Zwölf Monate voll tiefer Leidenschaft führten zu jenem Tag des Schicksals. Es fällt mitunter eine unbedingte, übernatürliche Verfinsterung auf einen Menschen, wenn er sich Gott naht: Es tritt dann eine Stunde ein, da alle Mittel der Natur versagen; vertrieben aus der schützenden Unwissenheit, auf seine nackten Urbedürfnisse zurückgeschleudert, muß er schließlich die Oberflächen-Seele von sich werfen und unverhüllte Wesenheit im Innern sein. Jetzt schlug Savitri diese Schicksalsstunde. Sie hatte einen Punkt erreicht, an dem Leben vergeblich wird oder, im ungebornen Element erwacht, ihr Wille die Bestimmung ihres Leibs verwerfen mußte. Denn nur des ungebornen Geistes zeitlose Macht kann jenes Joch aufheben, das uns aufgezwungen wird durch Zeitgeburt. Nur jenes Selbst, das diese Selbstform baut, kann jene starr-unendliche Linie zerbrechen, die die veränderlichen Namen, unzählbaren Leben, die neuen und vergessen machenden Persönlichkeiten aneinanderfügt und die in unseren bewußten Handlungen die Spur von alten längst vergessenen Ideen und Taten noch lauernd aufbewahrt. Nur es kann das Vermächtnis unsrer begrabenen Selbste verwerfen, die Bürde erblicher Gebundenheit an unsere Gestalten, die von dem Körper und der Seele blindlings angenommen wurden. Die Episode in der längst vergessenen Geschichte, deren Anfang verloren, deren Motiv und Handlung uns verborgen sind, ein einst lebendiges Geschehen hat unser gegenwärtiges Geschick, das Kind vergangner Kräfte, vorbereitet und gestaltet. Die Starrheit der kosmischen Aufeinanderfolgen, die eng verbunden sind durch unvermeidliche, verborgne Zwischenglieder, mußt’ sie zerreißen und mit ihrer Seelenkraft zerstören. Die eigene Vergangenheit, die ihr den Weg blockiert zu dem Unsterblichen, mußte sie tilgen und ihr Schicksal neu gestalten. Gleich einem Streitgespräch der Götter des Uranfangs, die an des Unbekannten Grenzen sich jetzt trafen, mußte der Seele innrer Dialog mit dem verkörperten Nichtsein auf dem gefahrvoll dunklen Hintergründe durchgefochten werden. Ihr Wesen mußte sich seiner formlosen Ursache gegenüberstellen, sein Einzelselbst gegen das Weltall aufwiegen. Auf dem kahlen Gipfel, wo das Selbst mit dem Nichts allein ist, wo Leben keinen Sinn hat und Liebe keinen Raum, dort mußte sie am Rande der Vernichtung ihren Fall vertreten und in der Todeshöhle dieser Welt die aussichtslose Forderung des Lebens durchsetzen, ihr Recht verlangen, zu sein und lieben zu dürfen. Die unerbittliche Ökonomie der Natur mußte verwandelt werden. Sie mußte sich von ihrer Bindung an die eigene Vergangenheit lossagen, die alte Rechnung ihres Leidens tilgen, die lange angehäufte Schuld der Seele, ihre drückende Versklavung an die karmischen Gottheiten, die schleichende Rache jenes Gesetzes, das nicht vergibt, die tiefe Not allumfassenden Leidens sowie das harte Opfern und die tragischen Ergebnisse auslöschen aus derzeit. Sie mußte eine zeitenlose Barriere durchbrechen und mit ihres Denkens Tiefe die Leere schauerlichen Schweigens durchdringen, dem unsterblichen Tod in die einsamen Augen schauen, mit ihrem bloßen Geist die Nacht des Unendlichen durchmessen. Der große schmerzensvolle Augenblick war jetzt ganz nahe. Wie ein gepanzertes Bataillon in den Untergang marschiert, so schleppten sich die letzten langen Tage schwerfällig dahin, langsam, doch bald vorübergehend, nah dem Ende. Allein inmitten zahlloser geliebter Angesichte und hellbewußt im Kreise ahnungsloser froher Herzen, hielt ihr gewappneter Geist Wache über die Stunden und lauschte auf einen vorausgesehenen, schrecklichen Schritt in der umschlossenen Schönheit unmenschlicher Wildnis. Als Kämpfende auf diesem ruhigen, doch schreckensvollen Kampfplatz stand sie für diese Welt ein, ohne daß die Welt es wußte. Sie hatte keinen Helfer außer jener inneren Stärke. Es gab auch keinen Zeugen von irdischem Blick. Allein die Götter über ihr und die Natur hienieden waren die Zuschauer dieses gewaltigen Ringens. Um sie herum nur die ernsten Berge, die himmelwärts wiesen, das grüne, flüsternde Gehölz mit seinem breiten, tiefen Sinnen, das unablässig seine dumpfen Zauberworte murmelte. Ein dichtes, farbenprächtig in sein Selbst gehülltes Leben, gekleidet in der Blätter lebhafte smaragdene Eintönigkeit, besetzt mit bunten Sonnenstrahlen und freundlichen Blumen, umgab den abgeschiedenen Schauplatz ihres Geschicks. Dort war zur vollen Größe ihres Geistes sie herangewachsen: Der Genius titanenhafter Mächte tiefen Schweigens, der ihre Seele ganz in Einsamkeit versenkte, hatte die reine Wirklichkeit ihres Selbsts ihr gezeigt und sie mit ihrer Umwelt vermählt. Deren Einsamkeit erhöhte ihr die Stunden ihres Menschseins vor einem Hintergrund des Ewigen und Einzigartigen. Die Kraft zu dürftigem und kärglichem Behelf dessen, was nötig ist, verminderte das schwere Rahmenwerk der Tage, in dem der Mensch mit einer Masse äußerer Bedürfnisse sich überlastet zu ersten schmalen Streifen dessen, was das einfache Geschöpf benötigt. Drum hatte diese weite Mächtigkeit der urtümlichen Erde, die still in sich gekehrte Menge geduldiger Bäume, die saphirblaue träumende Gelassenheit des Himmels, sowie das feierliche Gewicht der langsam dahinziehenden Monde in ihr den tiefen Raum gewährt für Denken und für Gott. Dort wurde ihres Dramas strahlender Prolog gelebt. Es war ein Ort für den Wandel des Ewigen auf Erden, geschaffen in der klösterlichen Inbrunst der Wälder, bewacht vom Himmelsstreben der Gipfel, erschienen durch eine goldene Öffnung derzeit, wo Stille lauschend ungesprochnes Wort empfand, die Stunden vergaßen, zu Gram und Wechsel zu verstreichen. Hier kam ganz plötzlich, wie es göttlichen Adventen eigen ist, das Wunder der ersten Herabkunft wiederholend, den dumpfen Lauf des Irdischen in seliges Entzücken wandelnd, jene Liebe zu ihr, die den Tod, ihren Schatten, verbarg. Wie gut vermochte Liebe das vollkommne Heiligtum in ihr zu finden! Denn seit das Erdenwesen anfing, himmelwärts zu wachsen, durch all die Prüfungen der Menschenart hindurch, hat keine seltenere Kreatur den Pfeil ertragen, mit dem die Gottheit unsre Wesensseiten prüft, als Blitzstrahl aus den Höhen tief in unsern Abgrund. Alles in ihr wies hin auf edleren Charakter. Der Weite unsrer Erde nahe und dem Himmel zugetan, durchwanderte ihr junger weit-schauender Geist die Welten voller Herrlichkeit und Ruhe und überflog des Denkens Wege zu den ungebornen Dingen. Ihr Wille glühte, Selbst-gegründet, niemals strauchelnd. Ein Meer von weißer Lauterkeit war ihr Mental, im Strömen leidenschaftlich, aber ohne trübe Wogen. Wie eine Priesterin bei mystischem, von Kraft erfülltem Tanz, in ihren göttlich-lauteren Ekstasen ermutigt und gelenkt wird aus offenbarem Himmel der Wahrheit, bewegte sie in einer Prophezeiungsgrotte ihrer Götter ein Herz des Schweigens in den Händen tiefer Freude, in dem ein reicher schöpferischer Pulsschlag wohnte, in einem Körper gleich dem Gleichnis eines frühen Morgens, wie eine Nische für verhüllte Göttlichkeit oder als goldnes Tempeltor zu jenseitigen Dingen. In ihren zeitgeborenen Schritten wiegten sich Rhythmen der Unsterblichkeit. Ihr Blick, ihr Lächeln weckte himmlisches Empfinden sogar im Erdenstoff, und deren intensive Seligkeit verströmte jenseitige Schönheit in der Menschen Leben. Sich weithin selber geben war ihr angebornes Handeln. Ihr Edelmut glich dem des Meeres oder dem des Himmels, umgab mit seiner Größe alle, die da kamen, und schenkte das Gefühl von einer höheren Welt. Ihr freundliches Umsorgen war ein lieblich-milder Sonnenschein, ihr Herzens-Überschwang die Ausgeglichenheit des blauen Himmels. Wie eine Seele fliegen wird, gejagtem Vogel gleich, wenn sie mit müden Schwingen stürmischer Welt entkommt und Ruhe findet gleichsam an der Brust, an die sie sich erinnert, in einem sichern Hafen bei herrlich sanftem Ausruhen, konnte man wieder Leben trinken in Strömen von Honigfeuer und die verlorene Gewohnheit echter Freude zurückgewinnen, die wunderbare Umgebung ihres strahlenden Wesens fühlen und neue Lebensfreude schöpfen in ihrer Wärme und Farbigkeit. Die Tiefe ihres Mitgefühls, ein verschwiegenes Heiligtum, war ihre innere Hilfe und schloß ein Tor im Himmel auf. Weiter als das Universum war die Liebe in ihr, in ihrem Herzen konnte die ganze Welt Zuflucht finden. Die unbefriedigte erhabene Gottheit konnte darin wohnen. Frei von der eingesperrten Luft des zwergenhaften Ichs vermochte ihre Stimmung deren feinem Atem zu beherbergen....

Erscheint lt. Verlag 1.11.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Geisteswissenschaften Religion / Theologie Hinduismus
ISBN-10 3-96861-212-4 / 3968612124
ISBN-13 978-3-96861-212-6 / 9783968612126
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