Weg und Meisterschaft (eBook)
176 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7526-3428-0 (ISBN)
Der Autor, Jahrgang 1967, beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit spirituellem Wissen, den dazu gehörigen Übungen sowie daraus resultierenden Wirkungen im Alltag.
3 Weg-Übung im Karate
Wenn es um die Bedingungen geht, die innerhalb des Karate gegeben sind, damit sich die eigenen Bemühungen zu einer Weg-Übung ausrichten, stehen drei charakteristische Aspekte im Vordergrund: der Zweikampf respektive die Selbstverteidigung, das Gürtelsystem sowie die Organisation einer Übungsstunde. Auch wenn sich in den letzten Jahrzehnten Veränderungen vollzogen haben, soll in diesem Rahmen weder darauf eingegangen werden, wo die Ursprünge des Karate liegen, noch wann es das erste Mal dokumentiert wurde. Hier gehen die Meinungen immer noch auseinander, auch wenn die historische Forschung in den letzten Jahren vorangetrieben wurde. Es ist genau besehen aber auch nicht der entscheidende Punkt, weil sich die Betrachtung in erster Linie auf die aktuellen Gegebenheiten beziehen muss. Um diesbezüglich Veränderungen aufzuzeigen, genügt weitestgehend ein Zeithorizont von ca. fünfzig Jahren.
Grundlegend gilt, dass sich Techniken zur Selbstverteidigung überall und immer dann entwickeln, wenn Menschen in körperlichen Auseinandersetzungen benachteiligt sind und gleichzeitig gezwungen werden, um ihr Überleben zu kämpfen. Dabei entstehen Kampfsysteme, die weitergegeben werden und in anderer Zeit und/oder an anderen Orten mit neuen Ideen bereichert sowie verändert werden, um diese zu optimieren bzw. den dort aktuell herrschenden situativen Gegebenheiten anzupassen. Im Folgenden soll dieser wesentliche Aspekt aus einer Perspektive betrachtet werden, die dazu beiträgt, Missverständnisse auszuräumen, die letztlich nicht selten zu falschen Vorstellungen darüber führen, was eine Weg-Übung kennzeichnet.
In jedem Selbstverteidigungssystem wird der Körper bis zu einem gewissen Grad abgehärtet und motorische Fertigkeiten in einer Weise verbessert, die ermöglicht, die Körperkraft zielgerichtet – ggfs. auch mit einer tödlichen Wirkung – einzusetzen. Das hierfür notwendige systematische Wiederholen von Kräftigungsübungen und Techniken erfüllt das Kriterium der Übung, weil das Üben ohne Zweifel darauf ausgelegt ist, die eigenen Fertigkeiten zu verbessern. Neben dem zusätzlichen Ziel, den Gegner zu besiegen, scheint das ursprüngliche Motiv für diese Übungen, die Angst vor dem eigenen Tod, auch die psychische Relevanz derartiger Übungssysteme zu belegen. Schließlich stellt die Angst vor dem Tod für die meisten Menschen eine zentrale oder die zentralste Angst überhaupt dar. Genau betrachtet verlangt eine Weg-Übung jedoch immer nach einer Veränderung auf der psychischen Ebene. Daher muss die Frage gestellt werden, ob ein Mensch, der aus Angst nach Selbstverteidigungstechniken strebt, tatsächlich bereits im Sinne einer Weg-Übung handelt.
Die Antwort lautet eindeutig nein. Es liegt gerade keine Weg-Übung vor, solange es darum geht, aus einer Angst heraus das Kämpfen zu erlernen. Dazu wäre es notwendig, in der Absicht zu handeln, diese Angst aufzulösen. Ansonsten stimuliert sie das Vegetativum stets von Neuem, wenn die Umstände Angst provozieren. Es ist aber nicht möglich, durch das Trainieren von Selbstverteidigungstechniken zum Zwecke der realen Anwendung Angst zu transformieren. Das klingt zunächst nach einem Widerspruch, weil sich Praktizierende eines Selbstverteidigungssystems in der Regel sicherer fühlen als Menschen, die in dieser Hinsicht keine Erfahrungen haben. Dabei wird im Allgemeinen übersehen, dass diese Art von Sicherheitsgefühl immer die Sorge impliziert, ihnen könnte etwas passieren. Die Angst ist demzufolge vorhanden, nur wird sie durch die gewonnenen Fertigkeiten quasi überdeckt und befindet sich nicht mehr so deutlich im Bewusstsein des Einzelnen, d.h., sie wird in bewusstseinsnahen Bereichen suspendiert. Aber diese Angst ist in tieferen Schichten des Unterbewusstseins unverändert existent. Deshalb sei an dieser Stelle betont, dass das Erkennen einer Angst alleine noch nicht genügt, um von Weg-Übung sprechen zu können. Vielmehr eröffnet sich an diesem Punkt zunächst nur die Möglichkeit, die eigenen Bemühungen in eine Weg-Übung übergehen zu lassen, im Laufe derer sich die gewünschte respektive notwendige psychische Veränderung einstellen kann.
Dieser Sachverhalt lässt sich durch folgendes Beispiel noch ein wenig besser verdeutlichen: Ein Artist auf dem Hochseil erklärt, er habe keine Angst, aus der Höhe abzustürzen. Dennoch verlangt er stets nach einem Sicherungsnetz, ohne das er nicht auftreten will. Das Sicherungsnetz, ebenso wie das Bedürfnis nach Selbstverteidigungsfertigkeiten, ist das Indiz dafür, dass die Angst sehr wohl vorhanden ist, aber durch ein Hilfsmittel, eine Krücke, (immerhin) beiseitegeschoben werden kann. Wäre der Artist hingegen angstfrei, würde ihn das Fehlen eines Sicherungsnetzes nicht stören bzw. ihm nicht auffallen. Auf die Frage nach dem Warum käme nach kurzem Nachdenken die lapidare Antwort, dass er nicht daran gedacht habe. Dieser Umstand verliert somit jegliche Bedeutung für den Artisten.
Ganz im Gegensatz zu dieser Haltung kann das Trainieren von Selbstverteidigungstechniken den Effekt entfalten, die bestehende Angst zu kultivieren (statt sie zu transformieren), weil diese immer wieder Nahrung dadurch erhält, dass ihr in Form des Trainings nachgegeben wird. Ein Gradmesser für diese Angst liegt in der Zeit, die eine Person für dieses Training aufwendet. Ein Mensch, der in dieser Hinsicht angstfrei ist, hat definitiv keinen Bedarf nach einem Selbstverteidigungstraining. Insofern ist es bedenklich, dass in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts erneut eine stärkere Hinwendung zu selbstverteidigungsnahen Trainingsinhalten erfolgte. Das muss als Reaktion der Karateverbände auf die stärker werdende Konkurrenz durch andere Kampfsysteme verstanden werden, deren Trainingsmethodik schwerpunktmäßig an Kampfbedürfnissen ausgerichtet ist. Diese Volte ist aufgrund eines doppelten Effekts kritisch zu betrachten. Aufgrund der Kommunikation, Selbstverteidigung stärker berücksichtigen zu müssen, setzt sich die Angst über das kollektive Bewusstsein im individuellen noch stärker fest. Die Betonung der Selbstverteidigung wirkt somit zunächst kontraproduktiv für das Bestreben, die eigenen Bemühungen zu einer Weg-Übung werden zu lassen. Letztlich liegt dem ein Missverständnis zugrunde. »Kara« »te« bedeutet bezogen auf die Kampfkunst »leere Hand«, sprich »leerer Geist«. Das Üben von Selbstverteidigungstechniken zum Zwecke einer realen Anwendung erfolgt jedoch aus Angst heraus und wird daher nie zum Resultat eines bis in die Tiefen leeren Geistes führen.
Andererseits gibt es Karateka, die selbstverteidigungsrelevantes Training als eine rein intellektuelle Auseinandersetzung mit dieser Thematik begreifen oder an den funktional effizienten Bewegungsabläufen Freude an sich empfinden. Aber auch in diesem Fall liegt keine Weg-Übung vor, falls das wiederholte Training der Bewegungen keinen Einfluss auf die psychische Ebene nehmen soll. Ähnliches gilt für diejenigen, die Karate ausschließlich als Sport praktizieren und ihren Spaß aus dem Wettkampf oder den Bewegungen selbst ableiten. Karate dient unter diesen Bedingungen unter anderem dem eigenen Vergnügen sowie der Zerstreuung.
Im Rahmen der weltweiten Verbreitung als Sport war man gezwungen, ein differenziertes Gürtelsystem zu etablieren, um den Leistungsstand der Karateka sichtbar zu machen. Hierfür gibt es gute Gründe. Aufgrund der Komplexität der Bewegungen dauert es verhältnismäßig lange, bis ein Anfänger auch schwierigere Techniken ausführen kann. In dieser Hinsicht bietet die Farbe des Gürtels zum einen dem Übungsleiter einen ersten Hinweis auf den Leistungsstand eines ihm bisher unbekannten Übenden. Er kann dadurch leichter einschätzen, welche Aufgaben für den Teilnehmer angemessen sind. Ausnahmen bestätigen die Regel. Zum anderen können Partner in Zweikampfübungen sich so auf das Niveau ihres Gegenübers einstellen. Das ermöglicht einem fortgeschrittenen Schüler seinen Partner zu fordern – und damit zu verbessern –, aber nicht zu überfordern. So verstanden, würde die durch die Gürtelfarben entstehende Hierarchie den Einzelnen in seinen Bemühungen auch im Bestreben, zu einer Weg-Übung zu gelangen, unterstützen.
Dieser sinnvollen Überlegung stehen jedoch tatsächliche Gegebenheiten entgegen. Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Eine Expansion der Karateverbände schuf zum einen über das Abhalten von Lehrgängen Einnahmequellen für (ehemals) erfolgreiche Athleten. Zum anderen verursachte das einen immer größeren Verwaltungsapparat und -aufwand. Stärker als zu früheren Zeiten wurde es daher notwendig, immer mehr Mitglieder langfristig im Verband zu halten bzw. neu zu gewinnen. Zu hohe Leistungsanforderungen für die einzelnen Prüfungen, um den nächsten Gürtel zu bekommen, waren damit kontraproduktiv. Sukzessive ist das durchschnittliche Leistungsniveau in der Folge gesunken, um niemanden durch zu lange Wartezeiten zu frustrieren. Das begünstigte wiederum...
Erscheint lt. Verlag | 26.10.2020 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Esoterik / Spiritualität |
ISBN-10 | 3-7526-3428-6 / 3752634286 |
ISBN-13 | 978-3-7526-3428-0 / 9783752634280 |
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