Wie hilft der Bär beim Glücklichsein? (eBook)
272 Seiten
Lotos (Verlag)
978-3-641-22400-4 (ISBN)
Ajahn Brahm, geboren 1951 in London, studierte Theoretische Physik an der Universität von Cambridge und ist seit mehr als 40 Jahren buddhistischer Mönch. Neun Jahre lang lebte, studierte und meditierte er in einem thailändischen Waldkloster unter dem Ehrwürdigen Meister Ajahn Chah. Heute ist Ajahn Brahm Abt des Bodhinyana-Klosters in Westaustralien und einer der beliebtesten und bekanntesten buddhistischen Lehrer unserer Zeit.
Der Hahayana-Ansatz des Meditierens
Warum es eine gute Idee ist, sich locker zu machen
Was ist eigentlich Metta? Ich stehe nämlich noch ganz am Anfang, musst du wissen.
Was für eine wunderbare Frage! Die Person, von der sie stammt, muss sehr gütig und liebenswürdig sein. Bestimmt stehst du kurz vor der Erleuchtung.
Metta nennt man die Art und Weise, wie ich euch behandle: »liebevolle Güte« – also Fürsorge, Mitgefühl, Akzeptanz, Respekt. Bringst du jemandem Metta entgegen, respektierst du ihn, bist nett zu ihm, denkst gut über ihn – auch wenn er mitten in der Nacht lautstark schnarcht. Begegnest du anderen Menschen mit liebevoller Güte, stellen sie kein Problem mehr dar. Begegnest du dir selbst mit liebevoller Güte, stellst du für dich auch kein Problem mehr dar. Und begegnest du schließlich jedem einzelnen Moment mit liebevoller Güte, begegnest dem Jetzt mit schöner Metta, befindest du dich auf dem Highway zur Erleuchtung. Und der Weg wird dann ganz leicht.
Ein Grund, weshalb Menschen keinen inneren Frieden empfinden, ist, dass sie zu ihrem Geist nicht gütig genug sind. In Metta hast du Nachsicht mit dir – zwingst dich zu nichts. Du betrachtest deinen Körper und deinen Geist als Freunde, und ihr arbeitet gütig, mitfühlend zusammen.
In meinem Buch Die Kuh, die weinte beschreibe ich Metta als die Fähigkeit, die Tür unseres Herzens zu öffnen, gleich was wir erleben, egal was geschieht. Metta ist schönstes, bedingungsloses Wohlwollen. Ein Beispiel: Vielleicht warst du faul und denkst, dass du bestraft gehörst. Das ist nicht Metta. Sei selbst dann lieb zu dir, wenn du faul oder nachlässig warst, etwa die während des Retreats geltenden Tugendregeln gebrochen und am Nachmittag Kekse gefuttert hast. Was auch immer: Sei nachsichtig mit dir. Und bezüglich deiner Mitmenschen: Dass sie alle möglichen störenden Geräusche von sich geben, während du meditieren willst, spielt keine Rolle: »Mögen auch sie glücklich sein und möge es ihnen gut gehen.«
Dieses schöne Gefühl von Metta ist weder vom Tun anderer noch von deinem eigenen Handeln abhängig. Begegne jedem Moment mit Metta. Sei unablässig gütig zu dir, was auch gerade sein mag und wie du es empfindest – ob du dich langweilst, rastlos oder frustriert bist. Anders ausgedrückt: Meine es mit jedem einzelnen Moment gut.
Wie kann ich Metta vergrößern?
Mit der Metta-Meditation lässt sich allen Lebewesen gegenüber bewusst Wohlwollen erzeugen. Dabei lernen wir, die liebende Güte zu erkennen und weiter auszubauen. Gewöhnlich sagt man sich bei der Metta-Meditation wieder und wieder Worte wie: »Mögen alle Lebewesen glücklich sein und möge es ihnen gut gehen. Mögen alle Lebewesen frei von Leiden sein. Möge ich glücklich sein. Möge ich zu innerem Frieden finden.« Aber du kannst auch deine eigenen Formulierungen finden. Wichtig ist nur, dass du auf die Lücken, die Freiräume zwischen den Worten achtest. Nach dem »Möge ich glücklich sein und möge es mir gut gehen« machst du ein Päuschen und räumst deinen Worten damit die Chance ein, ihre Wirkung zu entfalten.
Wie du feststellen wirst, haben Worte Macht. Während der Pause, in der du dich mit dieser Macht verbindest, begreifst du die wahre Bedeutung des »Mögen alle Lebewesen frei von Leiden sein« und dein Geist beginnt Metta hervorzubringen. Die Worte sind nur das Streichholz, das die Güte entzündet. Das Gefühl, das sich nach den Worten einstellt, ist Metta. Und unglaublich angenehm.
Wiederhole die Worte nur so lange, bis du die Güte spürst. Wann immer du deinem Geist eine Anweisung gibst, beginnt er sich darauf einzustellen. Deine Worte weisen ihn in Richtung Metta. Ist dein Geist erst einmal voller liebender Güte, benötigt er die Worte nicht mehr. Du bist den Wegweisern gefolgt und hast dein Ziel erreicht: Du empfindest Metta. Du kultivierst dieses Gefühl, indem du dich ihm anvertraust und dich gut fühlst damit. So wird es sehr, sehr stark. Und du kannst es bis in einen tief meditativen Zustand hinein vertiefen.
Wiederhole die Worte also so lange, bis du sie spürst. Angenommen, du sagst »Frieden … Frieden … Frieden«. Spürst du den Frieden? Empfindest du die Bedeutung des Wortes? Sobald das der Fall ist, sobald sich dein Geist mit Frieden erfüllt hat, brauchst du das Wort nicht mehr auszusprechen. Sag es dir erst wieder vor, wenn seine innere Wirkung nachlässt. Und immer nur, solange es erforderlich ist. Bis du zu innerem Frieden gefunden hast.
So üben wir uns in liebender Güte. Mithilfe von Worten erzeugen wir ein Gefühl; sobald dieses Gefühl stark genug ist, wenden wir uns ihr zu und lassen von den Worten ab. Sie haben ihren Job getan. Wenn du willst, kannst du ein goldenes Licht in deinem Herzen visualisieren. Solche Visualisierungen helfen manchmal.
Ab einem bestimmten Punkt verselbstständigt sich dieser Prozess. Dann musst du nichts mehr sagen, sondern fühlst die Güte einfach – du wirst zu Metta – und es erstreckt sich auf alle Lebewesen. Noch einen Schritt weiter, und du erlebst so viel Glück und Freude, so viel Piti-Sukha, dass in deinem Geist ein schönes Licht aufscheint – ein Nimitta. Dann sitzt du einfach da in aller Glückseligkeit, total entspannt. So ein richtiges Metta-Nimitta ist wunderschön, herrlich, man kann sich leicht darauf fokussieren, und es führt dich in die Zustände der geistigen Vertiefung, die Jhanas. Während eines dreimonatigen Retreats sage ich den Mönchen immer wieder das folgende Buddha-Wort vor: Sukhino cittam samadhiyati – »Vor Zufriedenheit und Glück wird der Geist ganz still«. Es ist diese Zufriedenheit, dieses Glück in Metta, das den Geist so unglaublich ruhig macht. Und eben dann kommt es zu Nimittas und Jhanas.
Spüre, wie dein »Mögen alle Lebewesen glücklich sein und möge es ihnen gut gehen« in dir nachhallt. Sprich die Worte weiterhin aus (und meine sie auch so!). Schwelge in den entsprechenden Gefühlen, bis diese sehr, sehr stark werden und sich verselbstständigen. Als wolltest du ein Feuer entfachen und müsstest dafür das Streichholz mehrmals über die Reibefläche ziehen. Ist das Feuer dann einmal entzündet, geht alles wie von selbst. Ähnlich funktioniert auch die Metta-Meditation, und sie ist sehr mächtig.
Eine meiner liebsten Metta-Geschichten handelt von einem der berühmten thailändischen Waldmönche. Auf seinem nachmittäglichen Weg durch den Dschungel kam er in ein Dorf und erklärte dem Ortsvorsteher, er wolle die Nacht dort verbringen. Der Ortsvorsteher, der sich sehr freute, einen Waldmönch beherbergen zu können, sorgte dafür, dass die Dorfbewohner am Abend zusammenkamen, um einem DhammaVortrag zu lauschen, den der Mönch halten sollte, und ihm am nächsten Morgen ein Frühstück servierten.
Und was tat der Mönch in den zwei Stunden, die ihm vor dem Vortrag blieben? Er setzte sich unter einen Baum und meditierte. Doch nach einigen Minuten fiel ihm auf, dass er unter dem falschen Baum Platz genommen hatte. Denn in unmittelbarer Nähe befand sich ein großes Ameisennest. Schon krabbelte ihm das erste Tierchen auf den Fuß, das Bein hoch und biss zu. Aua! Nacheinander kamen ein zweites, ein drittes, ein zehntes und ein zwanzigstes. Und allesamt bissen sie ihn! Da der Mönch jedoch hart im Nehmen war, blieb er einfach sitzen.
Allerdings nicht lange. Denn bevor er es sich versah, sprang er auf und wollte schon davonrennen … als er sich eines Besseren besann. »Hey«, dachte er bei sich, »ein Waldmönch wie ich sollte doch nicht so weglaufen …«
Als er sich umdrehte, bemerkte er, dass es auf dem Flecken, auf dem er gesessen hatte, vor roten Ameisen nur so wimmelte. Und er beschloss, sich mitten hinein zu setzen. (Solche Mönche sind heutzutage rar gesät!) Sobald er Platz genommen hatte, krabbelten die ersten Ameisen schon wieder an ihm hoch und fingen an, ihn zu beißen. Doch dieses Mal fokussierte er sich in der Meditation nicht auf seinen Atem, sondern auf Metta: »Mögen alle Lebewesen – ganz besonders aber diese roten Ameisen – glücklich sein und möge es ihnen gut gehen. Wenn ihr wirklich Hunger habt, solltet ihr von meinen Armen kosten und euch mal so richtig sattfressen!« (Letzteres hat er nicht gesagt, das hab ich erfunden.) Nach einigen Minuten Metta-Meditation hörten die Ameisen auf, den Mönch zu beißen. Zwar krabbelten sie immer noch unangenehm auf ihm herum, aber sie bissen ihn nicht mehr. Nach einigen weiteren Minuten stellte sich eine faszinierende Empfindung ein: Statt an ihm hoch krabbelten die Ameisen nun von ihm herunter. Bald war auch noch die letzte von seinem Fuß verschwunden. Dabei hatte er nichts anderes getan, als alle Lebewesen mit liebender Güte zu bedenken. Eine wunderbare, eine tief greifende Meditation.
Nach zwei Stunden hörte der Mönch die Dorfbewohner eintrudeln. Merkwürdige Geräusche machten sie, ganz so, als würden sie tanzen. »Was für ein seltsamer Brauch«, dachte er noch. »Hier tanzen die Leute, wenn sie sich einem Mönch nähern.« Dann jedoch ging ihm der Grund dafür auf: Sie alle hatten mit Ameisenbissen zu kämpfen! Rundum war der ganze Waldboden mit roten Ameisen bedeckt – nur...
Erscheint lt. Verlag | 29.5.2018 |
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Übersetzer | Karin Weingart |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Bear Awareness |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Esoterik / Spiritualität |
Schlagworte | Achtsamkeit • Achtsamkeitsmeditation • Buddha • Buddhismus • Die Kuh, die weinte • eBooks • Liebende Güte • Meditation • meditation buch • Metta • Persönlichkeitsentwicklung • Retreat • Selbstfindung • spirituelle Bücher |
ISBN-10 | 3-641-22400-4 / 3641224004 |
ISBN-13 | 978-3-641-22400-4 / 9783641224004 |
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