Die neue Schöpfung (eBook)
288 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-02711-4 (ISBN)
Olaf Fritsche ist Biophysiker, promovierter Biologe und Wissenschaftsjournalist. Nach seinem Studium hat er mehrere Jahre als Redakteur bei «Spektrum der Wissenschaft» gearbeitet und anschließend als freier Journalist für zahlreiche Zeitungen, Zeitschriften und Online-Publikationen über die neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen aus Natur und Technik berichtet. Bei Rowohlt sind zahlreiche allgemeinverständliche Sachbücher von ihm erschienen. Außerdem schreibt Fritsche Lehrbücher für Studierende der Biologie und Medizin.
Olaf Fritsche ist Biophysiker, promovierter Biologe und Wissenschaftsjournalist. Nach seinem Studium hat er mehrere Jahre als Redakteur bei «Spektrum der Wissenschaft» gearbeitet und anschließend als freier Journalist für zahlreiche Zeitungen, Zeitschriften und Online-Publikationen über die neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen aus Natur und Technik berichtet. Bei Rowohlt sind zahlreiche allgemeinverständliche Sachbücher von ihm erschienen. Außerdem schreibt Fritsche Lehrbücher für Studierende der Biologie und Medizin.
DIE ZUKUNFT ALS MAMMUTAUFGABE
27. März 2048, Ostsibirien, Pleistozän-Park
Es hat sich gelohnt! Gut, die Anreise in der klapprigen Maschine war ein wenig abenteuerlich und dauerte gefühlte drei Ewigkeiten. Das Hotel kann man bestenfalls mit dem Prädikat «rustikal» belegen und muss selbst dabei noch beide Augen zudrücken. Das Essen schmeckt, als habe es vor seinem kurzen Aufenthalt in der Küche schon einige Jahrtausende im dauergefrosteten Boden zugebracht. Und zu allem Überfluss hat selbst das angeblich so modern eingerichtete Pressezentrum keine Verbindung zur globalen Datengalaxie. Bleibt mir also nichts anderes übrig, als in traditioneller Weise ein Reisetagebuch zu führen und meine Reportage später abzuschicken, wenn wir wieder zu Hause sind.
Trotzdem hat es sich gelohnt! Wegen der Mammuts! Ich kannte die Tiere natürlich schon aus dem Eiszeit-Zoo in Frankfurt. Hatte über verschiedene Entwicklungssprünge und diverse Rückschläge berichtet, mit denen aus einer Gruppe Asiatischer Elefanten schrittweise eine kleine Herde Neo-Wollhaarmammuts wurde, wie der offizielle deutsche Name lautet. Ich war bei der feierlichen Eröffnung des Zoos dabei gewesen und hatte miterlebt, wie radikale Gegner der neuen Biologie die Mammuts vor laufenden Surround-Cams mit giftgrüner Farbe besprüht haben. Ich habe der Geburt des ersten «echten» Mammutbabys entgegengefiebert und bin einer seiner 1000 Paten geworden, deren Name in eine Plakette neben dem Eingang zum Gehege eingraviert ist. Kurz: Ich dachte, ich wüsste alles über Mammuts.
Ich hatte ja keine Ahnung.
Wer wirklich und wahrhaftig Mammuts erleben will, muss in den Pleistozän-Park kommen. Das weite Gelände, die offene Graslandschaft, der eisige Wind und, ja, auch die unzähligen Mücken vermitteln von Anfang an ein ganz anderes Gefühl als selbst das durchdachteste Zoogehege. Hier stehen keine mehr oder minder deplatzierten Eiszeittiere verloren im Herzen einer modernen Großstadt. Hier ist die Eiszeit selbst wieder zum Leben erwacht.
Mit dem Beobachtungsfahrzeug geht es hinein in das Herz des Parks. Geländegängige Zehnradwagen, an deren Anwesenheit die Tiere seit ihrer Geburt in der Aufzuchtstation gewöhnt sind. In der Regel achten sie gar nicht auf die brummenden Transportdosen für neugierige Besucher. Für den Fall, dass sich doch einmal ein Mammut oder Höhlenlöwe gestört fühlen sollte, sind die Fahrzeuge gepanzert und wie ein Kugelabschnitt flach gehalten, sodass sie weder aufzubeißen noch platt zu trampeln sind. Die Ranger benutzen sie schon seit Jahren, und es hat noch keinen einzigen ernsthaften Vorfall gegeben. Dabei fahren die Wagen mit uns ganz dicht heran an Saiga-Antilopen, Moschusochsen und Wisente.
Und endlich die Mammuts.
Es war nur die kleinere der beiden Herden, die wir heute zu sehen bekamen. Acht Weibchen und ein mächtiger Bulle, dessen gedrehte Stoßzähne zur Warnung unser Fahrzeug leicht schüttelten. Goliath ist nervös, klärte uns der Ranger auf. Auch für ihn ist es das erste Mal. Wie auch nicht? Der Park hatte die Presse schließlich eingeladen, damit wir Zeugen einer Weltpremiere werden. Schon in wenigen Tagen sollte es so weit sein. Goliath verpasst uns einen letzten Schubser und dreht dann ab. An seinem zotteligen Körper vorbei erhasche ich einen Blick auf Valya. Mit einem Gewicht von etwa sechs Tonnen sind die Weibchen trotz ihrer Höhe von 2,70 Meter kompakt gebaut. Man muss schon genau hinsehen, um es zu bemerken. Aber dann ist es deutlich zu erkennen: Valya ist hochträchtig. Es kann wirklich nicht mehr lange dauern, und sie wird ihr Junges gebären. Das erste Mammut seit Tausenden von Jahren, das in Freiheit geboren wird. Und mit ein wenig Glück werde ich die Geburt miterleben.
Kalte alte Zeiten
Wenn es um die Wiederbelebung der Vergangenheit geht, sind sie unsere größte Hoffnung: Mammuts besiedelten etwa vier Millionen Jahre lang die Steppen Afrikas, Eurasiens und Nordamerikas. Den größten Teil dieser Zeit mussten sie mit ständigen Umschwüngen des Klimas zurechtkommen. Während des Pleistozän genannten Erdzeitalters, das vor 2,6 Millionen Jahren begann und erst vor rund 10 000 Jahren endete, wechselten sich Kaltzeiten, in denen mächtige Gletscher heranwuchsen und große Flächen im Norden sowie in den Gebirgen bedeckten, mit Warmzeiten ab, in denen sich das Eis zurückzog und eine baumlose Landschaft zurückließ. Viele der Tierarten, die wir heute kennen, entwickelten sich in diesem Hin und Her der Temperaturen, darunter Bisons, Moschusochsen, Elche, Rentiere und Pferde. Sie lebten neben Arten, die inzwischen längst verschwunden sind, wie Säbelzahnkatze, Riesenhirsch, Höhlenbär und Wollnashorn.
Die Mammuts des Nordens reagierten auf die eisigen Verhältnisse, indem sie ihren Körperbau an das Klima anpassten. Statt auf fünf Meter heranzuwachsen wie ihre Vorfahren, die Steppenmammuts, maßen Wollhaarmammuts lediglich drei bis vier Meter, die dem kalten Wind weniger Angriffsfläche boten. Sie waren damit ungefähr so groß wie heutige Elefanten, aber kompakter gebaut mit kleineren Ohren und einem kürzeren Rüssel. Vor allem waren die Wollhaarmammuts aber mit einem dichten Fell bedeckt. Fast einen Meter lang konnten die Deckhaare des Winterfells werden. Unter ihnen gab es eine zweite Schicht mit halb so langen und weniger borstigen Haaren, auf die schließlich eine dichte Unterwolle und eine isolierende Fettschicht folgten. Das Fell bedeckte das ganze Mammut, einschließlich Ohren, Schwanz und Rüssel. Auf der Stirn bildete es eine Ponyfrisur, ganz wie in den Animationsfilmen der Ice Age-Reihe beim Mammut Manfred zu sehen.
Wollhaarmammuts waren damit hervorragend vor allen Widrigkeiten ihrer Umwelt geschützt – außer vor dem Menschen. Im Pleistozän wagte sich der Zweibeiner mit dem großen Hirn zum ersten Mal aus dem warmen Süden in mittlere Breitengrade. Vermutlich schon als Neandertaler, spätestens als moderner Homo sapiens machte er Jagd auf alles essbare Großwild. Noch streiten sich die Wissenschaftler, ob der Mensch mit seinem Hunger manche Arten, darunter das Mammut, ausgerottet hat oder ob doch eher die Änderung des Klimas schuld ist. Fest steht, dass mit dem Auftreten des Menschen rund um den Globus viele Arten Großsäuger verschwanden. Auch das Wollhaarmammut starb am Ende der letzten Eiszeit auf dem Festland aus. Lediglich auf einigen isolierten Inseln konnten sich kleinere Gruppen halten, die dort bis in die Zeit der Pharaonen lebten.
Alles, was von den Mammuts bis in die Gegenwart überdauert hat, sind Knochen und eingefrorene Kadaver im Permafrostboden Sibiriens. In warmen Sommern taut das Eis mitunter so weit ab, dass es unvermittelt ein Mammut freigibt. Auch in Zeiten von Geländewagen und Hubschraubern ist es noch immer ein Abenteuer, solch einen Fund zu bergen und für die wissenschaftliche Untersuchung an einen sicheren Ort zu transportieren. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Strapazen jedoch ungleich größer und die Bedeutung der Skelette weitaus rätselhafter. Denn zu einer Zeit, in der die Schöpfungsgeschichte der Bibel auch in wissenschaftlicher Sicht den Maßstab setzte, hatten haarige gefrorene Elefanten eigentlich keinen Platz im kalten Norden.
Angefressen, tiefgefroren und fast unerreichbar
Die Rentiere waren am schlimmsten. Was nicht heißen soll, dass es der Expedition des russischen Botanikers und Naturforschers Michael Friedrich Adams an Widrigkeiten gemangelt hätte. Anfang Juni 1806 war er von der Provinzhauptstadt Jakutsk aufgebrochen. Rund 1500 Kilometer fuhr er auf der Lena nordwärts, jener sibirischen Lebensader, die zu den längsten Flüssen der Welt gehört, aber in der Regel nur fünf Monate im Jahr eisfrei und damit schiffbar ist. Dann saß Adams fest. Die Winde in der Nähe des Polarmeeres waren für die Weiterreise zu ungünstig.
Der unfreiwillige Aufenthalt gab Adams Gelegenheit, besser mit den Männern bekannt zu werden, deren Zeugnis ihn in das kalte Nichts gelockt hatte. Vor allem mit dem Jäger und Ewenkenhäuptling Ossip Schumachow, der sieben Jahre zuvor inmitten des Eises einen unförmigen Block entdeckt hatte. Als Schumachow im darauffolgenden Sommer wieder zu der Stelle kam, war der Block teilweise aufgetaut und gab den Blick auf ein gewaltiges Mammut frei. Ausgerechnet ein Mammut. Für die Ewenken galten diese haarigen Elefanten nach einer alten Überlieferung als mächtige Boten des Todes. Überzeugt, bald sterben zu müssen, erkrankte Schumachow im Winterlager der Familie schwer. Doch seine Konstitution war schließlich stärker als der Aberglaube, und als er sich erholt hatte, holte er zum Gegenschlag aus. Wenn das Mammut schon harmlos war, sollte es ihm wenigstens ein bisschen Profit einbringen. Kurzerhand verkaufte er die Stoßzähne des Tieres an den Elfenbeinhändler Roman Baltunow. Bei dieser Gelegenheit fertigten die beiden Männer eine etwas ungelenke Zeichnung des Mammuts an, die Adams durch Zufall in Jakutsk zu sehen bekam. Einige Wochen später wartete der Forscher nun ungeduldig mit Schumachow und Baltunow auf eine Gelegenheit, endlich zu den Überresten des Mammuts aufbrechen zu können.
Der Fundort lag hinter einer Reihe schroffer Berge und strauchloser Ebenen. Rund drei Tage war man dorthin unterwegs, und es gab nur eine Möglichkeit, die weglose Strecke zurückzulegen: auf dem Rücken von Rentieren. Auf einem locker geschnürten Sattel hielten die Reiter ihr Gleichgewicht – oder eben nicht. «Ich hatte...
Erscheint lt. Verlag | 8.3.2013 |
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Zusatzinfo | Zahlr. s/w Abb. |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Naturwissenschaft |
Technik | |
Schlagworte | BioBricks • Biohacker • Bio-Ingenieure • Biowissenschaft • Forschung • Gentechnik • Humangenom • Pflanzen • Synthetische Biologie |
ISBN-10 | 3-644-02711-0 / 3644027110 |
ISBN-13 | 978-3-644-02711-4 / 9783644027114 |
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Größe: 7,2 MB
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