Das große Praxisbuch der Traumdeutung (eBook)
296 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-41091-2 (ISBN)
Klausbernd Vollmar, geb. 1946, ist Diplompsychologe. Seit etwa zwanzig Jahren veröffentlicht er Bücher und Artikel zu den Themen Traum, Kreativität und Symbolik. Seine Bücher sind in 19 Sprachen übersetzt. Auch in seinen Workshops und in der therapeutischen Arbeit spielt seit vielen Jahren die Beschäftigung mit der Symbolik des Traumes und der Farben eine besondere Rolle. Vollmar lebt an der englischen Ostküste.
Klausbernd Vollmar, geb. 1946, ist Diplompsychologe. Seit etwa zwanzig Jahren veröffentlicht er Bücher und Artikel zu den Themen Traum, Kreativität und Symbolik. Seine Bücher sind in 19 Sprachen übersetzt. Auch in seinen Workshops und in der therapeutischen Arbeit spielt seit vielen Jahren die Beschäftigung mit der Symbolik des Traumes und der Farben eine besondere Rolle. Vollmar lebt an der englischen Ostküste.
Kann man einen Traum verstehen?
Sigmund Freud und Carl Gustav Jung, die sich zu Beginn des vorigen Jahrhunderts sehr um die Traumdeutung verdient gemacht haben, stimmen darin überein, dass kein Traum jemals vollständig deutbar sei. C. G. Jung ging im Gegensatz zu Sigmund Freud sogar davon aus, dass jeder Traum etwas essenziell Unbekanntes aus dem tiefen Seelengrund hervorbringe, etwas zutiefst Schöpferisches, das sich jeglicher Deutung entziehen würde. Deswegen empfiehlt Jung, sich jedem Traum ohne vorgefasste Meinung zu nähern. Das heißt, er rät uns im Grunde, jeden Traum wieder neu, mit staunenden Kinderaugen zu betrachten.
In einem Punkt schließlich sind sich diese beiden bedeutenden Psychologen wieder einig: dass nur der Träumer selbst seinen Traum angemessen verstehen könne.
Diese Einsicht hielt sie jedoch nicht davon ab, detailliert die Deutung von Träumen zu beschreiben und auch Träume von ihnen unbekannten Träumern zu betrachten.
Dieser scheinbare Widerspruch zwischen der Deutbarkeit und Undeutbarkeit eines Traums durchzieht die gesamte Traumdeutung und kann als dem Traum wesenhaft angesehen werden. Jeder Traum pendelt zwischen dem Pol der Deutbarkeit und dem der Undeutbarkeit hin und her: Einmal zeigt er uns ein Gesicht, das wir auf Anhieb verstehen, dann wieder können wir nur dunkel erahnen, was es mit diesem Traum auf sich haben könnte.
Fragen Sie sich nicht häufig bei der Erinnerung eines nächtlichen Traums, mit der sich zugleich ein gewisses spontanes Verständnis einstellt, ob Sie diesen Traum wirklich verstehen oder ob Sie überhaupt etwas von diesem Traum verstehen? Es ist erstaunlich, wie man sich da im Unklaren befinden kann!
Haben Sie nicht zu viel Angst, Ihren Traum nicht richtig zu verstehen. Mit einer gewissen Erfahrung werden Sie wissen, ob eine Deutung sinnvoll ist oder nicht. Aber auch wenn einmal eine Deutung in die völlig falsche Richtung geht, wird sicherlich der nächste Traum darauf reagieren und sie korrigieren.
Wer mit seinen Träumen kreativ arbeiten möchte, dem hilft es, sich zu fragen, was denn für den Betreffenden »verstehen« in Bezug auf den Traum eigentlich bedeutet.
Für die alten Ägypter zu Beginn unserer Kultur basierte das Traumverständnis auf einer eindeutigen (geradezu mathematischen) Verknüpfung zwischen dem Traumsymbol und seiner Bedeutung. Dies wird heute als simple Traumdeutung bezeichnet.
Wer vom Pferd träumt, den hat der Trieb geritten, wussten schon die alten Ägypter. Aber trifft das denn immer zu?
Wer vom Wasser träumt, der sehnt sich nach tiefen Gefühlen, in denen er sich am liebsten auflösen möchte, und wird im Traum ein Mädchen von einem Insekt gestochen, dann lag die Deutung für die alten Ägypter wie für die Griechen und Römer auf der Hand. Freud konnte ihnen nur bewundernd zustimmen.
Meiner Erfahrung nach kann man Träume nicht in Bilder zerlegen, die man dann normativ nach einem Schema deutet: Pferd im Traum = Triebenergie und der traumhafte Bienenstich = sexuelle Bedürfnisse oder Verletzungen.
Jedes Traumbild umfasst ein großes Bedeutungsfeld, in das ganz persönliche Bilder und Erfahrungen genauso wie kulturelle Symbole und Bilderwelten eingehen.
In dem berühmten »Traum vom kleinen Hans«, in welchem ein Pferd eine wichtige Rolle spielt, sieht Sigmund Freud eine sexuelle Rivalität zwischen Vater und Sohn. Verhaltenspsychologen lieben hierüber zu spötteln und meinen, dass der Junge (der kleine Hans) nichts mehr und nichts weniger als ein beängstigendes Erlebnis mit durchgehenden Pferden gehabt habe.
Ich selber habe ein Mädchen erlebt, für welches das Reiten ein Symbol für Freizeit und »Freiheit von Zwängen« war.
Dennoch geht es unbestreitbar in all diesen Pferde-Träumen um den Umgang mit der eigenen Lebens- und Triebenergie. Dies jedoch auf solch einer abstrakten Ebene festzustellen kann nie das Ende, sondern immer nur der Anfang der Traumarbeit sein. Wenn Sie zum Beispiel von einem Pferde-Traum sagen, dass dieser Traum mit Ihrer Triebenergie zu tun habe, dann haben Sie ihn auf jeden Fall noch nicht verstanden. Das Verstehen eines Traums ist nämlich immer konkret und gleichzeitig von emotionaler Bewegung bis hin zu großen Gefühlen begleitet.
Es ist also nicht einfach so, dass man bestimmten Traumbildern bestimmte Bedeutungen – wie beim Vokabellernen – zuordnen muss, um einen Traum verstehen zu können.
Sagt die simple oder normative Traumdeutung von den alten Ägyptern bis hin zur heutigen populärwissenschaftlichen Traumdeutung in Zeitschriften und Magazinen, dass jeder Traum grundsätzlich und schematisch deutbar sei, so besagt die andere extreme Haltung, der oft in der Psychoanalyse gehuldigt wird, dass jeder Traum so individuell sei, dass er nicht unabhängig von den tiefen persönlichen Erfahrungen des Träumers zu verstehen sei.
Beide Standpunkte sind richtig, und dennoch schließen sich zugleich das normative und das individuelle Vorgehen gegenseitig aus. Der dänische Physiker Niels Bohr (1885–1962) stellte fest, dass etwas nur dann wahr sei, wenn auch dessen Gegenteil wahr sei. Aus dieser Aussage können wir eine ganz wesentliche Grundhaltung für die Traumdeutung ableiten: Die Wahrheit ist immer paradox, oder wie es der holländische Schriftsteller Eduard Douwes Dekker (1820–1887) in einem Lieblingszitat C. G. Jungs ausdrückte:
»Nichts ist im Grunde ganz wahr,
selbst das ist nicht ganz wahr.«
Hier treffen wir auf eine Parallele, die typisch für die Traumdeutung ist: Die Aussagen der modernen tiefenpsychologischen Traumdeutung und die der analytischen Psychologie ähneln oft verblüffend denen der Relativitätstheorie und der Quantenphysik. So verwundert auch nicht die enge Freundschaft zwischen C. G. Jung und dem österreichischen Physiker und Nobelpreisträger Wolfgang Pauli (1900–1958).
Wenn Albert Einsteins allgemeine Relativitätstheorie unter anderem besagt, dass der einzig objektive Standpunkt der subjektive des Beobachters sei, so gilt und bewährt sich dieser Satz vorzüglich in der Traumdeutung.
Sollte unser physikalisches Universum und das des Traums den gleichen Gesetzen folgen?
Dies lässt sich auch auf den Widerspruch von Deutbarkeit und Undeutbarkeit des Traums übertragen. Dass eine Aussage nur dann wahr ist, wenn ihr Gegenteil ebenfalls wahr ist, besagt auf den Traum bezogen, dass ein Traum einerseits allgemein deutbar ist, andererseits auch von der individuellen Erfahrung des Träumers abhängt. So kann ein Traum zum einen mittels allgemeiner normativer Kriterien gedeutet werden, zum anderen kann er – selbst in seinen tiefsten Schichten – am besten durch den Träumer verstanden werden.
Ich hoffe, mit diesem kleinen allgemeinen Ausflug verdeutlicht zu haben, dass es viele Verstehens- und Verständnisweisen eines Traums gibt. Lassen Sie sich nie von einem anderen (und auch nicht von sich selbst) einreden, dass diese oder jene Deutung Ihres Traums die einzig richtige sei.
Ich möchte Ihnen als Arbeitshaltung zur Traumdeutung mit diesem Buch vermitteln, dass Sie sich für viele Deutungsmöglichkeiten öffnen und nicht verbissen an einer Sicht Ihres Traums festhalten. Das Verstehen eines Traums hört niemals auf. Vernünftigerweise beschließt man jedoch aus praktischen Gründen (zum Beispiel aus Zeitmangel) nach einer gewissen Beschäftigung mit einem Traum, diesen als gedeutet oder undeutbar anzusehen.
Ein wichtiger Tipp:
Wenn Sie mit Ihren Träumen arbeiten, beschäftigen Sie sich mit Ihrem Nachtbewusstsein. Seinem Nachtbewusstsein muss man sich wie eine Heldin beziehungsweise wie ein Held furchtlos nähern. Sobald wir uns vor unserem Nachtbewusstsein zu fürchten beginnen, droht es verlorenzugehen: Denn dann verschwindet das Nachtbewusstsein und mit ihm die Bilder der Nacht. In dieser Situation ist keine Traumdeutung mehr möglich, denn sie setzt voraus, dass das Nachtbewusstsein sichtbar ist und es auch für eine Weile bleibt. Nur ein sichtbares Nachtbewusstsein kann vom Tagesbewusstsein erfasst und integriert werden.
Auf der Ebene des Nachtbewusstseins gibt es, wie schon der heilige Augustinus (354–430) feststellte, keine Moral und somit weder Gut noch Böse – also gibt es dort auch nichts zu fürchten.
Zu folgender Einstellung würde ich Ihnen bei der Traumdeutung raten:
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Treten Sie furchtlos den Bildern Ihres Nachtbewusstseins gegenüber.
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Werten Sie Ihre Traumbilder und Träume nicht. Sie befinden sich in einem Bereich jenseits von Gut und Böse; Träume stellen eine mehr oder weniger objektive Zustandsbeschreibung dar.
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Versuchen Sie, sich Ihr Nachtbewusstsein so bewusst wie möglich zu machen. Ein unbewusstes Nachtbewusstsein kann Sie von allen Seiten aus angreifen. Traumdeutung heißt spätestens seit Sigmund Freud, sich sein Nachtbewusstsein mit klarem Bewusstsein anzusehen.
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Öffnen Sie sich dafür, dass Ihr Nachtbewusstsein Ihnen viele unterschiedliche und eventuell auch paradoxe Sichtweisen der Welt vermittelt. Also treten Sie nicht erstarrt und mit fester Meinung dem Traum gegenüber.
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Verhalten Sie sich dem zu deutenden Traum gegenüber so naiv wie möglich, das heißt, ohne Vorurteil, ohne feste Meinungen und ohne Moral.
Dieses Arbeitsbuch wird Ihnen dabei helfen:
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mit einer fruchtbaren Haltung Ihrem Nachtbewusstsein beziehungsweise Ihren Träumen...
Erscheint lt. Verlag | 4.10.2011 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Esoterik / Spiritualität |
Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebensdeutung | |
Geisteswissenschaften | |
Schlagworte | Entwicklung • Inspiration • persönliche • Persönliche Entwicklung • Persönlichkeitsentwicklung buch • Symbole • Traumdeutung • Traumdeutung Buch • Träume deuten • Träume verstehen • Traumforschung • Traumsymbole • Traumsymbole verstehen |
ISBN-10 | 3-426-41091-5 / 3426410915 |
ISBN-13 | 978-3-426-41091-2 / 9783426410912 |
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Größe: 736 KB
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