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Meine Inselbuchhandlung (eBook)

Zwischen Bodden und Brandung

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eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
224 Seiten
Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
978-3-95910-270-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Meine Inselbuchhandlung -  Petra Dittrich
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Direkt am kleinen, trubeligen Marktplatz von Gingst auf der schönen Insel Rügen hat sich die Rüganerin Petra Dittrich ihren Lebenstraum erfüllt: Nach zwanzig turbulenten Jahren in der Großstadt eröffnet sie hier ihre erste eigene Buchhandlung - trotz Risiken und Nebenwirkungen. Ihr Laden wird zu einem Wohnzimmer, für sie selbst sowie für all die Menschen, die sie hier besuchen und sich von ihr inspirieren lassen. Nach einem Morgenspaziergang am Meer bei Sturm und Regen wärmt sie sich mit einer Tasse Tee im Laden auf und begrüßt ihre Kundschaft mit einem Glas Sanddornlikör. Die Buchhändlerin hat für alle Lebenslagen das richtige Buch parat. Zu ihren Kund*innen gehören liebe und schräge Buchliebhaber*innen - eingefleischte Insulaner*innen ebenso wie Tourist*innen. Belohnt wird sie mit Marmelade aus Nachbars Garten, persönlichen Gesprächen und mit dem Deutschen Buchhandelspreis - zweifach! Und wenn Petra Dittrich mal frei hat, genießt sie den ganz besonderen Charme der Insel und zieht sich zum Lesen in die Dünen zurück.

Petra Dittrich wurde 1973 in Bergen auf Rügen geboren. Sie ist seit zwanzig Jahren Buchhändlerin und arbeitete als solche in Berlin und Hamburg. 2009 eröffnete sie ihre eigene - inzwischen preisgekrönte - Buchhandlung »Der Buchladen Rügen«. Bevor sie sich für den Buchhandel entschied, arbeitete sie u.a. im Friedrichstadt-Palast, auf einem Theaterschiff und bei einem Stuckateur.

Petra Dittrich wurde 1973 in Bergen auf Rügen geboren. Sie ist seit zwanzig Jahren Buchhändlerin und arbeitete als solche in Berlin und Hamburg. 2009 eröffnete sie ihre eigene – inzwischen preisgekrönte – Buchhandlung »Der Buchladen Rügen«. Bevor sie sich für den Buchhandel entschied, arbeitete sie u.a. im Friedrichstadt-Palast, auf einem Theaterschiff und bei einem Stuckateur.

Ich bin eine von hier


Ich bin ein Inselkind. Und ein Dorfkind. Rügen ist für mich Heimat, auch wenn es mich als junge Frau fortzog und mir die Insel damals viel zu klein für all meine Sehnsüchte und Träume erschien. Wie hat mich meine Jugend geprägt? Wäre ich ein anderer Mensch geworden, wenn ich in Berlin aufgewachsen wäre? Das frage ich mich manchmal und spüre schnell, dass ich hierhergehöre. Die Ruhe, die Stille, die Weite, der Himmel, die Tiere – das war und ist meine Welt. Alles, was es mir schwer macht, es auf Dauer in einer Großstadt auszuhalten, gibt es hier nicht. Über Felder und Wiesen reiten, bei jedem Wind und jedem Wetter, durch die Wälder streifen … die einsamen Strände am Abend, wenn sich alle in ihre Häuser und Hotels zurückgezogen haben. Im Winter herrscht bei uns wunderbare Stille, es ist weiß und eisig kalt, manche sagen gar, das entspreche dem Naturell der Einheimischen am besten …

Am 9. Januar 1973 bin ich geboren, im Sternzeichen des Steinbocks. Dessen Vertreter sind, heißt es, ausdauernd, beharrlich, belastbar und bodenständig – Eigenschaften, die ich gern akzeptiere. Aufgewachsen bin ich in Samtens, einer zwanzig Kilometer nordöstlich von Stralsund und gut zehn Kilometer südlich von Gingst gelegenen Gemeinde, die Verwaltungssitz des Amtes West-Rügen ist. Rund zweitausend Einwohner leben da heute; der auf slawische Wurzeln zurückgehende Ortsname soll »einsam« bedeuten. Das war ich als Kind selten, schließlich bin ich mit fünf Geschwistern aufgewachsen, in – wie man so leichthin sagt – einfachen Verhältnissen. Meine Eltern waren, wie es in der DDR an der Tagesordnung war, beide berufstätig: mein Vater als Schlosser, meine Mutter als Agrarökonom. Nein, eigentlich sollte ich Agrarökonomin sagen, doch mit »geschlechtergerechter Sprache« hatte man in der DDR nichts am Hut. Männliche Berufsbezeichnungen schlossen Frauen automatisch ein. Immerhin würde ich mich selbst heute als Buchhändlerin bezeichnen, klar.

Wer durch das Samtens der Gegenwart fährt, muss die Zeit zurückdrehen, um zu verstehen, wie es hier vor fünfzig Jahren aussah. Beschaulich, ja idyllisch ist die Gegend immer noch, doch durch die Nähe zur neuen, 2015 eingeweihten Bundesstraße 96 ist das südliche Samtens vor allem in den Sommermonaten zum Verkehrsknotenpunkt geworden. Lange, nervende Staus sind keine Seltenheit.

Das war in meiner Jugend anders, zum Glück. Wir sind in einem Reetdachhaus aufgewachsen, inmitten von Tieren aller Art: Schweine, Ziegen, die die Milch gaben für die abgesetzten Schweineferkel ohne Muttersau, Gänse, Enten, Kaninchen, Katzen, Hunde, Hühner … Obwohl meine Eltern keine Landwirtschaft im eigentlichen Sinn betrieben, gehörten die Tiere zu uns – und die Natur. Einschränkungen kannte ich kaum. Ich eroberte mir schon als Kind die Umgebung und fand überall genügend Anregungen. Soweit ich zurückdenken kann, glich unser Hof einem Abenteuerspielplatz. Ständig wurde etwas gebaut oder restauriert, und so breiteten sich an allen Ecken und Enden Sandhaufen, Bauschutt, Holzbretter und Schilfrohr aus – wunderbares Material für ein ohnehin kaum zu bändigendes Kind, wie ich eines war. Aus all den Fundstücken auf unserem Hof ließ sich immer wieder Neues und Spannendes bauen, Burgen, Höhlen, Verschläge, Unterstände …

Ich war gewissermaßen ein Pippi-Langstrumpf-Kind. Wie Astrid Lindgrens wunderbare Heldin ließ ich mich kaum zähmen, und Vorschriften, die mir nicht einleuchteten, gingen mir gegen den Strich. Meine Freunde sagen übrigens, daran habe sich bis zum heutigen Tag nichts geändert … Alle Versuche, mir Puppen und rosafarbene Kleidchen schmackhaft zu machen, waren zum Scheitern verurteilt. Stattdessen ignorierte ich solche Rollenklischees und führte mich, wenn man so will, eher wie ein Junge auf. Das heißt, ich hielt mich, wann immer es möglich war, an der frischen Luft auf, eroberte meine Umgebung und ließ es an Lautstärke nicht fehlen. Die Nachbarjungs und mein Zwillingsbruder Peter hatten in mir eine verlässliche Kumpanin. Ich kletterte auf Bäume, und meine Mutter hörte schnell auf, sich abends über meine aufgeschlagenen Knie zu wundern. Pflaster und Jodtinktur standen für mich immer bereit.

Wenn es um Kinder- und Bandenspiele ging, konnte ich mich als Pippi von Samtens schwer damit abfinden, in der zweiten Reihe zu stehen. Ich verstand mich – ehrlich gesagt – schon damals als Anführerin und gab den anderen gern Anweisungen, was zu tun war. Die kleine Petra Dittrich als Häuptling der Apachen oder als Old Shatterhand, das empfand ich als eine mir gemäße Rolle. Vor allem aber hatte es mir Sandokan – Der Tiger von Malaysia angetan, eine TV-Abenteuerserie nach den Romanen des Italieners Emilio Salgari, die 1981 auch im DDR-Fernsehen lief. Der indische Schauspieler Kabir Bedi spielte darin den Piraten und Freiheitskämpfer Sandokan. Zusammen mit treuen Gefährten gegen böse Kolonialherren und schreiende Ungerechtigkeit zu kämpfen, das gefiel und lag mir, und damit floh ich an vielen Nachmittagen aus der Enge Samtens’ in die weite Welt. Anführerin, wie gesagt, wollte ich sein – und wenn das nicht klappte, dann wenigstens die Frau des Anführers. Darunter sah ich meinen Platz nicht.

Ach, wenn wir gerade bei diesem Thema sind: 1983 wurde im DDR-Fernsehen die erste Folge von Die Rache des Samurai ausgestrahlt: Der Samurai Aoi Tsukinosuke, Sohn einer reichen und angesehenen Familie aus der Stadt Edo, kämpft Mitte des 17. Jahrhunderts gegen das japanische Feudalsystem. Einen Tag nach seiner Hochzeit muss er in den Krieg ziehen, wo er Opfer einer Intrige wird. Als er zehn Jahre später nach Edo zurückkehrt, schwört er blutige Rache … Ja, damals hatte ich eine große Schwäche für alle Abenteuer, die im fernen, unerreichbaren Asien spielten – eine Leidenschaft, die sich dann irgendwann verflüchtigt hat. Genauso wie meine Lust auf Comics, von denen ich als Mädchen nicht genug bekommen konnte. Die Digedags, Helden der legendären Mosaik-Comics in der DDR, zählten einst zu meinen besten Freunden. Wenn ich heute in den alten Bänden blättere, weiß ich noch recht genau, was mich daran früher begeisterte, doch meine Liebe zu Comics hat die Jahre nicht überdauert …

Kleiner Onkel, so heißt Pippi Langstrumpfs Apfelschimmel (zumindest in der von mir heiß geliebten Verfilmung), der mit Vorliebe Möhren frisst und auf der Veranda lebt. Ein eigenes Pferd zu besitzen, das habe ich zwar bis heute nicht geschafft, aber mit meiner Liebe zu diesen Tieren lag ich mit Pippi auf einer Wellenlänge. Und so war es ein großes Glück, als die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) damals ganz in der Nähe von Samtens einen Pferdestall baute. Von da an waren meine Nachmittage verplant, und meine Mutter wusste, wo ich anzutreffen war. Sobald die Schule aus war, fuhr ich mit dem Rad in den fünf Kilometer entfernten Stall und hielt mich Tag für Tag, manchmal bis zu fünf Stunden, dort auf. Das war mein zweites Zuhause. Selbst am Sonntag war ich nicht zu bremsen und fand mich schon morgens gegen acht Uhr zum Ausmisten ein.

Zu »meinem« Kleinen Onkel wurde bald ein Wallach namens Joker, dem ich nicht von der Seite wich. Mit ihm im Stall zu sein, das war meine eigentliche Heimat. Dieses wunderbare Pferd werde ich nie vergessen. Die Lust am Reiten ist mir geblieben; heute liebe ich es, mit einem Friesen durch die strahlenden Rapsfelder auf Rügen zu reiten. Von anderen – kleineren – Tieren, die aus meinem Leben nicht wegzudenken sind, erzähle ich später noch.

Trotz meiner Leidenschaft für Pferde blieb Zeit für andere Dinge, und schon damals zeigte sich ein Interesse, das ich viele Jahre später zum Beruf machen durfte. Die wenigen Bücher, die es bei uns zu Hause gab, reichten mir bald nicht mehr. Daher machte ich mich in die Bibliothek auf und lieh mir Bücher von Mitschülern aus. So entstand nach und nach eine intensive Liebe zur Literatur, zu den Büchern – eine lebenslange Leidenschaft.

Zwei Frauen vor allem waren es, die als Vermittlerinnen für mich wichtig wurden. Irmgard Stiboi leitete die winzige Bücherei von Samtens, die ich Schritt für Schritt erkundete. Während ich die wenigen Regale abging und deren Bestände genau prüfte, saß sie oft vor der Bibliotheksbaracke und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Aus heutiger Sicht war diese unscheinbare Bücherei nicht der Rede wert und hatte wenig zu bieten. Doch für mich gab es allemal genug, und ich fand es großartig, mich dort in Ruhe umsehen, erste Leseerfahrungen machen zu können. Was einem als Kind prächtig erscheint, verliert ja erst im Nachhinein an Größe. Orte für meine Lektüren gab es viele: in der Bibliothek selbst oder in meinem Zimmer, auf der Hollywoodschaukel im Garten oder im Indianerzelt.

Mindestens so wichtig wie Frau Stiboi war für mich die wunderbare Deutschlehrerin Frau Haak, die mir zeigte, was einem die Literatur zu schenken vermag. Wer in überschaubaren Verhältnissen auf dem Dorf aufwächst, braucht – vor allem, wenn man so wie ich gestrickt ist – seine kleinen Fluchten, die die Enge vergessen lassen. Und wenn mein Horizont damals zwangsläufig kaum über Samtens und seine Umgebung hinausreichte, so lernte ich in den Büchern fremde Welten und Gefühle kennen. Frau Haak führte mich vor allem an die russischen Dichter heran, Tolstoi und Aitmatow zum Beispiel – eine bis heute andauernde Faszination, die von Tag zu Tag gewachsen ist. Als meine Deutschlehrerin später nach Moskau ging, blieben wir in Verbindung und schrieben einander.

Noch ein kleiner Nachtrag zu meiner Schulzeit, nicht zuletzt als Beleg dafür, dass ich mich...

Erscheint lt. Verlag 6.3.2020
Reihe/Serie Sehnsuchtsorte
Sehnsuchtsorte
Sehnsuchtsorte
Co-Autor Rainer Moritz
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseberichte Deutschland
Reisen Reiseführer Europa
Schlagworte Bibliophil • Bibliophilie • Bücherparadies • Buchhändlerin • Buchhandlung • Der Buchladen • Eden Books • Engagement • Inselleben • Katzen • Küste • Lebenstraum • Leidenschaft • Leselust • Leseparadies • Mecklenburg-Vorpommern • Ostsee • Rügen • Sehnsuchtsort • Tourismus
ISBN-10 3-95910-270-4 / 3959102704
ISBN-13 978-3-95910-270-4 / 9783959102704
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