Scheiß-Angst (eBook)
224 Seiten
Community Editions (Verlag)
978-3-96096-296-0 (ISBN)
Reizdarm und andere P(r)obleme? #kackfluencerin Kiki hilft!
Karina alias Kiki ist online als Kikidoyouloveme unterwegs und hat sich innerhalb kürzester Zeit eine riesige Community aufgebaut. Die selbst ernannte »Kackfluencerin« leidet unter dem Reizdarm-Syndrom sowie Panikattacken und teilt auf ihren Kanälen alles rund um Stuhlgang, Durchfall, Blähungen, Darmerkrankungen, mentale Gesundheit & Co. Ihr Ziel: diese in der Gesellschaft so schambehafteten Themen zu enttabuisieren.
<p>Karina Spiess aka Kiki ist online als Kikidoyouloveme unterwegs und hat sich innerhalb kürzester Zeit eine große Community auf Instagram und TikTok aufgebaut. Die selbst ernannte »Kackfluencerin« leidet unter dem Reizdarm-Syndrom sowie Panikattacken und teilt sich auf ihren Kanälen zu Stuhlgang, Darmerkrankungen, Blähungen und Durchfall mit. Ihr Ziel: Diese in der Gesellschaft so schambehafteten Themen zu enttabuisieren.</p>
Auslandsjahr mit Hindernissen
Wie ein Jahr in Amerika alles veränderte
Meine Organisation teilte die Austauschschüler*innen für die ersten drei Tage auf Gastfamilien auf, die nah beieinanderwohnten. Los Angeles ist riesig und wir hatten in den ersten Tagen gemeinsame Seminare, auch um uns untereinander besser kennenzulernen. Ich wurde mit einem anderen deutschen Austauschschüler, den ich bereits aus meinen Vorbereitungsseminaren in Deutschland kannte, einer Familie zugeteilt. Die Gastmutter Anna holte uns in einem großen Tesla ab. In mein Tagebuch schrieb ich: „Es hat sich angefühlt wie in einem Raumschiff!“ Wir fuhren nach Santa Monica und bogen in eine unfassbar schöne Straße ein. Rechts und links standen Palmen, eine Villa größer als die andere, es sah aus wie in einem Hollywoodfilm. Und auf einmal fuhren wir in die Auffahrt einer dieser Villen. Ich komme aus einem kleinen Ort bei Hamburg – Vorstadtfeeling, viele kleine Einfamilienhäuser, bloß nicht zu viel Protz. Was sollten sonst schließlich die Nachbarn denken?!
Hier aber tauchte ich für die nächsten drei Tage in eine andere Welt ein. Wir hatten eine Haushälterin, die uns morgens Frühstück zubereitete, ich hatte ein riesiges Zimmer mit eigenem Bad und verbrachte viel Zeit am hauseigenen riesigen Pool. Anna zeigte uns ein paar wunderschöne Spots in Santa Monica und wir aßen in teuren, edlen Restaurants. Als ich die Nummer 76 bestellte, schaute mich die Kellnerin an und flüsterte mir zu: „Honey, that’s not the number, that’s the price.“ Ich glaube, ich habe noch nie etwas so Teures gegessen.
An einem Nachmittag erkundete ich das Haus. Ich stand in einem riesigen Zimmer mit vielen Schallplatten an den Wänden und einer Vitrine voller verschiedener Trophäen. Ich dachte mir nichts weiter dabei, sondern war schlicht beeindruckt von diesem wunderschönen Haus.
Am nächsten Tag bot uns der Gastvater James an, mit ihm zur Arbeit zu kommen. Mich interessierte, was er beruflich machte, da wir das noch nie angesprochen hatten. Er verriet uns, er sei Komponist und wir könnten ihn ins Tonstudio begleiten. Nachdem wir durch das Security Gate gefahren waren, fragte ich mich: „Wo bin ich denn hier gelandet?“ Ich kann dir sagen, wo ich gelandet war: bei James Newton Howard höchstpersönlich – dem Komponisten der Musik von The Hunger Games, Pretty Woman, King Kong, Peter Pan, Emily in Paris und und und. Zwei Nächte hatte ich im Haus dieses Mannes verbracht, der unzählige Auszeichnungen gewonnen hatte und für mehrere Oscars nominiert worden war. Ich aber hatte keine Ahnung gehabt, wer da gerade vor mir saß und mit welchen Menschen dieser Mann arbeitete und befreundet war.
Diese drei Tage waren unglaublich beeindruckend und ich wäre unfassbar gern dortgeblieben. Am Abend des dritten Tages trafen wir uns mit der Organisation und den anderen Austauschschüler*innen am Hermosa Beach, um endlich unsere eigentlichen Gastfamilien kennenzulernen. Wir waren alle furchtbar aufgeregt.
Ich erinnere mich gut daran, wie alle ihre jeweilige Gastfamilie begrüßten, sich mit ihnen unterhielten, um dann gemeinsam zum neuen Zuhause zu fahren. Bei mir war das anders: Manfred, der Studienfreund meines Vaters, holte mich einige Stunden zu spät ab und erklärte mir, dass seine Ex-Frau noch nicht bereit sei, mich zu empfangen, und ich daher die ersten drei Wochen bei ihm wohnen würde. Er wohnte direkt in Santa Monica, auf einem großen Grundstück mit vielen kleinen Häusern, eins davon bewohnte er mit drei anderen Männern und einem sechzehnjährigen Pflegejungen. Mein Bett stand auf einem Dachboden ohne Zimmertür, dafür aber mit Ameisen als Mitschläfer. Auch das Bad, das ich mir drei Wochen lang mit vier fremden Männern teilen musste, war nicht abschließbar. Außerdem waren die Fensterscheiben hinter der Dusche kaputt und man konnte durch einige Stellen hindurchschauen. Ich fühlte mich unwohl. Es war das erste Mal in meinem Leben, das ich mich nicht sicher fühlte.
Eines Nachts hörte ich Schritte oben auf dem Dach, als würde jemand über das Dach rennen. Hin und her. Wie in einer Schockstarre blieb ich im Bett liegen, als ich begriff, dass ich selbst die Fenster zum Dachboden nicht von innen verschließen konnte – die Person auf dem Dach könnte also einfach in mein Zimmer kommen. Irgendwann war der Spuk zwar vorbei, aber in diesen Minuten dachte ich wirklich, dass ich jeden Moment überfallen werden würde. Schlafen konnte ich jedenfalls nicht mehr. Als ich am nächsten Morgen Manfred davon erzählte, erwiderte er lachend, dass dieser Mann in der Gegend schon bekannt sei und das häufiger vorkomme. Ich wollte mit niemandem darüber sprechen, wie unsicher ich mich dort fühlte; meinen Eltern sagte ich, dass alles gut sei, schließlich war es der Freund meines Vaters. Auch meinen Freund*innen gegenüber war ich unehrlich, denn ich wollte den Schein des „coolen LA-Austauschs“ wahren. Von den anderen Austauschschüler*innen hörte ich nur Gutes und so behielt ich mein ungutes Bauchgefühl erst einmal für mich.
Ich hatte das große Glück, dass eine Bekannte des einen Mitbewohners ein Praktikum in LA machte und auch kurze Zeit in einem der kleinen Häuser wohnte. Lilith war in meinem Alter, wir freundeten uns schnell an und ich verbrachte die meiste Zeit bei ihr. Wir erkundeten zusammen Santa Monica, die Strände, Restaurants und die süßen Boutiquen, gingen zusammen in die Universal Studios, schauten Filme und kochten. Unsere Leibspeise: Lachs mit Avocado und Salat, dazu Wassermelone und eingefrorene Weintrauben. Mit ihr kam endlich das Gefühl auf, das ich mir monatelang vorgestellt hatte: Kalifornien, Sonne, Salzwasser, leckeres Essen und unfassbar nette Menschen. Ich gewöhnte mich daran, ohne Zimmertür zu schlafen, kaufte mir im Dollar Store gegenüber ein Mittel gegen Ameisen und nutzte im Haus meiner Freundin die Toilette und Dusche. Auch der nachts über Dächer springende Mann tauchte nicht wieder auf – zumindest bekam ich es nicht mit. Der Sommer neigte sich dem Ende zu, auch wenn man das in Los Angeles gar nicht wirklich spürt.
Es war endlich Zeit, meine richtige Gastfamilie kennenzulernen, schließlich ging in ein paar Tagen die Schule los. Ich erinnere mich gut, wie ich den Wohnkomplex betrat, in dem ich nun ein Jahr zu Hause sein sollte. Es gab einen Pool, ein Fitnessstudio und die Wohnungen sahen neu aus. Der Wohnkomplex war ca. dreißig Minuten Fußweg entfernt von meiner High School und fünfzehn Minuten Fußweg entfernt vom Strand. Es schien alles so perfekt!
Dann lernte ich endlich meine Gastmutter kennen. Sie empfing mich mit einem belgischen Akzent und den „herzlichen“ Worten: „Hi Karina. Here you can find the broom (Besen) and the vacuum cleaner (Staubsauger). It would be nice if you cleaned the apartment.“ Sie zeigte mir mein Zimmer, in dem weder ein Bett noch ein Schrank stand.
Kate war mit ihrem Sohn Joshua vor Kurzem in die neue Wohnung eingezogen, weshalb es noch keine Möbel für mich gab. Es war also nichts vorbereitet und wir mussten erst einmal ein Bett für mich kaufen. Kates Empfang war nicht sonderlich herzlich und ich hatte in keinster Weise das Gefühl, dass sie sich auf mich gefreut hatte. So hatte ich mir das alles nicht vorgestellt. Meine Illusion einer Gastfamilie, die sich auf mich freute, mir die Kultur näherbrachte und gern Zeit mit mir verbrachte, zerplatzte schnell. Ich merkte, dass ich unerwünscht war, dass ich Kate zur Last fallen würde – auch finanziell.
Eigentlich war von der Organisation vorgeschrieben, dass Gastfamilien kein Geld von den Austauschschüler*innen erhielten, um zu vermeiden, dass sie des Geldes wegen fremde Jugendliche aufnahmen. Bereits am ersten Tag aber meinte Kate zu mir, dass ich monatlich für Essen, Strom und Wasser aufkommen müsste. Auch zur Schule müsste ich selbst laufen. Es gab keinen Bus, aber ich hatte auch kein Fahrrad oder etwas Ähnliches. Sie stellte von Anfang an klare Regeln auf: kein Kontakt zu Jungs, ich müsste mir eine Nachmittagsbeschäftigung suchen, damit ich nicht zu viel allein zu Hause sein würde, müsste gute Noten haben (auch wenn ihr das komplett egal sein könnte) und dürfe nicht zu spät nach Hause kommen.
Außerdem schrieb sie mir vor, ich solle mich sportlich betätigen. Sie sagte mir immer wieder, dass ich Sport machen müsste, damit ich fitter und durchtrainierter aussähe und eine Beschäftigung hätte. Ich war zu dem Zeitpunkt jedoch sehr dünn, fühlte mich nicht wirklich wohl in meinem Körper und diese Worte gaben mir ein ungutes Gefühl. Ich versuchte, mich mit der Situation zu arrangieren, fokussierte mich auf die schönen Aspekte: Ich ging jeden Tag an den Strand, verbrachte viel Zeit am Pool und lernte Joshua, der ein Jahr jünger war als ich, besser kennen. Wir verstanden uns sehr gut.
Nach ein paar Tagen in meinem neuen Zuhause waren die Sommerferien vorbei und die Schule fing an. Eine richtige Highschool, wie man sie aus Filmen kennt: mit eigenen Schließfächern, einer großen Mensa und sehr süßen Footballspielern. In Deutschland besuchte ich eine Schule mit ca. 950 Schüler*innen der Klassen fünf bis zwölf. Behütet und sicher. Meine neue Schule aber besuchten ca. 3200 Schüler*innen der Klassen neun bis zwölf. Du kannst dir vielleicht vorstellen, wie es sich anfühlt, als „Neue“ mit so vielen pubertierenden Teenager*innen zusammengeworfen zu werden – die reine Überforderung. Alle wussten, wer ich war. Die neue deutsche Austauschschülerin mit den langen blonden Haaren.
Ich erinnere mich noch gut an die Blicke meiner...
Erscheint lt. Verlag | 30.6.2023 |
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Co-Autor | Ekaterina Spiess |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Innere Medizin | |
Schlagworte | Anxiety • Bauch • Beschwerden & Krankheiten • Blähungen • Darm • Darmgesundheit • Darm mit Charme • Darmprobleme • Depression • Durchfall • Gastroenterologie • Gesundheit • Gesundheitsmedizin • Junge Erwachsene • Magen • Medizin • mentale Gesundheit • Nervensystem • Organe • Panikattaken • Psychologie • Ratgeber • Reizdarm • Sachbuch • Spezielle Diäten • Tabubruch • Unverträglichkeiten |
ISBN-10 | 3-96096-296-7 / 3960962967 |
ISBN-13 | 978-3-96096-296-0 / 9783960962960 |
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Größe: 8,0 MB
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